Pfändung
schuldnerfremder Forderungen und echte Treuhand: Keine Einwendungen des
Drittschuldners ex iure tertii
BGH, Urteil vom 21.
September 2006 - IX ZR 23/05
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Im Drittschuldnerprozess
kann der Beklagte grundsätzlich nicht einwenden, ein Dritter habe an dem
gepfändeten Recht oder der gepfändeten Forderung ein die Veräußerung
hinderndes Recht.
Zentrale Probleme:
Im Mittelpunkt des etwas komplizierten Sachverhaltes steht
ein grundlegendes und auch examensrelevantes Problem des
Zwangsvollstreckungsrechts. Es geht - vereinfacht (der Fall ist eingekleidet
in die Pfändung eines Gesellschaftsanteils, die von der Struktur her wie
eine Forderungspfändung funktioniert) - um folgende Frage:
Wenn der Vollstreckungsgläubiger eine Forderung des Vollstreckungsschuldners
pfändet und sich zur Einziehung überweisen läßt (§§ 829, 835 ZPO), kann er
die Forderung gegen den Drittschuldner im eigenen Namen geltend machen (§
836 I ZPO). Stand die Forderung gar nicht dem Vollstreckungsschuldner zu,
sind Pfändung und Überweisung unwirksam. Dies kann der Drittschuldner dem
Vollstreckungsgläubiger entgegenhalten (fehlende Aktivlegitimation). Zahlt
er dennoch an den Vollstreckungsgläubiger, wird er gegenüber dem wahren
Gläubiger der gegen ihn gerichteten Forderung nicht befreit (s. BGH NJW
1988, 495, § 836 II ZPO gilt nur im Verhältnis zum Vollstreckungsschuldner).
Nicht entgegenhalten kann der Drittschuldner jedoch, daß der
Vollstreckungsschuldner zwar Forderungsinhaber war, die Forderung aber nur
treuhänderisch für eine andere Person hält. Dabei handelt es sich zwar um
ein die Veräußerung hinderndes Recht i.S.v. § 771 ZPO, jedoch kann dies nur
derjenige geltend machen, der dieses Recht innehat (d.h. der jeweilige
Treugeber). In der vorliegenden Konstellation würde damit der Drittschuldner
keine eigene Einwendung, sondern die eines Dritten geltend machen. Das ist
außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Fälle nicht zulässig. Es besteht auch
kein Bedürfnis hierzu, weil in dieser Treuhandkonstellation der
Drittschuldner durch die Zahlung an den Vollstreckungsgläubiger befreit wird
(der Vollstreckungsschuldner ist ja Inhaber der Forderung, Pfändung und
Überweisung sind wirksam, damit wird der Drittschuldner nach § 836 I ZPO
i.V.m. § 362 II, 185 BGB befreit, weil er an den richtigen Gläubiger zahlt)
und damit nichts riskiert.
Lediglich dann, wenn der wirkliche Treugeber (dh der "wirtschaftliche"
Inhaber der gepfändeten Forderung) nach § 771 ZPO die Zwangsvollstreckung
erfolgreich für unzulässig erklären läßt, kann der Drittschuldner nach § 766
ZPO Vollstreckungserinnerung einlegen (denn dann liegt ein Verfahrensfehler
vor, weil die Voraussetzungen der Vollstreckung nicht mehr vorliegen).
©sl 2006
Tatbestand:
1
Der Streithelfer war zusammen mit dem Beklagten Gesellschafter der E. GbR.
Die H. GmbH & Co. KG (fortan: Insolvenzschuldnerin) hatte gegen den
Streithelfer einen rechtskräftigen Titel über 143.616,23 € nebst Zinsen
erwirkt. In Vollstreckung dieses Titels ließ die Insolvenzschuldnerin den
vorbezeichneten Gesellschaftsanteil des Streithelfers nebst seinem Anspruch
auf das Auseinandersetzungsguthaben pfänden und sich zur Einziehung
überweisen.
2
Nach Kündigung des zur Einziehung überwiesenen Gesellschaftsanteils hat die
Insolvenzschuldnerin den Beklagten und die Gesellschaft, gegenüber der im
ersten Rechtszug die Klage zurückgenommen worden ist, auf Auszahlung des
Abfindungsguthabens in Höhe ihrer vollstreckbaren Forderung in Anspruch
genommen. Der Beklagte hat dagegen eingewandt, ein Anspruch des
Streithelfers gegen ihn bestehe nicht, weil dieser seinen
Gesellschaftsanteil nur als Treuhänder für seine Ehefrau erworben und
gehalten habe. Inzwischen sei dieses Treuhandverhältnis beendet worden.
3
Nachdem am 1. April 2004 über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt
worden ist, hat dieser den unterbrochenen Drittschuldnerprozess wieder
aufgenommen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die
hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen
Revision verfolgt der Beklagte sein Klagabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision ist unbegründet. 5
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Anteil des Streithelfers an dem
Vermögen seiner Gesellschaft mit dem Beklagten sei von der
Insolvenzschuldnerin rechtswirksam gepfändet und ihr zur Einziehung
überwiesen worden. Der Beklagte könne im Drittschuldnerprozess nach
fristloser Kündigung der Gesellschaft grundsätzlich nicht einwenden, der
Streithelfer (Vollstreckungsschuldner) sei nur Treuhänder; seiner
Treugeberin stehe am Vollstreckungsgegenstand ein die Veräußerung hinderndes
Recht im Sinne des § 771 ZPO zu. Ob eine Ausnahme anzuerkennen sei, wenn der
Beklagte sich auf eine aus dem Inhalt des Anspruchs selbst ergebende
Unpfändbarkeit berufe, brauche nicht entschieden zu werden, weil die
behauptete Treuhandabrede zwischen dem Streithelfer und seiner Ehefrau keine
treuhänderische Zweckbindung im Sinne des § 399 BGB enthalte. Es könne auch
dahinstehen, ob der Kläger unredlich gehandelt habe, wenn er zwar den
Drittschuldnerprozess, nicht aber die gegen die Insolvenzschuldnerin
gerichtete Drittwiderspruchsklage der Treugeberin aufgenommen habe. Ohnehin
liege keine eigentliche, die Vollstreckung hindernde Treuhand vor. Der
Gesellschaftsanteil, den der Streithelfer nach der Behauptung des Beklagten
als mittelbarer Vertreter für Rechnung der Treugeberin erworben habe, sei
ihm nicht aus ihrer Hand anvertraut worden.
II.
6
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung stand. Mit Recht hat das
Berufungsgericht den vom Kläger als Insolvenzverwalter erhobenen Anspruch
auf Auszahlung des Abfindungsguthabens zugesprochen. Dieser folgt nach
Pfändung des Gesellschaftsanteils und Überweisung zur Einziehung (§ 859 Abs.
1 Satz 1, § 857 Abs. 1, §§ 829, 835, 836 ZPO) durch Beschlüsse vom 9.
September 2002 und 25. September 2002 sowie fristloser Kündigung der
Gesellschaft gemäß § 725 Abs. 1 BGB aus § 4 Nr. 1, § 8 Nr. 3 und § 10 des
Gesellschaftsvertrages vom 28. Dezember 1998. Nach dem Ausscheiden des
Schuldners infolge Kündigung der Gesellschaft ist der
Vollstreckungsgläubiger nach § 836 ZPO ermächtigt, von dem verbleibenden
Gesellschafter, der Gesamtrechtsnachfolger der beendeten Gesellschaft wurde
(BGHZ 48, 203, 206; 71, 296, 300; BGH, Urt. v. 16. Dezember 1999 - VII ZR
53/97, NJW 2000, 1119), die vertragsgemäße Auszahlung des
Abfindungsguthabens zu verlangen (BGB-RGRK/v. Gamm, 12. Aufl. § 725 Rn. 6
ff; Palandt/Sprau, BGB 65. Aufl. § 725 Rn. 3; vgl. auch BGHZ 116, 222, 229
f). Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass der Vollstreckungsschuldner
den gepfändeten Gesellschaftsanteil entsprechend § 10 Fall 2 des
Gesellschaftsvertrages auf einen Dritten übertragen hat, der dann neben der
Gesellschaft das pfandverstrickte Abfindungsguthaben schulden würde.
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1. Die Pfändung des Gesellschaftsanteils des Streithelfers und des
Anspruchs auf das Abfindungsguthaben und die Überweisung zur Einziehung sind
wirksam.
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a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Revision, dass die Pfändung einer
Forderung oder eines Rechts nichtig ist, wenn Forderung oder Recht im
Zeitpunkt der Pfändung nicht bestehen oder dem Vollstreckungsschuldner nicht
zustehen (BGHZ 100, 36, 42; BGH, Urt. v. 26. Mai 1987 - IX ZR 201/86,
NJW 1988, 495; v. 12. Dezember 2001 - IV ZR 47/01, NJW 2002, 755, 757).
Allerdings kann die Treugeberin allein aufgrund des behaupteten (echten)
Treuhandvertrages nicht Inhaberin des Gesellschaftsanteils und des Anspruchs
auf das Abfindungsguthaben geworden sein. Gesellschafter und damit
Rechtsinhaber bei der echten Treuhand ist der Treuhänder, nicht der
Treugeber (vgl. BGH, Urt. v. 17. Juni 1991 - II ZR 261/89, WM 1991,
1753, 1754; Palandt/Heinrichs, aaO Überbl vor § 104 Rn. 25). Der Treuhänder
allein ist auch Gläubiger der innergesellschaftlichen Ansprüche, soweit sie
nicht zulässigerweise abgetreten worden sind.
9
b) Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht sich
verfahrenswidrig nicht mit der Behauptung des Beklagten auseinandergesetzt
habe, Inhaberin der gepfändeten Rechtsposition sei jedenfalls nach Abtretung
die Treugeberin gewesen. Zwar mag die Treuhand des Streithelfers
(Vollstreckungsschuldners) beendet und das Grundbuch des
Gesellschaftsgrundstücks bereits am 11. September 2002 auf die Treugeberin
berichtigt worden sein. Durch den dinglichen Arrest in das Vermögen des
Streithelfers und die Arrestpfändung in die Treuhandbeteiligung, die ihm am
22. August 2002 zugestellt worden sind, war jedoch eine spätere Abtretung
des gepfändeten Gesellschaftsanteils an die Treugeberin nach § 930 Abs. 1,
§§ 859, 857 Abs. 1, § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO gegenüber der
Insolvenzschuldnerin und dem Kläger relativ unwirksam.
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Seiner Darlegungslast dafür, dass die behauptete Abtretung des
Gesellschaftsanteils an die Treugeberin bereits vor dem Wirksamwerden der
Arrestpfändung stattgefunden hat, ist der Beklagte nicht gerecht geworden.
Das Berufungsgericht hat mithin entgegen der Ansicht der Revision § 286 ZPO
nicht verletzt; denn es brauchte dem rechtlich unzureichenden Sachvortrag
des Beklagten in diesem Punkt nicht weiter nachzugehen.
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2. Der Drittschuldner kann im Einziehungsprozess des
Vollstreckungsgläubigers nicht einwenden, ein Dritter habe an dem
gepfändeten Recht oder der gepfändeten Forderung ein die Veräußerung
hinderndes Recht gemäß § 771 ZPO.
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a) Die auf § 771 Abs. 1 ZPO zu stützenden Rechte Dritter können nach dem
Wortlaut nur diese dritten Personen selbst geltend machen, während der
Schuldner mit einer Einrede aus dem Rechte eines (anderen) Dritten nicht
gehört werden kann (RGZ 42, 343, 344 [zu § 690 CPO]). In dem Verfahren
der Drittwiderspruchsklage ist über materielle Rechte der Beteiligten zu
entscheiden (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen 2.
Aufl. Bd. 2 Abt. 1, S. 413 [zu § 639 CPO]). Das Bürgerliche Gesetzbuch
lässt nur ausnahmsweise, wie in § 768 Abs. 1 Satz 1, § 770, § 986 Abs. 1
Satz 1 Fall 2 BGB, Einreden aus dem Rechte eines Dritten zu (vgl.
Stammler in Festgabe der juristischen Fakultät Halle-Wittenberg für Dernburg
[1900], S. 89, 121, 126 f). Die gesetzlich geregelten Einreden, die von
dem Rechte eines Dritten abgeleitet sind, berühren regelmäßig allein das
Interesse des Einredeberechtigten und sind ihm zu seinem eigenen Vorteil
eingeräumt (Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts [1988] S. 286 f).
Ein berechtigtes Interesse des Drittschuldners, neben dem Rechtsinhaber
als Drittwiderspruchskläger zugelassen zu werden, besteht nicht (vgl. KG
OLGE 17 [1908], 190). Die Entscheidung, ob der Dritte überhaupt Rechte
geltend macht, muss diesem selbst überlassen bleiben (RGZ 42, 343, 344
f).
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b) Der Beklagte konnte auch nicht deshalb das Recht der Treugeberin im
Drittschuldnerprozess einwenden, weil er als Gesellschafter durch die
Kündigung des Vollstreckungsgläubigers von der Pfändung und Überweisung
unmittelbar betroffen war. Im Schrifttum wird zwar der
Vollstreckungsschuldner ausnahmsweise dann wie ein Dritter als
widerspruchsberechtigt angesehen, wenn er bei beschränkter Haftung dem
Zugriff auf nicht haftende Vermögensmassen entgegentreten will
(Stein/Jonas/Münzberg, ZPO 22. Aufl. § 771 Rn. 45; Wiec-zorek/Schütze/Salzmann,
ZPO 3. Aufl. § 771 Rn. 37). Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalles
liegen für den beklagten Drittschuldner aber nicht vor.
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3. Setzt der Vollstreckungsgläubiger bei erfolgreicher Widerspruchsklage
eines Dritten entgegen § 775 Nr. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung fort, kann
der Drittschuldner allerdings dagegen nach § 766 ZPO erinnern. Eine solche
Lage besteht hier indes ebenfalls nicht. Die unterbrochene
Drittwiderspruchsklage der Treugeberin ist nach Insolvenzeröffnung über das
Vermögen der Gläubigerin nicht aufgenommen worden.
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Die Revision beanstandet auch zu Unrecht, dass der Kläger im Hinblick auf
diese Rechtslage treuwidrig (§ 242 BGB) prozediere, wenn er dem Beklagten
entgegenhalte, dieser könne sich nicht auf das angebliche Recht der
Treugeberin an dem gepfändeten Gesellschaftsanteil berufen. Zwar hat der
Kläger den unterbrochenen Drittwiderspruchsprozess der Treugeberin gegen die
Insolvenzschuldnerin (Gläubigerin) nicht aufgenommen. Diese Entscheidung
durfte er jedoch der klagenden Treugeberin überlassen, die zur Aufnahme des
Rechtsstreits nach § 240 Satz 1 ZPO, § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO berechtigt war.
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