Voraussetzungen und Wirkungen des Annahmeverzugs
bei Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung und unter Vorbehalt der
Rückforderung; Erfüllungswirkung einer Zahlung unter Vorbehalt; Wegfall des
Schuldnerverzugs bei Annahmeverzug des Gläubigers; Voraussetzungen des
Schikaneverbots (§ 226 BGB)
BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR
35/11
Fundstelle:
NJW 2012, 1717
Amtl. Leitsatz:
Ein Gläubiger, der ein nicht
rechtskräftiges Berufungsurteil erwirkt hat, aus dem er nicht vollstreckt,
hat weiterhin Anspruch auf Verzugszinsen, wenn er die ihm zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung angebotene Zahlung des Schuldners zurückweist.
Zentrale Probleme:
In einer etwas komplizierten
prozessualen Situation eingekleidet geht es um folgende grundsätzliche
Probleme der Erfüllung und des Schuldner- und Annahmeverzugs: Kann der
Gläubiger eine Zahlung unter dem Vorbehalt der Rückforderung (hier: Zahlung
zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren
Urteil) zurückweisen, ohne in Annahmeverzug (§§ 298 ff BGB) zu geraten?
Wichtig war das hier, weil der Annahmeverzug nach h.M. den Schuldnerverzug
beendet und daher keine Verzugszinsen (§ 288 BGB) mehr zu zahlen sind (auf §
301 BGB käme es dann gar nicht mehr an. Er spielt dann nur eine Rolle für
Zinsen aus anderen Rechtsgründen als Verzug wie zB Vertragszinsen oder hier
ausgeurteilte Zinsen). Der Senat bejaht diese Frage. Zentrales Argument:
Eine Zahlung unter Vorbehalt hat keine Erfüllungswirkung nach § 362 BGB, so
dass hier auch kein ordnungsgemäßes Leistungsangebot i.S.v. § 294 BGB
vorliegt. Es fehlt damit an einer Grundvoraussetzung des Annahmeverzugs. Zu
diesen Leistungsvorbehalten ist folgendes zu beachten: Will der Schuldner
durch einen Vorbehalt der Rückforderung lediglich verhindern, dass für den
Fall des Nichtbestehens eine spätere Rückforderung nach § 814 BGB wegen
Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen ist, hindert das nicht die
Erfüllungswirkung, denn damit verwahrt er nur gegen die Deutung seines
Verhaltens, als wolle er ohne Rücksicht auf das Bestehen einer Verpflichtung
leisten. Da ein solcher Vorbehalt nichts an der Beweislast in einem
Rückforderungsstreit nach § 812 I BGB ändern würde (d.h. der Zahlende
hätte zu beweisen, dass die Forderung nicht bestand) hat die Zahlung
Erfüllungswirkung i.S.v. § 362 BGB (BGH NJW 1984, 2826). Will hingegen – wie
hier – ein solcher Vorbehalt dem Leistungsempfänger für einen
laufenden Prozess (so hier) oder einem späteren Rückforderungsprozess die
Beweislast für das Bestehen der Forderung belassen, so tritt auch keine
Erfüllungswirkung ein. Damit kann der Gl. eine solche Leistung ablehnen,
ohne in Annahmeverzug zu geraten. Will der Schuldner das verhindern, kann er
eine Zinslast durch Hinterlegung verhindern (s. § 378 BGB).
Der Senat befasst im dabei auch noch grundsätzlich mit dem Schikaneverbot (§
226 BGB) sowie der Treuwidrigkeit (§ 242 BGB).
©sl 2012
Tatbestand:
1 Der Beklagte ist Verwalter im
Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. GmbH & Co. KG (fortan:
Schuldnerin). In einem Vorprozess erstritt er am 4. Januar 2008 ein
Berufungsurteil gegen die jetzige Klägerin, nach welchem diese 9.979.906,23
€ nebst 5 v.H. Zinsen im Zeitraum vom 1. Juni 2000 bis zum 19. Mai 2002
sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
21. Mai 2002 an ihn zu zahlen hatte. Mit Schreiben vom 28. Januar
2008 forderte der Beklagte die Klägerin auf, den ausgeurteilten Betrag nebst
von ihm bis zum 28. Januar 2008 auf 4.852.929 € berechneter Zinsen zu
bezahlen. Auf Anfrage der Klägerin, die zwischenzeitlich Beschwerde gegen
die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 4. Januar 2008 eingelegt
hatte, erklärte er, dass er bis auf weiteres nicht beabsichtige, die
Zwangsvollstreckung zu betreiben. Dennoch bezahlte die Klägerin am
3. März 2008 auf die Hauptforderung und die Zinsen 14.909.266,88 €, nachdem
sie zuvor mitgeteilt hatte, dass die Zahlung lediglich zur Abwendung der
Zwangsvollstreckung erfolge und deshalb nicht als Erfüllung der vom
Beklagten behaupteten Ansprüche betrachtet werden könne. Aufgrund
dieses Vorbehalts verweigerte der Beklagte die Annahme des überwiesenen
Betrags und veranlasste dessen sofortige Rücküberweisung. Durch Beschluss
des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 2009 wurde die Nichtzulassungsbeschwerde
der Klägerin zurückgewiesen. Am 5. Juni 2009 zahlte die Klägerin an den
Beklagten die Hauptforderung und die titulierten Zinsen bis zum 3. März
2008.
2 Mit Anwaltsschreiben vom 5. Juni 2009 forderte der Beklagte die Klägerin
unter Androhung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung der seiner Ansicht nach
im Zeitraum vom 4. März 2008 bis zum 4. Juni 2009 angefallenen Zinsen auf.
Die Klägerin hat daraufhin Vollstreckungsgegenklage erhoben. Sie hat
beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 4. Januar 2008 für
unzulässig zu erklären und den Beklagten zur Herausgabe der ihm erteilten
vollstreckbaren Ausfertigung dieses Urteils zu verurteilen. Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hin ist der Beklagte
antragsgemäß verurteilt worden. Mit seiner vom Oberlandesgericht
zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des
landgerichtlichen Urteils erreichen.
Entscheidungsgründe:
3 Die Revision führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
I.
4 Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin habe den im Urteil vom
4. Januar 2008 titulierten Anspruch vollständig erfüllt. Über den 3. März
2008 hinaus stünden dem Beklagten keine Verzugszinsen zu. Zwar komme der
Zahlung vom 3. März 2008 keine Erfüllungswirkung zu. Erfüllt worden sei die
Hauptforderung erst durch die Zahlung vom 5. Juni 2009. Nach der Zahlung vom
3. März 2008 habe sich die Klägerin jedoch nicht mehr im Verzug befunden.
Der Beklagte sei durch die Zurückweisung der Zahlung vom 3. März 2008 in
Annahmeverzug geraten. Die unter Vorbehalt geleistete Zahlung entspreche in
ihrer Wirkung letztlich einer Hinterlegung, zu welcher die Klägerin gemäß §§
711, 108 ZPO ebenfalls berechtigt gewesen sei. Die Bestimmung des § 378 BGB,
nach welcher die Ansprüche des Gläubigers mit dem Verzicht des Schuldners
auf eine Rücknahme der hinterlegten Sache rückwirkend als erfüllt gälten,
könne auf einen zur Sicherheitsleistung hinterlegten Geldbetrag entsprechend
angewandt werden. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen den
prozessualen Befugnissen und den materiellrechtlichen Pflichten der Klägerin
sei es geboten, das unter prozessual unvermeidbaren Vorbehalten stehende
Zahlungsangebot ausreichen zu lassen, um die Wirkungen des § 293 BGB
herbeizuführen. Das Interesse des Beklagten, die hohen Verzugszinsen zu
erhalten, sei nicht höher zu bewerten als das Interesse der Klägerin, sich
von der Verpflichtung zur Zahlung der Verzugszinsen zu befreien. Einer
Haftung nach § 717 Abs. 2 ZPO wäre der Beklagte bei einem Erfolg der
Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision deshalb nicht ausgesetzt gewesen,
weil es sich bei dem Urteil vom 4. Januar 2008 um ein Berufungsurteil
gehandelt habe; eine Haftung nach § 717 Abs. 3 ZPO sei nicht in Betracht
gekommen, nachdem der Beklagte ausdrücklich erklärt habe, nicht vollstrecken
zu wollen.
II.
5 Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die
Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 4. Januar 2008 ist nicht unzulässig
geworden, weil die titulierte Zinsforderung bisher nicht vollständig erfüllt
worden ist; die Klägerin schuldete Verzugszinsen bis zur Zahlung am 5. Juni
2009. Aus diesem Grund besteht auch kein Anspruch auf Rückgabe der
vollstreckbaren Ausfertigung dieses Urteils.
6 1. Die Zahlung am 3. März 2008 hat schon deshalb nicht zu einer
Erfüllung der titulierten Forderung geführt, weil der Beklagte sie nicht
angenommen hat.
7 2. Durch die Ablehnung der angebotenen Zahlung ist der Beklagte
nicht in Annahmeverzug geraten, der jegliche Verzinsung ausgeschlossen hätte
(§ 301 BGB). Der Gläubiger kommt dann in Verzug, wenn er die ihm
angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Die Leistung muss dem
Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden (§ 294
BGB). Das ist hier nicht geschehen. Zahlungen aufgrund eines vorläufig
vollstreckbaren Urteils sind in der Regel dahin zu verstehen, dass sie nur
eine vorläufige Leistung darstellen sollen und unter der aufschiebenden
Bedingung der rechtskräftigen Bestätigung der zugrunde liegenden
Verbindlichkeit erfolgen (BGH, Beschluss vom 25. Mai 1976 - III ZB
4/76, WM 1976, 1069; Urteil vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 315/81, BGHZ 86,
267, 269). Im Streitfall hat die Klägerin einen entsprechenden Vorbehalt
sogar ausdrücklich erklärt. Die unter einer solchen Bedingung
stehende Zahlung stellte nicht die von der Klägerin geschuldete Leistung
dar. Eine Leistung unter dem Vorbehalt der Rückforderung hat keine
Erfüllungswirkung (§ 362 BGB). Der Gläubiger muss also damit rechnen, dass
er das Geleistete zurückgewähren muss; er kann nicht nach seinem Belieben
mit dem Gegenstand der Leistung verfahren.
8 3. Die Ablehnung der angebotenen Zahlung verstieß nicht gegen das
Schikaneverbot (§ 226 BGB) oder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
9 a) Die Ausübung eines Rechts ist nach § 226 BGB unzulässig, wenn
sie nur den Zweck haben kann, einem anderen Schaden zuzufügen; jeder andere
Zweck muss ausgeschlossen sein (RGZ 68, 424, 425; 98, 15, 17). Ein
berechtigtes Interesse an der Zurückweisung der so nicht geschuldeten
Leistung folgt hier bereits daraus, dass der Beklagte den gezahlten Betrag,
hätte er ihn angenommen, im Falle der Aufhebung des Urteils vom 4. Januar
2008 hätte zurückgewähren müssen. Gemäß § 717 Abs. 3 Satz 4 ZPO, §
818 Abs. 4 BGB hätte er sich nicht auf einen Wegfall der Bereicherung
berufen können. Die Annahme der Leistung hätte ihm damit ein Risiko
auferlegt, das er bei Ablehnung der Leistung nicht zu tragen hatte.
Schon damit steht fest, dass die Ablehnung der Leistung nicht ausschließlich
der Schädigung der Klägerin diente.
10 b) Eine Rechtsausübung ist unabhängig vom Vorliegen der
Voraussetzungen des § 226 BGB missbräuchlich, wenn sie beachtliche
Interessen eines anderen verletzt, ihr aber kein schutzwürdiges
Eigeninteresse zugrunde liegt (BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 -
IX ZR 120/93, WM 1994, 623, 625 mwN). Diese Voraussetzungen sind gleichfalls
nicht erfüllt.
11 aa) Die Beklagte wollte mit der Vorbehaltsleistung erreichen, dass sie
keine Verzugszinsen mehr zu zahlen hatte. Obwohl die Leistung unter
Vorbehalt keine Erfüllung der titulierten Forderung bewirkt und nicht die
geschuldete Leistung darstellt, hat der Bundesgerichtshof dieses Interesse
in früheren Entscheidungen nicht von vornherein für unbeachtlich gehalten.
Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH,
Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 104/80, NJW 1981, 2244; vom 7. Oktober
1982 - VII ZR 163/81, WM 1983, 21; vom 26. Juni 1984 - VI ZR 232/82, VersR
1984, 868; vom 21. September 1989 - III ZR 15/88, BGHR GG vor Art.
1/enteignungsgleicher Eingriff Verzögerungsschaden 1; BAGE 126, 198 Rn. 16;
offen gelassen allerdings von BGH, Urteil vom 30. Januar 1987 - V ZR 220/85,
ZZP 102, 366, 367 f), die in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung (OLG
Karlsruhe VersR 1992, 370) und in der Literatur (MünchKomm-BGB/Ernst, 5.
Aufl., § 286 Rn. 94, § 288 Rn. 17; Staudinger/ Löwisch/Feldmann, BGB, 2009,
§ 286 Rn. 120; Erman/Hager, BGB, 13. Aufl., § 286 Rn. 73; kritsch etwa
Braun, AcP 184 [1984], 152, 161 ff; Krüger, NJW 1990, 1208, 1211; Kerwer,
Die Erfüllung in der Zwangsvollstreckung [1996], S. 163 ff; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard,
Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 14 Rn. 71) überwiegend Zustimmung
gefunden hat, vermag eine Leistung des Schuldners, die zur Abwendung
der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil erfolgt,
den Verzug des Schuldners zu beenden, obwohl sie keine Erfüllung bewirkt.
Grund dafür ist, dass auch eine im Wege der Zwangsvollstreckung aus
einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil beigetriebene Leistung
die Beendigung des Schuldnerverzuges zur Folge hat. Die Zahlung zur
Abwendung der Zwangsvollstreckung soll die nämlichen Folgen nach sich
ziehen.
12 bb) Diesem Interesse stehen jedoch schutzwürdige eigene
Interessen des Gläubigers (des Beklagten) entgegen. Der
Gläubiger hat Anspruch auf die geschuldete Leistung, nicht nur auf eine
Leistung unter dem Vorbehalt der Rückzahlung. Mit der Annahme der
Vorbehaltsleistung verliert der Gläubiger seinen Anspruch auf Zahlung von
Verzugszinsen, obgleich nicht sicher ist, dass er die Leistung letztlich
behalten darf. Bei einer Abänderung oder Aufhebung des Titels kann
er nach Maßgabe des § 717 Abs. 3 ZPO zur Erstattung des Geleisteten nebst
Zinsen in gesetzlicher Höhe ab dem Empfang der Leistung verpflichtet sein,
ohne sich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen zu können. Ob die
Voraussetzungen dieser Norm im konkreten Fall tatsächlich erfüllt gewesen
wären, was die Klägerin bezweifelt, ist nicht entscheidend. Bestand
auch nur das Risiko einer Inanspruchnahme, diente die Zurückweisung der
Vorbehaltszahlung eigenen berechtigten Interessen des Beklagten. Im
Übrigen setzt der Erstattungsanspruch aus § 717 Abs. 3 ZPO nach der neueren
Rechtsprechung des Senats nicht voraus, dass vor der Zahlung oder Leistung
des Titelschuldners die Zwangsvollstreckung angedroht worden war (BGH,
Urteil vom 5. Mai 2011 - IX ZR 176/10, NJW 2011, 2518 Rn. 17 ff, zVb in BGHZ
189, 320). Unabhängig hiervon will der Titelschuldner mit der
Vorbehaltszahlung regelmäßig so gestellt werden, wie er stünde, wenn die
Zahlung durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erzwungen worden wäre (BGH,
Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 104/80, NJW 1981, 2244). Um diese
Rechtsfolge abzuwenden, muss dem Titelgläubiger das Recht zugestanden
werden, die Annahme der Vorbehaltsleistung abzulehnen. Der Gläubiger kann
aus dem vorläufig vollstreckbaren Berufungsurteil vollstrecken, muss es aber
nicht. Er kann es ohne Angabe von Gründen bei dem bestehenden
Zustand belassen und den Eintritt der Rechtskraft des Berufungsurteils
abwarten. Das Recht, die titulierte Leistung erst dann
entgegenzunehmen, wenn er diese bedingungslos behalten darf, kann man dem
Gläubiger nicht nehmen.
13 c) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der Beklagte schließlich nicht
gegen das aus § 242 BGB folgende Verbot widersprüchlichen Verhaltens
verstoßen, indem er die Vorbehaltsleistung nicht annahm. Der Beklagte hat
die Klägerin nicht, wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat, durch die Zahlungsaufforderung am
28. Januar 2008 in die für sie missliche Situation der fortdauernden
Zinspflicht trotz Angebots einer Vorbehaltsleistung gebracht. Er hat
die Klägerin zur Erfüllung ihrer Schuld aufgefordert, nicht zu einer
Vorbehaltsleistung. Hätte er dies nicht getan und hätte die
Klägerin die Vorbehaltsleistung nicht angeboten, hätte sie überdies
ebenfalls Verzugszinsen bis zum 5. Juni 2009, dem Zeitpunkt der Erfüllung
der Hauptforderung, zahlen müssen. Widersprüchlich wäre die Zurückweisung
der Vorbehaltszahlung sicherlich dann gewesen, wenn der Beklagte die
Klägerin nicht nur zur Zahlung aufgefordert, sondern zugleich die
Zwangsvollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten
Berufungsurteil angedroht hätte. Dies hat er jedoch nicht getan; er hat
ausdrücklich erklärt, nicht vollstrecken zu wollen.
14 4. Der vom Berufungsgericht beschriebene Widerspruch zwischen den
prozessualen Befugnissen und den materiellrechtlichen Pflichten der Klägerin
als Titelschuldnerin besteht nicht. Die Klägerin hätte zwar den dem
Beklagten angebotenen und von diesem zurückgewiesenen Betrag als prozessuale
Sicherheit nach §§ 711, 108 ZPO hinterlegen können. Unter den
Voraussetzungen des § 372 BGB wirkt eine Hinterlegung schuldbefreiend, wenn
die Rücknahme der hinterlegten Sache ausgeschlossen wird (§§ 378,
376 Abs. 2 Nr. 1 BGB); ist die Rücknahme der hinterlegten Sache
nicht ausgeschlossen worden, kann der Schuldner den Gläubiger auf die
hinterlegte Sache verweisen und ist der Schuldner nicht verpflichtet, Zinsen
zu zahlen oder Ersatz für nicht gezogene Nutzungen zu leisten (§
379 Abs. 1 und 2 BGB). Die Hinterlegung von Geld als prozessuale Sicherheit
(§ 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ist jedoch von der Hinterlegung als
Erfüllungssurrogat (§§ 372 ff BGB) zu unterscheiden. Die Vorschriften der §§
372 BGB sind nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Vielmehr galten bis
zum 30. November 2010 die Vorschriften der Hinterlegungsordnung und gelten
nunmehr die Vorschriften der Hinterlegungsgesetze der Länder (vgl.
Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 108 Rn. 15; Prütting/Gehrlein/K. Schmidt,
ZPO, 3. Aufl., § 108 Rn. 7). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist
die Umwandlung der Hinterlegung einer prozessualen Sicherheit in ein
Hinterlegungsverhältnis nach §§ 372 ff BGB für möglich gehalten worden (RG
JW 1914, 466 Nr. 6; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1983 - VIII ZR 169/82, WM
1983, 1337, 1338). Eine Rückwirkung kommt dieser Umwandlung jedoch nicht zu.
Auch dann, wenn die Klägerin am 3. März 2008 einen Betrag in Höhe der
Hauptforderung und der bis dahin angefallenen Zinsen als Sicherheit
hinterlegt und nach Rechtskraft des Urteils vom 4. Januar 2008 zugunsten des
Beklagten auf die Rückgabe dieses Betrages verzichtet hätte, hätte sie bis
zum Wirksamwerden dieser Erklärung Verzugszinsen zu zahlen gehabt.
III.
15 Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist
aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen
Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte
Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif
ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Die Berufung der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil, welches die
Klage abgewiesen hatte, wird zurückgewiesen.
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