IPR: Anwendbares Recht bei grenzüberschreitender
Unterlassungsklage (Art. 6 Rom II-VO); Rechtswahl durch AGB, AGB-Kontrolle
einer Rechtswahlklausel (Versandapotheke) im Verbandsklageverfahren nach
UKlaG
BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR
40/11 - OLG Stuttgart
Fundstelle:
noch nicht bekannt
Amtl. Leitsatz:
a) Ein Apotheker darf zur pharmazeutischen
Beratung seiner Kunden keine Telefon-Hotline zur Verfügung stellen, die nur
gegen Gebühr in Anspruch genommen werden kann.
b) Eine von einer ausländischen Versandapotheke gegenüber Kunden in
Deutschland unter der Überschrift "Anwendbares Recht/Gerichtsstand"
verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der für alle im Zusammenhang
mit der Geschäftsbeziehung entstehenden Meinungsverschiedenheiten und
Rechtsstreitigkeiten ausschließlich das Recht des Staates gilt, in dem die
Versandapotheke ihren Sitz hat, benachteiligt die Kunden in Deutschland
unangemessen.
c) Eine ausländische Versandapotheke ist nicht gehindert, Tätigkeiten, die
nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln an die
Kunden stehen, auch dann im Inland durch von ihr beauftragte Unternehmen
ausführen zu lassen oder selbst auszuführen, wenn sie hier über keine
Apothekenbetriebserlaubnis verfügt.
d) Eine ausländische Versandapotheke darf Anrufe von Kunden im Inland, die
Arzneimittel bestellen oder pharmazeutisch beraten werden wollen, nicht über
eine Dienstleistungstelefonnummer von einer Drittfirma entgegennehmen und
bearbeiten lassen.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung, die hier nur verkürzt in Bezug auf
die IPR-Problematik wiedergegeben wird, ist insoweit von Interesse für die
Kontrolle einer in Rechtswahlklausel in AGB. Auch gegenüber Verbrauchern ist
eine Rechtswahl möglich (Art. 6 II Rom I-VO). Dem Verbraucher bleibt ja nach
Art. 6 II S. 2 Rom I-VO unter den Voraussetzungen des Art. 6 I Rom I-VO der
Mindestschutzstandard des Rechts seines gewöhnlichen Aufenthalts erhalten.
Das Zustandekommen der Rechtswahl bestimmt sich gem. Art. 3 V i.V.m. Art. 10
Rom I-VO im Vorgriff nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht. Da aber
insoweit Art. 6 II 2 Rom I-VO ins Spiel kommt, kann hier trotz der Tatsache,
dass niederländisches Recht gewählt ist, im Individualprozess eine
AGB-Kontrolle nach deutschem Recht stattfinden, sofern das niederländische
eine solche Rechtswahl für wirksam erachten würde (Günstigkeitsprinzip).
Im konkreten Fall einer Verbandsklage nach dem UKlaG ging es aber nicht
darum, ob die AGB-Rechtswahlklausel wirksam ist, sondern darum, ob sie
missbräuchlich i.S.v. § ist. Für diese deliktisch zu qualifizierende Frage
kommt es gem. Art. 6 I der Rom II-VO zur Anwendung deutschen Rechts.
©sl 2013
Tatbestand
(Auszug):
1 Die Beklagte ist eine in den
Niederlanden ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach
niederländischem Recht. Sie gehört zum S.-Konzern, der in Deutschland und in
anderen Staaten Drogeriemärkte betreibt. Die Beklagte ist Inhaberin einer
niederländischen Apothekenbetriebserlaubnis; sie betreibt an ihrem
Betriebssitz eine Präsenzapotheke sowie - auf der Grundlage einer von der
zuständigen niederländischen Stelle erteilten Erlaubnis - den Versandhandel
mit Arzneimitteln nach Deutschland.
2 Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie
hat mit ihrer nach vorangegangener Abmahnung vor dem Landgericht München I
erhobenen Klage unter anderem beanstandet, dass die Beklagte in im April
2008 erschienenen Werbepublikationen ohne deutlichen Hinweis auf ihre
Eigenschaft als niederländische Versandapotheke geworben hat (Klageantrag zu
I 1), zur pharmazeutischen Beratung der deutschen Verbraucher eine
Telefon-Hotline eingerichtet hat, deren Benutzung den Anrufer 14 Cent/Minute
kostet (Klageantrag zu I 2), und Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet,
die die vertraglichen Beziehungen der Beklagten zu ihren Abnehmern in
Deutschland dem niederländischen Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts
unterstellen (Klageantrag zu I 3 b). Darüber hinaus hat die Klägerin von der
Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten begehrt (Klageantrag zu II) und im
ersten Rechtszug ihre hinsichtlich der Werbepublikationen der Beklagten
erhobene Beanstandung auch auf deren Bestellformular erstreckt (Klageantrag
zu I 1.1). Nachdem die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts
München I mit der Begründung gerügt hatte, sie habe im Bezirk des
Landgerichts Ulm eine gewerbliche Niederlassung, hat die Klägerin weiterhin
beantragt, es der Beklagten zu verbieten, in Deutschland ohne die
erforderliche Apothekenbetriebserlaubnis einen Apothekenbetrieb auch nur
teilweise zu unterhalten (Klageantrag
zu I 4).
3 Das Landgericht Ulm, an das der Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin
verwiesen worden ist, hat der Klage mit den Anträgen zu I 1, I 1.1, I 3 b
und II stattgegeben; mit den Anträgen zu 2 und zu 4 hat es die Klage
abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien im Umfang ihres Unterliegens
Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hatte daher über die Anträge der
Klägerin zu entscheiden,
I. es der Beklagten unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr
1. für Arzneimittel zu werben oder werben zu lassen, ohne dass in der
Werbung deutlich darauf hingewiesen wird, dass es sich bei den beworbenen
Arzneimitteln um Angebote der Beklagten als niederländische Versandapotheke
handelt, wenn dies geschieht wie in den Anlagen K1 und/oder K2;
1.1 einen Bestell- und Abholschein zu verwenden oder verwenden zu lassen,
aus dem sich nicht deutlich ergibt, dass es sich bei dem Vertragspartner um
die Beklagte als niederländische Versandapotheke handelt, wenn dies
geschieht wie in der Anlage K13;
2. zur pharmazeutischen Beratung eine Telefon-Hotline zur Verfügung zu
stellen, die nur gegen Gebühr in Anspruch genommen werden kann;
3. b) in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit der
Lieferung von Arzneimitteln gegenüber Verbrauchern wörtlich oder
inhaltsgleich folgende Klausel zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung
bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:
"Anwendbares Recht/Gerichtsstand: Für alle im Zusammenhang mit der
Geschäftsbeziehung entstehenden Meinungsverschiedenheiten und
Rechtsstreitigkeiten gilt ausschließlich niederländisches Recht unter
Ausschluss des UN-Kaufrechts";
4. ...
4 Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf
die Berufung der Klägerin auch den Klageanträgen zu I 2 und I 4 stattgegeben
(OLG Stuttgart, WRP 2011, 644).
5 Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung
die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren
Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe (Auszug):
6 I. Das Berufungsgericht hat sowohl die vom Landgericht abgewiesenen
Klageanträge als auch die Klageanträge, denen das Landgericht stattgegeben
hatte, für begründet erachtet und hierzu Folgendes ausgeführt:
7 Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folge aus Art. 5
Nr. 3 Brüssel-I-VO. Begehungsort im Sinne dieser auch für
Wettbewerbsverstöße geltenden Vorschrift sei neben dem Handlungsort auch der
Erfolgsort, der im Streitfall in Deutschland liege, wo die beanstandete
Werbung der Beklagten verbreitet worden sei und wo deren Vertriebsmodell zum
Tragen kommen solle.
8 Soweit die Beklagte pharmazeutische Beratung über eine Telefon-Hotline
anbiete, die nur gegen Gebühr in Anspruch genommen werden könne, sei dies
mit den Beratungspflichten eines Apothekers unvereinbar und daher unlauter.
Zulässig und ebenfalls begründet sei der Klageantrag, mit dem die Klägerin
sich dagegen wehre, dass die Beklagte in Deutschland wesentliche
pharmazeutische Tätigkeiten ausführe, obwohl sie keine deutsche
Apothekenbetriebserlaubnis besitze. Die Werbung der Beklagten sei insofern
irreführend, als sie dort nicht klarstelle, dass es sich um Angebote einer
niederländischen Versandapotheke handele. Die Klausel in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Beklagten, wonach für alle im Zusammenhang mit
Arzneimittellieferungen entstehenden Meinungsverschiedenheiten und
Rechtsstreitigkeiten ausschließlich niederländisches Recht unter Ausschluss
des UN-Kaufrechts gelte, benachteilige den Verbraucher unangemessen. Der
Kostenerstattungsanspruch der Klägerin folge daraus, dass deren Abmahnung
ausweislich des Antwortschreibens der Prozessbevollmächtigten der Beklagten
hinreichend genau und daher berechtigt gewesen sei.
9 II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nur insoweit nicht
stand, als diese sich gegen die Bestimmtheit des Klageantrags zu I 4
richten.
10 1. Das Berufungsgericht hat mit Recht und von der Revision auch
unangegriffen angenommen, dass die deutschen Gerichte für die Entscheidung
des Streitfalls nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO international zuständig sind.
Keinen Fehler lässt auch seine Beurteilung erkennen, das beanstandete
Verhalten der Beklagten sei lauterkeitsrechtlich nach dem deutschen
Wettbewerbsrecht als dem Recht des Orts zu beurteilen, auf dessen Markt die
wettbewerblichen Interessen der Parteien aufeinanderträfen (vgl.
BGH, Urteil vom 30. März 2006 - I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 Rn. 25 -
Arzneimittelwerbung im Internet, mwN). Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang, ob es der Beklagten mit der in ihren Allgemeinen
Geschäftsbedingungen enthaltenen Rechtswahlklausel im Verhältnis zu ihren
Kunden gelungen ist, die Geltung des niederländischen Rechts zu vereinbaren;
denn eine - mittlerweile durch Art. 6 Abs. 4 Rom-II-VO überhaupt
ausgeschlossene - Rechtswahl des Deliktsstatuts hätte nach Art. 42 Satz 1
EGBGB nur nachträglich erfolgen können und zudem nach Art. 42 Satz 2 EGBGB
die Rechte Dritter unberührt gelassen.
11 2. Klageanträge zu I 1 und I 1.1
12 ...
29 4. Klageantrag zu I 3 b
30 Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das
Berufungsgericht die von der Beklagten in ihren Allgemeinen
Geschäftsbedingungen verwendete Rechtswahlklausel als eine unangemessene
Benachteiligung der Kunden und damit zugleich als ein unzulässiges Verhalten
im Wettbewerb angesehen hat.
31 a) Die Anspruchsberechtigung und Klagebefugnis (vgl. BGH, Urteil vom 8.
Oktober 1997 - IV ZR 220/96, NJW 1998, 454, insoweit nicht in BGHZ 136, 394;
Urteil vom 25. September 2002 - VIII ZR 253/99, BGHZ 152, 121, 127 ff.) der
Klägerin für diesen Klageantrag folgt, soweit sie den in dieser Hinsicht
geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf § 1 UKlaG in Verbindung mit §
307 BGB stützt, aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UKlaG, und soweit sie ihn aus §§
8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 307 BGB herleitet, aus § 8 Abs. 3 Nr.
2 UWG. Die Bestimmung des § 307 BGB hat jedenfalls insoweit, als sie einer
Benachteiligung des Kunden entgegenwirken soll, die sich aus intransparenten
Allgemeinen Geschäftsbedingungen - wie der hier in Rede stehende
Rechtswahlklausel (vgl. dazu sogleich in Rn. 32) - ergibt, eine auf die
Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion (vgl. Fuchs in
Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 11. Aufl., Vor § 307 BGB Rn. 90b; vgl.
auch BGH, Urteil vom 31. März 2010
- I ZR 34/08, GRUR 2010, 1117 Rn. 29 f. = WRP 2010, 1479 -
Gewährleistungsausschluss im Internet, zu § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB; Urteil
vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 45 bis 48 = WRP 2012, 1086
- Missbräuchliche Vertragsstrafe, zu § 307 BGB unter dem Gesichtspunkt einer
unangemessenen Benachteiligung durch pauschale Abbedingung
verschuldensunabhängiger Haftung, § 308 Nr. 1 BGB und § 309 Nr. 7 Buchst. a
BGB). Wegen ihres prinzipiell unterschiedlichen Regelungsansatzes besteht
zwischen den Vorschriften des Lauterkeitsrechts und den Bestimmungen des
AGB-Rechts grundsätzlich auch Gesetzeskonkurrenz (vgl. BGH, GRUR 2010, 1117
Rn. 31 - Gewährleistungsausschluss im Internet; Fuchs in
Ulmer/Brandner/Hensen aaO Vor § 307 BGB Rn. 89, jeweils mwN).
32 b) Die beanstandete Rechtswahlklausel der Beklagten benachteiligt
die Kunden sowohl nach der Rechtslage, die bis zum Inkrafttreten der
Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse
anzuwendende Recht (Rom-I-VO) am 17. Dezember 2009 gegolten hat (vgl. Art.
28, 29 Rom-I-VO), als auch nach der Rechtslage, die für ab diesem Zeitpunkt
geschlossene Schuldverträge gilt, entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen, weil sich aus ihr nicht klar und verständlich ergibt, welche
Rechtsvorschriften für im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zwischen
der Beklagten und ihren Kunden entstandene Streitigkeiten gelten sollen.
33 aa) Gemäß Art. 29 Abs. 1 EGBGB durfte eine Rechtswahl der Parteien bei
bis zum 16. Dezember 2009 geschlossenen Verbraucherverträgen dem Verbraucher
insbesondere dann nicht den Schutz entziehen, den ihm die zwingenden
Vorschriften des Rechts des Staates gewährten, in dem er seinen gewohnlichen
Aufenthalt hatte, wenn dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder
eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen war und der Verbraucher die zum
Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen dort vorgenommen
(Nummer 1) oder der Vertragspartner die Bestellung des Verbrauchers dort
entgegengenommen hatte (Nummer 2). Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1
Rom-I-VO können die Parteien auch bei seither abgeschlossenen
Verbraucherverträgen das anzuwendende Recht grundsätzlich gemäß Art. 3
Rom-I-VO frei wählen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO darf eine solche
Rechtswahl dem Verbraucher allerdings nicht den Schutz der Bestimmungen
entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht
durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Dementsprechend sind die §§ 305
ff. BGB auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt
in Deutschland geschlossen haben, sowohl nach dem früheren Recht als auch
nach dem geltenden Recht anzuwenden (vgl. H. Schmidt in
Ulmer/Brandner/Hensen aaO Teil 3 [7] Rechtswahlklauseln Rn. 8 und 12).
34 bb) Der Gesetzgeber geht danach davon aus, dass es dem
Verbraucher grundsätzlich zuzumuten ist, sich bei einem Verbrauchervertrag
auf die Wahl des Rechts eines anderen Staates als dem einzulassen, in dem er
seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass
das Nebeneinander von zwingendem Verbraucherschutzrecht dieses Staates und
dem ansonsten geltenden gewählten Recht (noch) nicht zur Folge hat, dass die
Rechtslage aufgrund der getroffenen Rechtswahl so wenig klar und
verständlich ist, dass sich daraus für den Verbraucher eine gemäß § 307 Abs.
1 Satz 2 BGB unangemessene Benachteiligung ergibt.
35 cc) Bei grenzüberschreitenden Arzneimittelkaufverträgen, wie sie im
Streitfall in Rede stehen, kommen allerdings Besonderheiten hinzu, die
jedenfalls zusammengenommen die Abwahl des im Hinblick auf den gewöhnlichen
Aufenthaltsort des Verbrauchers an sich anzuwendenden deutschen Rechts
zugunsten des niederländischen Rechts als des Heimatrechts der Beklagten
jedenfalls dann als unangemessene Benachteiligung erscheinen lassen, wenn
dem Verbraucher dabei keine aufklärenden Hinweise gegeben werden.
36 (1) Zu berücksichtigen ist vor allem, dass beim Arzneimittelkauf die
dafür geltenden bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen der §§ 433 ff. BGB
insbesondere im Bereich der Nebenpflichten durch die nicht zur Disposition
der Parteien stehenden, sondern zwingenden öffentlich-rechtlichen
Bestimmungen des Apothekenrechts ergänzt und modifiziert werden. So
begründet etwa die oben unter Randnummer 18 behandelte Bestimmung des § 20
ApBetrO keine mit ihrer Einführung im Jahr 1987 neu geschaffene originäre
Informations- und Beratungspflicht des Apothekers, sondern spezifiziert
lediglich andere, im Kaufrecht statuierte und entwickelte schuldrechtliche
(Neben-)Pflichten (vgl. Cyran/Rotta aaO § 20 Rn. 6; Mand/Könen, WRP 2006,
841, 847). Dementsprechend haftet der Apotheker bei Verletzung einer nach
dieser Bestimmung bestehenden Pflicht nicht nur gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen
Verletzung eines Schutzgesetzes, sondern auch wegen Vertragsverletzung (bei
Kassenpatienten analog § 328 BGB) auf Schadensersatz (vgl. Cyran/Rotta aaO §
20 Rn. 30 bis 32). Vor diesem Hintergrund stellt sich die
streitgegenständliche Rechtswahlklausel, die nicht nur keine Differenzierung
vorsieht, sondern mit der Formulierung "... alle ... Ansprüche ..." im
Gegenteil den Eindruck zu erwecken versucht, deutsches Recht sei in keiner
Hinsicht anwendbar, als nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs.
1 Satz 2 BGB dar.
37 (2) Dem vorstehend Ausgeführten kommt dann besondere Bedeutung zu, wenn
ein Fehlverhalten des Apothekers bei seinem Kunden zu einem
Gesundheitsschaden geführt hat. In solchen Fällen wird der Apotheker
regelmäßig nicht nur gegen eine vertragliche, sondern auch gegen eine den
Schutz des Kunden bezweckende, nach dem Apothekenrecht bestehende zwingende
öffentlich-rechtliche Pflicht verstoßen haben. Fraglich und zweifelhaft ist
zudem, ob die Verweisung auf das niederländische Recht in entsprechenden
Fällen immerhin für die Rechtsfolgenseite gilt. Auch in dieser
Hinsicht fehlt es an einer zur Vermeidung einer unangemessenen
Benachteiligung des Kunden im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB
erforderlichen Klarstellung in der Rechtswahlklausel.
38 (3) Das Berufungsgericht hat ferner mit Recht berücksichtigt, dass die
streitgegenständliche Rechtswahlklausel - was auch im Klageantrag
berücksichtigt wurde - in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten
unter der Überschrift "Anwendbares Recht/Gerichtsstand" enthalten ist.
Dieser Umstand ist geeignet, Verbraucher glauben zu machen, sie könnten
ihnen zustehende Ansprüche gegen die Beklagte allein auf der Grundlage des
niederländischen Rechts und auch nur vor einem dortigen Gericht geltend
machen. Er ist daher - ebenso wie die vorstehend in den Randnummern 36 und
37 angesprochenen Umstände - geeignet, den Verbraucher, der sich auf die
streitgegenständliche Rechtswahlklausel einlässt, dadurch im Sinne
von § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unangemessen zu benachteiligen, dass ihm
ein falsches Bild von den ihm nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der
Beklagten zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten vermittelt wird.
39 5. Danach war die von der Klägerin gegenüber der Beklagten unter dem 14.
Mai 2008 ausgesprochene Abmahnung berechtigt. Die Vorinstanzen haben daher
dem Zahlungsantrag gemäß Ziffer II des Klageantrags ebenfalls mit Recht
stattgegeben (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG). Der Inhalt des Antwortschreibens der
Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 2. Juni 2008 zeigt, dass diese
Abmahnung für die Beklagte durchaus erkennen ließ, auf welche Teile ihres
Werbematerials sich die im Abmahnschreiben enthaltenen Beanstandungen
bezogen.
40 6. Klageantrag zu I 4
...
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