Haftung aus pVV: Umfang der Nebenpflichten (Obhuts- und Beratungspflichten) bei einem Werkvertrag mit eingeschränktem Inhalt
BGH, Urt. v. 3. 5. 2000 - X ZR 49/98 (Karlsruhe)
Fundstelle:

BGH NJW 2000, 2102


Amtl. Leitsatz:

Der Rahmen der vertraglich übernommenen Verpflichtungen steckt bei einem Werkvertrag zugleich den Umfang der Obhuts- und Beratungspflichten ab.



Zentrale Aussage:

Wer eine in ihrem Umfang eingeschränkte Werkleistung bestellt und im Zweifel nur eine dementsprechend hohe Vergütung vereinbart hat, muss sich im Verhältnis zum Unternehmer an einer solchen Beschränkung festhalten lassen und kann nicht unter Berufung auf Nebenpflichten des Unternehmers die Erbringung nicht geschuldeter Leistungen verlangen oder aus deren Nichterbringung Haftungsfolgen ableiten.



Zum Sachverhalt:

Die Kl., ein Verlagsunternehmen, unterhält auf ihrem Betriebsgelände in R. zwei Heizöltanks, von denen der kleinere mit 30000 1 Fassungsvermögen seit 1984 stillgelegt war. 1989 entschloss sie sich, diesen Tank, dessen Außenwand leck geworden war, wieder in Betrieb zu nehmen. Zu diesem Zweck brachte ein Drittunternehmen eine Leckschutzauskleidung an. Nach Überprüfung durch den Technischen Überwachungsverein wurde der Tank Anfang 1990 abgenommen, aber zunächst noch nicht wieder in Betrieb genommen. Bei Erdarbeiten auf dem Betriebsgelände kam es zu einer Beschädigung der Schutzrohre der im Erdreich verlegten Tankleitungen. Die Kl. erteilte daraufhin der Bekl. den Auftrag, neue Schutzrohre bis zum Heizraum zu führen, die Ölleitungen und die Tankrohre zu erneuern. Die Bekl. ließ die Arbeiten durch zwei Arbeitnehmer (den früheren Zweit- und Drittbekl.) und zwei Helfer im März 1991 durchführen. Nach Befüllung Anfang November 1992 wurde der Tank am 17. 12. 1992 in Betrieb genommen. Wenige Tage später wurde bemerkt, dass ca. 20000 1 Heizöl in das Erdreich versickert waren. Als Ursache stellte sich heraus, dass die Rücklaufleitung statt am vorgesehenen Stutzen des Domdeckels an einem Anschlussstutzen für den Leckflüssigkeitsbehälter am - schadhaften - Doppelmantel angeschlossen worden war, von wo aus das Öl in das Erdreich auslaufen und eindringen konnte. Zwischen den Parteien war zunächst streitig, ob der Fehlanschluss von Leuten der Kl. - wie die Bekl. behauptet hat - oder von den Monteuren der Bekl. - wie die Kl. behauptet hat - vorgenommen wurde; die Kl. hat ein haftungsbegründendes Verhalten der Bekl. aber auch für den Fall angenommen, dass diese den Anschluss nicht selbst hergestellt, sondern bereits vorgefunden hat. Die Kl. hat nach ihrer Behauptung für die Beseitigung der Kontamination bisher 531 054,27 DM aufgewendet; die Sanierung ist noch nicht abgeschlossen.
Das LG hat die auf Schadensersatz und Feststellung gerichtete Klage insgesamt abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Kl. die Klage erweitert und Zahlung in Höhe von 531 054,27 DM sowie die Feststellung begehrt, dass die Bekl. auch den weiteren Schaden zu ersetzen haben. Nach Einholung eines Sachversrändigengutachtens zu der Frage, ob bei fachmännischer Arbeitsweise der Falschanschluss der Rücklaufleitung hätte auffallen müssen, und Durchführung eines Ortstermins durch die Einzelrichterin hat das BerGer. das erstinstanzliche Urteil in Richtung gegen die frühere Erst- und nunmehr allein verbliebene Bekl. dahin abgeändert, dass die Zahlungsklage dem Grunde nach zu 50% für gerechtfertigt ist; es hat weiter festgestellt, dass die Bekl. auch im Übrigen zum Ersatz des aus dem Vorfall entstandenen Schadens zu 50% dem Grunde nach verpflichtet ist. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage insgesamt.

Aus den Gründen: 1. Das BerGer. geht von einem Werkvertrag zwischen den Parteien aus.

Es kann nicht feststellen, dass die Leute der Bekl. den Fehlanschluss selbst hergestellt hätten. Die Bekl. sei nämlich nur beauftragt gewesen, ein Schutzrohr zu verlegen und die im Schutzrohr geführten Anschlussleitungen an dem Tank zu erneuern. Die Leute der Bekl.
hätten auch nicht‘ die alten Leitungen von den Anschlüssen am Tank abgeschraubt und die neu verlegten Leitungen an den Muffen und Armaturen des Tanks angeschraubt, sondern noch ein Stück altes Rohr belassen. Diese ihr günstigen Feststellungen greift die Bekl. nicht an.
II. Das BerGer. stellt fest, dass die‘ Arbeitnehmer der Bekl. als deren Erfüllungsgehilfen bei der Auftragsdurchführung den vorhandenen Fehlanschluss zwar nicht bemerkt und deshalb eine entsprechende Mitteilung über die Gefahrensituation an die Kl. unterlassen hätten, ihn aber hätten erkennen können und müssen. Dies greift die Revision mit Verfahrensrügen ohne Erfolg an (§ 565 a 5. 1 ZPO).

III. Das BerGer. stützt die Verurteilung der Bekl. ersichtlich allein auf die Verletzung der werkvertraglichen Nebenpflicht, die Tankanlage auf für Fachleute erkennbare Fehlanschlüsse zu überprüfen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Habe die Bekl. mangels entsprechenden Auftrags nicht die Pflicht getroffen, die Anschlüsse der Rücklaufleitungen an die Tanks auf ihre Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen, könne es keine Haftung begründen, wenn ihren Leuten der Fehlanschluss nicht aufgefallen sei; anderenfalls werde die nicht vereinbarte Prüfungspflicht auf dem Umweg über eine vertragliche Nebenpflicht eingeführt. In einer derartigen Annahme sieht die Revision einen Denkfehler (§ 286 ZPO). Das BerGer. ergänze die vertraglichen Pflichten der Bekl. stillschweigend um eine Sichtprüfung der Anlage auf Funktionstüchtigkeit und Betriebssicherheit, was zusätzliche Maßnahmen erfordere und das Haftungsrisiko des Werkunternehmers erheblich erweitere. Die Kl. habe auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich eine Haftung der Bekl. etwa deshalb ergebe, weil ihre Leute die Augen vor den Gefahren für die Kl. verschlossen härten. Zudem sei dem BerGer. gegenüber der von ihm getroffenen Abwägung der Mitverschuldensanteile (§ 254 BGB) ein Wertungswiderspruch unterlaufen.
2. Die Rüge ist jedenfalls im Ergebnis begründet. Dass eine bestimmte Leistung nicht als Hauptleistungspflicht vertraglich vereinbart ist, steht‘ zwar der Annahme nicht denknotwendig entgegen, dass sie gleichwohl als Nebenpflicht nach Treu und Gjluben aus dem Vertrag abzuleiten ist. Dies gilt insbesondere für Sicherungs- und Obhutspflichten (vgl. Senat, NJW-RR 1997, 342 = LM H. 7/1997 § 631 BGB Nr. 79a; NJW 2000, 280; BGH, NJW 1983, 113 LM § 631 BGB Nr. 43). Jedoch steckt der Rahmen der vertraglich übernommenen Verpflichtungen zugleich den Umfang der Obhuts- und Beratungspflichten ab (so für die Berarungspflichten BGH, LM § 631 BGB Nr. 33 = VersR 1977, 178).
Als geschuldete Werkleistung können nach den Feststellungen des BerGer. vorliegend nur das Verlegen der Schutzrohre, die Erneuerung der Ölleitung und der Tankentlüftung angesehen werden, nicht darüber hinaus eine Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der bestehenden Anlage. Selbst wenn der rechtlichen Beurteilung im genannten Urteil des III. Zivilsenats hinsichtlich der sich aus solchen Verträgen ergebenden Pflichten nur soweit beizutreten sein sollte, als der Rahmen des vertraglich Geschuldeten deutlich überschrirten ist ,und als nicht besondere, hier ersichtlich nicht in Betracht kommende Umstände - wie positive Kenntnis oder bewusstes Sichverschließen vor der Erkenntnis - nach Treu und Glauben eine andere Bewertung erfordern, kann die Leistungsverpflichtung der Bekl. vorliegend nicht über die Annahme einer Nebenpflicht so weit erstreckt werden, wie das BerGer. das angenommen hat. Wer, wie vorliegend die Kl., eine in ihrem Umfang eingeschränkte Werkleistung bestellt und im Zweifel nur eine dementsprechend hohe Vergütung vereinbart hat, muss sich im Verhältnis zum Unternehmer an einer solchen Beschränkung festhalten lassen und kann nicht unter Berufung auf Nebenpflichten des Unternehmers die Erbringung nicht geschuldeter Leistungen verlangen oder aus deren Nichterbringung Haftungsfolgen ableiten.
IV. Da weitere Feststellungen ersichtlich nicht in Betracht kommen, andere Anspruchsgrundlagen nicht erkennbar sind und insbesondere zum Haftungsgrund Gegenrügen der Kl. nicht erhoben sind, kann der Senat abschließend beurteilen, dass die Bekl. durch das Nichterkennen des Fehlanschlusses eine gegenüber ihr der Kl. obliegende vertragliche Neben-pflicht nicht verletzt hat. Somit scheidet eine Haftung der Bekl. schon dem Grunde nach aus. Auf die weiteren Revisionsrügen kommt es deshalb nicht mehr an. Daraus ergibt sich, dass die erstinstanzliche Entscheidung in vollem Umfang wiederherzustellen ist.