Abmahnkosten und
Geschäftsführung ohne Auftrag: Keine berechtigte GoA nach Einleitung eines
gerichtlichen Verfahrens
BGH, Urteil vom 7. Oktober
2009 - I ZR 216/07
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Ein Aufwendungsersatzanspruch nach
§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG besteht nur für eine Abmahnung, die vor Einleitung
eines gerichtlichen Verfahrens ausgesprochen wird.
b) Für eine Abmahnung, die erst nach Erlass einer Verbotsverfügung
ausgesprochen wird, ergibt sich ein Aufwendungsersatzanspruch auch nicht aus
Geschäftsführung ohne Auftrag.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung betrifft den UWG-Bereich, ist aber in
Bezug auf die Voraussetzungen der GoA im Falle einer Abmahnung von
allgemeinem Interesse.
©sl 2010
Tatbestand:
1 Die Klägerin, ein Krankenversicherungsunternehmen, hat
gegen die Beklagten am 11. Juli 2006 beim Landgericht Köln zwei auf
Unterlassung bestimmter Werbemaßnahmen gerichtete einstweilige Verfügungen
erwirkt. Eine Zustellung der Verbotsverfügungen veranlasste sie zunächst
nicht. Ohne die im Verfügungsverfahren erwirkten Titel zu erwähnen, ließ die
Klägerin die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Juli 2006 wegen
der Verletzungshandlungen abmahnen, die auch Gegenstand des
Verfügungsverfahrens waren. Da die Beklagten die Abgabe von strafbewehrten
Unterlassungsverpflichtungser-klärungen verweigerten, ließ die Klägerin die
am 11. Juli 2006 erwirkten Verbotsverfügungen nunmehr zustellen. Nachdem das
Landgericht die Verbotsverfügungen trotz Widerspruch aufrechterhalten hatte,
wurden sie von den Beklagten als endgültige Regelung anerkannt.
2 Die Klägerin nimmt die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit auf
Freistellung von den Kosten in Anspruch, die ihr durch die beiden
anwaltlichen Abmahnschreiben vom 13. Juli 2006 entstanden sind.
3 Das Berufungsgericht hat die vom Landgericht für begründet erachtete Klage
abgewiesen (OLG Köln WRP 2008, 379). Mit ihrer vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die
Beklagten beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
4 I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe weder aus § 12
Abs. 1 Satz 2 UWG noch aus anderen Rechtsgrundlagen ein Anspruch auf
Freistellung von den ihr für die Abmahnschreiben entstandenen Kosten zu.
Dazu hat es ausgeführt:
5 Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 UWG regele nach ihrem Wortlaut und Zweck
ausschließlich den Ersatz von Kosten für vorgerichtliche Abmahnungen. Sie
biete hingegen keine Rechtsgrundlage für die Erstattung von Abmahnkosten,
wenn die Abmahnung erst nach Erlass einer auf demselben Verstoß gestützten
einstweiligen Verfügung ausgesprochen werde.
6 Ob in Fällen der vorliegenden Art ein Rückgriff auf die Vorschriften der
berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht komme, könne
offenbleiben. Die Kosten für eine nach Erlass einer Verbotsverfügung
ausgesprochenen Abmahnung seien jedenfalls nicht „erforderlich" i.S. von §
12 Abs. 1 Satz 2 UWG und stünden zudem im Gegensatz zum Kosteninteresse des
Schuldners, dem durch die Abmahnung die Möglichkeit genommen werde, im
Verfügungsverfahren durch sofortige Unterwerfung die Kostenfolge des § 93
ZPO herbeizuführen.
7 II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin
auf Erstattung der Kosten für die beiden nach Erlass der Verbotsverfügungen
ausgesprochenen Abmahnungen verneint. Dabei kann unterstellt werden, dass
die Abmahnungen begründet - d.h. durch Wettbewerbsverstöße der Beklagten
veranlasst - waren.
8 1. Ein Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich nicht aus § 12
Abs. 1 Satz 2 UWG, weil die Abmahnungen erst zu einem Zeitpunkt an die
Beklagten versandt wurden, als die Klägerin bereits Verbotsverfügungen gegen
sie erwirkt hatte. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, folgt
aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG,
dass Ersatz der Aufwendungen nur für Abmahnungen beansprucht werden kann,
die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens wegen desselben
Wettbewerbsverstoßes ausgesprochen worden sind.
9 a) Dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG entsprechend wird der
Aufwendungsersatzanspruch nur durch eine Abmahnung vor Einleitung eines
gerichtlichen Verfahrens ausgelöst. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG soll der
Gläubiger den Schuldner vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens
abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer
angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen.
An die Regelung der vorgerichtlichen Abmahnung knüpft § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG
unmittelbar mit der Formulierung an, dass der Anspruch auf Kostenerstattung
besteht, „soweit die Abmahnung berechtigt ist". Mithin ist in § 12 Abs. 1
Satz 1 UWG eine Obliegenheit zu einer vorgerichtlichen Abmahnung und in § 12
Abs. 1 Satz 2 UWG der Anspruch auf Ersatz der zur Erfüllung dieser
Obliegenheit erforderlichen Aufwendungen geregelt.
10 b) Auch nach der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift
besteht der Kostenerstattungsanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG nur für
eine Abmahnung, die vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens
ausgesprochen wird.
11 aa) Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 UWG regelt das von der Rechtsprechung
entwickelte Institut der Abmahnung und Unterwerfung sowie den
Aufwendungsersatzanspruch (so die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf
eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 25).
Nach dieser Rechtsprechung dient die durch eine Verletzungshandlung
veranlasste Abmahnung im Regelfall dem wohlverstandenen Interesse beider
Parteien, da sie das Streitverhältnis auf einfache, kostengünstige Weise
vorprozessual beenden und einen Rechtsstreit vermeiden soll (BGH, Urt. v.
19.6.1986 - I ZR 65/84, GRUR 1987, 54, 55 = WRP 1986, 672 -
Aufklärungspflicht des Abgemahnten; s. auch BGH, Beschl. v. 20.10.2005 - I
ZB 21/05, GRUR 2005, 439 Tz. 12 = WRP 2006, 237 - Geltendmachung der
Abmahnkosten). Dementsprechend wird die Abmahnung in der Begründung des
Gesetzentwurfs ausdrücklich als Mittel zur außergerichtlichen
Streitbeilegung in Wettbewerbssachen bezeichnet, durch das der größte Teil
der Wettbewerbsstreitigkeiten erledigt werde (BT-Drucks. 15/1487, S. 25).
12 bb) Auf dieses Rechtsinstitut der vorgerichtlichen Abmahnung bezieht sich
auch die Regelung des Aufwendungsersatzanspruchs in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
Entgegen der Ansicht der Revision ergeben sich weder aus der
Gesetzesbegründung noch aus der Rechtsprechung des Senats Anhaltspunkte
dafür, dass der Anwendungsbereich der Obliegenheit nach § 12 Abs. 1 Satz
1UWG zwar auf die vorgerichtliche Abmahnung beschränkt ist, die
Kostenerstattung nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG aber einen davon unabhängigen
Regelungsbereich hat und sich ohne jede Beschränkung als allgemeine
Rechtsfolge einer begründeten Abmahnung darstellt. Nach der
Gesetzesbegründung zu § 12 Abs. 1 UWG sollte das Rechtsinstitut der
vorgerichtlichen Abmahnung vielmehr einheitlich geregelt werden.
Dementsprechend sind die vorgerichtliche Abmahnung und der daraus
resultierende Aufwendungsersatzanspruch von der Rechtsprechung auch stets
einheitlich nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag
entwickelt worden, um einen kostspieligen Rechtsstreit zu vermeiden
(grundlegend BGHZ 52, 293, 299 f. - Fotowettbewerb; st. Rspr. unter der
Geltung des UWG a.F., vgl. BGHZ 115, 210, 212 - Abmahnkostenverjährung; 149,
371, 374 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; BGH, Urt. v. 4.10.1990 - I ZR
39/89, GRUR 1991, 550, 552 = WRP 1991, 159 - Zaunlasur).
13 2. Das Berufungsgericht hat zu Recht auch einen Anspruch der Klägerin
auf Freistellung von den für die beiden Abmahnschreiben entstandenen Kosten
aus § 683 Satz 1, §§ 677, 670 BGB verneint, weil die Abmahnungen jedenfalls
nicht im Interesse der Beklagten lagen.
14 a) Im Streitfall kommt es daher nicht darauf an, dass die Beklagten
von den gegen sie erwirkten Verbotsverfügungen keine Kenntnis hatten. Für
die Frage, ob eine Abmahnung im Interesse des Schuldners liegt, ist auf die
objektiven Umstände im Zeitpunkt der Abmahnung abzustellen. Nach der
Rechtsprechung des Senats zum Aufwendungsersatzanspruch auf der Grundlage
einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ist entscheidend, ob die
Abmahnung nach objektiver Betrachtung dem Interesse und dem wirklichen oder
mutmaßlichen Willen des Schuldners entspricht (vgl. BGHZ 149, 371, 375 -
Missbräuchliche Mehrfachabmahnung; Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm,
UWG, 27. Aufl., § 12 Rdn. 1.91).
15 b) Die hier in Rede stehenden Abmahnungen der Klägerin entsprachen
objektiv nicht dem Interesse und dem mutmaßlichen Willen der Beklagten.
16 aa) Anders als bei einer vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens
ausgesprochenen Abmahnung besteht kein Interesse des Schuldners, nach Erlass
einer Verbotsverfügung noch abgemahnt zu werden. Unerheblich ist, dass
sich die Situation für den Abgemahnten, der nichts von der erlassenen
Beschlussverfügung weiß, nicht anders darstellt, als wenn er vorgerichtlich
abgemahnt worden wäre. Zwar erhält der Schuldner auch durch die
nachgeschaltete Abmahnung Gelegenheit, eine den Streit beilegende
Unterwerfungserklärung abzugeben. Diese Möglichkeit stünde ihm aber auch
offen, wenn ihm die Verbotsverfügung sogleich zugestellt würde. Entscheidend
ist, dass der Schuldner den Rechtsstreit im Falle der nachgeschalteten
Abmahnung durch eine Unterwerfungserklärung nicht mehr vermeiden kann.
17 bb) Zweck der Abmahnung ist es, dem Schuldner, der sich nicht streitig
stellt, eine Möglichkeit zu geben, den Streit kostengünstig beizulegen. Die
nachgeschaltete Abmahnung vermittelt eine solche kostengünstige Möglichkeit
nicht. Ist bereits eine einstweilige Verfügung gegen den Schuldner
erlassen worden, ist es für den Schuldner am kostengünstigsten, wenn ihm die
Verfügung zugestellt wird und er gegen diese Verfügung Kostenwiderspruch
einlegt oder eine Unterwerfungserklärung abgibt. Ein auf die Kosten
beschränkter Widerspruch des Schuldners hat in der Regel zur Folge, dass die
für den Erlass der Verbotsverfügung entstandenen Kosten nach § 93 ZPO vom
Gläubiger zu tragen sind. Denn der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen
Unterlassungsanspruchs, der vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens
nicht abgemahnt wurde, wird grundsätzlich so behandelt, als habe er keine
Veranlassung zur Klage gegeben (vgl. BGH, Urt. v. 19.10.1989 - I ZR 63/88,
GRUR 1990, 381, 382 = WRP 1990, 276 - Antwortpflicht des Abgemahnten; Beschl.
v. 21.12.2006 - I ZB 17/06, GRUR 2007, 629 Tz. 13 = WRP 2007, 781 - Zugang
des Abmahnschreibens; BGH GRUR 2006, 439 Tz. 12 - Geltendmachung der
Abmahnkosten). Diese Regelung beruht auf der Erwägung, dass ein Gläubiger
nur dann ohne Kostenrisiko gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen soll, wenn
er davon ausgehen muss, sein Ziel ohne Klage- oder Verfügungsverfahren nicht
erreichen zu können (Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 12 Rdn.
1.8; Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 3). Dasselbe Ergebnis kann der Schuldner
in dieser Situation durch eine Unterwerfungserklärung erreichen. Sie nötigt
den Gläubiger dazu, den gestellten Verfügungsantrag in der Hauptsache für
erledigt zu erklären. Stimmt der Schuldner der Erledigung zu, muss nach §
91a ZPO über die Kosten des Verfügungsverfahrens entschieden werden, wobei
wiederum der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu Gunsten des Schuldners
heranzuziehen ist, der - weil nicht abgemahnt - keine Veranlassung zur
Inanspruchnahme des Gerichts gegeben hat (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/
Bornkamm aaO Rdn. 1.9).
18 cc) Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagten die
Abmahnung im Streitfall nicht zum Anlass genommen haben, sich zu
unterwerfen. Denn dies ändert nichts daran, dass die Abmahnung nicht in
ihrem Interesse lag. Im Übrigen kann der Abgemahnte, der es für möglich
hält, dass der Gläubiger gegen ihn bereits eine einstweilige Verfügung
erwirkt hat, nur dadurch der Kostenlast der (begründeten) Abmahnung
entgehen, dass er sich zunächst streitig stellt und auf diese Weise die
Zustellung der Verfügung erzwingt. Auch der Umstand, dass die Beklagten die
ihnen zugestellten Beschlussverfügungen nicht hingenommen, sondern
unbeschränkt Widerspruch erhoben haben (mit der Folge, dass ihnen nach
Aufrechterhaltung der Verfügungen die Kosten des Verfügungsverfahrens
auferlegt wurden), begründet nicht ihr Interesse, noch abgemahnt zu werden,
nachdem gegen sie bereits Beschlussverfügungen ergangen waren.
19 dd) Unabhängig davon, wie der Schuldner reagiert, liegt die nach Erlass
der Beschlussverfügung ausgesprochene Abmahnung nicht in seinem Interesse.
Im Streitfall verhält es sich nicht anders. Die Klägerin hat durch die
Verbotsverfügungen eine Lage geschaffen, in der eine spätere Abmahnung
objektiv nicht (mehr) im Interesse der Beklagten lag.
20 III. Danach ist die Revision der Klägerin mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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