NJW 2000, 1407
Amtl. Leitsatz:
Zur Frage der fahrlässigen Unkenntnis des
Fehlens der Vertretungsmacht nach § 179 Abs. 3 BGB.
Tatbestand:
Der Beklagte schloß im Namen der D. Krankenhaus
Gesellschaft mbH (D. -GmbH) am 29. März 1993 mit den Klägern
einen Mietvertrag über eine Wohnung in deren Haus in M. , , ab, die
als Unterkunft für Krankenschwestern der von der D. -GmbH betriebenen
Schmerzklinik M. dienen sollte. Als Mietdauer war die Zeit vom 1. Juni
1993 bis 31. Dezember 2000 bei einem Nettomietzins von (zunächst)
monatlich 2.400 DM festgelegt worden; zugleich schlossen die Parteien eine
Staffelmietvereinbarung, wonach sich der Mietzins ab 1. Juni 1994 jährlich
erhöhen sollte. Weiter vereinbarten die Kläger mit dem Beklagten
Umbaumaßnahmen, deren Kosten nach Zusage des Beklagten die D. -GmbH
tragen sollte.
Der Beklagte war zum Abschluß der Vereinbarungen
nicht ausdrücklich bevollmächtigt. Er trat gegenüber dem
Kläger zu 2), der für beide Kläger die Verhandlungen führte,
als Verwaltungsleiter der von der D. -GmbH betriebenen Schmerzklinik M.
auf; als solcher hatte er bereits zuvor für diese von den Klägern
Garagen angemietet. Nachdem die D. -GmbH die Genehmigung des Handelns des
Beklagten für die hier in Rede stehenden Vereinbarungen abgelehnt
hatte, nahmen die Kläger zunächst die D. -GmbH auf Mietzinszahlung,
Ersatz der in Auftrag gegebenen Renovierungsarbeiten sowie Feststellung
der Schadensersatzpflicht in Anspruch. In diesem Verfahren, in dem beide
Parteien dem Beklagten den Streit verkündet hatten, unterlagen die
Kläger in der Berufungsinstanz, da das Landgericht zwar eine Anscheinsvollmacht
des Beklagten bejahte, jedoch annahm, die Anscheinsvollmacht sei für
das Handeln der Kläger nicht ursächlich geworden.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger nunmehr
von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von zuletzt 84.557,24 DM
wegen dessen Handelns als Vertreter ohne Vertretungsmacht. Die Klage ist
in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgen die
Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, einem
Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 179 Abs. 1 BGB stehe
- wie schon das Landgericht zutreffend festgestellt habe - entgegen, daß
die Kläger den Mangel der Vertretungsmacht des Beklagten hätten
kennen müssen (§ 179 Abs. 3 Satz 1 BGB). Zwar sei zwischen den
Parteien nicht umstritten, daß der Beklagte keine Vollmacht besessen
habe und die Genehmigung seines Handelns von der D. -GmbH verweigert worden
sei. Soweit das Landgericht im Vorverfahren eine Haftung der D. -GmbH aufgrund
Anscheinsvollmacht verneint habe, weil die Kläger wegen fehlender
Kenntnis der den Rechtsschein begründenden Tatsachen Vertrauen auf
die Bevollmächtigung des Beklagten nicht hätten in Anspruch nehmen
können, müsse der Beklagte sich dies aufgrund der Interventionswirkung
des ergangenen Urteils im vorliegenden Verfahren entgegenhalten lassen.
Eine Haftung des Beklagten sei jedoch, was das Berufungsgericht trotz der
im Vorverfahren insoweit zu Lasten der Kläger getroffenen Feststellungen
erneut prüfen könne, nach § 179 Abs. 3 BGB ausgeschlossen,
weil die Kläger den Mangel der Vertretungsmacht infolge Fahrlässigkeit
nicht gekannt hätten. Ohne Erfolg beriefen sich die Kläger darauf,
der Beklagte habe konkludent Vollmacht behauptet. Soweit die Kläger
vorgetragen hätten, der Beklagte habe eine schriftliche Vollmacht
für den Fall angeboten, daß die Kläger dies wünschten,
worin zugleich zum Ausdruck komme, daß eine mündlich erteilte
Vollmacht bestehe, hätten sie eine solche Äußerung des
Beklagten nicht bewiesen. Allein das Auftreten des Beklagten für die
D. -GmbH reiche nicht aus, auch wenn man annehmen wolle, der Beklagte habe
damit konkludent eine bestehende Vertretungsmacht zum Ausdruck gebracht;
denn die Kläger hätten sich darauf wie auch auf die Vorstellung
des Beklagten, er sei Verwaltungsdirektor, gerade nicht verlassen. Vielmehr
habe der Kläger zu 2) den Beklagten nach Legitimation und Kompetenzen
gefragt, weil er trotz des Auftretens des Beklagten im Namen der D. -GmbH
und als deren Verwaltungsdirektor Zweifel an dessen Vertretungsmacht gehabt
habe. Die Kläger hätten sich dabei nicht mit der Antwort des
Beklagten zufrieden geben dürfen, er bedürfe als Verwaltungsdirektor
keiner schriftlichen Bevollmächtigung, seine Aufgaben ergäben
sich aus den gesetzlichen Vorschriften.
Wenn der Kläger zu 2), der selbst als Prokurist
nach § 49 Abs. 1 HGB über eine umfangreiche Vertretungsmacht
verfüge, vortrage, ihm sei die Unterscheidung zwischen Innen- und
Außenvollmacht, gewillkürter und gesetzlicher Vertretung nicht
bekannt, könne ihm dies nicht geglaubt werden; die insoweit bestehenden
Grundkenntnisse reichten aus, um zu erkennen, daß eine GmbH von einem
Geschäftsführer vertreten werde und es darüber hinaus keine
gesetzliche Regelung geben könne, die auch einem Verwaltungsdirektor
diese Befugnisse einräume.
Unabhängig davon habe der Kläger zu
2) auch nicht nachvollziehbar dargelegt, auf welche Art und Weise die aufgetretenen
Zweifel aus seiner Sicht durch die Antwort des Beklagten beseitigt worden
seien. Die Kläger hätten daher aufgrund ihrer Zweifel näher
nachfragen oder nachprüfen und eine zumindest für sie schlüssige
Erklärung finden müssen, wie sich die Vertretungsmacht des Beklagten
erkläre.
Die Kläger könnten sich zur Begründung
ihrer Ansprüche ferner nicht auf die Grundsätze der culpa in
contrahendo berufen, da ein solcher Anspruch ausnahmsweise nur dann gegen
den Vertreter gegeben sei, wenn dieser ein eigenes wirtschaftliches Interesse
habe oder persönliches Vertrauen in Anspruch genommen werde. Dies
werde von den Klägern nicht vorgetragen und sei auch nicht offensichtlich.
Zutreffend habe das Landgericht auch einen Ersatzanspruch aus unerlaubter
Handlung abgelehnt, weil weder Betrugs- noch Schädigungsabsicht bestehe.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach Streitverkündung durch die Kläger
gegenüber dem Beklagten in dem Verfahren gegen die D. -GmbH steht
aufgrund des dort ergangenen Urteils des Landgerichts für den vorliegenden
Rechtsstreit bindend fest, daß der Beklagte bei Abschluß des
Mietvertrages vom 29. März 1993 ohne Vollmacht handelte (§§
74 Abs. 3, 68 ZPO) - was zwischen den Parteien nicht streitig ist - und
die D. -GmbH auch nicht nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht
haftet.
2. Anders als das Berufungsgericht anscheinend
meint - seine Ausführungen sind in diesem Punkt nicht eindeutig -,
hat der Beklagte zumindest konkludent behauptet, zur Vertretung der D.
-GmbH berechtigt zu sein. In dem Auftreten für die D. -GmbH und der
Unterzeichnung des Mietvertrages vom 29. März 1993 im Namen des von
der D. -GmbH getragenen Schmerzzentrums M. lag jedenfalls die stillschweigende
Erklärung des Beklagten, aufrund seiner Beziehungen zu der Vertretenen
zu deren Vertretung berechtigt zu sein (BGHZ 39, 45, 51; BGH, Urteil vom
9. Oktober 1989 - II ZR 16/89, NJW 1990, 387 unter I 2). Daran ändert
nichts, daß die Kläger ihre Behauptung nicht bewiesen haben,
der Beklagte habe eine schriftliche Vollmacht für den Fall angeboten,
daß dies die Kläger wünschten. Hierin hätte, wie das
Berufungsgericht nicht verkennt, ebenfalls die stillschweigende Erklärung
gelegen, daß die Vollmacht mündlich erteilt sei (Palandt/Heinrichs,
BGB, 59. Aufl., 179 Anm. 4). Dadurch wäre jedoch die schon abgegebene
Erklärung, vertretungsberechtigt zu sein, lediglich verstärkt,
nicht aber die behauptete Vertretungsmacht bei Fehlen einer schriftlichen
Vollmacht - zumal nachträglich - in Frage gestellt worden.
3. Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch
der Kläger, den diese nach Verweigerung der Genehmigung des Mietvertrages
vom 29. März 1993 durch die D. -GmbH nunmehr gegen den Beklagten als
Vertreter ohne Vertretungsmacht geltend machen, gemäß §
179 Abs. 3 Satz 1 BGB mit der Begründung als ausgeschlossen an, die
Kläger hätten den Mangel der Vertretungsmacht des Beklagten infolge
Fahrlässigkeit nicht gekannt.
a) Zwar steht der Prüfung eines solchen Haftungsausschlusses,
wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, nicht entgegen, daß
im Vorprozeß gegen die D. -GmbH das Landgericht festgestellt hat,
die Kläger hätten aufgrund der ihnen bekannten Umstände
nicht auf eine Vollmacht des Beklagten zum Abschluß des Mietvertrages
schließen können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
tritt die aus der Streitverkündung sich ergebende Streithilfewirkung
nur gegen den Streitverkündungsgegner, nicht jedoch gegen den Streitverkünder
ein (BGHZ 100, 257, 260 ff; BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94,
NJW 1997, 2385 unter II 1; siehe auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 21.
Aufl., § 68 Rdnr. 6 m.w.Nachw.).
b) Das Berufungsgericht hat jedoch, wie die Revision
zu Recht rügt, die Sorgfaltsanforderungen überspannt, die an
die Kläger bei Abschluß des Mietvertrages vom 29. März
1993 zu stellen sind.
aa) Die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht
ist eine gesetzliche Garantiehaftung, die dem Vertreter das verschuldensunabhängige
Risiko auferlegt, seine Erklärung, er habe die erforderliche Vertretungsmacht,
sei richtig. Das Einstehenmüssen des vollmachtlosen Vertreters für
die Rechtsfolgen dieser Erklärung beruht somit auf einer im Interesse
der Verkehrssicherheit geregelten Vertrauenshaftung. Der andere Teil kann
den Mangel der Vertretungsmacht in der Regel nicht erkennen. Behauptet
der Vertreter ausdrücklich oder schlüssig, die für die Vornahme
des Rechtsgeschäfts erforderliche Vertretungsmacht zu haben, darf
der Vertragspartner daran grundsätzlich glauben. Er ist nicht ohne
weiteres zu Nachforschungen über Bestand und Umfang der Vertretungsmacht
verpflichtet. Nur wenn die Umstände des Einzelfalls den Vertragspartner
hätten veranlassen müssen, sich danach zu erkundigen, ob der
Vertreter die zumindest stillschweigend behauptete Vertretungsmacht tatsächlich
hat, liegt eine Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt
vor (vgl. BGHZ 105, 283, 285 f; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1989 aaO; MünchKomm-Schramm,
BGB, 3. Aufl., § 179 Rdnr. 36).
bb) Solche Umstände sind aber nach dem vom
Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt nicht gegeben.
Der Beklagte war gegenüber den Klägern
als Verwaltungsleiter des D. -Schmerzzentrums M. aufgetreten, für
welches er bereits zuvor Garagen von den Klägern angemietet hatte.
Nach seinem Vorbringen hatte er selbst angenommen, mit der Übertragung
der Stellung eines Verwaltungsdirektors auch die für die Wahrnehmung
der damit verbundenen Aufgaben im Außenverkehr erforderliche Vollmacht
erhalten zu haben. Daß der Beklagte selbst vom Abschluß eines
wirksamen Mietvertrages ausging, zeigt auch die Tatsache, daß er
die Schlüssel in Empfang nahm, die Überweisung der ersten Mieten
veranlaßte sowie bei den Stadtwerken M. eine Einzugsermächtigung
für die Kosten der Stromversorgung der Wohnung erteilte. Selbst wenn
die Kläger noch Zweifel an der Vertretungsmacht des Beklagten gehabt
haben sollten, was das Berufungsgericht der Frage des Klägers zu 2)
nach Legitimation und Kompetenzen des Beklagten entnimmt, durften diese
jedenfalls ihre Zweifel durch die Antwort des Beklagten, er brauche als
Verwaltungsdirektor keine schriftliche Bevollmächtigung, seine Aufgaben
ergäben sich aus den gesetzlichen Vorschriften, als ausgeräumt
ansehen. Durch diese Erklärung hatte der Beklagte erneut bestätigt,
mit Vertretungsmacht für die D. -GmbH zu handeln; die hierfür
einschlägigen Rechtsvorschriften brauchten den Klägern nicht
bekannt zu sein, so daß sie auch die Überschreitung der Vertretungsmacht
des Beklagten nicht erkennen konnten (vgl. Soergel/Leptien, BGB, 13. Aufl.,
§ 179 Rdnr. 19).
Eine Verpflichtung, darüber hinaus über das Bestehen der Vertretungsmacht des Beklagten Nachforschungen anzustellen, ergab sich auch nicht daraus, daß der Beklagte sich als Verwaltungsdirektor bezeichnet hatte und es einen solchen bei einer GmbH nicht gibt. Jedenfalls aus der Sicht eines juristischen Laien liegt die Vorstellung nicht fern, daß die Anmietung von Wohnraum zur Unterbringung von Krankenschwestern (Pflegepersonal) eines Krankenhauses zu den Aufgaben des Verwaltungsdirektors eines Krankenhauses zählt, und dafür nicht entscheidend ist, ob der Verwaltungsdirektor des Krankenhauses zugleich als gesetzlicher Vertreter des Krankenhausträgers zu dessen umfassender Vertretung befugt ist.
Es kommt hinzu, daß die handelnden Personen
auf die genaue Bezeichnung der Rechtsform der Mieterin ersichtlich keinen
Wert legten. Der Mietvertrag ist auf der Mieterseite mit "D. -Schmerzzentrum
M. " unterzeichnet, während im Mietvertragsentwurf die Mieterin mit
"D. Krankenhaus Gesellschaft mbH in M. Betriebsstätte D. Schmerzzentrum
M. " bezeichnet war. Der Kläger zu 2) hatte daher keine Veranlassung,
sich über die Vertretung der D. -GmbH weitere Gedanken zu machen und
an der Vertretungsmacht des Beklagten zu zweifeln.
Soweit das Berufungsgericht schließlich
ein weiteres Indiz für die mangelnde Sorgfalt der Kläger darin
sieht, daß im formularmäßigen Mietvertrag die Zeile "Bevollmächtigter"
nicht ausgefüllt sei, trägt dies schon deshalb nicht, weil die
Angabe eines Bevollmächtigten nur für den Vermieter, hier also
die Kläger, vorgesehen und offengelassen worden war.
3. Da aufgrund des vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalts sonach eine Haftung des Beklagten als vollmachtloser Vertreter nicht ausgeschlossen ist, kommt es auf die weiteren Angriffe der Revision gegen die urkundliche Verwertung der Zeugenaussage des Beklagten im Vorprozeß sowie auf die Rechtsfrage nicht an, inwieweit darüber hinaus eine Haftung des Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß in Betracht kommt (verneinend z.B. MünchKomm-Schramm, aaO, § 177 Rdnr. 48; Steffen in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 179 Rdnr. 18; bejahend z.B. Staudinger/Schilken, BGB, 1995, § 179 Rdnr. 20).
III. Da der Beklagte im übrigen die Unwirksamkeit des Vertrages wegen Mietwuchers geltend gemacht sowie ferner die Höhe des Schadens bestritten hat, war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur weiteren Feststellung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.