NJW 2000, 1405
Amtl. Leitsätze:
a) Der Käufer muß sich die Kenntnis
seines Abschlußvertreters grundsätzlich auch dann nach §
166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, wenn der Vertreter zuvor als Verhandlungsführer
(und damit als "Wissensvertreter") des Verkäufers aufgetreten ist.
Im Einzelfall kann aber die Berufung des Verkäufers auf die dem Käufer
zuzurechnende Kenntnis des Vertreters treuwidrig sein.
b) Zur Zulässigkeit eines Teilurteils
bei objektiver Klagehäufung von Zahlungs- und Feststellungsansprüchen.
Mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1995 erwarben
die Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung in einem Gebäudekomplex
in G. zum Preis von 238.903,60 DM. Für die Kläger, die die Wohnung
als Kapitalanlage erwarben, handelte als Abschlußvertreter der Kaufmann
K. , den die Beklagte mit der Vermarktung der Wohnung beauftragt hatte
und den die Kläger mit notarieller Vollmacht versehen hatten.
Die Wohnung war - was die Kläger wußten
- vermietet und wurde im Dezember 1995 übergeben. Was sie hingegen
nicht wußten, war, daß entgegen dem Teilungsplan, auf den im
Vertrag Bezug genommen worden war, ein Raum der verkauften Wohnung von
etwa 21 qm (im Plan als Küche bezeichnet) nicht innerhalb der Wohnung
zugänglich ist. Er kann nur von der Nachbarwohnung aus betreten werden
und wird vom Mieter dieser Wohnung aufgrund Vertrages mit dem früheren
Eigentümer genutzt.
Die Kläger erklärten vorprozessual zunächst
den "Rücktritt vom Kaufvertrag und vorsorglich auch die Anfechtung
der Erklärungen". Mit der Klage machen sie Schadensersatz geltend.
Im Prozeß haben sie unter Aufrechterhaltung der auf Schadensersatz
gerichteten Anträge erneut den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das
Oberlandesgericht hat der auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um
Zug gegen Rückübereignung der Wohnung, gerichteten Klage dem
Grunde nach stattgegeben. Die Entscheidung über die Höhe hat
es dem Betragsverfahren ebenso vorbehalten wie die Entscheidung über
zwei Feststellungsanträge dahin, daß sich die Beklagten mit
der Annahme der Rückübereignung im Verzug befänden und daß
sie verpflichtet seien, sämtlichen (weiteren) Schaden zu ersetzen.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen
Urteils. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hält den geltend gemachten Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen Rechtsmangels dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Haftung sei nicht nach § 439 Abs. 1 BGB ausgeschlossen; denn die Kläger müßten sich die Kenntnis ihres Abschlußvertreters K. von den örtlichen Gegebenheiten der gekauften Wohnung nicht nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, da K. "eindeutig im Lager der Beklagten" gestanden habe. Das Wahlrecht, Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen, hätten die Kläger weder durch Rücktritt vom Kaufvertrag noch durch Anfechtung verloren. Einen Anfechtungsgrund hätten sie nämlich nicht substantiiert dargetan, und zum Zeitpunkt der ersten Rücktrittserklärung hätten die Voraussetzungen des § 326 BGB noch nicht vorgelegen, während der im Prozeß erklärte Rücktritt bei verständiger Würdigung als Aufrechterhaltung des Schadensersatzbegehrens aufzufassen sei.
II. Diese Ausführungen halten nicht allen Angriffen der Revision stand.
1. Das angefochtene Urteil unterliegt schon deswegen
der Aufhebung und Zurückverweisung, weil der Erlaß eines Grundurteils
in der vorliegenden Fallkonstellation nicht zulässig ist.
a) Das Berufungsgericht hat nicht ein Grundurteil
hinsichtlich aller Anträge erlassen, sondern nur über den Zahlungsanspruch
dem Grunde nach befunden und die Entscheidung über die Feststellungsanträge
dem Betragsverfahren vorbehalten. Das ergibt sich eindeutig aus den Ausführungen
zu V der Entscheidungsgründe und folgt auch daraus, daß über
einen nicht bezifferten Feststellungsantrag durch Grundurteil nicht entschieden
werden kann (Senatsurt. v. 22. Januar 1993, V ZR 165/91, NJW 1993, 1641,
1642; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1993, III ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319).
Es handelt sich bei dem angefochtenen Urteil nicht um ein reines Grundurteil,
sondern um ein Grund- und Teilurteil.
b) Ein solches Teilurteil ist zwar grundsätzlich
möglich. Es ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs unzulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender
Entscheidungen besteht (BGHZ 107, 236, 242 m.w.N.). Ein solcher Fall ist
hier gegeben.
Über die Voraussetzungen des Zahlungsanspruchs,
der Gegenstand des Grundurteils ist, ist zumindest bei dem Feststellungsantrag
hinsichtlich der Erstattungspflicht allen weiteren Schadens noch einmal
zu befinden. Es besteht daher die Gefahr, daß das Gericht bei der
späteren Entscheidung über diesen Feststellungsantrag aufgrund
neuen Vortrags oder aufgrund geänderter Rechtsauffassung - das Grundurteil
bindet nur hinsichtlich des Zahlungsanspruchs, über den es ergangen
ist - zu einer anderen Einschätzung gelangt. Es entspricht daher der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß im Falle - wie hier -
der objektiven Klagehäufung von Zahlungs- und Feststellungsansprüchen,
die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, nicht
durch Teilurteil gesondert über einen der Ansprüche entschieden
werden darf (BGH, Urt. v. 27. Mai 1992, IV ZR 42/91, VersR 1992, 1087,
1088; Urt. v. 4. Februar 1997, VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709, 1710; Urt.
v. 13. Mai 1997, VI ZR 181/96, NJW 1997, 3447, 3448). Soweit in einer Entscheidung
des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs davon eine Ausnahme gemacht
wird, ist dies nur "unter den besonderen Umständen des Streitfalls"
für zulässig erachtet worden (Urt. v. 23. Januar 1996, VI ZR
387/94, NJW 1996, 1478) und kann - unabhängig davon, ob man der Entscheidung
für den dortigen Fall beipflichtet (ablehnend Stein/Jonas/Leipold,
ZPO, 21. Aufl., § 301 Rdn. 8 a.E.) - nicht auf die vorliegende Fallkonstellation
übertragen werden. Es ging dort um ein Teilurteil über einen
nach § 287 ZPO geschätzten Mindestschaden mit noch durchzuführender
Beweisaufnahme über den darüber hinausgehenden Schaden.
2. Das Urteil des Berufungsgerichts hält auch
materiell-rechtlich einer Prüfung nicht stand.
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, daß
das Berufungsgericht von einer möglichen Rechtsmängelhaftung
der Beklagten ausgeht (§§ 434, 440 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB). Den
Rechtsmangel sieht es zutreffend darin, daß von der verkauften Eigentumswohnung
ein Zimmer an einen Dritten vermietet ist, wobei dieser Mietvertrag gemäß
§ 571 BGB gegen die Kläger als Erwerber wirkt (vgl. dazu
nur Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 434 Rdn. 5). Die Ansicht der
Revision, ein Rechtsmangel bestehe nur, wenn der nach § 571 BGB bindende
Mietvertrag ungünstigere Konditionen aufweise als der den Klägern
bekannte Mietvertrag über die restliche Wohnung, ist unzutreffend.
Die gekaufte Eigentumswohnung weist zwei Rechtsmängel auf. Der
ihnen beim Kauf bekannte Mietvertrag begründet ebenso einen Rechtsmangel
wie der ihnen unbekannt gebliebene über das als Küche bezeichnete
Zimmer. Wegen des einen Rechtsmangels scheidet eine Haftung nach §
439 Abs. 1 BGB aus, für den zweiten Rechtsmangel muß die Beklagte
einstehen. Das zeigt sich auch darin, daß es für den Eigentümer
einen Unterschied bedeutet, ob er mit einem Mieter zu tun hat, der die
gesamte Wohnung nutzt, oder mit zwei Mietern, die jeweils Teile der Wohnung
beanspruchen. Er kann die Wohnung nicht insgesamt nutzen, ohne sich mit
beiden Mietern auseinandersetzen zu müssen. Unerheblich ist es - entgegen
der Auffassung der Revision - auch, ob der zweite Mieter jetzt bereit ist
auszuziehen. Innerhalb der Frist des § 326 Abs. 1 BGB war er es nach
den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Soweit die
Revision meint, das Berufungsgericht habe diese Frage offengelassen, mißversteht
es diese Feststellungen. Nur für die Zukunft hat das Berufungsgericht
offengelassen, ob der Mieter auszugsbereit ist. Darauf kommt es in der
Tat nicht an, nachdem die Rechtsfolgen des § 326 Abs. 1 BGB eingetreten
sind.
b) Nicht zu folgen ist hingegen der Ansicht des
Berufungsgerichts, nur die Beklagte müsse sich die Kenntnis des Kaufmanns
K. über die den Rechtsmangel begründenden Umstände zurechnen
lassen, da dieser den Vertrag für die Beklagte vorbereitet und eindeutig
in deren Lager gestanden habe. Nach § 166 Abs. 1 BGB werden dem Vertretenen
Willensmängel seines Vertreters zugerechnet, soweit diese Einfluß
auf die Wirksamkeit der Willenserklärung haben. Gleiches gilt für
die Kenntnis oder das Kennenmüssen von Umständen, die für
die Willenserklärung von Bedeutung sind. Da der Kaufmann K. beim Abschluß
des Kaufvertrages bevollmächtigter Vertreter der Kläger war,
wirkt dessen Kenntnis vom Rechtsmangel nach dieser Vorschrift grundsätzlich
zu Lasten der Kläger und führt damit zum Haftungsausschluß
nach § 439 Abs. 1 BGB.
Daß K. zugleich wegen seiner Nähe zur
Beklagten als deren Wissensvertreter anzusehen ist, so daß seine
Kenntnis auch ihr zuzurechnen ist, ändert daran nichts. Dadurch wird
die Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB nicht aufgehoben. Auch der Normzweck
erlaubt keine Restriktion. K. war unabhängig von seiner Funktion als
Verhandlungsführer der Beklagten Vertreter der Kläger. Sie haben
die mit der Bevollmächtigung verbundenen Risiken, die sich u.a. in
der Regelung des § 166 Abs. 1 BGB konkretisieren, zu tragen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn es der Beklagten
nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf die den Klägern
zugerechnete Kenntnis des Vertreters zu berufen. Das kommt in Betracht,
wenn ein Verkäufer mit dem Vertreter des Käufers bewußt
zum Nachteil des Vertretenen zusammengewirkt hat (vgl. MünchKomm-BGB/Schramm,
3. Aufl., § 166 Rdn. 6; Staudinger/Schilken, BGB, 1995, § 166
Rdn. 19, jew.m.w.N.) oder wenn ein Verkäufer dem Käufer seinen
Verhandlungsführer als Vertreter aufgedrängt hat, um aus der
dann eingreifenden Vorschrift des § 166 Abs. 1 BGB Vorteile zu ziehen.
Solche Umstände hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt.
Ob auf eine derartige Manipulation die - objektiv falsche - Formulierung
im Kaufvertrag "der heutige Zustand des Kaufobjekts ist dem Käufer
bekannt" hindeuten mag, obliegt der Prüfung durch den Tatrichter.
c) Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung
zu dem Ergebnis kommen, daß die Berufung der Beklagten auf die den
Klägern zuzurechnende Kenntnis des Vertreters treuwidrig ist, so ist
den Angriffen der Revision gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts,
mit denen es einen wirksamen Rücktritt oder eine Anfechtung des Kaufvertrages
seitens der Kläger verneint hat, nicht zu folgen.
Daß dem mit vorprozessualem Anwaltsschreiben
vom 18. November 1996 erklärten Rücktritt keine Wirkungen beizumessen
sind, hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für
die Anfechtung. Die Revision wendet sich dagegen auch nicht.
Entgegen ihrer Auffassung sind aber auch die Erwägungen
rechtsfehlerfrei, mit denen das Berufungsgericht einen während des
Prozesses erklärten Rücktritt abgelehnt hat. Die Auslegung des
Schriftsatzes vom 26. Juni 1997, in dem zwar der Rücktritt erklärt,
das Schadensersatzbegehren, konkretisiert durch die Anträge, jedoch
aufrechterhalten wird, ist möglich. Es stellt keinen Auslegungsfehler
dar, daß - wie die Revision meint - das Berufungsgericht nicht bedacht
habe, daß der prozessual erklärte Rücktritt vor dem Hintergrund
zu sehen sei, daß die Kläger mit ihrem Schadensersatzbegehren
erstinstanzlich nicht durchgedrungen seien. Das Berufungsgericht hat diesen
Umstand nicht verkannt, ihm aber zu Recht keine wesentliche Bedeutung beigemessen,
weil die Gründe, die in erster Instanz zum Scheitern der Schadensersatzklage
geführt haben, dem Rücktrittsverlangen ebenfalls entgegengestanden
hätten.