Werbeangaben und objektiver Fehlerbegriff nach neuem Gewährleistungsrecht (§
434 I S. 3 BGB n.F.)
OLG München,
Urteil vom 15. 9. 2004 - 18 U 2176/04
Fundstelle:
NJW-RR 2005, 494
(Eigener)
Leitsatz:
Es stellt einen Sachmangel i.S.v. § 434
Abs.1 S. 2 Nr. 2 BGB dar, wenn das verkaufte Kfz entgegen den Angaben im
Herstellerprospekt nur mit einem teureren als dem dort angegebenen
Kraftstoff betrieben werden kann.
Zentrale Probleme:
Die Entscheidung ist ein schönes Fallbeispiel
für die Relevanz von Werbeaussagen für den objektiven Fehlerbegriff nach §
434 Abs. 1 S. 3 BGB. Die Tatbestandsvoraussetzungen werden mustergültig
dargelegt und durchgeprüft. Unklar ist allenfalls die Ausdrucksweise zum
Ausgangspunkt des Verfahrens: Der Rücktritt ist ein Gestaltungsrecht, nicht
ein schuldrechtlicher Anspruch. Er kann (und muß) daher nicht "begehrt",
sondern einfach nur erklärt werden (s. § 349 BGB). Daraus ergeben sich dann
freilich schuldrechtliche Rückgewähransprüche bezüglich ausgetauschter
Leistungen (s. § 346 BGB). Sofern - was aus dem Sachverhalt nicht
hervorgeht, aber naheliegt - der Mangel nicht behebbar war, ergäbe sich das
Rücktrittsrecht aus §§ 437 Nr. 2 326 V, 323 BGB. Hier hatte wohl
jedenfalls der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert, so daß auch bei
Behebbarkeit des Mangels der Rücktritt ohne Fristsetzung nach §§ 437 Nr. 2,
323 II Nr. 1 BGB möglich war.
©sl 2005
Zum
Sachverhalt:
Die Kl. begehrt den Rücktritt von dem mit der Bekl. über einen Pkw VW
Polo geschlossenen Kaufvertrag, weil das Kfz entgegen den Prospektangaben
des Herstellers nicht mit bleifreiem Normal- oder Superbenzin von mindestens
91 ROZ, sondern nur mit Super- oder Superplusbenzin ab 95 ROZ betrieben
werden konnte.
Das LG hat ihre Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hatte
Erfolg.
Aus den Gründen:
Die Kl. ist vom Kaufvertrag vom 27.3.2003 wirksam zurückgetreten (§§ 437
Nr. 2, 440 S. 1, 323 I, II Nr. 1 BGB). Das von der Kl. gekaufte Fahrzeug
weist einen Sachmangel i.S. von § 434 I 2 Nr. 2, S. 3 BGB auf.
Bei dem für den Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu verwendenden
Kraftstoff handelt es sich zwar um keine vereinbarte Beschaffenheit i.S. von
§ 434 I 1 BGB, da die Parteien bei Vertragsschluss weder ausdrücklich noch
konkludent vereinbart haben, welcher Kraftstoff zu verwenden ist. Es liegt
auch keine von den Parteien vorausgesetzte Verwendung i.S. von § 434 I 2 Nr.
1 BGB vor. Der von der Kl. gekaufte Pkw VW Polo „Highline“ eignet sich aber
nicht zur gewöhnlichen Verwendung i.S. von § 434 I 2 Nr. 2, S. 3 BGB, da das
Fahrzeug nicht mit Superbenzin, bleifrei oder Normalbenzin, bleifrei,
mindestens 91 ROZ betrieben werden kann, sondern Superplus, 98 ROZ oder
Superbenzin, 95 ROZ verwendet werden muss. Bei der Eignung zur gewöhnlichen
Verwendung, die objektiv zu bestimmen ist, ist darauf abzustellen, welche
Beschaffenheit der Käufer erwarten kann. Dies bestimmt sich nach dem
Erwartungshorizont des Durchschnittskäufers. Bei der Beschaffenheit des
Kaufgegenstandes kommen alle tatsächlichen, rechtlichen, wirtschaftlichen
und sozialen Umstände in Frage, die nach der Verkehrsauffassung Wert und
Brauchbarkeit der Sache unmittelbar beeinflussen. Gemäß § 434 I 3 BGB
erweitern Werbeaussagen und andere öffentliche Äußerungen des Herstellers
über bestimmte Eigenschaften des Produkts die Soll-Beschaffenheit der
Eignung zur gewöhnlichen Verwendung um solche Eigenschaften, die an sich
nicht zu einer derartigen Beschaffenheit gehören (vgl. Palandt/Putzo, BGB, §
434 Rdnr. 31). Die Bekl. als Verkäuferin ist an die öffentlichen Äußerungen
des Herstellers über die Beschaffenheit des Pkw, Typ VW Polo „Highline“ wie
an eine zusätzliche Eigenschaft gebunden, es sei denn, dass sie die Äußerung
nicht kannte oder nicht kennen musste. Die Beschaffenheit des
streitgegenständlichen Fahrzeugs umfasst den zu verwendenden Kraftstoff.
Nach dem vom Hersteller herausgegebenen Prospekt, Stand Oktober 2002, waren
Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs mit Superbenzin, bleifrei oder
Normalbenzin, bleifrei, mindestens 91 ROZ zu betreiben. Bei dem an die Kl.
gelieferten Fahrzeug ist Superplus, 98 ROZ oder Superbenzin, 95 ROZ zu
verwenden. Der Prospekt stellt eine öffentliche Äußerung des Herstellers i.S.
von § 434 I 3 BGB dar. Dass die Bekl. die Werbeaussagen des Pkw-Herstellers
nicht kannte oder nicht kennen musste, wurde nicht vorgebracht.
Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses am 27. 3. 2003 in gleichwertiger Weise, d.h. in einem
veröffentlichten Prospekt des Herstellers, die Angaben über den zu
verwendenden Kraftstoff aktualisiert waren. Ob sie zu einem späteren
Zeitpunkt, zum Beispiel bei Übergabe des Pkw, aktualisiert waren, ist
unerheblich. … (wird ausgeführt).
Die Änderung des zu verwendenden Kraftstoffs konnte die Kaufentscheidung der
Kl. beeinflussen, da der Betrieb des Fahrzeugs mit kostengünstigerem
Normalbenzin, bleifrei, mindestens 91 ROZ infolge der Änderung des zu
verwendenden Kraftstoffs ausgeschlossen war.
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