Identität des Streitgegenstandes bei Leistungs- und Unterlassungsklage (negatorisches Gegenteil)

BGH, Urteil v. 11.12.1986 - IX ZR 165/85

Amtliche Leitsätze:

1. Klagt der Hauptschuldner, um die Inanspruchnahme einer Bürgschaft "auf erstes Anfordern" zu verhindern, gegen den Gläubiger, den Bürgen aus der Bürgschaft zu entlassen und die Bürgschaftsurkunde herauszugeben, so steht einer später aufgrund desselben Sachvortrags erhobenen Klage des Hauptschuldners gegen den Gläubiger, die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen, der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit oder - nach rechtskräftiger Entscheidung über die zuerst erhobene Klage - der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen.
2. Der Einwand wird nicht dadurch entkräftet, daß dem Hauptschuldner, der gegen den Gläubiger eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung erwirkt hatte, gem. § 926 I ZPO eine Frist zur Klage gesetzt worden ist, obwohl die Klage auf Entlassung des Bürgen aus der Bürgschaft bereits anhängig war.



Fundstellen:

NJW-RR 1987, 683
LM § 765 BGB Nr. 48
MDR 1987, 492
DB 1987, 732
WM 1987, 367
ZIP 1987, 566



Zum Sachverhalt:

Die Kl. verlangt von der Bekl., der Gläubigerin einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, es zu unterlassen, die Bürgin in Anspruch zu nehmen.
Durch schriftlichen Bauvertrag vom 17. 2. 1984 vergab die Kl. an die Bekl., eine Gesellschaft dänischen Rechts mit Sitz in Dänemark, die Arbeiten des Bauhauptgewerbes sowie bestimmte Ausbau- und Nebenarbeiten an einem Bauvorhaben in B. zu einem garantierten Pauschalpreis von 4622152,80 DM brutto, der entsprechend zeitlich festgelegten Leistungsbildern gezahlt werden sollte. Nach den vertraglichen Bestimmungen hatten die Parteien in Höhe des Pauschalpreises (abzüglich Mehrwertsteuer) Sicherheiten zu stellen, die Kl. durch Bankbürgschaft und die Bekl. durch Erfüllungsgarantie einer dänischen Großbank. In § 8 des Vertrages ist als Erfüllungsort das Land West-Berlin und die Geltung des Rechtes des Erfüllungsortes vereinbart. Am 2. 3. 1984 übernahm die Bürgin "gegenüber dem Auftragnehmer (= Bekl.) für alle geldlichen Ansprüche, die diesem aus dem vorgenannten Bauvertrag gegen den Auftraggeber (= Kl.) erwachsen werden, die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zur Höhe von 4054420 DM... unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage". Weiter heißt es in der Urkunde:

"Wir verpflichten uns, Zahlung zu leisten auf erste briefliche Mitteilung des Auftragnehmers, daß der Auftraggeber seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen entsprechend dem... festgelegten Zahlungsplan nach termingemäßer Fertigstellung und ordnungsgemäßer Abnahme der jeweiligen Bauabschnitte nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist."

Die Bürgschaft sollte erlöschen, wenn die Bürgin nicht bis zum 1. 12. 1984 schriftlich in Anspruch genommen wurde. Die Bekl. führte einen Teil der Arbeiten aus und erhielt nach Abnahme die dafür vorgesehenen Zahlungen in Höhe von 450000 DM. In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Meinungsverschiedenheiten. Die Kl. rügte Mängel an weiteren Leistungsteilen sowie Verzögerungen bei der Einhaltung des abgesprochenen Zeitplanes und forderte Abhilfe. Schließlich kündigte sie mit Schreiben vom 8. 8. 1984 den Bauvertrag und leitete ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren ein. Nun wandte sich die Bekl. mit Telekopie ihrer dänischen Bevollmächtigten vom 14. 8. 1984 an die Bürgin und forderte Zahlung von 973515,32 DM. Die Bürgin wies die Zahlungsaufforderung durch Schreiben vom 16. 8. 1984 unter anderem mit der Begründung zurück, sie enthalte nicht die Erklärung, daß die Zahlungen "nach ordnungsgemäßer Abnahme" ausgeblieben seien, und entspreche deshalb nicht den in der Bürgschaftsurkunde genannten Anforderungen. Durch Schreiben vom 17. 8. 1984 verlangte die Bekl. von der Bürgin erneut Zahlung eines auf 920276,32 DM verminderten Betrages, verband damit die in der Bürgschaftsurkunde für die "erste briefliche Mitteilung" vorgeschriebene Erklärung und behielt sich weitergehende Ansprüche vor. Zu einem späteren Zeitpunkt erhöhte sie entsprechend diesem Vorbehalt ihre Forderung auf 1651569,80 DM. Nachdem die Bürgin der Kl. mitgeteilt hatte, sie halte sich aufgrund des Schreibens der Bekl. vom 17. 8. 1984 für verpflichtet, Zahlung aus der Bürgschaft zu leisten, erwirkte die Kl. am 20. 8. 1984 eine einstweilige Verfügung des LG Berlin, durch die der Bekl. unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde, die Bürgin wegen angeblicher Forderungen aus dem Bauvorhaben R-Straße aus deren Bürgschaftserklärung auf Zahlung in Anspruch zu nehmen. Die Bekl. legte am 4. 9. 1984 Widerspruch ein und beantragte ferner, der Kl. gem. § 926 ZPO eine Frist zur Erhebung der Klage zu setzen. Letzterem Antrag entsprach der Rechtspfleger des LG durch Beschluß vom 11. 9. 1984.
Schon früher hatte die Bekl. (dort als Kl.) gegen die Kl. (dort: Bekl.) vor dem LG Klage auf Erteilung von Ergänzungsaufträgen zwecks Weiterführung des Bauvorhabens erhoben und diese, nachdem ihr der Auftrag entzogen worden war, auf Zahlung von Werklohn und Schadensersatz umgestellt. In diesem Rechtsstreit hatte die Kl. Widerklage erhoben, mit der sie die Einwilligung der Bekl. in die vollständige Entlassung der Bürgin aus der Bürgschaft und Herausgabe der Bürgschaftsurkunde mit befreiender Wirkung für die Bürgin an diese oder sie selbst begehrt. Diese Anträge wurden in der mündlichen Verhandlung am 7. 9. 1984 gestellt. Das LG erkannte am 17. 10. 1984 teilweise über die Widerklage und verurteilte die Bekl. (dort Kl.), darin einzuwilligen, daß die von der Bürgin übernommene Bürgschaft auf 1651569,80 DM ermäßigt werde, und die Bürgschaftserklärung vom 2. 3. 1984 an die Bürgin Zug um Zug gegen Übersendung einer neuen Bürgschaftserklärung zur Absicherung angeblicher Forderungen in Höhe bis zu 1651569,80 DM herauszugeben. Das Teilurteil ist rechtskräftig geworden.
Die Vorinstanzen haben die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die im Parallelrechtsstreit erhobene Widerklage den hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch umfasse und daher der vorliegenden Klage die Einrede der Rechtshängigkeit entgegenstehe. Die Revision der Kl. hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

... 1. Das BerGer. billigt die Entscheidung des LG.
Es meint, die Streitsache sei schon Gegenstand der früher rechtshängig gewordenen Widerklage im Parallelverfahren und habe deshalb mit der vorliegenden Klage nicht erneut anhängig gemacht werden können. Die Kl. verlange von der Bekl. mit der Widerklage Verzicht auf die Bürgschaft sowie Herausgabe der Bürgschaftsurkunde, mit der vorliegenden Klage Unterlassung der Inanspruchnahme der Bürgin. Es könne dahinstehen, ob beide Ansprüche in ihren Rechtsfolgen für die Bürgin nicht identisch seien, die Bürgschaft in dem einen Fall als erloschen, im anderen etwa nur als außer Vollzug gesetzt zu bewerten sei. Selbst wenn es Unterschiede geben sollte, umfasse die mit der Widerklage begehrte vollständige Beendigung des Bürgschaftsvertrages jedenfalls auch die Außervollzugsetzung durch das Verbot der Inanspruchnahme. Dann wäre zwar ein Ausspruch im Sinne der Klage ohne einen solchen im Sinne der Widerklage, nicht aber letzterer ohne den ersteren denkbar. Da die Widerklage bereits rechtshängig, sogar teilweise schon entschieden gewesen sei, ehe die vorliegende Klage rechtshängig geworden sei, sei diese daneben unzulässig. Daran änderten die von der Kl. im vorliegenden Rechtsstreit gestellten Hilfsanträge nichts. Der eine umschreibe nur die Voraussetzungen, unter denen nach der Bürgschaftsurkunde die Zahlungspflicht der Bürgin ausgelöst werde; das sei der Sache nach das gleiche, was schon mit dem Hauptantrag verlangt werde. Der andere enthalte lediglich eine zeitliche Beschränkung des Hauptantrages, sei also diesem gegenüber ein Weniger.
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision greifen im Ergebnis nicht durch.

a) Das BerGer. nimmt zutreffend an, daß die im Parallelrechtsstreit erhobene Widerklage früher rechtshängig geworden ist als die vorliegende Klage. Das Berufungsurteil enthält allerdings nicht die Feststellung, wann die Widerklage erhoben und damit rechtshängig geworden ist (§ 261 I ZPO). Auch aus dem Vorbringen der Parteien geht das nicht hervor. Da es sich bei der anderweitigen Rechtshängigkeit der Streitsache um ein von Amts wegen zu beachtendes Prozeßhindernis handelt, ist die Frage im Revisionsverfahren zu klären (BGH, NJW 1986, 2195 = WM 1986, 115).
Die Rechtshängigkeit einer Widerklage ist nach § 261 II ZPO zu beurteilen. Danach tritt die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 II Nr. 2 ZPO entsprechender Schriftsatz zugestellt wird. Ob hier die Rechtshängigkeit der Widerklage bereits vor dem 7. 9. 1984 durch Zustellung der Schriftsätze vom 27. 8. 1984 und 6. 9. 1984 von Anwalt zu Anwalt (§ 198 ZPO) begründet worden ist (vgl. dazu BGHZ 17, 234 = NJW 1955, 1030; Thomas-Putzo, ZPO, 14. Aufl., § 198 Anm. 2a), kann offen bleiben. Die Kl. hat die Widerklageanträge in der mündlichen Verhandlung vom 7. 9. 1984 gestellt und damit den Widerklageanspruch i. S. des § 261 II ZPO in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht. Das ergibt die Sitzungsniederschrift über diese Verhandlung, die sich bei den vom Senat beigezogenen Akten des Parallelrechtsstreits befindet. Danach trat die Rechtshängigkeit der Widerklage spätestens am 7. 9. 1984 ein. Die vorliegende Klage wurde erst später erhoben.

b) Die Rechtshängigkeit hat die Wirkung, daß während ihrer Dauer die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann (§ 261 III Nr. 1 ZPO). Danach hängt die Entscheidung, ob die frühere Rechtshängigkeit der Widerklage der vorliegenden Klage entgegensteht, zunächst davon ab, ob es sich um "dieselbe Streitsache" handelt. Das ist der Fall, wenn der hier geltend gemachte prozessuale Anspruch auch Streitgegenstand der Widerklage im Parallelverfahren ist. Diese Voraussetzung sieht das BerGer. zutreffend als erfüllt an.
Nach der Rechtsprechung des BGH, der auch der Senat folgt, wird der Streitgegenstand im Zivilprozeß bestimmt durch das allgemeine Rechtsschutzziel und die konkret in Anspruch genommene Rechtsfolge, die sich aus dem Antrag ergeben, sowie den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem die Rechtsfolge hergeleitet wird (vgl. BGHZ 7, 268 (271) = NJW 1952, 1375; BGHZ 9, 22 (27) = NJW 1953, 663; BGH, NJW 1961, 1772 L = LM § 322 ZPO Nr. 30; BGH, NJW 1976, 1095 = LM § 322 ZPO Nr. 79; BGH, LM § 322 ZPO Nr. 82; BGH, NJW 1981, 2306 = LM § 322 ZPO Nr. 90).

Der Klagegrund der vorliegenden Klage ist derselbe wie der der Widerklage im Parallelverfahren: Die Kl. stützt hier wie dort ihr Klagebegehren auf die Behauptung, die Bekl. nehme die Bürgschaft "auf erste briefliche Mitteilung" rechtsmißbräuchlich in Anspruch, weil ihr nach der Entziehung des Bauauftrages keine Ansprüche mehr zuständen, die durch die Bürgschaft gesichert seien. Unerheblich ist, ob die dazu vorgetragenen Begründungen in allen Einzelheiten übereinstimmen. Die Identität des Klagegrundes wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Kl. im Parallelverfahren gegen die Forderungen der Bekl. hilfsweise mit Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung des Bauvertrages aufgerechnet hat. Klage und Widerklage stimmen auch im allgemeinen Rechtsschutzziel überein: Es sind Leistungsklagen, mit denen die Kl. die Inanspruchnahme der Bürgin "auf erste briefliche Mitteilung" verhindern will. Für die Frage, ob die in den beiden Prozessen geltend gemachten Rechtsfolgen sich decken, differenziert das BerGer. zutreffend nicht nach der unterschiedlichen Fassung der Widerklageanträge im Parallelverfahren einerseits und der im vorliegenden Rechtsstreit gestellten Haupt- und Hilfsanträge andererseits. Den mit dem Schriftsatz vom 27. 8. 1984 auf einen Teil der Bürgschaftsverpflichtung beschränkten Widerklageantrag hat die Kl. mit Schriftsatz vom 6. 9. 1984 auf die gesamte Bürgschaft erweitert. Maßgebend für den Vergleich der Streitgegenstände der Widerklage und der vorliegenden Klage ist der Widerklageantrag in seiner erweiterten Fassung. Auf der anderen Seite sind der Hauptantrag und die beiden Hilfsanträge der vorliegenden Klage nur verschiedene Ausformungen desselben Unterlassungsbegehrens. Durch die Erklärung, "auf erste briefliche Mitteilung" zu zahlen, hat sich die Bürgin gegenüber der Bekl. verpflichtet, allein auf die in der Bürgschaftsurkunde näher bezeichnete briefliche Mitteilung hin ohne Prüfung der materiellen Berechtigung die von der Bekl. geforderten Leistungen bis zur Höhe des Bürgschaftsbetrages zu erbringen. Die Vertragsbestimmung entspricht der Klausel, "auf erstes Anfordern" zu zahlen, die auch bei einer Bürgschaft möglich ist; sie hat zur Folge, daß Einwendungen gegen die materielle Berechtigung des Bürgschaftsanspruchs grundsätzlich erst nach der Zahlung durch Rückforderungsklage gegen den Bürgschaftsgläubiger geltend gemacht werden können (BGHZ 74, 244 (248) = NJW 1979, 1500; Senat, NJW 1984, 923 = WM 1984, 44 f.; NJW 1985, 1694 = WM 1985, 511 (512) ).

Die Inanspruchnahme der Bürgin "auf erste briefliche Mitteilung" will die Kl. mit allen im vorliegenden Rechtsstreit gestellten Anträgen verhindern, weil sie den für ihr Bauvorhaben zur Verfügung stehenden Kreditrahmen beeinträchtigt sieht. Das mit dem ersten Hilfsantrag begehrte Verbot an die Bekl., die in der Bürgschaftsurkunde bezeichnete formale Mitteilung an die Bürgin zu richten, bedeutet sachlich nichts anderes als das mit dem Hauptantrag erstrebte Verbot, die Bürgin aus deren Bürgschaftserklärung vom 2. 3. 1984 in Anspruch zu nehmen. Darf die Bekl. die in der Bürgschaftsurkunde näher umschriebene, streng formalisierte Erklärung gegenüber der Bürgin nicht abgeben, kann sie nämlich ihren davon abhängigen Anspruch, "auf erste briefliche Mitteilung" Zahlung zu erhalten, nicht durchsetzen. Mehr erstrebt die Kl. auch mit dem Hauptantrag nicht, der ausweislich der Klagebegründung ebenfalls nur die drohende Zahlung der Bürgin "auf erste briefliche Mitteilung" abwenden soll. Allein die verschiedene äußerliche Fassung der beiden Anträge begründet keinen hier rechtserheblichen Unterschied (vgl. BGHZ 9, 22 (27) = NJW 1953, 663). Der zweite Hilfsantrag schränkt das Unterlassungsbegehren nur in zeitlicher Hinsicht ein, ist also als ein Weniger bereits im Hauptantrag enthalten. Deckt sich der Streitgegenstand des Hauptantrages mit dem Streitgegenstand der Widerklage im Parallelprozeß, gilt dasselbe auch für den Streitgegenstand des zweiten Hilfsantrags. Die zeitliche Einschränkung des zweiten Hilfsantrags kann mithin für die hier zu entscheidende Frage vernachlässigt werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob mit dem im Parallelverfahren erhobenen Anspruch auf Entlassung der Bürgin aus der Bürgschaftsverpflichtung (und Herausgabe der Bürgschaftsurkunde) auch schon der Unterlassungsanspruch des vorliegenden Rechtsstreits geltend gemacht ist. Es ist nicht zu verkennen, daß in den beiden Prozessen äußerlich verschiedene Leistungen verlangt werden, die im Falle einer Verurteilung der Bekl. auf unterschiedlichen vollstreckungsrechtlichen Wegen durchgesetzt werden müßten. Daraus folgt indessen noch nicht, daß die Streitgegenstände der beiden Klagen verschieden sind. Gleichheit der Streitgegenstände i. S. des § 261 III Nr. 1 ZPO setzt nicht voraus, daß die geltend gemachten Rechtsfolgen in jeder Hinsicht deckungsgleich sind. Sie liegt auch vor, wenn der Streitgegenstand der früher erhobenen Klage den der später erhobenen umfaßt, jener also, weil enger, im Streitgegenstand der zuerst erhobenen enthalten ist. Das ist für das Verhältnis der zuerst erhobenen Leistungsklage zur späteren Feststellungsklage über denselben Anspruch anerkannt (vgl. Thomas-Putzo, Einl. II 5 c und § 261 Anm. 4c), gilt aber auch in anderen Fällen.

Ein solcher Fall liegt hier vor, wie ein Blick auf den materiell-rechtlichen Hintergrund der zu entscheidenden prozezßrechtlichen Frage zeigt. Nach dem Gesetz ist die Verpflichtung des Bürgen vom Bestand der Hauptverbindlichkeit abhängig (§ 767 BGB). Der Gläubiger, der den Bürgen in Anspruch nimmt, muß deshalb im Regelfall den Bestand der verbürgten Hauptschuld darlegen und im Streitfall beweisen. Besteht die verbürgte Hauptschuld nicht, ist der Bürge von seiner Verpflichtung frei, ohne daß es dazu noch eines Verzichts des Gläubigers auf die Bürgschaftsrechte bedarf. Die Abhängigkeit der Bürgschaftsverpflichtung von der verbürgten Hauptschuld gewährleistet im Regelfall auch einen ausreichenden Schutz des Hauptschuldners vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme der von ihm als Sicherheit beschafften Bürgschaft. Der Bestand der verbürgten Hauptschuld läßt sich auf Klage des Gläubigers oder des Hauptschuldners in einem Rechtsstreit zwischen diesen Parteien klären. Wird dort rechtskräftig festgestellt, daß die Hauptschuld nicht besteht, kann sich darauf auch der Bürge berufen (BGH, NJW 1970, 279). Befriedigt der Bürge den Gläubiger, ohne die Einwendungen des Hauptschuldners gegen die Hauptschuld zu berücksichtigen, läuft er Gefahr, einen Rückgriffsanspruch gegen den Bürgen (§ 774 I BGB) nicht zu erlangen. Bei dieser Rechtslage ist für einen zusätzlichen Anspruch des Hauptschuldners gegen den Gläubiger, die Inanspruchnahme des Bürgen wegen Nichtbestehens der Hauptschuld zu unterlassen und auf die Rechte aus der Bürgschaft zu verzichten, kein Raum.

Anders verhält es sich bei der Vereinbarung einer Bürgschaft "auf erstes Anfordern". Durch sie wird zwar die Abhängigkeit der Bürgenverpflichtung von dem Bestand der verbürgten Hauptschuld nicht vollständig aufgehoben. Sie wird aber nicht unwesentlich gelockert, weil der Bürge grundsätzlich auf die formalisierte Zahlungsaufforderung des Gläubigers zunächst einmal leisten muß und die materielle Berechtigung der Forderung des Gläubigers erst in einem Rückforderungsprozeß geklärt wird. Die Verpflichtung, auf erstes Anfordern zu zahlen, begründet also eine gegenüber dem Bestand der verbürgten Hauptschuld vorläufig verselbständigte Zahlungspflicht des Bürgen. Sie ähnelt damit einer Bankgarantie auf erstes Anfordern, wie sie vor allem im internationalen Geschäftsverkehr als Sicherheit verwendet wird (vgl. dazu BGHZ 90, 287 = NJW 1984, 2030; BGH, NJW 1985, 1829 = WM 1985, 684; BGH, NJW-RR 1987, 115 = WM 1986, 1429). Diese ist in ihrem Bestande noch weitergehend von der gesicherten Hauptverbindlichkeit gelöst als die Bürgschaft auf erstes Anfordern. Die rechtliche Selbständigkeit der Zahlungsverpflichtung des Garanten gegenüber der gesicherten Hauptschuld begründet die Gefahr, daß der Garant auch dann leisten muß, wenn die gesicherte Hauptschuld nicht besteht, und er dann beim Hauptschuldner als Auftraggeber Rückgriff nimmt. Bei einer Bankgarantie auf erstes Anfordern ist deshalb in Rechtsprechung und Rechtslehre anerkannt, daß derjenige, der die Bankgarantie als Sicherheit bestellt hat, vom Gläubiger den Verzicht auf die Garantie und die Unterlassung ihrer Geltendmachung aus Vertrag oder § 812 BGB verlangen kann, wenn der durch die Garantie gesicherte Anspruch nicht besteht und auch nicht mehr entstehen kann (vgl. BGH, NJW 1984, 2037 (2038); Canaris, BankvertragsR, 2. Bearb., Rdnr. 1152; Schlegelberger-Hefermehl, HGB, 5. Aufl., Anh. § 365 Rdnr. 305; Pleyer, WM 1973, Beil. 2, S. 26; Horn, NJW 1980, 2157; Schütze, Betr 1981, 779). Dabei ist der Unterlassungsanspruch nur Ausfluß des Verzichtsanspruchs und als mindere Berechtigung bereits in diesem enthalten: Weil der Gläubiger den Garanten aus der Garantieverpflichtung entlassen muß, darf er ihn nicht aus der Garantie in Anspruch nehmen. Daß dem so ist, zeigt sich auch beim vorläufigen Rechtsschutz des Hauptschuldners. Der Verzichtsanspruch selbst kann im Wege der einstweiligen Verfügung nicht durchgesetzt werden, weil damit die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wäre. Wohl aber kann der Verzichtsanspruch vorläufig durch eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung geschützt werden.
Wie der Begründung der Widerklage im Parallelverfahren zu entnehmen ist, nimmt die Kl. entsprechende Rechte gegenüber der hier vorliegenden Bürgschaft "auf erste briefliche Mitteilung" in Anspruch. Daraus folgt, daß hier das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Verzicht (Entlassung aus der Bürgschaft) und dem Anspruch auf Unterlassung nicht anders beurteilt werden kann als bei der Garantie auf erstes Anfordern. Dann aber ist bei dem aufgrund des einheitlichen Sachvortrags von der Kl. geltend gemachten Klagebegehren der Unterlassungsanspruch als rechtliche Befugnis bereits im Verzichtsanspruch enthalten. Dies wiederum bedeutet prozeßrechtlich, daß die Verzichtswiderklage den im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Unterlassungsanspruch umfaßt, insoweit also Gleichheit des Streitgegenstands gegeben ist. Die unterschiedliche Ausformung des rechtlich einheitlichen Anspruchs steht dieser Beurteilung nicht entgegen (vgl. RGZ 125, 159 (164)).

c) Mit Recht beanstandet die Revision allerdings, das BerGer. habe nicht ausreichend berücksichtigt, daß im Parallelprozeß bereits ein rechtskräftiges Teilurteil über den Widerklageanspruch ergangen ist. Die dazu notwendigen Feststellungen, die die Revision im Berufungsurteil vermißt, kann der Senat anhand der Akten des Parallelverfahrens selbst treffen, weil es sich um eine auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende Frage handelt.
Das Teilurteil vom 17. 10. 1984 ist der unterlegenen Bekl. (dort: Kl.) am 9. 11. 1984 zugestellt und durch Rücknahme ihrer fristgerecht eingelegten Berufung am 20. 12. 1984 rechtskräftig geworden (§ 705 ZPO). Die Rechtshängigkeit eines Anspruchs erlischt mit der Rechtskraft des über ihn erkennenden Urteils. Einer gleichartigen Klage kann danach die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht mehr entgegengesetzt werden. In Betracht kommt dann der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache. Im Ergebnis ändert dies freilich für die Kl. nichts. Soweit über den hier geltend gemachten Anspruch bereits rechtskräftig entschieden ist, ist eine neue Verhandlung und Entscheidung darüber unzulässig (vgl. BGHZ 42, 340 (351) = NJW 1965, 689). Die neue Klage ist dann, soweit die Rechtskraft reicht, aus diesem Grunde als unzulässig abzuweisen. Nach § 322 I ZPO wirkt die Rechtskraft eines zwischen den Parteien ergangenen Urteils (§ 325 I ZPO) nur insoweit, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Anspruch i. S. dieser Vorschrift ist das prozessuale Begehren (vgl. BGHZ 42, 340 (344) = NJW 1965, 689), also der Streitgegenstand. Da der Streitgegenstand der im Parallelverfahren erhobenen Widerklage den der vorliegenden Klage umfaßt, ist durch das Teilurteil vom 17. 10. 1984 mithin auch teilweise über den hier geltend gemachten Unterlassungsanspruch entschieden, nämlich insoweit, als er den 1651569,80 DM übersteigenden Betrag der Bürgschaft vom 2. 3. 1984 betrifft. Insoweit steht der vorliegenden Klage der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen; im übrigen greift die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit durch.

2. Entgegen der Ansicht der Revision ist die erneute Geltendmachung des teils rechtshängigen, teils bereits rechtskräftig beschiedenen Klageanspruchs nicht ausnahmsweise deshalb zulässig, weil der Kl. im Verfahren der einstweiligen Verfügung gem. §§ 936, 926 I ZPO eine Frist zur Klageerhebung gesetzt worden ist. Die Fristsetzung war unzulässig, weil die Kl. bereits vorher im Parallelverfahren den Anspruch auf Verzicht auf die gesamte Bürgschaft vom 2. 3. 1984 durch Widerklage rechtshängig gemacht hatte. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist dies der Hauptsacheanspruch, den die auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung sichert. Einer besonderen Unterlassungsklage bedurfte es daneben nicht.
Der die Fristsetzung enthaltende Beschluß des Rechtspflegers vom 11. 9. 1984 enthält keine die Parteien und das Gericht in einem anderen Rechtsstreit bindende Entscheidung darüber, daß Hauptsacheklage noch nicht erhoben sei, vielmehr erst noch erhoben werden müsse. Die Kl. konnte durch Gegenvorstellung gegen den Beschluß, durch befristete Rechtspflegererinnerung (§ 11 I 2 RpflG) und auch noch im Verfahren auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung (§§ 936, 926 II ZPO) geltend machen, daß die Hauptsacheklage bereits vor der Fristsetzung anhängig war, diese daher nicht hätte ergehen dürfen (vgl. KG, OLGE 1917, 204; OLG München, ZZP 52, 82; Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 926 Rdnrn. 8, 10, 17; Zöller-Vollkommer, ZPO, 14. Aufl., § 926 Rdnrn. 19, 20, 23; Thomas-Putzo, ZPO, § 926 Anm. 1e; Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 44. Aufl., § 926 Anm. 2 Da). Dies hat die Kl. auch im Widerspruchsverfahren über die einstweilige Verfügung erfolgreich getan, wie sich aus den schon vom BerGer. beigezogenen Akten dieses Verfahrens ergibt. Es besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, daneben noch ein zweites Hauptsacheverfahren zuzulassen. Ebensowenig wie die Fristsetzung ein fehlendes Rechtsschutzinteresse oder eine fehlende materielle Voraussetzung der Klage ersetzen kann (vgl. Stein-Jonas-Grunsky, § 926 Rdnr. 8; Thomas-Putzo, § 926 Anm. 2), vermag sie den Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit oder der rechtskräftig entschiedenen Sache zu entkräften.
Die Revision wird deshalb zurückgewiesen.