NJW 2000, 1643
JZ 2001, 45 mit Anm. Reinicke/Tiedtke aaO S. 46 ff
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht der Befreiungsanspruch des Bürgen
gegen den Hauptschuldner nach § 775 BGB und damit das Innenverhältnis
zwischen Hauptschuldner und Bürge (zum Innenverhältnis zwischen Hauptschuldner
und Gläubiger und der Einredeerstreckung auf den Bürgen vgl. Anm zu BGH
NJW 2000, 1563). Danach kann der Bürge
unter bestimmten Umständen vom Hauptschuldner Befreiung von der Bürgschaft
(etwa durch Zahlung an den Gl., aber eben auch in anderer Weise) verlangen,
wenn ihm aus dem rechtlichen Grundverhältnis (etwa Auftrag, entgeltliche
Geschäftsbesorgung oder GoA) im Falle der Zahlung einen Aufwendungsersatzanspruch
hätte. Die Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander, welches
Innenverhältnis vorliegt, wenn die Bürgschaft "gefälligkeitshalber"
übernommen wird. Sie legt eine solche Vereinbarung nicht etwa so weit
aus, daß der Bürge auch im Falle seiner Inanspruchnahme auf
den Regreß verzichtet, sondern stellt zutreffend klar, daß
bereits die unentgeltliche Stellung der Sicherheit eine "Gefälligkeit"
(nämlich einen - ja per definitionem unentgeltlichen - Auftrag) darstellt
(vgl. zum ganzen S. Lorenz JuS 1999, 1145 ff).
Zutreffend wir weiter dargelegt, daß die Beweislast für
einen solchen Anspruch den Bürgen trifft.
1. Ist der Rechtsgrund für eine Bürgschaftsübernahme
streitig, muss der Bürge, der den Hauptschuldner auf Befreiung von
der Bürgschaftsschuld in Anspruch nimmt, beweisen, dass ihm bezüglich
der Bürgschaft die Rechte eines Beauftragten zustehen.
2. Der Befreiungsanspruch ist auch dann nicht auf Zahlung an den Gläubiger
gerichtet, wenn dieser den Bürgen bereits in Anspruch nimmt (im Anschluss an BGHZ 140, 270 [274 f.] =
NZI 1999, 148 = NZG 1999, 208 = NJW 1999, 1182 = LM H. 8/1999 GesO Nr. 48).
Am 21. 3. 1994 übernahm der Kl. gegenüber
der 5. K. (im Folgenden: Bank) eine selbstschuldnerische Bürgschaft
über 40000 DM zur Sicherung von Ansprüchen der Bank gegen die
bekl. Eheleute, mit denen der Kl. seinerzeit befreundet war. Darüber
hinaus gewährte der Kl. den Bekl. Darlehen. Da die Bekl. ihre Bank-verbindlichkeiten
nicht erfüllten, verklagte die Bank den Kl. aus der Bürgschaft
auf Zahlung von 40000 DM nebst Zinsen. Der Kl. hat seinerseits die Bekl.
darauf in Anspruch genommen, an die Bank die Beträge zu zahlen, welche
die Bank von ihm - dem Kl. - begeht. Hilfsweise hat er Freistellung verlangt.
Außerdem hat der Kl. die Feststellung beantragt, dass die Bekl. verpflichtet
sind, ihm auch jeglichen weiteren durch die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft
entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Schließlich
hat er Rückzahlung der Darlehensbeträge verlangt und eine negative
Feststellungsklage erhoben.
Das LG hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das BerGer. hat ihr weitgehend
stattgegeben. Dagegen wenden sich die Bekl. mit ihrer Revision. Diese hat
der Senat nur insoweit angenommen, als es um die Verurteilung zur Zahlung
von 40000 DM an die Bank und die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz
geht. Im Umfang der Annahme war die Revision erfolgreich und führte
zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
A. Auch die Revision der Bekl. zu 2 ist zulässig,
obwohl das BerGer. für diese die Beschwer auf lediglich 55 190 DM
festgesetzt hat. An diese Wertfestsetzung ist der Senat nicht gebunden
(§ 546 III 2 ZPO). Sie kann nicht nur auf gesonderten Antrag vor Einlegung
der Revision, sondern auch danach (vgl. BGH, NJW 1997, 1241 = LM H. 5/1997
§ 546 ZPO Nr. 154) - sei es im Annahme-, sei es im Urteilsverfahren - überprüft werden.
Richtiger Ansicht nach beträgt der Wert der Beschwer für
die Bekl. zu 2 - ebenso wie für den Bekl. zu 1 - 70000 DM. Die Aberkennung
des Anspruchs, den der Bekl. zu 1 hilfsweise - erfolglos - gegen den Darlehensrückzahlungsanspruch
zur Aufrechnung gestellt hat, ist auch bei der Festsetzung des Werts der
Beschwer für die Bekl. zu 2 (allerdings lediglich in Höhe von
14810 DM) zu berücksichtigen. Bei der subjektiven Klagehäufung
ist die Beschwer aller Streitgenossen zusammenzurechnen, soweit es sich
nicht um wirtschaftlich identische Streitgegenstände handelt (BGH,
NJW 1981, 578 = LM § 546 ZPO Nr. 101; NJW 1984, 927 [928] = LM §
546 ZPO Nr. 111; NJW 1998, 2667 = LM H. 8/ 1998 § 823 [Bf] BGB Nr.
110, insoweit in BGHZ 138, 211 nicht abgedr.). Dies ist hier nicht der
Fall.
B. Die Revision führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I. Das BerGer. hat ausgeführt, der Kl. mache - im Hinblick auf
seine Inanspruchnahme als Bürge - einen Befreiungsanspruch gem. §
775 1 Nr. 3 BGB geltend. Dessen Voraussetzungen seien gegeben, weil die
Bekl. mit der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber der
Bank in Verzug seien. Dies folge aus ihrer - von den Bekl. eingeräumten - gerichtlichen Inanspruchnahme seitens der Bank. Aus demselben Grunde
sei der Befreiungsanspruch ausnahmsweise auf Zahlung der Bürgschaftssumme
an die Bank gerichtet. Ihre Behauptung, dass der Kl. die Bürgschaft
als vorläufige Gegenleistung für die Übertragung von Geschäftsanteilen
übernommen habe, hätten die Bekl. nicht bewiesen; dies gehe zu
ihren Lasten.
Der positive Feststellungsanspruch sei gerechtfertigt, weil dem Kl.
aus seiner Inanspruchnahme als Bürge über die Zahlung der Bürgschaftssumme hinaus ein Schaden entstehen könne, den die Bekl.
als Gesamtschuldner zu ersetzen hätten.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung
nicht stand.
1. Die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung von 40000 DM nebst Zinsen
auf die Bürgschaftsverpflichtung des Kl. gegenüber der Bank beruht
auf Rechtsfehlern.
a) Der Rechtsgrund für die Verbürgung durch den Kl. ist zwischen
den Parteien umstritten. Der Kl. hat behauptet, er habe die Bürgschaft "aus Freundschaft" übernommen, um den Bekl. aus einer vorübergehenden
Geldverlegenheit zu helfen. Die Bekl. haben demgegenüber geltend gemacht,
die Übernahme der Bürgschaft sei als "vorläufige Gegenleistung"
für die Abtretung von GmbH-Anteilen durch die Bekl. zu 2 an den Kl.
anzusehen. Dieses Vorbringen ist dahin zu verstehen, dass ein Bürgenregress
ausgeschlossen sein sollte.
b) Zu Unrecht meint die Revision, der Kl. habe die Voraussetzungen
eines Befreiungsanspruchs gem. § 775 BGB schon nicht schlüssig
dargetan. Allerdings hat einen solchen Befreiungsanspruch nur ein Bürge,
der die Bürgschaft kraft Auftrags, auftragsloser Geschäftsführung
oder Geschäftsbesorgungsvertrags für den Hauptschuldner übernommen
(§ 775 I 1 BGB) und aus diesem Verhältnis gegen den Hauptschuldner
einen Rückgriffsanspruch hat (Staudinger/Horn, BGB, 13. Bearb., §
775 Rdnr. 7; Habersack, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 775 Rdnr.
1; Palandt/Sprau, BGB, 59. Aufl., § 775 Rdnr. 1; Schmitz, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-Hdb., § 91 Rdnr. 96). Die erforderliche Auslegung des
Prozessvortrags, eine Bürgschaft sei "aus Freundschaft" übernommen
worden, kann der Senat selbst vornehmen (vgl. BGH, NJW 1995, 2593 [2594]
= LM H. 10/1995 § 556 ZPO Nr. 29 [unter 2 b]; NJW-RR 1996, 1210 [1211]).
Dass eine Bürgschaft "aus Freundschaft" übernommen wurde, schließt
das Bestehen eines Auftragsverhältnisses usw. nicht aus. Den Vortrag
des Kl. so zu verstehen, dass er sich "gefälligkeitshalber" - und
nicht auf Grund eines Auftrags oder Geschäftsbesorgungsvertrags - verbürgt habe und im Falle seiner Inanspruchnahme als Bürge keinen
Rückgriff gegen die Bekl. habe nehmen wollen, wäre nicht interessengerecht.
Wer eine Bürgschaft übernimmt und damit für einen anderen
Schuldhilfe leistet, kann dies von der Zahlung einer Vergütung (Avalprovision)
durch den Hauptschuldner abhängig machen. Sieht er davon ab, kann
man bereits die Annahme des Auftrags zur Ubernahme der Bürgschaft
als einen "Freundschaftsdienst" auffassen. Die Freundschaft muss aber nicht
so weit gehen, dass der Bürge im Falle seiner Inanspruchnahme beim
Hauptschuldner keinen Regress nimmt. Für einen entsprechenden Verzicht
müssen besondere Anhaltspunkte vorliegen. Solche haben die Bekl. nicht
vorgetragen.
c) Die Revision rügt indes mit Recht, dass das BerGer. die Bekl.
für ihre Behauptung, die Bürgschaftsübernahme sei die Gegenleistung
für die Übertragung von Geschäftsanteilen gewesen, als beweisfällig
angesehen hat. Insofern hat das BerGer. die Darlegungs- und Beweislast
verkannt. Nicht die Bekl. harten ihre Behauptung zu beweisen, sondern umgekehrt
der Kl. seine Behauptung, dass ihm bezüglich der Bürgschaft die
Rechte eines Beauftragten zustehen.
Der Bürge, der einen Befreiungsanspruch gem. § 775 BGB geltend
macht, hat die Erteilung des Bürgschaftsauftrags bzw. den Abschluss
eines Geschäftsbesorgungsvertrags oder das Vorliegen der Voraussetzungen
einer Geschäftsführung ohne Auftrag darzutun und zu beweisen
(Habersack in:
MünchKomm § 775 Rdnr. 16; Baumgärtel/Laumen, Hdb. der
Beweislast im PrivatR, 2. Aufl., § 775 BGB Rdnr. 1). Denn dabei handelt
es sich - wie vorstehend unter b dargelegt - um die Voraussetzung des Befreiungsanspruchs.
d) Nicht gefolgt werden kann dem BerGer. auch insoweit, als es angenommen
hat, der Anspruch des § 775 BGB könne ausnahmsweise - so auch
im vorliegenden Fall - auf Zahlung an den Gläubiger gerichtet sein.
Grundsätzlich hat der Schuldner die Wahl, auf welche Art und Weise er den Bürgen freistellen
will. Er kann an den Gläubiger zahlen oder diesen, zum Beispiel durch
Stellung einer anderen Sicherheit, zum Verzicht auf die Bürgschaft
veranlassen. Einen Zahlungsanspruch hat der Bürge erst, wenn er Rückgriff
nehmen darf. Dazu ist er gem. § 774 BGB berechtigt, "soweit" er den
Gläubiger "befriedigt" hat. Selbst dann, wenn der Gläubiger gegen
den Bürgen bereits ein vollstreckbares Urteil auf Erfüllung erwirkt
hat, wird dadurch nur ein Befreiungsanspruch begründet (§ 775
1 Nr. 4 BGB); als Voraussetzung für eine "Umwandlung" in einen Zahlungsanspruch
kann dieser Umstand also nicht ausreichen. Aus diesen Gründen hat
sich der Senat mit Urteil vom 14. 1. 1999 (BGHZ 140, 270 [274 f.] = NZI
1999, 148 = NZG 1999, 208 = NJW 1999, 1182 [1183 f.] = LM H. 8/1999 GesO
Nr. 48) gegen die vorzeitige "Umwandlung" eines Befreiungs- in einen Zahlungsanspruch
ausgesprochen. Zwar betraf diese Entscheidung einen Anspruch des Bürgen
auf Zahlung an sich selbst. Für die im vorliegenden Fall begehrte
Zahlung an den Gläubiger kann aber nichts anderes gelten.
2. Da das BerGer. die Voraussetzungen eines Anspruchs des Kl. auf Befreiung
von der Bürgschaftsverbindlichkeit nicht rechtsfehlerfrei festgestellt
hat, kann auch die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Bekl. wegen
Nichterfüllung keinen Bestand haben. Zwar hat das BerGer. insoweit
nicht ausdrücklich auf den Befreiungsanspruch des Kl. gegen die Bekl.,
sondern auf den Zahlungsanspruch der Bank gegen die Bekl. abgestellt. Die
bloße Nichterfüllung der Bankverbindlichkeiten hätte die
Bekl. dem Kl. gegenüber aber nicht schadensersatzpflichtig werden
lassen. Dazu konnte es erst kommen, wenn die Bekl. zugleich einen Befreiungsanspruch
des Kl. verletzten. Dazu ist nichts vorgetragen.