Selbständige und unselbständige Garantie im
Kaufrecht - Anforderungen an die Garantieerklärung nach § 477 BGB im
Verbrauchsgüterkauf; Zustandekommen einer selbständigen Herstellergarantie
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I
ZR 146/11 - OLG Hamburg
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
Als Garantieerklärung, die den in § 477 Abs. 1
Satz 1 und 2 BGB bestimmten Erfordernissen entsprechen muss, ist im Falle
einer selbständigen Garantie die auf den Abschluss eines Garantievertrags
gerichtete Willenserklärung des Unternehmers und bei einer unselbständigen
Garantie dessen auf die Modifikation der gesetzlichen Rechtsbehelfe des
Verbrauchers gerichtete Willenserklärung anzusehen (Ergänzung zu BGH, Urteil
vom 14. April 2011 - I ZR 133/09, GRUR 2011, 638 Rn. 32 = WRP 2011, 866 -
Werbung mit Garantie; Urteil vom 15. Dezember 2011 - I ZR 174/10, GRUR 2012,
730 Rn. 43 = WRP 2012, 930 - Bauheizgerät).
Zentrale Probleme:
Es geht - im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen
Unterlassungsanspruchs - um dia Anforderungen an eine Garantieerklärung nach
§ 477 BGB. Diese betreffen bereits die Willenserklärung des Garantiegebers,
nicht die bloße Werbung. Da hier ein ebay-Fall vorlag (und damit das
Anbieten auf der Plattform bereits ein Angebot darstellt, s. dazu die Anm.
zu BGH NJW 2002, 363
= BGHZ 149, 129), waren die inhaltlichen Anforderungen des § 477 BGB
bereits hier zu erfüllen. Die Zweifel, die der Senat hat, ob das
Zustandekommen einer Herstellergarantie auch sonst weiterhin darüber
konstruiert werden kann, dass die dem Gegenstand beiliegende Garantiekarte
ein Vertragsangebot ist, das der Käufer - unter Verzicht auf den Zugang der
Annahmeerklärung (§ 151 BGB) - konkludent annimmt, sind allerdings
unberechtigt. Es muss dann eben der Text der Garantiekarte den Anforderungen
des § 477 BGB entsprechen.
©sl 2013
Tatbestand:
1 Die Klägerin steht beim Vertrieb von
Fotoartikeln über die Internet-Plattform eBay mit der Beklagten in
Wettbewerb. Sie nimmt diese wegen eines Kaufangebots, das die Beklagte unter
Hinweis auf eine dabei nur hinsichtlich ihrer Laufzeit beschriebene
Herstellergarantie gemacht hat, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und
Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch. Ferner begehrt sie die Feststellung,
dass die Beklagte ihr zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet ist.
2 Die Beklagte bot am 16. November 2008 bei eBay eine neue Digitalkamera des
Herstellers Nikon Modell Coolpix S210 samt Zubehör zum Preis von 133,50 €
zum Kauf an. Die Beschreibung der Kamera enthielt unter anderem den Hinweis
"24 Monate Herstellergarantie". Weitere Angaben zu dieser Garantie waren in
dem Angebot nicht enthalten.
3 Nach Ansicht der Klägerin hat die Beklagte damit ihre
Informationspflichten aus § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt und zugleich
wettbewerbswidrig gehandelt.
4 Das Landgericht hat der Klage mit dem Antrag, es der Beklagten unter
Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs im Bereich Fotoartikel über die
Internet-Handelsplattform www.ebay.de den Abschluss entgeltlicher Verträge
mit Verbrauchern anzubieten und/oder anbieten zu lassen und dabei eine
Werbung mit dem Hinweis auf eine Garantie zu verwenden, ohne Angaben zu
ihrem Inhalt und Geltungsbereich zu machen, wie in der Auktion vom 16.
November 2008 unter der Artikelnummer 140281782654 geschehen, sowie mit den
Folgeanträgen stattgegeben, mit dem Zahlungsantrag allerdings nur in Höhe
von 651,80 € - statt 755,80 € - nebst Zinsen.
6 Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass im Unterlassungstenor die Wörter "im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs" durch die Wörter "im Rahmen
geschäftlicher Handlungen" ersetzt wurden.
7 Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung
die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der
Klage weiter.
Entscheidungsgründe:
8 I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Bestimmung des § 477
Abs. 1 Satz 2 BGB enthalte eine Regelung des Marktverhaltens, die immer dann
gelte, wenn ein Unternehmen - wie hier die Beklagte - Verbrauchern gegenüber
ein bindendes Kaufangebot mit einer Garantieerklärung mache. Soweit der
angesprochene Verbraucher - wie im Streitfall - davon ausgehen könne, dass
sich das Angebot nicht allein auf den Abschluss eines Kaufvertrags, sondern
zugleich auf den Abschluss eines Garantievertrags erstrecke und er dieses
Angebot daher insoweit ebenfalls nur noch anzunehmen brauche, müsse
der Unternehmer die in § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Angaben auch dann
machen, wenn es sich nicht um eine Verkäufergarantie, sondern um eine
Herstellergarantie handele.
9 II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das
Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte
dadurch, dass sie in ihrem Kaufangebot keine Angaben zum Inhalt der dabei
zugleich angebotenen Herstellergarantie gemacht hat, gegen § 477 Abs. 1 Satz
2 BGB verstoßen hat (dazu unten unter II 1 bis 4). Mit Recht hat es
auch angenommen, dass die Beklagte damit zugleich wettbewerbswidrig
gehandelt hat und die von der Klägerin deswegen geltend gemachten
wettbewerbsrechtlichen Ansprüche begründet sind (dazu unten unter II 5).
10 1. Nach der für den Verbrauchsgüterkauf im Sinne von § 474 Abs. 1
BGB geltenden und gemäß § 475 Abs. 1 BGB zwingenden Vorschrift des § 477
Abs. 1 Satz 1 BGB muss eine Garantieerklärung im Sinne des § 443 BGB einfach
und verständlich abgefasst sein. Gemäß § 477 Abs. 1 Satz 2 BGB muss eine
solche Erklärung zudem den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des
Verbrauchers und darauf, dass diese durch die Garantie nicht eingeschränkt
werden (§ 477 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB), sowie den Inhalt der Garantie und
alle wesentlichen Angaben enthalten, die für die Geltendmachung der Garantie
erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich
des Garantieschutzes sowie den Namen und die Anschrift des Garantiegebers (§
477 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Diese Bestimmungen setzen die
Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten
Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter in
das deutsche Recht um. Unter den Begriff der Garantieerklärung
fallen dabei nur Willenserklärungen, die zum Abschluss eines Kaufvertrags
(unselbständige Garantie) oder eines eigenständigen Garantievertrags führen,
nicht dagegen die Werbung, die den Verbraucher lediglich zur Bestellung
auffordert und in diesem Zusammenhang eine Garantie ankündigt, ohne sie
bereits rechtsverbindlich zu versprechen (vgl. BGH, Urteil vom 14.
April 2011 - I ZR 133/09, GRUR 2011, 638 Rn. 26 bis 31 = WRP 2011, 866 -
Werbung mit Garantie, mwN).
11 2. Danach sind die Fälle, in denen ein Unternehmer gegenüber
einem Verbraucher eine Garantieerklärung in dem vorstehend genannten Sinn
abgibt und diese Erklärung daher den in § 477 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB
bestimmten Erfordernissen entsprechen muss, von einer Werbung danach
abzugrenzen, ob der Unternehmer - wie im Zweifel bei durch das Internet
übermittelten Aufforderungen zur Bestellung - nur eine invitatio ad
offerendum gemacht (vgl. BGH, GRUR 2011, 638 Rn. 32 - Werbung mit
Garantie; BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 - I ZR 174/10, GRUR 2012, 730 Rn.
43 = WRP 2012, 930 -Bauheizgerät) oder aber bereits ein
rechtsverbindliches Angebot im Sinne des § 145 BGB abgegeben hat und der
Verbraucher damit zu entscheiden hat, ob er dieses annehmen soll.
Als Garantieerklärung, die den in § 477 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB
bestimmten Erfordernissen entsprechen muss, ist deshalb im Falle einer
selbständigen Garantie die auf den Abschluss eines Garantievertrags
gerichtete Willenserklärung des Unternehmers und bei einer unselbständigen
Garantie dessen auf die Modifikation der gesetzlichen Rechtsbehelfe des
Verbrauchers gerichtete Willenserklärung anzusehen (MünchKomm.BGB/S.
Lorenz, 6. Aufl., § 477 Rn. 3; Faust in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 477
Rn. 3 i.V.m. § 443 Rn. 14 f.). Dagegen ist in diesem Zusammenhang
eine Unterscheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Garantie
nicht angebracht; insbesondere ist unerheblich, ob der Unternehmer auch der
Verkäufer ist (Faust in Bamberger/Roth aaO § 477 Rn. 3 i.V.m. § 443
Rn. 11 f.). Die gegenteilige Auffassung vernachlässigt, dass gemäß § 443
BGB, Art. 1 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 1999/44/EG neben dem Verkäufer
insbesondere auch der Hersteller Garantiegeber sein kann.
12 3. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen, unbeanstandet
gebliebenen Feststellungen bezog sich das von der Beklagten gemachte Angebot
aus der insoweit maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verbraucher nicht
allein auf den Abschluss eines Kaufvertrags, sondern auch auf den Abschluss
eines Garantievertrags mit dem Hersteller. Ob die Beklagte dabei
die Stellung einer Erklärungsvertreterin (§ 164 BGB) oder einer
Erklärungsbotin (§ 120 BGB) hatte, ist für die wettbewerbsrechtliche
Beurteilung ohne Belang (vgl. unten Rn. 13).
13 4. Die Revision macht auch vergeblich geltend, dass
Herstellergarantien nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1988 - VIII ZR 58/87, BGHZ 104, 82, 85 f. mwN)
jedenfalls in der Regel dadurch zustande kommen, dass der Ware -
etwa in Form einer Garantiekarte - eine auf den Abschluss eines
entsprechenden Vertrags gerichtete schriftliche Willenserklärung des
Herstellers beiliegt und die Annahme dieser Erklärung durch den Käufer gemäß
§ 151 BGB unter Verzicht auf eine Willenserklärung und deren Zugang
gegenüber dem Hersteller erfolgt. Es erscheint schon als
zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auch nach der der Umsetzung der
Richtlinie 1999/44/EG dienenden Änderung der §§ 443, 477 BGB noch gelten
kann (vgl. dazu MünchKomm.BGB/H.P. Westermann aaO § 443 Rn. 7;
Faust in Bamberger/Roth aaO § 443 Rn. 14). Ihre Anwendung kommt aber
jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der Garantievertrag - wie im
Streitfall - bereits zum selben Zeitpunkt wie der Kaufvertrag zustande
gekommen ist.
14 5. Die weiteren Voraussetzungen für die wettbewerbsrechtliche Haftung der
Beklagten sind - wie die Revision selbst nicht in Zweifel zieht - ebenfalls
erfüllt (vgl. im Einzelnen BGH, GRUR 2011, 638 Rn. 16 bis 22 - Werbung mit
Garantie, mwN). Der Umstand, dass die Beklagte die beanstandete
Garantieerklärung nicht im eigenen Namen, sondern als Erklärungsvertreterin
oder Erklärungsbotin des Herstellers abgegeben hat, ist in diesem
Zusammenhang unerheblich, weil die Beklagte dabei zugleich zugunsten ihres
eigenen Unternehmens gehandelt hat. Zudem hätte auch bei einem Tätigwerden
allein zugunsten des Herstellers eine geschäftliche Handlung im Sinne des §
2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorgelegen.
15 III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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