Aufrechnungsausschluß nach § 242 BGB aus Sinn und Zweck des Rechtsgeschäfts
OLG Düsseldorf, Urteil v. 4. 6. 1998 - 10 U 89/97
Fundstelle:

NJW-RR 1999, 643


Amtl. Leitsatz:

Gegenüber dem Anspruch seines Mandanten auf Auskehrung von ihm erfolgreich geltend gemachter Versicherungsleistungen aufgrund der Beschädigung eines Kraftfahrzeugs darf der Anwalt lediglich mit konnexen Honoraransprüchen aufrechnen, nicht dagegen mit solchen aufgrund früher erteilter Aufträge.



Der bekl. Rechtsanwalt wurde vom LG zur Auskehrung weiterer 10283 DM verurteilt. Seine Berufung hatte keinen Erfolg.
 . . . 1. Aufgrund des geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages war der Bekl. gem.  §§ 675, 667 BGB verpflichtet, seinem Auftraggeber alles herauszugeben, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangte. Seine Herausgabeverpflichtung umfaßte somit insbesondere auch die von der Versicherung aufgrund des Schadensereignisses vom 3. 11. 1993 gezahlte Versicherungssumme.
2. Grundsätzlich ist es einem Rechtsanwalt nicht verwehrt, gegenüber Ansprüchen seines Mandanten auf der Grundlage der  §§ 675, 667 BGB mit eigenen Honoraransprüchen, auch aufgrund früherer Aufträge, aufzurechnen (vgl. z.B. Staudinger/Kaduk, BGB, 12. Aufl., § 387 Rdnr. 145 in Anschluß an BGHZ 71, 382 sowie BGH, NJW 1971, 559 [560] = WM 1971, 220 [221]). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Aufrechnung gegen den Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten gegen Treu und Glauben ( § 242 BGB) verstößt (so z.B. Staudinger/Kaduk, § 387 Rdnr. 145; Palandt/Heinrichs, 57. Aufl., § 387 Rdnr. 15 und v. Feldmann, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 387 Rdnr. 43).
Dies ist beispielsweise auch dann der Fall, wenn der Aufrechnungsausschluß aus der Natur der Rechtsbeziehungen der Beteiligten gefolgert werden kann, weil eine Aufrechnung mit dem besonderen Inhalt des in Rede stehenden Rechtsverhältnisses nicht vereinbar wäre (BGHZ 25, 211 [215] = NJW 1957, 1759). Insbesondere ist eine Aufrechnung unter diesem Gesichtspunkt ausgeschlossen, wenn der Auftraggeber bei der Erteilung des Auftrags mit der unverzüglichen Abführung des durch die Geschäftsführung Erlangten rechnen durfte (BGHZ 14, 342 = NJW 1954, 1722).
Eine derartige Sachlage ist vor allem auch im Falle der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Geltendmachung von Versicherungsleistungen aufgrund der Zerstörung oder Beschädigung eines Pkw gegeben. Die Erwartung der unverzüglichen Abführung des Entschädigungsbetrages ist nämlich im Hinblick darauf gerechtfertigt, daß der Zweck einer Unfallversicherung gerade darin besteht, dem Geschädigten rasche Hilfe zu gewähren, indem er in die Lage versetzt wird, ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen oder die unfallbedingten Reparaturen durchführen zu lassen. Dieser Zweck wird indes nur dann erreicht, wenn die dem Versicherten gebührenden Leistungen diesem alsbald zufließen. Der mit der Geltendmachung dieser Leistungen beauftragte Anwalt würde seine Stellung als grundsätzlich zur Weitergabe verpflichteter Empfänger daher treuwidrig ausnutzen, wenn er diese Gelegenheit zum Anlaß nehmen würde, gegenüber dem Herausgabeanspruch seines Mandanten mit Honoraransprüchen aufgrund anderer Aufträge aufzurechnen (vgl. BGH, NJW 1973, 1368 [1369]). Die zu diesem Ergebnis führenden Erwägungen sind denjenigen vergleichbar, die den BGH (BGHZ 93, 391ff. = NJW 1985, 1537) veranlaßt haben, dem Leasinggeber die Aufrechnung mit Mietzinsforderungen gegenüber dem Anspruch des Leasingnehmers auf Versicherungsleistungen zu verwehren.
3. Nicht zu beanstanden ist dagegen in Fällen der vorstehend gekennzeichneten Art die Aufrechnung des Geschäftsführers mit konnexen Gegenansprüchen. Zu diesen gehört auch der Honoraranspruch des Bekl. aus der in Frage stehenden Geschäftsbesorgung.
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