BGH NJW 2000, 2102
Amtl. Leitsatz:
Der Rahmen der vertraglich übernommenen Verpflichtungen steckt bei einem Werkvertrag zugleich den Umfang der Obhuts- und Beratungspflichten ab.
Wer eine in ihrem Umfang eingeschränkte Werkleistung bestellt und im Zweifel nur eine dementsprechend hohe Vergütung vereinbart hat, muss sich im Verhältnis zum Unternehmer an einer solchen Beschränkung festhalten lassen und kann nicht unter Berufung auf Nebenpflichten des Unternehmers die Erbringung nicht geschuldeter Leistungen verlangen oder aus deren Nichterbringung Haftungsfolgen ableiten.
Die Kl., ein Verlagsunternehmen, unterhält
auf ihrem Betriebsgelände in R. zwei Heizöltanks, von denen der
kleinere mit 30000 1 Fassungsvermögen seit 1984 stillgelegt war. 1989
entschloss sie sich, diesen Tank, dessen Außenwand leck geworden
war, wieder in Betrieb zu nehmen. Zu diesem Zweck brachte ein Drittunternehmen
eine Leckschutzauskleidung an. Nach Überprüfung durch den Technischen
Überwachungsverein wurde der Tank Anfang 1990 abgenommen, aber zunächst
noch nicht wieder in Betrieb genommen. Bei Erdarbeiten auf dem Betriebsgelände
kam es zu einer Beschädigung der Schutzrohre der im Erdreich verlegten
Tankleitungen. Die Kl. erteilte daraufhin der Bekl. den Auftrag, neue Schutzrohre
bis zum Heizraum zu führen, die Ölleitungen und die Tankrohre
zu erneuern. Die Bekl. ließ die Arbeiten durch zwei Arbeitnehmer
(den früheren Zweit- und Drittbekl.) und zwei Helfer im März
1991 durchführen. Nach Befüllung Anfang November 1992 wurde der
Tank am 17. 12. 1992 in Betrieb genommen. Wenige Tage später wurde
bemerkt, dass ca. 20000 1 Heizöl in das Erdreich versickert waren.
Als Ursache stellte sich heraus, dass die Rücklaufleitung statt am
vorgesehenen Stutzen des Domdeckels an einem Anschlussstutzen für
den Leckflüssigkeitsbehälter am - schadhaften - Doppelmantel
angeschlossen worden war, von wo aus das Öl in das Erdreich auslaufen
und eindringen konnte. Zwischen den Parteien war zunächst streitig,
ob der Fehlanschluss von Leuten der Kl. - wie die Bekl. behauptet hat -
oder von den Monteuren der Bekl. - wie die Kl. behauptet hat - vorgenommen
wurde; die Kl. hat ein haftungsbegründendes Verhalten der Bekl. aber
auch für den Fall angenommen, dass diese den Anschluss nicht selbst
hergestellt, sondern bereits vorgefunden hat. Die Kl. hat nach ihrer Behauptung
für die Beseitigung der Kontamination bisher 531 054,27 DM aufgewendet;
die Sanierung ist noch nicht abgeschlossen.
Das LG hat die auf Schadensersatz und Feststellung
gerichtete Klage insgesamt abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Kl.
die Klage erweitert und Zahlung in Höhe von 531 054,27 DM sowie die
Feststellung begehrt, dass die Bekl. auch den weiteren Schaden zu ersetzen
haben. Nach Einholung eines Sachversrändigengutachtens zu der Frage,
ob bei fachmännischer Arbeitsweise der Falschanschluss der Rücklaufleitung
hätte auffallen müssen, und Durchführung eines Ortstermins
durch die Einzelrichterin hat das BerGer. das erstinstanzliche Urteil in
Richtung gegen die frühere Erst- und nunmehr allein verbliebene Bekl.
dahin abgeändert, dass die Zahlungsklage dem Grunde nach zu 50% für
gerechtfertigt ist; es hat weiter festgestellt, dass die Bekl. auch im
Übrigen zum Ersatz des aus dem Vorfall entstandenen Schadens zu 50%
dem Grunde nach verpflichtet ist. Die Revision war erfolgreich und führte
zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage
insgesamt.
Aus den Gründen: 1. Das BerGer. geht von einem Werkvertrag zwischen den Parteien aus.
Es kann nicht feststellen, dass die Leute der Bekl.
den Fehlanschluss selbst hergestellt hätten. Die Bekl. sei nämlich
nur beauftragt gewesen, ein Schutzrohr zu verlegen und die im Schutzrohr
geführten Anschlussleitungen an dem Tank zu erneuern. Die Leute der
Bekl.
hätten auch nicht‘ die alten Leitungen von
den Anschlüssen am Tank abgeschraubt und die neu verlegten Leitungen
an den Muffen und Armaturen des Tanks angeschraubt, sondern noch ein Stück
altes Rohr belassen. Diese ihr günstigen Feststellungen greift die
Bekl. nicht an.
II. Das BerGer. stellt fest, dass die‘ Arbeitnehmer
der Bekl. als deren Erfüllungsgehilfen bei der Auftragsdurchführung
den vorhandenen Fehlanschluss zwar nicht bemerkt und deshalb eine entsprechende
Mitteilung über die Gefahrensituation an die Kl. unterlassen hätten,
ihn aber hätten erkennen können und müssen. Dies greift
die Revision mit Verfahrensrügen ohne Erfolg an (§ 565 a 5. 1
ZPO).
III. Das BerGer. stützt die Verurteilung der
Bekl. ersichtlich allein auf die Verletzung der werkvertraglichen Nebenpflicht,
die Tankanlage auf für Fachleute erkennbare Fehlanschlüsse zu
überprüfen. Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
1. Habe die Bekl. mangels entsprechenden Auftrags
nicht die Pflicht getroffen, die Anschlüsse der Rücklaufleitungen
an die Tanks auf ihre Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen,
könne es keine Haftung begründen, wenn ihren Leuten der Fehlanschluss
nicht aufgefallen sei; anderenfalls werde die nicht vereinbarte Prüfungspflicht
auf dem Umweg über eine vertragliche Nebenpflicht eingeführt.
In einer derartigen Annahme sieht die Revision einen Denkfehler (§
286 ZPO). Das BerGer. ergänze die vertraglichen Pflichten der Bekl.
stillschweigend um eine Sichtprüfung der Anlage auf Funktionstüchtigkeit
und Betriebssicherheit, was zusätzliche Maßnahmen erfordere
und das Haftungsrisiko des Werkunternehmers erheblich erweitere. Die Kl.
habe auch keine Umstände dargelegt, aus denen sich eine Haftung der
Bekl. etwa deshalb ergebe, weil ihre Leute die Augen vor den Gefahren für
die Kl. verschlossen härten. Zudem sei dem BerGer. gegenüber
der von ihm getroffenen Abwägung der Mitverschuldensanteile (§
254 BGB) ein Wertungswiderspruch unterlaufen.
2. Die Rüge ist jedenfalls im Ergebnis begründet.
Dass eine bestimmte Leistung nicht als Hauptleistungspflicht vertraglich
vereinbart ist, steht‘ zwar der Annahme nicht denknotwendig entgegen, dass
sie gleichwohl als Nebenpflicht nach Treu und Gjluben aus dem Vertrag abzuleiten
ist. Dies gilt insbesondere für Sicherungs- und Obhutspflichten (vgl.
Senat, NJW-RR 1997, 342 = LM H. 7/1997 § 631 BGB Nr. 79a; NJW 2000,
280; BGH, NJW 1983, 113 LM § 631 BGB Nr. 43). Jedoch steckt der Rahmen
der vertraglich übernommenen Verpflichtungen zugleich den Umfang der
Obhuts- und Beratungspflichten ab (so für die Berarungspflichten BGH,
LM § 631 BGB Nr. 33 = VersR 1977, 178).
Als geschuldete Werkleistung können nach
den Feststellungen des BerGer. vorliegend nur das Verlegen der Schutzrohre,
die Erneuerung der Ölleitung und der Tankentlüftung angesehen
werden, nicht darüber hinaus eine Überprüfung der Funktionstüchtigkeit
der bestehenden Anlage. Selbst wenn der rechtlichen Beurteilung im genannten
Urteil des III. Zivilsenats hinsichtlich der sich aus solchen Verträgen
ergebenden Pflichten nur soweit beizutreten sein sollte, als der Rahmen
des vertraglich Geschuldeten deutlich überschrirten ist ,und als nicht
besondere, hier ersichtlich nicht in Betracht kommende Umstände -
wie positive Kenntnis oder bewusstes Sichverschließen vor der Erkenntnis
- nach Treu und Glauben eine andere Bewertung erfordern, kann die Leistungsverpflichtung
der Bekl. vorliegend nicht über die Annahme einer Nebenpflicht so
weit erstreckt werden, wie das BerGer. das angenommen hat. Wer, wie vorliegend
die Kl., eine in ihrem Umfang eingeschränkte Werkleistung bestellt
und im Zweifel nur eine dementsprechend hohe Vergütung vereinbart
hat, muss sich im Verhältnis zum Unternehmer an einer solchen Beschränkung
festhalten lassen und kann nicht unter Berufung auf Nebenpflichten des
Unternehmers die Erbringung nicht geschuldeter Leistungen verlangen oder
aus deren Nichterbringung Haftungsfolgen ableiten.
IV. Da weitere Feststellungen ersichtlich nicht
in Betracht kommen, andere Anspruchsgrundlagen nicht erkennbar sind und
insbesondere zum Haftungsgrund Gegenrügen der Kl. nicht erhoben sind,
kann der Senat abschließend beurteilen, dass die Bekl. durch das
Nichterkennen des Fehlanschlusses eine gegenüber ihr der Kl. obliegende
vertragliche Neben-pflicht nicht verletzt hat. Somit scheidet eine Haftung
der Bekl. schon dem Grunde nach aus. Auf die weiteren Revisionsrügen
kommt es deshalb nicht mehr an. Daraus ergibt sich, dass die erstinstanzliche
Entscheidung in vollem Umfang wiederherzustellen ist.