NJW-RR 1993, 369
WM 1993, 285
ZIP 1993, 98
LM § 1154 BGB Nr. 14
DNotZ 1993, 590
MDR 1993, 536
Amtl. Leitsätze:
1. Zur Übergabe des Grundschuldbriefs i.
S. der §§ 1154 I, 1192 I BGB ist erforderlich, daß der
Abtretungsempfänger den Brief vom Abtretenden und mit dessen Willen
erlangt. Übergibt ein Dritter den Brief, so kann dies dem Abtretenden
nur dann zugerechnet werden, wenn der Dritte als dessen Vertreter handelt.
2. Gutgläubiger Erwerb einer Briefgrundschuld
von einem nicht im Grundbuch eingetragenen Veräußerer setzt
voraus, daß dieser unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer des Grundschuldbriefs
ist; es genügt nicht, daß er in der Lage ist, dem Erwerber den
Briefbesitz zu verschaffen.
Die Bekl. betreibt aus zwei Briefgrundschulden
die Zwangsvollstreckung in die hälftigen Miteigentumsanteile der Kl.
an zwei Grundstücken. Mit der Klage beantragt die Kl., die Zwangsvollstreckung
für unzulässig zu erklären. Dem liegt folgender Sachverhalt
zugrunde: Die Kl. ist hälftige Miteigentümerin zweier Grundstücke
in der Gemarkung S. Der Grundbesitz gehörte früher den inzwischen
geschiedenen Eheleuten A (Sohn der Kl.) und B je zur Hälfte. A ließ
am 5. 2. 1982 seinen Miteigentumsanteil an die Kl. auf. Sie wurde am 8.
4. 1982 als Miteigentümerin im Grundbuch eingetragen. B übertrug
ihren Anteil auf ihre Mutter C, die im Dezember 1985 als Miteigentümerin
im Grundbuch eingetragen wurde. Die Eheleute A und B hatten im Jahre 1976
zur Sicherung von Darlehen eine Briefgrundschuld über 141000 DM zugunsten
der W-AG und eine Briefgrundschuld über 9200 DM zugunsten der Bausparkasse
W bestellt. Durch schriftliche Erklärungen vom 4. 3. 1982 traten die
W-AG ihre persönliche Forderung von 141734,38 DM sowie die Grundschuld
über 141000 DM und die Bausparkasse W ihre persönliche Forderung
von 7445,64 DM sowie von der Grundschuld über 9200 DM einen erstrangigen
Teilbetrag in gleicher Höhe an C ab. Die Abtretungserklärungen
und die Grundschuldbriefe übersandten sie an D, den C durch notarielle
Erklärung vom 1. 3. 1982 bevollmächtigt hatte, sie in allen persönlichen
und vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten und dabei auch
Rechtsgeschäfte mit sich im eigenen Namen vorzunehmen. D gab am 10.
3. 1982 eine notariell beglaubigte schriftliche Erklärung ab, in der
er u. a. die beiden Briefgrundschulden "zunächst an mich und gleichzeitig
weiter... an das B-Kreditinstitut" (= Bekl.) abtrat und behauptete, dies
"unter Übergabe der Grundschuldbriefe" zu tun. Die beiden Grundschulden
wurden, soweit sie auf dem Hälfteanteil von B lasteten, im September
1983 gelöscht. Die Bekl. wurde im Juli 1984 als Inhaberin der Grundschulden
im Grundbuch eingetragen. Auf ihre Anforderung unterwarf die Kl. sich in
notarieller Urkunde vom 6. 5. 1985 der sofortigen Zwangsvollstreckung aus
den Grundschulden in ihren Miteigentumsanteil. Die Kl. macht geltend, die
Bekl. sei zur Zwangsvollstreckung aus den Grundschulden nicht berechtigt.
D habe unter Mißbrauch der ihm von C erteilten Vollmacht die Abtretung
der Grundschulden an sich und anschließend an die Bekl. erklärt.
Das sei der Bekl. auch bekannt gewesen.
Das LG hat der Klage stattgegeben, das BerGer.
hat sie abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. ist der Ansicht, es sei nicht feststellbar,
daß die Bekl. zu Unrecht aus den Grundschulden in den Miteigentumsanteil
der Kl. vollstreckt.
Zur Begründung führt es im wesentlichen
aus: Nach der Abtretung der Grundschulden durch die ursprünglichen
Gläubiger an C habe der Wirtschaftsberater D aufgrund der Generalvollmacht
der Frau C die Grundschulden im Wege des ihm erlaubten Insichgeschäfts
auf sich übertragen und sie sodann an die Bekl. abgetreten. Diese
habe die Grundschuldbriefe erlangt und sei als berechtigt im Grundbuch
eingetragen. Ihr Gläubigerrecht sei durch die Kette der den §§
1191 I, 1154 I, II BGB entsprechenden Übertragungen der Grundschulden
formell rechtmäßig belegt. Demgegenüber greife der Einwand
der Kl. nicht durch, die Übertragung der Grundschulden von C auf D
und von D auf die Bekl. sei unwirksam. Es sei bereits zweifelhaft, ob D
dabei die Generalvollmacht der Frau C mißbraucht habe. Das könne
aber letztlich unentschieden bleiben. Die Bekl. brauche jedenfalls einen
etwaigen Vollmachtsmißbrauch von D nicht gegen sich gelten zu lassen,
weil sich nicht feststellen lasse, daß sie von einem treuwidrigen
Verhalten des D Kenntnis gehabt oder sich einer solchen Kenntnis bewußt
verschlossen habe. Die Bekl. müsse sich auch nicht den Einwand entgegenhalten
lassen, sie habe die Grundschulden durch eine unerlaubte Handlung erworben.
Ein solcher Einwand setze voraus, daß die Bekl. im Zusammenwirken
mit D und unter Ausnutzung des Mißbrauchs seiner Vertretungsmacht
die Grundschulden erworben und dadurch die Kl. oder ihren Rechtsvorgänger
in sittenwidriger Weise geschädigt habe. Es lasse sich aber nicht
feststellen, daß die Bekl. von einem unredlichen Verhalten des D
Kenntnis gehabt und mit ihm zum Nachteil der Kl. oder ihres Rechtsvorgängers
zusammengewirkt habe.
II. Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung
in entscheidenden Punkten nicht stand.
1. Das BerGer. hat die Voraussetzungen einer Abtretung
der beiden Briefgrundschulden von D an die Bekl. nicht festgestellt.
a) Zur Abtretung einer Briefgrundschuld ist nach
§ 1154 I 1 i. V. mit § 1192 I BGB neben einer schriftlichen Abtretungserklärung
die Übergabe des Grundschuldbriefs oder eines der Übergabesurrogate
nach § 1117 I 2 i. V. mit §§ 929 S. 2, 930, 931 BGB oder
nach § 1117 I BGB erforderlich. Dabei stellt nicht jedweder spätere
Besitzerwerb durch den Abtretungsempfänger eine Übergabe des
Briefes i. S. des § 1154 BGB dar (BGH, WM 1969, 208 (209)). Grundsätzlich
ist vielmehr, wie die Verweisung in § 1154 I 1 BGB auf § 1117
BGB und auch die Parallelvorschrift des § 929 S. 1 BGB zeigen, erforderlich,
daß der Abtretungsempfänger den Brief vom Abtretenden und mit
dessen Willen erlangt (ebenso für die Übergabe nach §§
929, 933 BGB BGHZ 67, 207 (208 f.) = NJW 1977, 42 = LM § 933 BGB Nr.
5; BGH, NJW 1970, 653 = LM § 933 BGB Nr. 4 = WM 1970, 251 (252)).
Das bedeutet zwar nicht, daß der Abtretende in jedem Falle in eigener
Person mitwirken muß; die Briefübergabe kann vielmehr auch durch
einen Vertreter bewirkt werden (Soergel-Konzen, BGB, 12. Aufl., §
1154 Rdnr. 15). Dazu ist jedoch erforderlich, daß derjenige, der
den Brief übergibt, als Vertreter des Abtretenden handelt. Außerdem
muß die Briefübergabe dem Willen des Abtretenden (noch) entsprechen
(BGH, WM 1969, 208).
b) Im vorliegenden Fall hat das BerGer. am Anfang
seiner Entscheidungsgründe nur festgestellt, daß die Bekl. die
Grundschuldbriefe "erlangt" hat, jedoch nichts darüber ausgeführt,
in welcher Weise dies geschehen ist. Aus den im Berufungsurteil in Bezug
genommenen Schriftsätzen der Parteien ergibt sich indessen, daß
beide Parteien zwar zunächst von einer Übergabe der Grundschuldbriefe
durch D an die Bekl. am 10. 5. 1982 ausgegangen sind, daß sie danach
aber übereinstimmend vorgetragen haben, die Grundschuldbriefe seien
entgegen dem Wortlaut der Abtretungserklärung vom 10. 3. 1982 nicht
zu diesem Zeitpunkt von D an die Bekl. übergeben, sondern der Bekl.
erst mit einem Schreiben des Rechtsanwalts Dr. W vom 13. 12. 1983 übersandt
worden. Rechtsanwalt Dr. W war nach der unwidersprochen gebliebenen Behauptung
der Kl. Bevollmächtigter der Frau C. Darüber, ob er bei der Übersendung
der Grundschuldbriefe an die Bekl. - zumindest auch - für D gehandelt
habe, hat das BerGer. keine Feststellungen getroffen. Auch ein Vortrag
der Parteien zu diesem Punkt ist nicht ersichtlich. Somit hat weder D persönlich
die Grundschuldbriefe an die Bekl. übergeben, noch läßt
sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand eine von dritter Seite für
D bewirkte Briefübergabe feststellen.
c) Es ist auch nichts dafür ersichtlich,
daß eines der in § 1154 i. V. mit § 1117 I, II BGB vorgesehenen
Übergabesurrogate vorgelegen hätte. Die Bekl. hat in dieser Richtung
nichts vorgetragen. Die Kl. hat das Vorliegen eines solchen Übergabeersatzes
ausdrücklich verneint und insbesondere behauptet, daß keine
Vereinbarung i. S. des § 1117 II BGB getroffen worden sei.
2. Das Berufungsurteil ist auch insoweit fehlerhaft,
als das BerGer. einen gutgläubigen Erwerb der beiden Grundschulden
durch die Bekl. bejaht hat.
a) Auf die Frage des gutgläubigen Erwerbs
kommt es nur an, wenn zum einen sich im weiteren Verlauf des Rechtsstreits
ergeben sollte, daß überhaupt eine formal wirksame Abtretung
der Grundschulden von D an die Bekl. vorliegt (s. dazu o. unter 1). Zum
anderen gewinnt die Frage des gutgläubigen Erwerbs nur dann Bedeutung,
wenn D im Zeitpunkt der Abtretung an die Bekl. nicht Inhaber der Grundschulden
war. Das könnte dann der Fall gewesen sein, wenn D bei der Abtretung
der Grundschulden von Frau C an sich selbst die ihm erteilte Vollmacht
mißbraucht hätte. Ebenso wie Rechtsgeschäfte, die in bewußtem
Zusammenwirken des Vertreters mit dem Geschäftspartner zum Nachteil
des Vertretenen getätigt werden, nach § 138 I BGB nichtig sind
(Thiele, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 164 Rdnr. 99 m. w. Nachw.),
ist auch ein Rechtsgeschäft nichtig, das ein von § 181 BGB befreiter
Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen abschließt,
wenn er dabei seine Vertretungsmacht bewußt zum Nachteil des Vertretenen
mißbraucht. Im vorliegenden Fall hat das BerGer. die Frage unentschieden
gelassen, ob D bei seinen Verfügungen über die Grundschulden
die Vollmacht der Frau C mißbraucht hat. Für die Revisionsinstanz
ist daher zugunsten der Kl. davon auszugehen, daß dies der Fall war.
b) War D nicht Inhaber der Grundschulden geworden,
so konnte die Bekl. durch die Abtretung die Grundschulden nur kraft guten
Glaubens oder durch spätere Genehmigung seitens der Frau C erwerben.
Da eine unmittelbare Anwendung des § 892 BGB ausscheidet, weil D nicht
als Inhaber der Grundschulden im Grundbuch eingetragen war, kommt nur ein
gutgläubiger Erwerb nach § 892 i. V. mit §§ 1155, 1192
I BGB in Betracht. Das setzt voraus, daß D zur Zeit der Abtretung
der Grundschulden an die Bekl. Besitzer der Grundschuldbriefe war. In diesem
Zusammenhang ist zwar nicht unmittelbarer Besitz erforderlich; es genügt
auch mittelbarer Besitz (RGZ 86, 262; Eickmann, in: MünchKomm, 2.
Aufl., § 1155 Rdnr. 2). Fehlt es dagegen an unmittelbarem oder mittelbarem
Besitz des Veräußerers, so kann seine Fähigkeit, dem Erwerber
durch Einschaltung Dritter den Besitz zu verschaffen, nicht genügen
(RG, SeuffA 92 Nr. 152, S. 366; Eickmann, § 1155 Rdnr. 3; a. M. Staudinger-Scherübl,
BGB, 12. Aufl., § 1155 Rdnr. 5).
Im vorliegenden Fall hat das BerGer. weder für
den Zeitpunkt der Abtretungserklärung vom 10. 3. 1982 noch für
den der Übersendung der Grundschuldbriefe durch Rechtsanwalt Dr. W
am 13. 12. 1983 einen unmittelbaren oder mittelbaren Eigenbesitz des D
an den Briefen festgestellt. Aus dem bisherigen Sach- und Streitstand ist
nicht ersichtlich, ob D zu einem der genannten Zeitpunkte Besitzer der
Grundschuldbriefe war. Damit fehlt die Grundlage für die Anwendung
der Gutglaubensschutzvorschriften durch das BerGer.
c) Sollte im weiteren Verlauf des Rechtsstreits
für einen der hier maßgeblichen Zeitpunkte ein Besitz des D
an den Grundschuldbriefen festgestellt werden, so könnte es - unter
den weiteren Voraussetzungen, daß überhaupt eine formal wirksame
Abtretung der Grundschulden von D an die Bekl. vorlag und D nicht Inhaber
der Grundschulden war - auf die Frage des guten Glaubens der Bekl. an die
Inhaberstellung des D ankommen. Dabei würde nach § 892 i. V.
mit §§ 1155, 1192 I BGB, wie das BerGer. zutreffend erkannt hat,
nur positive Kenntnis von der Nichtberechtigung des D oder ein bewußtes
Sichverschließen vor einer solchen Erkenntnis den guten Glauben ausschließen.
Die Ausführungen, mit denen das BerGer. dargelegt hat, daß dies
sich nicht feststellen lasse, sind frei von Rechtsfehlern. Die Rügen
der Revision, das BerGer. habe gegen § 286 ZPO verstoßen, hält
der Senat für unbegründet. Von einer Begründung wird abgesehen
(§ 565a ZPO). Ein Verstoß gegen § 551 Nr. 7 ZPO liegt ersichtlich
nicht vor.
3. Die Verneinung von Einwendungen der Kl. nach
§§ 826, 853 BGB gegen die Grundschulden durch das BerGer. hält
rechtlicher Prüfung jedenfalls im Ergebnis stand. Die dagegen gerichteten
Angriffe der Revision können schon deshalb keinen Erfolg haben, weil
eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Grundstückseigentümers
durch den Zessionar einer Sicherungsgrundschuld voraussetzt, daß
die Grundschuld nicht oder nicht mehr voll valutiert war (BGHZ 59, 1 (2)
= NJW 1972, 1463 = LM § 1192 BGB Nr. 9). Daran fehlt es im vorliegenden
Fall, weil die den beiden Grundschulden zugrundeliegenden Darlehensforderungen
der W-AG und der Bausparkasse W nicht erloschen, sondern - im Falle der
Grundschuld der Bausparkasse W in Höhe des Teilbetrags der Grundschuldabtretung
- mit den Grundschulden an Frau C abgetreten worden waren.
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