"Einzelstatut bricht Gesamtstatut" - kollisionsrechtliche Nachlaßspaltung durch Art. 3 Abs. 3 EGBGB (Frankreich)

BayObLG, Beschluß v. 03.04.1990 - BReg. 1 a Z 70/89


Fundstelle:

NJW-RR 1990, 1033


Amtl. Leitsätze:

1. Die Zurücknahme einer weiteren Beschwerde, die davon abhängig gemacht wird, daß Prozeßkostenhilfe versagt wird, ist mit einer innerprozessualen Bedingung versehen und daher wirksam.
2. An einem Rechtsschutzbedürfnis für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe zur Einlegung einer weiteren Beschwerde fehlt es regelmäßig nicht, wenn es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, die weitere Beschwerde zur Niederschrift einer Geschäftsstelle einzulegen, weil sein Wohnort weit entfernt ist.
3. Besondere Vorschriften i. S. der Art. 3 III, 25 I EGBGB bestehen nach französischem Recht nur für in Frankreich belegene Grundstücke; für die sonstigen Nachlaßgegenstände bestehen nach französischem Recht keine besonderen, sondern allgemeine Vorschriften i. S. des Art. 3 III EGBGB.


Zentrale Probleme:

Die aus Art. 3 Abs. 3 EGBGB entwickelte schlagwortartige Regel "Sonderstatut bricht Gesamtstatut" ist durchaus wörtlich zu nehmen. Die Anknüpfungsregeln des deutschen IPR (hier: Art. 25 Abs. 1 EGBGB) weichen nicht vor jeder abweichenden Anknüpfung eines ausländischen Kollisionsrechts. Knüpft z.B. ein ausländisches Kollisionsrecht die Beerbung einheitlich an das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers, findet dieses abweichende Gesamtstatut vor deutschen Gerichten auch dann keine Beachtung, wenn z.B. ein deutscher Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in diesem Staat verstirbt und dort Vermögen hinterläßt. Steht somit das deutsche Gesamtstatut einem ausländischen Gesamtstatut gegenüber, bleibt es ohne Rücksicht auf Durchsetzbarkeit und internationale Entscheidungsharmonie uneingeschränkt bei der Anknüpfungsregel der deutschen Kollisionsnorm.
Abweichende Anknüpfungen eines ausländischen Kollisionsrechts werden, wenn das deutsche Kollisionsrecht nicht auf sie verweist, also nur dann berücksichtigt, wenn diese das eigene Recht berufen, weil ein bestimmter Gegenstand innerhalb dieses Staates belegen ist. Verweist die ausländische Kollisionsnorm jedoch nur deshalb auf das eigene materielle Recht, weil es eine vom deutschen IPR abweichende Kollisionsnorm enthält, die nicht auf den Lageort abstellt, sondern aufgrund anderer Anknüpfungspunkte im entsprechenden Einzelfall zur Anwendung seines eigenen materiellen Rechts kommt, handelt es sich um ein abweichendes Gesamtstatut, das auch im Rahmen von Art. 3 III EGBGB n.F. unbeachtlich ist. Genau dies ist aber im vorliegenden Sachverhalt bezüglich des beweglichen Nachlasses der Erblasserin der Fall: Das französische IPR knüpft die Erbfolge in das bewegliche Vermögen an das Recht des letzten Wohnsitzes ("domicile") der Erblasserin. Läge dieser in Frankreich, käme nach französischem IPR französisches Recht bezüglich des beweglichen Nachlasses unabhängig von dessen Lageort zur Anwendung. Da das französische Recht in diesem Fall nicht deshalb angewandt sein will, weil Nachlaßgegenstände in Frankreich belegen sind, handelt es sich um ein abweichendes Gesamtstatut, das im Rahmen von Art. 3 III EGBGB völlig irrelevant ist.

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Zum Sachverhalt:

Die Erblasserin starb in München und war deutsche Staatsangehörige. Der Bet. zu 3 ist der Ehemann der Erblasserin. Die Bet. zu 1 und 2 sind ihre Töchter und ihre Erbinnen. Zum Nachlaß gehört ein Grundstück mit Inventar in Frankreich. Auf diesem lebt der Bet. zu 3. Das NachlaßG hat angekündigt, einen gemeinschaftlichen Erbschein auf Grund Testaments zu erteilen, demzufolge die Erblasserin von den Bet. zu 1 und 2 jeweils zur Hälfte beerbt worden ist mit dem Zusatz: "Der Erbschein erstreckt sich nicht auf den in Frankreich belegenen unbeweglichen Nachlaß.' Gegen diesen Beschl. hat der Bet. zu 3 ohne Erfolg Beschwerde eingelegt, mit der er sich nur dagegen wendet, daß der angekündigte Erbschein nicht einen weiteren einschränkenden Zusatz vorsieht, der auch die beweglichen Nachlaßgegenstände, die sich in Frankreich befinden, ausnimmt. Gegen diesen Beschluß des LG hat der Bet. zu 3 durch zwei an das LG gerichtete persönliche Schreiben "Beschwerde" eingelegt. Diese hat das LG vorgelegt. Sodann hat der Bet. zu 3 "die Zulassung seiner Beschwerde nach dem Armenrecht" beantragt. Nach Belehrung über die Formerfordernisse einer weiteren Beschwerde teilte er mit, da er nicht in der Lage sei, "irgendwelche Prozeßkosten aufzubringen', sehe er sich "gezwungen, seine Beschwerde zurückzunehmen, wenn dies nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann".
Das BayObLG hat dem Bet. zu 3 Prozeßkostenhilfe für die weitere Beschwerde mangels hinreichender Erfolgsaussicht versagt.

Aus den Gründen:

II. 1. ... a) Dem Prozeßkostenhilfeantrag fehlt nicht ein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BayObLG, Rpfleger 1990, 127 und FamRZ 1985, 520 (522); Keidel-Zimmermann, FGG, 12. Aufl., § 14 Rdnr. 9). Dem Bet. zu 3 ist nicht zuzumuten, von Westfrankreich nach München zu reisen, um die Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen ( §§ 29 I 1, IV, 21 II FGG). In solchen Fällen kann ein Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet werden ( § 14 FGG, §§ 114 S. 1, 121 II 1 ZPO), sofern das Rechtsmittel hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte und nicht mutwillig wäre.
b) Das LG hat zu Recht dahin entschieden, daß hinsichtlich der in Frankreich befindlichen beweglichen Nachlaßgegenstände kein beschränkender Zusatz in den Erbschein aufzunehmen ist.
aa) Gem. Art. 25 I EGBGB unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen den Vorschriften des deutschen materiellen Erbrechts, weil die Erblasserin zur Zeit ihres Todes deutsche Staatsangehörige war. Hiervon ist das LG zu Recht ausgegangen. Zutreffend hat das LG auch bei der Anwendung des Art. 25 I EGBGB geprüft, ob eine Nachlaßspaltung gem. Art. 3 III EGBGB in Betracht kommt. Grundsätzlich gilt für die Erbfolge eine einzige Rechtsordnung (sog. Gesamtstatut: Palandt-Heldrich, BGB, 49. Aufl., Art. 3 EGBGB Anm. 4 a). Gemäß Art. 3 III EGBGB besteht eine Ausnahme für solche Nachlaßgegenstände, die sich nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland befinden, sonfern sie nach den Gesetzen des Staates, in dessen Gebiet sie sich befinden, besonderen Vorschriften unterliegen. Für Frankreich trifft dies nur für den dort belegenen unbeweglichen Nachlaß zu (vgl. BayObLGZ 1982, 284 (289) m. w. Nachw.; Palandt-Heldrich, Art. 3 EGBGB Anm. 4 c m. w. Nachw.). Zwar bezieht sich Art. 3 II C. C., in dem dies vorgeschrieben ist, nicht unmittelbar auf das Erbrecht. Aus dieser Vorschrift wird aber der Grundsatz abgeleitet, daß auch die Erbfolge bei einem in Frankreich gelegenen Grundstück in jedem Fall dem französischen Recht unterliegt. Diese Regelung wird allgemein als Sondervorschrift i. S. des Art. 3 III EGBGB anerkannt. Nur insoweit tritt eine Nachlaßspaltung ein mit der Folge, daß hinsichtlich der in Frankreich belegenen Nachlaßgrundstücke auch keine internationale Zuständigkeit des deutschen Nachlaßgerichts gem. Art. 25 I EGBGB besteht.
bb) Der vom Ast. erstrebte einschränkende Vermerk auf bewegliche Gegenstände darf in den Erbschein nicht aufgenommen werden. Für in Frankreich befindliche bewegliche Nachlaßgegenstände bestehen keine besonderen Vorschriften i. S. von Art. 3 III EGBGB. Nach französischem internationalen Erbrecht vererben sich bewegliche Sachen nach dem am letzten Wohnsitz des Erblassers geltenden Recht (BayObLGZ 1982, 284 (289); Ferid-Firsching, Int. ErbR Stichwort "Frankreich", Grdz. C I 6 und 7). Gem. Art. 732 C. C. umfaßt die Erbschaft das ganze Vermögen des Erblassers (vgl. Ferid-Sonnenberger, Das Französische ZivilR III 2. Aufl., S. 480). Das französische Recht enthält für die Erbfolge hinsichtlich beweglicher Gegenstände keine besondere Vorschrift i. S. des Art. 3 III EGBGB, sondern eine allgemeine Vorschrift (Palandt-Heldrich, Art. 3 EGBGB Anm. 4 c). Hinsichtlich der beweglichen Nachlaßgegenstände bleibt es daher bei der Anwendbarkeit des deutschen Erbrechts gem. Art. 25 I EGBGB. Schon aus diesem Grunde würde eine weitere Beschwerde des Bet. zu 3 voraussichtlich erfolglos sein. Deshalb wurde Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt.
2. Die bereits eingelegte, nicht formgerechte weitere Beschwerde ( § 29 I 2 FGG) des Bet. zu 3 muß nicht zurückgewiesen werden, weil er dieses Rechtsmittel wirksam zurückgenommen hat ... (wird ausgeführt).