Internationales
Deliktsrecht: Produkthaftung, Mehrheit von Handlungsorten, Begriff des "Erfolgsorts"
OLG Düsseldorf, v. 18. 12. 1998 - 22 U
13/98
Fundstellen:
NJW-RR 2000, 833
IPRax 2001, 584 mit Anm. Thorn aaO S. 561 ff
Zentrales Problem:
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht das
auf die außervertragliche Produkthaftung anwendbare Recht. Der konkrete
Fall war nach altem - nicht kodifizierten - internationalen Deliktsrecht
zu beurteilen. Unter Geltung der Artt. 40 ff EGBGB n.F. wäre aber
ebenfalls deutsches Recht als das Recht des Handlungsorts anzuwenden (Art.
40 I 1 EGBGB), weil dies der Sitz des Herstellers ist und das Produkt hier
in den Verkehr gebracht wurde. Der Geschädigte hätte freilich ein
Bestimmungsrecht nach Art. 40 I 2 EGBGB zugunsten des Rechts des
Erfolgsorts (Schadenseintrittsort) gehabt. Maßgeblich ist dabei der Ort
der Rechtsgutsverletzung, nicht derjenige von Folgeschäden. Für Dritte
(sog. "bystander") ist das unstreitig. Bestehen aber zwischen dem Erwerber
und dem Produzenten vertragliche Beziehungen, stellt sich die - von der
h.M. verneinte - Frage einer vertragsakzessorischen Anknüpfung (Art. 42 II
Nr. 1 EGBGB). Für die Frage des Erfolgsorts wird aber wegen der
Zufälligkeit des Orts der Rechtsgutverletzung (hier: Brand des Schiffes
aufgrund einer fehlerhaften Löschanlage) eine abweichende Definition des
Erfolgsortes vertreten. Maßgeblich soll dann der "Marktort" (Erwerbsort)
des Produkts sein (vgl. zum Ganzen ausführlich die Bespr. der Entscheidung
von Thorn IPRax 2001, 561 ff).
©sl 2003
Amtl. Leitsätze:
1.2 Für Schadensersatzansprüche wegen eines Schiffsbrandes in
niederländischen Hoheitsgewässern infolge einer angeblich fehlerhaften
Feuerlöschanlage, welche von einem deutschen Hersteller in Deutschland in
Verkehr gebracht und in Korea in das Schiff eingebaut worden ist, kann der
schwedische Kaskoversicherer der in Schweden oder Panama ansässigen
Geschädigten deutsches Produkthaftpflichtrecht wählen.
2.2 Der Geschädigte, der Schadensersatzansprüche aus einem Schiffsbrand
auf eine Funktionsunfähigkeit der in das Schiff eingebauten
Feuerlöschanlage stützt, trägt die Beweislast für den angeblichen
Produktfehler; eine Beweislastumkehr auf Grund einer besonderen Pflicht
zur Statussicherung beim Verlassen des Herstellerbereichs entsprechend der
BGH-Rechtsprechung zur Explosion kohlensäurehaltiger Getränkeflaschen
kommt nicht in Betracht.
Zum Sachverhalt:
Die Kl., eine Versicherungsgesellschaft schwedischen Rechts, macht als
Kaskoversicherer aus übergegangenem Recht gegen die deutsche Bekl. als
Herstellerin einer Feuerlöschanlage Schadensersatz auf Grund eines
Schiffsbrandes geltend. Die Kl. ist Versicherer des Motorschiffs V. Das
Schiff wurde 1987 von einer koreanischen Werft, der K, gebaut. Die Bekl.
konzipierte im Auftrag der K die Feuerlöschanlage und lieferte deren
wesentliche Bestandteile. Es handelt sich um eine
Niederdruck-CO2-Löschanlage. Das Rohrsystem der Anlage wurde von der K
erstellt. Dafür verwendete sie verzinkte Stahlrohre, die verschweißt
wurden. Die Bekl. führte nach Fertigstellung der Anlage einen
Funktionstest mit Pressluft durch und stellte danach ein Zertifikat aus
mit der folgenden Bestätigung: "We herewith confirm that the KIDDE CO2
fire extinguishing system, according to the safety rules, is in order and
all spare parts are supplied". Eigentümerin des Schiffes ist die
V-Shipholding S.A. (Panama). Diese hat es der G-A.B., Schweden, als sog.
Bareboat-Charterer überlassen, die es ihrerseits wiederum der schwedischen
M-A.B. ("Zeitcharterer") vercharterte. Am 18. 9. 1988 befand sich die V
mit einer Ladung Papier und Holz auf einer Reise von Husum (Schweden) und
Oskarshamn (Schweden) nach Antwerpen. Auf der Höhe der Reede von
Vlissingen (Niederlande) brach im Maschinenraum des Schiffes ein Brand
aus. Um 18.35 Uhr wurde Brandalarm gegeben. Die zumindest einmal
ausgelöste Löschanlage bewirkte die Löschung des Brandes trotz Austretens
einer CO2-Menge von (mindestens) 3000 kg nicht. Erst der herbeigerufenen
Feuerwehr gelang es gegen 2.00 Uhr des folgenden Tages, das Feuer zu
löschen. Der Maschinenraum war - mit Ausnahme des Bereichs bis zur Höhe
von 2 m - fast völlig ausgebrannt, auch am Schiffskörper waren Schäden
entstanden. Nach dem Brand wurde das Schiff nach Antwerpen geschleppt, wo
seine Ladung gelöscht wurde. Bis Ende Dezember 1988 wurde das Schiff von
der H-AG in K. repariert. Die Kl. begehrt Schadensersatz und macht nach
teilweiser Rücknahme der Klage hierfür - im Einzelnen zwischen den
Parteien streitige - Schäden am Schiff (Reparaturkosten von 9232671,90 DM)
sowie einen in einer Dispache (Schadensverteilung auf Schiff, Ladung sowie
Rolltrailer und Ladegeschirr) des schwedischen Dispacheurs Prof. J
ermittelten Betrag von 1363801,31 DM geltend. Sie stützt ihre Ansprüche
auf eine Haftung der Bekl. als Produzentin. Sie hat behauptet, die
Löschanlage habe nicht ordnungsgemäß funktioniert. In den Rohren seien vom
Verschweißen Rückstände verblieben. Dem habe die Bekl. auf zwei
verschiedene Arten Rechnung tragen können, entweder durch nachträgliche
Beseitigung der Rückstände oder durch eine andere Wahl der Düsen, die den
Austritt der Rückstände erlaubt hätten. Beides habe die Bekl. versäumt.
Der von der Bekl. durchgeführte Funktionstest sei ungeeignet. Die im
System vorhandenen Verschmutzungen könnten durch bei dem von der Bekl.
vorgesehenen Einsatz von Pressluft nicht ausgeblasen werden. Die Kl. hat
zur Begründung ihrer Aktivlegitimation zunächst behauptet, die
Schadensersatzansprüche seien ihr von den geschädigten Gesellschaften
abgetreten worden, und hat diesbezügliche schriftliche
Abtretungserklärungen vorgelegt. Zumal sie für alle geltend gemachten
Schäden Ersatz geleistet habe, seien ihrer Ansicht nach die
Schadensersatzforderungen auf sie als Versicherer übergegangen. Der
Rechtsübergang beruhe auf § 49 der Allgemeinen schwedischen
Kaskobedingungen. Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat
behauptet, dass nach dem Brand in den Düsen bzw. Rohren aufgefundene
metallische Rückstände (Zink und Eisen) (fast ausschließlich) Folge des
Brandes gewesen seien und nicht Ursache des Versagens der CO2-Löschanlage.
Das Durchblasen mit Pressluft sei eine dem Stand der Technik entsprechende
Methode, um verschweißte Rohrleitungen von eventuellen Verschmutzungen zu
reinigen. Die Bekl. hat ferner die Auffassung vertreten, dass sie nicht
für den Zustand der Rohrleitungen verantwortlich sei, weil diese nicht von
ihr, sondern von der K installiert wurden. Die seitlichen Bohrungen der
Düsen hätten einen Durchmesser von bis zu 6,3 mm (insoweit unstreitig) und
ließen mühelos Staub und auch groben Schrot austreten. Die Bekl. hat die
Wirksamkeit der Abtretungen aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen in
Zweifel gezogen. Ferner hat sie vorgetragen, dass die Abtretungen
jedenfalls nicht vor Eintritt der Verjährung vereinbart worden seien und
hat daraufhin die Einrede der Verjährung erhoben. Das LG hat nach einer
Beweiserhebung zum wirksamen Abschluss der Versicherungsverträge, zum
Rechtsübergang auf die Kl. und zur Rechtsnatur der Dispache durch
Einholung eines Rechtsgutachtens des Max-Planck-Instituts für
ausländisches und internationales Privatrecht Hamburg und eines
Sachverständigengutachtens sowie Zeugenvernehmungen zur Ursache der
unterbliebenen Löschung die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt
erklärt. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass auf Grund des
anwendbaren deutschen Rechts eine Haftung der Bekl. nach § 823 I BGB
bestehe. Der Anspruch sei (wenigstens teilweise vor Eintritt der
Verjährung) auf Grund der schwedischen allgemeinen Kaskobedingungen auf
die Kl. übergegangen. Auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme sei
davon auszugehen, dass die Bekl. die streitige Feuerlöschanlage auf der V
habe in Betrieb nehmen lassen, ohne die im Verkehr erforderliche Sorgfalt
zu beachten. Der durchgeführte Funktionstest sei nicht geeignet,
Zinkrückstände und Schweißperlen aus dem Rohrsystem zu entfernen.
Infolgedessen sei es bei Ausbruch des Brandes zum Verstopfen der Düsen
gekommen. Die gegen dieses Grundurteil eingelegte Berufung der Bekl. hatte
Erfolg.
Aus den Gründen:
Ein - im vorliegenden Fall nach deutschem Recht zu beurteilender -
Schadensersatzanspruch steht der Kl. nicht zu. Die Voraussetzungen der
allein in Betracht zu ziehenden Produkthaftung nach § 823 I BGB lassen
sich nicht feststellen. Nach der vom LG durchgeführten Beweisaufnahme
steht nicht fest, dass die von der Bekl. konzipierte und hergestellte
Feuerlöschanlage einen Produktfehler aufwies.
I. Der von der Kl. geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist nach dem
deutschen Produkthaftpflichtrecht zu beurteilen.
Das Deliktsstatut ist im deutschen internationalen Privatrecht
ausdrücklich nur für Schädigungen deutscher Staatsangehöriger geregelt (VO
vom 7. 12. 1942, abgedruckt in MünchKomm, 3. Aufl., bei Art. 38 EGBGB;
Palandt, BGB, 57. Aufl., Anh. zu Art. 38 EGBGB). Im vorliegenden Fall
kommen aber die schwedische G A.B., die M-A.B. (Schweden) und die V-S.A.
(Panama) als Geschädigte in Betracht. Die Haager Konvention vom 2. 10.
1973 über das auf die Produkthaftpflicht anwendbare Recht ist von der
Bundesrepublik Deutschland bisher nicht ratifiziert worden (Kreuzer, in:
MünchKomm, 3. Aufl., Art. 38 EGBGB Rdnrn. 197f.).
Mangels einer Rechtswahlvereinbarung (die hier nicht vorgetragen ist)
und einer möglichen akzessorischen Anknüpfung an die Vertragshaftung wird
in Rechtsprechung und Lehre überwiegend auf die Tatortregel abgestellt
(Kreuzer, in: MünchKomm, 3. Aufl., Art. 38 EGBGB Rdnr. 201a m.w. Nachw.),
wobei streitig ist, ob es auf den Ort der Herstellung (hier, wie
anzunehmen ist, am Sitz der Bekl.), des Inverkehrbringens
(Deutschland) oder der Rechtsgutverletzung (offenbar
niederländisches Hoheitsgewässer) ankommt (zum Meinungsstand s. Kreuzer,
in: MünchKomm, Art. 38 EGBGB Rdnr. 201a). Es genügt indessen, wenn
einer der genannten Anknüpfungspunkte für das deutsche Recht gegeben ist,
denn dann konnte die Kl. - wie hier geschehen - das deutsche Recht wählen.
Die Kl. stützt sich im Wesentlichen auf zwei Aspekte, zum einen die nicht
ausreichende Dimensionierung der Düsen, zum anderen (worauf das LG
maßgeblich abgestellt hat) die fehlerhafte Durchführung des
Funktionstests. Für den ersten Fall ist deutsches Recht anwendbar, weil
die Bekl. ihre Anlage in Deutschland auf den Markt gebracht hat. Dazu
reicht es aus, wenn sie es von ihrem Sitz aus anbot, ohne dass es auf die
in Korea durchgeführte Montage ankommt. Der Funktionstest wurde allerdings
am Ort des Baus des Schiffes (B./Korea) durchgeführt. Der Funktionstest
steht aber, auch wenn man ihn als Maßnahme zur Produktüberwachung
betrachtet, mit dem Inverkehrbringen im engen Zusammenhang. In der
mangelhaften Funktionsüberwachung kann nicht das haftungsauslösende
Verhalten gesehen werden (s.u. III 1) sowie nunmehr offenbar auch die Kl.
im Schriftsatz vom 20. 10. 98, so dass von dem Statut des
Inverkehrbringens, also vom deutschen Produkthaftungsrecht auszugehen ist.
Das Produkthaftungsgesetz ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Es war zum Zeitpunkt des Schadenseintritts noch nicht in Kraft getreten
und erfasst zudem nach seinem § 1 I 2 im Fall einer Sachbeschädigung nur
Sachen, die für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt sind. Die allein
in Betracht kommende Produkthaftung nach § 823 I BGB ist indessen nicht
gegeben.
II. Eine nach § 823 I BGB notwendige Rechtsverletzung ist gegeben. Eine
Produkthaftung i.S. des § 823 I BGB steht unter der Voraussetzung, dass
ein Recht oder Rechtsgut des Geschädigten, hier also der
Versicherungsnehmer der Kl., verletzt wurde.
Da nur von einem Forderungsübergang auf Grund des § 49 I der allgemeinen
schwedischen Kaskobedingungen ausgegangen werden kann, kommt es auf die in
den Versicherungspolicen genannten Gesellschaften an, also die V-S.A. und
die G-A.B.
Hinsichtlich der V-S.A. liegt eine Eigentumsverletzung vor. Der Haftung
steht nicht entgegen, dass die Feuerlöschanlage im Zuge der Herstellung
des Schiffes eingebaut wurde und die V-S.A. also ein möglicherweise von
vornherein mangelhaftes Schiff erwarb (die Einzelheiten des
Eigentumserwerbs sind allerdings nicht vorgetragen). In diesem Fall dürfen
zwar über den deliktischen Schadensersatzanspruch nicht die vertraglichen
Haftungsregeln umgangen werden, indem durch die Produkthaftung ein
Anspruch wegen enttäuschter Vertragserwartung (Nutzungs- und
Äquivalenzinteresse) gewährt wird. Der BGH hat die Abgrenzung zwischen
deliktisch geschütztem Integritätsinteresse und enttäuschter
Vertragserwartung mit Hilfe des Kriteriums der "Stoffgleichheit"
durchgeführt und eine Haftung beispielsweise bejaht, wenn ein fehlerhaftes
Teil der Sache zur Beschädigung anderer Teile führte (BGHZ 86, 256 = NJW
1983, 810 = LM § 823 [Ac] BGB Nr. 36 - Gaszug). Nach der Rechtsprechung
des BGH ist es aber auch nicht erforderlich, dass die fehlerhafte Sache
andere Güter schädigt, sondern genügt, dass das Produkt nur wirkungslos
bleibt und der Benutzer, weil er auf die Wirksamkeit vertraute, von der
Verwendung eines anderen Produkts abgesehen hat (BGHZ 80, 186 = NJW 1981,
1603 = LM § 823 [Dc] BGB Nr. 130 - Pilzbekämpfungsmittel; vgl. auch
Mertens, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 823 Rdnr. 109 zum Versagen von
Sicherungsanlagen). Diese Konstellation ist mit dem vorliegenden Fall
vergleichbar, zumal es sich bei der Feuerlöschanlage um eine
Sicherungsanlage handelt und der vorliegende Schaden sich nicht mit dem
(unterstellten) mangelbedingten Minderwert deckt.
Die G-A.B. war als Bareboat-Charterer berechtigte Besitzerin des Schiffes.
Der berechtigte Besitz ist ebenfalls nach § 823 I BGB geschützt. Der
konkrete Umfang des dem berechtigten Besitzer im Vergleich zum Eigentümer
zu ersetzenden Schadens kann hier offenbleiben, da die G-Lines A.B. im
Verhältnis zum Eigentümer zur Tragung des Substanzschadens verpflichtet
sein dürfte, sie also zumindest einen Haftungsschaden erlitten haben
dürfte.
III. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lässt sich indessen nicht
feststellen, dass die von der Bekl. geplante und hergestellte Anlage
fehlerhaft war. Die Beweisaufnahme lässt den vom LG gezogenen Schluss auf
die Fehlerhaftigkeit der Feuerlöschanlage nicht zu.
Der Hersteller eines Produkts hat für Fehler in der Produktion,
Information oder nachträglichen Beobachtung nach Veräußerung des Produkts
einzustehen. Im vorliegenden Fall kommt allein eine Haftung wegen eines
Produktionsfehlers in Frage.
1. Der Funktionsüberprüfung kommt abweichend vom Ausgangspunkt des LG
keine eigenständige Bedeutung als Anknüpfungspunkt zu. Eine besondere
Produktbeobachtungspflicht traf die Bekl. entgegen der Ansicht der Kl.
nicht. Denn die Annahme einer zusätzlichen Produktbeobachtungspflicht ist
nur sinnvoll, wenn sich dem Produkt innewohnende Gefahren erst durch seine
Beobachtung nach Fertigstellung erkennen und steuern lassen. Denn
anderenfalls begründet bereits das Herstellen und Inverkehrbringen des
fehlerhaften Produkts die Schadensersatzpflicht des Herstellers. Im
vorliegenden Fall stützt die Kl. die Haftung auf einen von vornherein
bestehenden und erkennbaren Fehler, denn es ist auf den Zeitpunkt
abzustellen, in dem die Bekl. die Anlage nach Überprüfung am Ort der
Herstellung freigab. Die Funktionsüberprüfung war nicht mehr als eine
Endkontrolle, die die Fehlerhaftigkeit der CO2-Löschanlage sicherstellen
sollte. Denn die Funktionsüberprüfung ist vor dem Hintergrund zu sehen,
dass die Anlage nicht vollständig von der Bekl. hergestellt und montiert
wurde. Die für die Anlage notwendigen Rohre wurden von der K, der
Vertragspartnerin der Bekl., eingebaut und verschweißt. Die
Funktionsüberprüfung erlangt also nur in zweierlei Hinsicht rechtliche
Bedeutung. Zum einen macht sie die Bekl. zur Herstellerin der gesamten
Anlage, so dass die Bekl. auch für den Zustand und die Funktionsfähigkeit
einschließlich der Verrohrung verantwortlich ist. Zum anderen stellt sie
eine Sicherungsmaßnahme dar, deren ordnungsgemäße Durchführung im
Zusammenhang mit dem Verschulden der Bekl. eine Rolle spielen kann (zur
Frage der Beweislastumkehr s.u. III 2a).
2. Eine Haftung der Bekl. kann sich also allein aus einem Produktfehler
ergeben (zum von der Kl. vorgebrachten Instruktionsfehler s.u. III 3),
wenn die von ihr gelieferte und abgenommene CO2-Feuerlöschanlage nicht
oder nicht in vollem Umfang funktionstüchtig war.
Entgegen der Ansicht der Bekl. ist sie als Herstellerin der gesamten
CO2-Feuerlöschanlage zu betrachten. Sie hat die Anlage konzipiert sowie
ihre Hauptbestandteile hergestellt und geliefert. Sie führte den
Funktionstest durch und gab die Anlage sodann zur Benutzung frei. Dass sie
dabei nicht nur die korrekte Herstellung der Rohrverbindungen, sondern
auch deren Rückstandsfreiheit zu gewährleisten hatte, ergibt sich aus dem
von ihr ausgestellten Zertifikat ("We herewith confirm that" [s.o.]). In
dem Zertifikat bestätigte sie, dass die Anlage den Sicherheitsvorschriften
entsprach. Die Bestätigung bezieht sich ersichtlich auf die
Funktionsfähigkeit der gesamten Anlage.
a) Die Beweislast für den Fehler der Anlage liegt bei der Kl. als
Rechtsnachfolgerin der Geschädigten.
Die in der Rechtsprechung in Fällen einer bestehenden
Statussicherungspflicht angenommene Beweislastumkehr ist im vorliegenden
Fall nicht gerechtfertigt. Die von der Kl. zitierten Entscheidungen BGHZ
104, 323 = NJW 1998, 2611 = LM § 823 (E) BGB Nr. 16 und BGH, NJW 1993, 528
= LM § 823 (Dc) BGB Nr. 186 können auf den vorliegenden Fall nicht
übertragen werden. In beiden Fällen ging es um das Inverkehrbringen von
kohlensäurehaltigen Getränkeflaschen (Mineralwasser- bzw.
Limonadeflaschen, s. auch BGHZ 129, 353 = NJW 1995, 2162 = LM § 1
ProdHaftG Nr. 1), für die der BGH ausnahmsweise eine Beweislastumkehr
angenommen hat auf Grund einer besonderen Pflicht zur Statussicherung beim
Verlassen des Herstellerbereichs. Damit ist der vorliegende Fall nicht
vergleichbar.
Denn die Umkehr der Beweislast dient der Vermeidung unbilliger Härten
aufgrund von bestehenden Beweisschwierigkeiten des Geschädigten.
Beweisschwierigkeiten bestehen bei Mineralwasserflaschen einmal in der
regelmäßig eingetretenen Zerstörung der Flasche infolge der Explosion. Zum
anderen durchlaufen die Flaschen auf dem Weg vom Hersteller zum
Konsumenten mehrere Stationen, die es erschweren, einen Produktfehler dem
Produzenten zuzurechnen. Vergleichbare Beweisschwierigkeiten treffen den
Erwerber einer CO2-Löschanlage jedoch nicht. Eine CO2-Feuerlöschanlage
schließt auch bei fehlerhafter Funktion nicht schlechthin die
nachträgliche Ermittlung eines Fehlers im Zeitpunkt der Auslieferung aus.
Das Produkt durchläuft bis zur Auslieferung an den Verbraucher (bzw.
Benutzer) nicht mehrere Zwischenstationen, an denen der Fehler (in den
zitierten Entscheidungen kam das Entstehen von Haarrissen an den Flaschen
in Betracht) auftreten kann. Der Benutzer einer Feuerlöschanlage befindet
sich also nicht in einer dem Erwerber von kohlensäurehaltigen
Getränkeflaschen vergleichbaren (generellen) Beweisnot. Im Übrigen
bestünde für eine besondere Pflicht zur Statussicherung, die nicht mit der
im Rahmen der Herstellung durchzuführenden Endkontrolle zu verwechseln
ist, der Bekl. auf Grund der Eigenheiten des Herstellungs- und
Vertriebsweges keine Grundlage.
b) Der Beweis der Fehlerhaftigkeit der CO2-Löschanlage ist von der
beweispflichtigen Kl. nicht geführt worden. Nach der Beweisaufnahme lässt
sich nicht mit der nötigen Überzeugung feststellen, dass die
Funktionstüchtigkeit der Feuerlöschanlage vor dem Brand entweder
aufgehoben oder so stark eingeschränkt war, dass ein rechtzeitiges Löschen
des Feuers nicht mehr gewährleistet war ...
d) Im Ergebnis trägt die Kl. die uneingeschränkte Beweislast für eine
Fehlerhaftigkeit der Anlage. Beweiserleichterungen oder eine Umkehr der
Beweislast sind ihr nicht zuzubilligen. Die Kl. hatte es vielmehr - zumal
als Schadensversicherer - in der Hand, auf sorgfältigere Weise eine
umfassende und konkret dokumentierte Beweissicherung durchzuführen. Die
von der Kl. im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5. 11. 1998 vertretene
Auffassung, die Beweissicherung sei vornehmlich Aufgabe der Bekl. gewesen,
trifft - wie ausgeführt worden ist - nicht zu.
3. Schließlich trifft die Bekl. auch nicht der nunmehr von der Kl.
geäußerte Vorwurf des Verstoßes gegen Instruktionspflichten hinsichtlich
von Rückständen im Rohrsystem. Es kann - wie ausgeführt - nicht davon
ausgegangen werden, dass funktionsbeeinträchtigende Rückstände vorhanden
waren. |