"Kind als Schaden", Ausrichtung des vertraglichen Schadensersatzes am Schutzzweck des Vertrages

BGH, Urt. v. 15. 2. 2000 - VI ZR 135/99 (Karlsruhe)


Fundstelle:

NJW 2000, 1782
BGHZ 143, 389


Zentrale Probleme:

Im Mittelpunkt steht die heftig umstrittene Frage, ob die Belastung mit der Unterhaltspflicht für ein ungewolltes (gesundes oder behindertes) Kind einen ersatzfähigen Schaden darstellen kann, wenn es aufgrund eines ärztlichen Behandlungs- und Beratungsfehlers zu einer ungewollten Schwangerschaft gekommen ist (z.B. mißlungene Sterilisation), ein Schwangerschaftsabbruch mißlungen oder aber aufgrund eines Fehldiagnose unterblieben ist. Letzeres war vorliegend der Fall.
Die Entscheidung legt lehrbuchmäßig den derzeitigen Stand der (in der Literatur nicht unumstr.) Rechtsprechung dar (vgl. insbes. die fett wiedergegebenen Passagen):
1.) Grundlage des Schadensersatzanspruchs der Eltern kann ist nur eine pVV des ärztlichen Behandlungsvertrages (= Dienstvertrag) sein.
2.) Nach ständiger Rechtsprechung sind die mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundenen wirtschaftlichen Belastungen, insbesondere die Aufwendungen für dessen Unterhalt, nur dann als ersatzpflichtiger Schaden auszugleichen, wenn der Schutz vor solchen Belastungen Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrags war. Diese - am Vertragszweck ausgerichtete - Haftung des Arztes oder Krankenhausträgers hat BGH etwa für Fälle fehlgeschlagener Sterilisation aus Gründen der Familienplanung (vgl. BGHZ 76, 249 [256]; BGH NJW 1995, 2407), bei fehlerhafter Beratung über die Sicherheit der empfängnisverhütenden Wirkungen eines vom Arzt verordneten Hormonpräparats (BGH NJW 1997, 2320) sowie für Fälle fehlerhafter genetischer Beratung vor Zeugung eines genetisch behinderten Kindes (BGHZ 124, 128) bejaht. Insoweit hatte auch das BVerfG keine Bedenken (BVerfGE 96,375 = NJW 1998, 519).
3.) Für die Fälle, in welchen das Verschulden des Arztes sich nicht auf das Entstehen der Schwangerschaft, sondern (wie hier) auf den Nichtabbruch einer bereits bestehenden Schwangerschaft bezieht, hat der BGH einen vertraglichen Anspruch der Eltern auf Ersatz des, durch die Geburt des Kindes vermittelten Vermögensschadens bei Vorliegen der Voraussetzungen einer medizinischen, embryopathischen und der kriminologischen Indikation i.S. des § 218 a StGB a.F. für möglich erachtet. Dabei wird die Vermeidung der wirtschaftlichen Belastung vom Schutzzweck des Beratungs- oder Behandlungsvertrags mitumfasst, auch wenn sie nicht (wie etwa bei der Sterilisation aus wirtschaftlichen Gründen) im Vordergrund steht (vgl. BGHZ 124, 128 [138] = NJW 1994, 788 = LM H. 5/1994 § 823 [Aa] BGB Nr. 154). Diese Rechtsprechung hat der BGH trotz verfassungerchtlicher Bedenken des BVerfG (BVerfGE 88, 203 = NJW 1993, 1751) nach einer erneuten einer Überprüfung aufrechterhalten (vgl. BGHZ 129, 178 [184] = NJW 1995, 1609).
4.) Entscheidend kommt es dabei allerdings auch hier auf den Schutzzweck der verletzten Pflicht an. Da im vorliegenden Fall der (mißlungene) Schwangerschaftstest nicht zum Zwecke der Feststellung der Notwendigkeit eines (in casu straflosen) Schwangerschaftsabbruchs, sondern deshalb erfolgte, um durch eine andere medizinische Behandlung im Falle der Schwangerschaft den Fötus nicht zu schädigen, war der eingetretene Schaden nicht mehr vom Schutzzweck des Behandlungsvertrags umfaßt. S. zu dieser Frage auch BGH v. 21.12.2004 - VI ZR 196/03; für den Fall eines indizierten Schwangerschaftsabbruchs auch  BGH NJW 2002, 2636 sowie BGH NJW 2002, 1489.

Rechtsvergleichend s. insbesondere High Court of Australia, Cattanach v Melchior [2003] HCA 38 (16 July 2003).
 
Zur Übung: Köhler, PdW SchuldR I Fall 152.
Zum Überblick: Lorenz/Riehm, Jus-Lern CD ZivilR I Rn. 269.
Zur Vertiefung: Roth NJW 1994, 2402; Deutsch NJW 1994, 776

(c) sl 2000

Amtl. Leitsätze:

1. Die mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundenen wirtschaftlichen Belastungen, insbesondere die Aufwendungen für dessen Unterhalt, sind nur dann als ersatzpflichtiger Schaden auszugleichen, wenn der Schutz vor solchen Belastungen Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrags war.
2. Wird zur Vorbereitung einer orthopädischen Zwecken dienenden Operation von den behandelnden Krankenhausärzten ein niedergelassener Gynäkologe als Konsiliararzt hinzugezogen, um das Bestehen einer Schwangerschaft bei der Patientin abzuklären, so erfasst bei dessen Fehldiagnose eine etwaige Haftung des Krankenhausträgers den Unterhaltsaufwand und den sonstigen, durch die spätere Geburt eines Kindes veranlassten materiellen Schaden der Eltern auch dann nicht, wenn sich diese auf Grund ihrer eigenen körperlichen Behinderungen bei Feststellung der Schwangerschaft zu deren rechtmäßiger Unterbrechung entschlossen hätten.



Zum Sachverhalt:

Die Kl. nimmt die Bekl. aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns auf Ersatz des durch die Geburt ihrer am 8. 2. 1994 geborenen Tochter veranlassten Unterhaltsaufwands und weiteren materiellen Schadens in Anspruch. Die Kl., die seit frühester Jugend an einer Kyphoskoliose (Verbiegung der Wirbelsäule in zwei Ebenen) leidet, befand sich nach Operationen in den Jahren 1970 und 1977 zur Behandlung dieses Leidens erneut vom 30. 6. bis 31. 10. 1993 in der von der Bekl. getragenen Rehabilitationsklinik, wo in dieser Zeit drei weitere - erfolgreich verlaufene - Operationen stattfanden, zu deren Vorbereitung Rontgenuntersuchungen und mehrere Myelographien erforderlich waren. Vor den Operationen klagte die Kl. am 14. 7. 1993 gegenüber dem bei der Bekl. beschäftigten Arzt Dr. K erstmals über Übelkeit und - teilweise krampfartige - Schmerzen im Unterleib. Sie fühlte sich schwindlig und elend, litt unter Hitzewallungen, Schwindelgefühl, weichem Stuhl und Erbrechen. Am 19. 7. 1993 unterrichtete sie Dr. K darüber, dass ihre Periode ausgefallen sei. Daraufhin wurde auf Veranlassung von Dr. K als Konsiliararzt der niedergelassene Gynäkologe Dr. B zur Abklärung der entsprechenden Beschwerden der Kl. hinzugezogen. Dieser attestierte einen unauffälligen Befund und schlug lokale Wärmeanwendungen vor. Ein Schwangerschaftstest wurde nicht angeordnet. Die Kl. selbst dachte trotz Ausbleibens ihrer Periode nicht an eine Schwangerschaft, weil dies schon häufiger vorgekommen war und sie auf Grund einer hormonellen Disposition meinte, ohne die Einnahme eines Gelbkörperhormons nicht schwanger werden zu können. Nach der Entlassung der Kl. aus der Klinik der Bekl. und einem vorübergehenden Aufenthalt in einer weiteren Reha-Einrichtung wurde die KL am 4. 1. 1994 erneut in das Krankenhaus der Bekl. aufgenommen. Am 10. 1. 1994 wurde ein Schwangerschaftstest mit positivem Ergebnis durchgeführt. Am 8. 2. 1994 kam das Kind 1 in der 35. Schwangerschaftswoche durch Kaiserschnitt gesund zur Welt. Die Kl., die sich wegen ihrer nach wie vor bestehenden körperlichen Beeinträchtigungen ebenso wie ihr auf Grund einer so genannten Glasknochenkrankheit auf den Rollstuhl angewiesener Ehemann nicht in der Lage sieht, ihre Tochter ohne fremde Hilfe aufzuziehen, nimmt die Bekl. auf Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung, bei einer Feststellung der Schwangerschaft durch Dr. B hätte sie sich zu deren rechtmäßiger Unterbrechung entschlossen. Sie hat mit ihrer Klage die Feststellung der Ersatzpflicht der Bekl. für den gesamten - durch die Behinderung beider Elternteile erhöhten - Unterhaltsaufwand für ihre Tochter beantragt, weiterhin die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgelds sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Bekl. für jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass der Geburt ihrer Tochter.
Das LG hat den Feststellungsanträgen hinsichtlich der Unterhaltsersatzpflicht der Bekl. sowie ihrer Ersatzpflicht für alle weiteren, auch zukünftigen materiellen Schäden stattgegeben und die Klage im Übrigen - hinsichtlich des immateriellen Schadens - abgewiesen. Die Berufungen beider Parteien sind erfolglos geblieben. Die Revision der Bekl. war erfolgreich.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat einen Anspruch der Kl. und ihres Ehemanns auf Ersatz des erforderlichen Unterhaltsaufwands für das am 8. 2. 1994 geborene Kind 1 sowie auf Ersatz des durch dessen Geburt verursachten weiteren materiellen Schadens aus (positiver) Verletzung eines so genannten totalen Krankenhausaufnahmevertrags als begründet erachtet, weil die Bekl. in dessen Rahmen gern. § 278 BGB dafür einstehen müsse, dass der als Konsiliararzt hinzugezogene Gynäkologe Dr. B die bei der Kl. in der 6. oder 8. Woche bestehende Schwangerschaft schuldhaft nicht erkannt habe.

Der Behandlungsvertrag zwischen den Parteien sei zwar nicht gezielt auf die Verhinderung einer Geburt gerichtet gewesen, habe jedoch unstreitig die Abklärung der Unterleibsbeschwerden der Kl. insbesondere im Hinblick auf eine bestehende Schwangerschaft umfasst, um eine mögliche Schädigung der Kl. und des Fötus durch die bevorstehenden röntgenologischen Eingriffe und Operationen zur Behandlung der orthopädischen Erkrankung der Kl. zu verhindern. Zu einer solchen Schädigung sei es zwar nicht gekommen, jedoch stehe auf Grund der vom LG durchgeführten Anhörung der Eltern fest, dass die Kl. bei zutreffender Diagnose die Schwangerschaft wegen Vorliegens der Voraussetzungen einer schwerwiegenden Notlagenindikation i. S. des § 218 a 11 Nr. 3 StGB a.F. rechtmäßig hätte unterbrechen lassen. Für die behandelnden Ärzte, denen im Hinblick auf die körperlichen Behinderungen bekannt gewesen sei, dass die Kl. und ihr Ehemann nur unter ganz erschwerten Bedingungen in der Lage sein würden, ein Kind aufzuziehen, habe deshalb zusätzlich die Verpflichtung bestanden, das Vorliegen einer Schwangerschaft auch im Hinblick auf einen Wunsch der Kl. nach einem Schwangerschaftsabbruch zu klären. Abgesehen von der dadurch erfolgten Einbeziehung der durch die Geburt des Kindes veranlassten Unterhaltsaufwendungen der Eltern in den Schutzbereich des Behandlungsvertrags habe die pflichtwidrige Nichtfeststellung der bestehenden Schwangerschaft die Kl. auch daran gehindert, mit einem Arzt einen auf rechtmäßigen Abbruch der Schwangerschaft gerichteten Vertrag zu schließen oder bei der Untersuchung die Zielrichtung des geschlossenen Behandlnngsvertrags auch auf die Vermeidung mit der Belastung durch Unterhalt zu erstrecken. Für diese Folge der Verletzung des Behandlungsvertrags habe die Bekl. deshalb haftungsrechtlich einzustehen.

II. Diese rechtliche Beurteilung des BerGer. hält den Angriffen der Revision im Ergebnis nicht stand. Es kann dabei offen bleiben, ob sich die Bekl. im Rahmen eines mit der Kl. geschlossenen so genannten totalen Krankenhausaufnahmevertrags das - von der Revision nicht mehr in Zweifel gezogene - Verschulden des zur Abklärung der Unterleibsbeschwerden der Kl. als Konsiliaratzt hinzugezogenen niedergelassenen Gynäkologen Dr. B als ihres Erfüllungsgehilfen i. S. des § 278 BGB zurechnen lassen muss. Denn jedenfalls würde, was die Revision mit Recht geltend macht, die Haftung der Bekl. für dessen Behandlungsfehler als ersatzfähigen Schaden nicht den Unterhaltsaufwand und die durch die Geburt der Tochter der Kl. veranlassten sonstigen materiellen Schäden erfassen, die bei einem Schwangerschaftsabbruch auf Grund einer als möglich erachteten Notlagenindikation i. S. des § 218 a II Nr. 3 StGB a. F. vermieden worden wären.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die mit der Geburt eines nicht gewollten Kindes für die Eltern verbundenen wirtschaftlichen Belastungen, insbesondere die Aufwendungen für dessen Unterhalt, nur dann als ersatzpflichtiger Schaden auszugleichen, wenn der Schutz vor solchen Belastungen Gegenstand des jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrags war. Diese - am Vertragszweck ausgerichtete - Haftung des Arztes oder Krankenhausträgers hat der Senat insbesondere bejaht für Fälle fehlgeschlagener Sterilisation aus Gründen der Familienplanung (vgl. BGHZ 76,249 [256] = NJW 1980, 1450 = LM § 276 [Fc] BGB Nrn. 7, 8; BGHZ 76, 259 [262] = NJW 1980, 1452 = LM § .276 [Fc] BGB Nr. 8; BGH, NJW 1981, 630 = LM § 249 [Bb] BGB Nr. 30 = VersR 1981, 278; NJW 1981, 2002 = LM § 282BGBNr. 33 = VersR 1981, 730; NJW 1984, 2625 = LM § 249 [A] BGB Nr. 72 = VersR 1984, 864; NJW 1995, 2407 = LM H. 10/1995 § 249 [A] BGB Nr. 109 =VersR 1995, 1099 [1101]), bei fehlerhafter Beratung über die Sicherheit der empfängnisverhütenden Wirkungen eines vom Arzt verordneten Hormonpräparats (Senat, NJW 1997, 2320 = LM H. 10/1997 § 256 ZPO Nr. 196 = VersR 1997, 1422 [1423]) sowie für Fälle fehlerhafter genetischer Beratung vor Zeugung eines genetisch behinderten Kindes (BGHZ 124, 128 = NJW 1994, 788 = LM H. 5/1994 § 823 [Aa] BGB Nr. 196). Diese Rechtsprechung des Senats hat der Erste Senat des BVerfG in seinem Beschluss vom 12. 11. 1997 als verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet (BVerfGE 96,375 = NJW 1998, 519).

2. Für die Fälle eines beratungs- oder behandlungsfehlerhaft nicht durchgeführten bzw. fehlgeschlagenen Abbruchs einer bereits bestehenden Schwangerschaft hat der Senat einen vertraglichen Anspruch der Eltern auf Ersatz des, durch die Geburt des Kindes vermittelten Vermögensschadens bei Vorliegen der Voraussetzungen einer medizinischen Indikation (vgl. Senat, NJW 1985, 2749 LM § 823 [Aa] BGB Nr. 81 = VersR 1985, 1068 [1071]), sowie einer embryopathischen oder kriminologischen Indikation i. S. des § 218 a II Nrn. 1 und 2 StGB a. F. (vgl. BGHZ 86, 240 [247] = NJW 1983, 1371 = LM § 611 BGB Nr. 68; BGHZ 89, 95 [1041 = NJW 1984, 658 = LM § 844 II BGB Nr. 65; BGHZ 124, 128 [135] = NJW 1994, 788 = LM H. 5/1994 § 823 [Aa] BGB Nr. 154; BGH, NJW 1995, 2407 = LM H. 10/1995 § 249 [A] BGB Nr. 109 = VersR 1995, 1099 [1101], und NJW 1997, 1638 = LM H. 7/1997 § 823 [Aa] BGB Nr. 171 = VersR 1997, 698 [699]) für möglich erachtet. Dabei wird die Vermeidung der wirtschaftlichen Belastung vom Schutzzweck des Beratungs- oder Behandlungsvertrags mitumfasst, auch wenn sie nicht (wie etwa bei der Sterilisation aus wirtschaftlichen Gründen) im Vordergrund steht (vgl. BGHZ 124, 128 [138] = NJW 1994, 788 = LM H. 5/1994 § 823 [Aa] BGB Nr. 154). In den Fällen eines nach den Feststellungen des BerGer. vorliegend von der Kl. beabsichtigten Schwangerschaftsabbruchs aus der früher in § 218 a II Nr. 3 StGB a. F. geregelten Notlagenindikation hat der Senat seine frühere Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Entscheidung des Zweiten Senats des BVerfG vom 28. 5. 1993 (BVerfGE 88, 203; NJW 1993, 1751) einer Überprüfung unterzogen und auf dieser Grundlage einen rechtmäßigen, einen Unterhaltsersatzanspruch rechtfertigenden Schwangerschaftsabbruch wegen einer Notlagenindikation nur noch dann für möglich erachtet, wenn das Vorliegen einer für die Schwangere mit der medizinischen und embryopathischen Indikation vergleichbaren Konfliktlage feststeht (vgl. BGHZ 129, 178 [184] = NJW 1995, 1609 =LMH.9/1995 § 249 [A] BGBNr. 108).

3. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Überprüfung, ob das BerGer. im Anschluss an die vom LG durchgeführte Anhörung der Kl. und ihres Ehemanns ausnahmsweise ohne sachverständigen Rat (vgl. BGHZ 95, 199 [206] = NJW 1985, 2752 = LM § 823 [Aa] BGB Nr. 80, und BGH, VersR 1986, 869 [870]) zu dem Ergebnis gelangen durfte, dass auf Grund der körperlichen Behinderungen beider Elternteile die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen und schweren Notlage im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung für einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch vorgelegen hätten. Denn abgesehen davon, dass die Revision keine diesbezügliche Verfahrensrüge erhoben hat, kann das Berufungsurteil bereits aus anderen Gründen keinen Bestand haben.
a) Das BerGer. geht zwar davon aus, dass zwischen den Parteien im vorliegenden Fall kein gezielt auf die Verhinderung einer Geburt gerichtetes Vertragsverhältnis bestanden hat, meint jedoch gleichwohl den Unterhaltsaufwand für die Tochter der Kl. wegen der Kenntnis der behandelnden Ärzte von den erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen der Kl. (Kyphoskoliose) und der genetischen Vorerkrankung ihres Ehemanns (Glasknochenkrankheit) in den Schutzzweck des Arztvertrags einbeziehen zu können. Dem kann aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden.
b) Gegenstand des mit der Bekl. geschlossenen Krankenhausvertrags war die operative Behandlung des orthopädischen Leidens der Kl. Die Untersuchung der Kl. auf eine Schwangerschaft durch den als Konsiliararzt hinzugezogenen Gynäkologen Dr. B diente insoweit im Rahmen des bestehenden Vertrags dazu, im Hinblick auf die bevorstehende Operation eine Gefährdung der Mutter und des ungeborenen Kindes auszuschließen. Eine Haftung der Bekl. für einen durch die Geburt des Kindes der Kl. veranlassten Vermögensschaden käme unter diesen Umständen allenfalls dann in Betracht, wenn sich durch die Nichterkennung .der Schwangerschaft und die anschließende Operation der Kl. ein Risiko verwirklicht hätte, auf dessen Vermeidung die Untersuchung der Kl. durch Dr. B im Rahmen des bestehenden Behandlungsvertrags gerichtet war. Solche Risiken haben sich aber weder bei der Kl. noch bei ihrer geistig und körperlich gesund geborenen Tochter verwirklicht. Ging es mithin bei der genannten Untersuchung nicht, wie das BerGer. gemeint hat, um die Abwendung einer unzumutbaren Belastung der Kl. durch ein Kind, dann darf auch nicht angenommen werden, dass die Bewahrung vor den Unterhaltsaufwendungen durch die Geburt des gesunden Kindes zum Schutzumfang des Behandlungsvertrags gehörte (vgl. Senat, NJW 1985 2749 - LM § 823 [Aa] BGB Nr. 81 = VersR 1985, 1068 [1071], zum fehlgeschlagenen Schwangerschaftsabbruch wegen - folgenloser - medizinischer Indikation; ebenso: OLG Zweibrücken, VersR 1997, 1009 [1010], zum Misslingen einer ausschließlich medizinisch indizierten Sterilisation; OLG Naumburg, VersR 1999, 1244 [12451, und OLG Düsseldorf, NJW 1995, 1620 [1621], jeweils zum Nichterkennen einer Schwangerschaft im Rahmen einer anderen Beschwerden nachgehenden frauenärztlichen Untersuchung).
c) Die Beurteilung des BerGer., der Krankenhausvertrag zwischen den Parteien sei - von dem Interesse der Kl. her - auch auf eine Verpflichtung der Bekl.. zur Abklärung der Frage nach einer möglicherweise bestehenden Schwangerschaft zum Zwecke deren Abbruchs gerichtet gewesen, findet weder in den getroffenen Feststellungen noch in dem von der Revision herangezogenen Parteivortrag eine Grundlage. Allein der vom BerGer. zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung angeführte Umstand, dass die behandelnden Arzte eine entsprechende, sich an eine Feststellung einer bestehenden Schwangerschaft anknüpfende Frage nach deren Unterbrechung wegen der ihnen bekannten Behinderungen der Kl. und ihres Ehemanns unschwer hätten erkennen können, vermag eine solche Verpflichtung nicht zu begründen. Die Frage eines Schwangerschaftsabbruchs gehörte nicht zu dem Leistungsbild des auf eine orthopädische Operation gerichteten Behandlungsvertrags. Die von der Bekl. betriebene Rehaklinik verfügte über keine eigene gynäkologische Abteilung und musste sich bei der entsprechenden Untersuchung der Kl. fremder Hilfe bedienen. Unter diesen Umständen konnte ein Patient in der Situation der Kl. nicht davon ausgehen, die Bekl. wolle - über die Klärung einer Vorfrage für die bevorstehende Operation hinaus - weitere Pflichten zur Ermöglichung oder Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs übernehmen. Bei der Feststellung einer Schwangerschaft wäre die Operation allenfalls unterblieben oder aufgeschoben worden. Dass die Kl. darüber hinaus einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch wegen Vorliegens einer Notlagenindikation hätte vornehmen lassen können, wenn die bestehende Schwangerschaft zufällig im Zusammenhang mit einem anderen Zwecken dienenden Eingriff festgestellt worden wäre, ist lediglich eine Reflexwirkung des bestehenden Behandlungsvertrags, vermag jedoch nicht dessen Rechtswirkungen zu erweitern.
d) Das Urteil des BerGer. lässt sich auch nicht mit dessen Hilfserwägung aufrecht erhalten, die Bekl. habe wegen der fehlerhaften Nichtfeststellung der bestehenden Schwangerschaft jedenfalls haftungsrechtlich dafür einzustehen, dass dadurch der Kl. der Abschluss eines weiteren Vertrags über einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch mit dem Schutzzweck der Vermeidung einer Unterhaltsbelastung unmöglich gemacht worden sei. Diese Argumentation mag zwar im Rahmen einer reinen Kausalitätsbetrachtung richtig sein, sie ist jedoch nicht geeignet, den Schutzzweck des bestehenden Behandlungsvertrags als selbstständige Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs entsprechend zu erweitern.