Internationales Wettbewerbsrecht: Anwendbares Recht bei
grenzüberschreitender Werbung und internationaler Anwendungsbereich von § 7
I UWG a.F. ("selbstbegrenzende Sachnorm")
BGH, Urt. v.
13. Mai 2004 - I ZR 264/00
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Anmerkung:
Die maßgebliche Regelung des § 7 UWG a.F. (Beschränkungen für
Sonderveranstaltungen, Jubiläums- und Schlussverkäufe) wurden im Zuge der
UWG-Reform gestrichen. Korrektive sind nunmehr § 5 Abs. 4 UWG n.F. und § 4
Nr. 4 UWG n.F. Für die grundsätzlichen international-privatrechtlichen
Fragendes Internationalen Wettbewerbsrechts ("Tatort"-Anknüpfung nach Art.
40 EGBGB sowie die Frage des internationalen Geltungsbereichs der jeweiligen
Sachnorm) ist die Entscheidung weiterhin von Interesse.
Amtl. Leitsatz:
Zur Frage der Anwendung
deutschen Wettbewerbsrechts auf die in einer inländischen Tageszeitung
veröffentlichte Ankündigung einer im Ausland stattfindenden
Sonderveranstaltung.
Tatbestand:
Der Kläger ist ein Einzelhandelsverband im Regierungsbezirk Trier. Die
Beklagte betreibt ein Sportgeschäft in Leudelingen im Großherzogtum
Luxemburg.
Die Beklagte warb aus Anlaß des einjährigen Bestehens ihres Sportgeschäfts
am 23. Oktober 1998 mit einer ganzseitigen Anzeige in der Tageszeitung „Trierischer
Volksfreund". Dort kündigte sie für die Zeit vom 23. bis 31. Oktober 1998
eine „Rotpreis-Revolution" als „eine Dankeschön/Geburtstags-Aktion für
unsere Kunden" an. Mit Schlagzeilen wie „!!100.000 Artikel müssen raus!!",
„Zeltverkauf", „- 70%", „- 60%", „- 50%", „- 40%" wies sie auf
Preisreduzierungen hin. Für jeden „50. Kassenkunden" wurde ein
Einkaufsgutschein in Höhe von 1.000 Luxemburger Franken (etwa 25 €)
versprochen; an zwei Tagen sollte die Möglichkeit bestehen, eine
Schottlandreise für zwei Personen zu gewinnen. Ein (verkleinerter)
Ausschnitt der im Original in einem rötlichen Ton unterlegten Anzeige ist
nachstehend wiedergegeben:
Der Kläger hat
diese Werbung unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens, einer
unzulässigen Sonderveranstaltung und eines Verstoßes gegen die
Zugabeverordnung als wettbewerbswidrig beanstandet. Er hat beantragt,
1. die
Beklagte unter Androhung von Ordnungsmittel zu verurteilen, es in der
Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu
Zwecken des Wettbewerbs in einer an den Letztverbraucher gerichteten Anzeige
a) zu werben mit den Hinweisen „Rotpreisrevolution eine
Dankeschön-Geburtstagsaktion für unsere Kunden! 100.000 Artikel müssen raus!
Zeltverkauf Markenware extrem reduziert. Bis 70% bis 60% bis 50% bis 40%",
insbesondere wie in der im Trierischen Volksfreund vom 23. Oktober 1998
erschienenen Werbeanzeige;
b) einen Einkaufgutschein im Wert von 1.000 Luxemburger Franken für jeden
50. Kassenkunden anzukündigen;
2. die Beklagte zur Zahlung einer Abmahnpauschale in Höhe von 220 DM
zuzüglich 4% Zinsen seit 12. Dezember 1998 zu verurteilen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat einen
Wettbewerbsverstoß nach deutschem Recht in Abrede gestellt. In jedem Fall
sei ihr Verhalten aber nach luxemburgischem Recht nicht zu beanstanden. Im
Hinblick darauf verstieße ein Verbot gegen Art. 28 EG. Zumindest aber seien
die Klageansprüche verjährt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die
Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der
Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Der
Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen
das deutsche Wettbewerbsrecht, das im Streitfall anwendbar sei, gesehen. Zur
Begründung hat es ausgeführt:
Da von der Werbung der Beklagten in einer Trierer Tageszeitung die
Interessen der inländischen Verbraucher und Mitbewerber betroffen seien,
liege der Marktort der Werbemaßnahme im Inland, auch wenn der Absatz, für
den geworben werde, im Ausland stattfinden solle. Daher sei die beanstandete
Werbung nach deutschem Wettbewerbsrecht zu beurteilen. Allerdings liege in
dem Verhalten der Beklagten kein wettbewerbswidriges übertriebenes Anlocken.
Die Werbung mit Preisherabsetzungen sei grundsätzlich zulässig. Der
versprochene Einkaufsgutschein werde Verbraucher aus dem Trierer Raum nicht
veranlassen, zu dem in Luxemburg gelegenen Verkaufsort zu fahren. Auch das
angekündigte Gewinnspiel mit der Möglichkeit des Gewinns einer
Schottlandreise sei ein zulässiges Werbemittel, um die Aufmerksamkeit der
Verbraucher zu erwecken.
Die beanstandete Werbung enthalte jedoch die Ankündigung einer unzulässigen
Sonderveranstaltung nach § 7 Abs. 1 UWG. Durch eine ganze Reihe
blickfangmäßig herausgestellter Schlagzeilen werde der Eindruck erweckt, die
Beklagte veranstalte aus Anlaß ihres einjährigen Bestehens einen einmaligen
Verkauf, bei dem für eine beschränkte Zeit sämtliche Artikel des Sortiments
im Preis ermäßigt seien. Es könne offenbleiben, ob die beworbene
Sonderveranstaltung nach luxemburgischem Recht zulässig sei. Fielen Werbe-
und Absatzmarkt auseinander, sei das Recht des Werbemarktes maßgeblich. Die
Ankündigung einer nach § 7 Abs. 1 UWG unzulässigen Sonderveranstaltung sei
nicht nur ein unselbständiger Hilfsakt der Durchführung, sondern
selbständige Tatbestandsvariante. Dies folge aus dem Zweck des § 7 Abs. 1
UWG, der nicht nur dem Schutz der Mitbewerber dienen, sondern auch
Verbraucher und Allgemeinheit vor übermäßiger unsachlicher Beeinflussung
schützen solle. Dieses Schutzinteresse werde nicht nur von der Durchführung,
sondern auch von der Ankündigung einer Sonderveranstaltung berührt. Die
Anwendung des § 7 Abs. 1 UWG verstoße auch nicht gegen Art. 28 EG. Denn bei
dem Verbot der Ankündigung einer Sonderveranstaltung handele es sich um eine
von Art. 28 EG nicht erfaßte Verkaufsmodalität. Die Ansprüche des Klägers
seien auch nicht verjährt.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie
führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung.
1. Klageantrag 1 a) (Ankündigung einer Sonderveranstaltung):
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch
auf Unterlassung der beanstandeten Ankündigung einer Sonderveranstaltung aus
§ 7 Abs. 1 UWG zu. Das Verbot des § 7 Abs. 1 UWG bezieht sich lediglich auf
Verkaufsveranstaltungen, die im Geltungsbereich des Gesetzes durchgeführt
werden.
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß für die Frage
des auf eine Wettbewerbshandlung anzuwendenden Rechts der Begehungsort
maßgeblich ist und daß als Begehungsort nur der Ort angesehen werden kann,
an dem die wettbewerblichen Interessen der Mitbewerber aufeinandertreffen.
Dort soll das Wettbewerbsrecht unlauteres Konkurrenzverhalten verhindern;
auf diesen Ort beziehen sich auch das durch das Wettbewerbsrecht ebenfalls
geschützte - und deshalb bei der Rechtsanknüpfung zu beachtende - Interesse
der möglichen Kunden, als Marktteilnehmer vor unlauterem Verhalten bei der
Werbung und dem Abschluß von Verträgen geschützt zu werden, sowie das daraus
resultierende Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren Wettbewerb (BGHZ
113, 11, 14 f. - Kauf im Ausland; BGH, Urt. v. 26.11.1997 - I ZR 148/95,
GRUR 1998, 419, 420 = WRP 1998, 386 - Gewinnspiel im Ausland, jeweils m.w.N.).
Hieran ist auch unter der Geltung des Art. 40 EGBGB n.F. festzuhalten (vgl.
Palandt/Heldrich, BGB, 63. Aufl., Art. 40 EGBGB Rdn. 11; Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. Rdn. 188; Köhler in Köhler/Piper, UWG, 3.
Aufl., Einf. Rdn. 92; Sack, WRP 2000, 269, 272).
bb) Im rechtlichen Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht ferner
angenommen, daß in Fällen, in denen ein Kaufmann seine Waren oder Leistungen
grenzüberschreitend anbietet, der Marktort derjenige ist, an dem die
Werbemaßnahme auf den Kunden einwirken soll, selbst wenn der spätere Absatz
auf einem anderen Markt stattfinden soll (BGHZ 113, 11, 15 - Kauf im
Ausland; Baumbach/Hefermehl aaO Einl. Rdn. 187). Diese Regel gilt jedoch
uneingeschränkt nur in den Fällen, in denen die wettbewerbsrechtliche
Beurteilung der Werbemaßnahme - wie beispielsweise in Fällen der
irreführenden Werbung - nicht davon abhängig ist, ob das beworbene
Absatzgeschäft wettbewerbsrechtlich zu beanstanden ist. Anders verhält es
sich, wenn sich der Vorwurf der Unlauterkeit der Ankündigung ausschließlich
darauf gründen kann, daß das beworbene, im Ausland stattfindende
Absatzgeschäft unlauter ist. So kann die Werbung für ein im Ausland
abzuschließendes Geschäft nicht mit der Begründung im Inland untersagt
werden, daß der Geschäftsabschluß - wenn er im Inland stattfände - als
Rechtsbruch nach § 1 UWG zu untersagen wäre (vgl. Staudinger/Fezer, BGB,
Bearb. 2000, IntWirtschR Rdn. 572 ff.). Beispielsweise wäre es einem
luxemburgischen Kaufmann unbenommen, in Deutschland damit zu werben, daß
Kunden an einem deutschen Feiertag, an dem der Verkauf in Deutschland gegen
die Bestimmungen des Ladenschlußgesetzes verstieße, in seinem Luxemburger
Geschäftslokal willkommen seien.
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem
Verbot der Ankündigung einer Sonderveranstaltung in § 7 Abs. 1 UWG um einen
Fall, in dem sich die Unlauterkeit der Ankündigung aus der Unlauterkeit der
angekündigten Verkaufsveranstaltung ergibt. Begegnet die
Verkaufsveranstaltung keinen wettbewerbsrechtlichen Bedenken, kann auch die
Ankündigung nicht nach § 7 Abs. 1 UWG untersagt werden (vgl. BGH, Urt. v.
15.1.1998 - I ZR 244/95, GRUR 1998, 585, 587 = WRP 1998, 487 -
Lager-Verkauf). Dies gilt unabhängig davon, ob der angekündigte Verkauf nach
luxemburgischem Recht zulässig ist oder nicht. Denn das Verbot des § 7 UWG
bezieht sich nur auf im deutschen Einzelhandel durchgeführte
Sonderveranstaltungen. Es hat nicht den Zweck, den inländischen Verbraucher
auch vor einer möglichen unsachlichen Beeinflussung zu schützen, die von im
Ausland stattfindenden Sonderveranstaltungen ausgehen mag (Großkomm. UWG/Schricker,
Einl. Rdn. F 220; Großkomm.UWG/Jestaedt, § 7 Rdn. 18; Gloy/Wilde, Handbuch
WettbR, 2. Aufl., § 6 Rdn. 51; MünchKomm.BGB/Kreuzer, 3. Aufl., Art. 38
EGBGB Rdn. 246; Staudinger/Fezer aaO IntWirtschR Rdn. 463; Piper in
Köhler/Piper aaO § 7 Rdn. 7).
Das Berufungsgericht weist allerdings zu Recht darauf hin, daß der deutsche
Gesetzgeber mit dem Sonderveranstaltungsverbot auch das Ziel verfolgt hat,
die Verbraucher vor einer übermäßig unsachlichen Beeinflussung ihrer
wirtschaftlichen Entschließungen zu schützen (vgl. BGH, Urt. v. 28.9.1979 -
I ZR 139/77, GRUR 1980, 112, 113 - Sensationelle Preissenkungen; Baumbach/Hefermehl
aaO § 7 Rdn. 1). Auch dieser Schutzzweck rechtfertigt es jedoch nicht, auch
die Ankündigung einer im Ausland stattfindenden Sonderveranstaltung zu
untersagen. Denn der Gesetzgeber hat zu diesem Zweck für
Sonderveranstaltungen einen Ordnungsrahmen geschaffen, der seiner Natur nach
nur Geltung im Inland beanspruchen kann (vgl. Piper in Köhler/Piper aaO § 7
Rdn. 6 f.). Nur unter diesem Ordnungsgesichtspunkt läßt es sich
beispielsweise rechtfertigen, daß ein Saison-schlußverkauf außerhalb der
festen zeitlichen Grenzen des § 7 Abs. 3 Nr. 1 UWG, ein Jubiläumsverkauf aus
Anlaß des zwanzigjährigen Bestehens (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG) und ein nicht
rechtzeitig bei der zuständigen Stelle angezeigter Räumungsverkauf (§ 8 Abs.
3 Satz 1 UWG) als wettbewerbswidrig untersagt werden können.
dd) Die beanstandete Werbung kann unter diesen Umständen nicht unter dem
Gesichtspunkt der Ankündigung einer unzulässigen Sonderveranstaltung
verboten werden. Auf die Frage, ob ein Verbot der Werbung mit dem Grundsatz
der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 EG vereinbar wäre, kommt es somit
nicht an.
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht in der Ankündigung der
Sonderveranstaltung weder im Hinblick auf die gewählten reißerischen
Begriffe noch mit Blick auf die angekündigten Gewinnmöglichkeiten einen
Wettbewerbsverstoß unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens
gesehen (vgl. zu den Gutscheinen BGH, Urt. v. 22.5.2003 - I ZR 8/01, GRUR
2003, 1057 = WRP 2003, 1428 - Einkaufsgutschein I; Urt. v. 18.12.2003 - I ZR
84/01, GRUR 2004, 349 = WRP 2004, 496 - Einkaufsgutschein II). Die
Revisionserwiderung erhebt insoweit auch keine Gegenrüge. Die Frage eines
Verstoßes gegen das Rabattgesetz und gegen die Zugabeverordnung, die das
Berufungsgericht noch erörtert hat, stellt sich nicht mehr, weil diese
Vorschriften nach Erlaß des Berufungsurteils aufgehoben worden sind.
2. Klageantrag 1 b) (Ankündigung der Abgabe von Einkaufsgutscheinen):
Das Landgericht hat - dem Klageantrag entsprechend - nicht nur die
Ankündigung der Sonderveranstaltung mit den Merkmalen, die die oben
wiedergegebene Zeitungsanzeige auszeichnen, untersagt. Es hat der Klage auch
mit dem Klageantrag 1 b) stattgegeben und es der Beklagten unabhängig von
der Ankündi-gung der Sonderveranstaltung schlechthin untersagt, „einen
Einkaufsgutschein im Wert von 1.000 luxemburgischen Franken für jeden 50.
Kassenkunden anzukündigen". Das Berufungsgericht hat die - auch gegen die
Verurteilung in diesem Punkt gerichtete - Berufung der Beklagten in vollem
Umfang zurückgewiesen. Mit Recht rügt die Revision, daß das Berufungsurteil
insoweit keine Gründe enthält (§ 551 Nr. 7 ZPO a.F. = § 547 Nr. 6 ZPO). Auf
diese Rüge kommt es indessen nicht an, weil die Revision in diesem Punkt aus
anderen Gründen Erfolg hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, NJW
2000, 3421). Den zutreffenden Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht
begründet hat, weswegen in der bloßen Ankündigung der in Rede stehenden
Sonderveranstaltung kein wettbewerbswidriges übertriebenes Anlocken zu sehen
ist, läßt sich entnehmen, daß auch die Ankündigung des Einkaufsgutscheins
für sich genommen nicht wettbewerbswidrig ist (dazu oben unter II.1.b)).
3. Klageantrag 2 (Zahlung einer Abmahnpauschale):
Da die vom Kläger beanstandete Werbung nicht wettbewerbswidrig ist, fehlt es
an einer Grundlage für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten.
III. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Klage ist auf die
Berufung der Beklagten abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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