Vermächtnis gegen Gegenleistung an den Beschwerten: Ankaufsrecht; Abgrenzung zum Vorkaufsrecht; Sicherbarkeit durch Vormerkung (§ 883): Zukünftiger Anspruch
BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 - IV ZR 120/00 - OLG Frankfurt a. M.

Fundstellen:

NJW 2001, 2883
für BGHZ vorgesehen


Amtl. Leitsätze

a) Durch Vermächtnis kann ein Anspruch gegen den Beschwerten auch in der Weise begründet werden, daß der Bedachte die Leistung nur fordern kann, wenn er die vom Erblasser vorgesehene Gegenleistung anbietet (Ankaufsrecht).
b) Ein solcher Anspruch kann, auch wenn er von weiteren Voraussetzungen in der Person des Beschwerten und anderer Beteiligter abhängt, durch Vormerkung gesichert werden.


Tatbestand:

Die Klägerin macht Ansprüche gegen den Beklagten, ihren Bruder, aus dem eigenhändigen Testament der Eltern geltend. Diese hatten den Beklagten als Alleinerben nach dem letztverstorbenen Ehegatten eingesetzt. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Hausgrundstück. Dazu heißt es im Testament u.a.:

"Das Haus, das soviel eigene Arbeit und Initiative gekostet hat, soll mindestens 50 Jahre nach unser beider Ableben im Familienbesitz bleiben. Sollte es trotzdem vor dieser Zeit veräußert werden müssen, so haben die Blutsverwandten das uneingeschränkte Vorkaufsrecht. Es ist zuerst den Geschwistern dem Alter nach (also I., D., G. [der Klägerin] und H.) mit je einer Woche Bedenkzeit anzubieten und danach unseren Enkeln, auch dem Alter nach (also M., Ge., R., P., Ma., To., Ch. usw.) und zwar zu dem Preis von 50 % des amtlichen Schätzwerts. ...Erst wenn ein Verkauf an die Blutsverwandten nicht zustande kommt, kann das Haus zu dem möglichst günstigsten Angebot verkauft werden. ..."

Nachdem 1995 als letzter Elternteil die Mutter verstorben war, erklärte die Klägerin bei einem Treffen der Geschwister, daß sie das Vorkaufsrecht ausüben wolle. Ihre Verhandlungen mit dem Beklagten über den Erwerb des Hauses blieben aber ohne Erfolg. Sie nahm den vom Beklagten an seine Geschwister auf den Pflichtteil ausgezahlten Betrag an. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin in erster Instanz beantragt, den Beklagten zu verurteilen, seine Zustimmung zur Eintragung eines Vorkaufsrechts der Klägerin an dem Nachlaßgrundstück zu erteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil sich aus dem Testament kein dingliches Vorkaufsrecht, sondern nur ein schuldrechtlicher Anspruch ergebe. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Vorkaufsrechts der Klägerin an dem Nachlaßgrundstück zu bewilligen. Das Berufungsgericht hat diesem Antrag mit der Maßgabe stattgegeben, daß der Beklagte die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung des Ankaufsrechts der Klägerin aus dem Testament der Eltern zu bewilligen habe. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Nach Ansicht der Revision ist die Berufung der Klägerin unzulässig, weil sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens zum Teil weiterverfolgt habe (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - III ZR 53/98 - NJW 1999, 1407 unter 4; Urteil vom 6. Mai 1999 - X ZR 250 /98 - NJW 1999, 2118 unter I 2 a).

Das Berufungsgericht ist jedoch mit Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin schon in erster Instanz als Lebenssachverhalt, aus dem sie ihren prozessualen Anspruch ableitet, das auslegungsfähige und der Auslegung bedürftige Testament der Eltern vorgetragen hat. Darin ist zwar von einem "Vorkaufsrecht" die Rede; es wird aber ein Höchstpreis für den Erwerb des Hauses festgesetzt, der bei einem dinglichen Vorkaufsrecht im Sinne von § 1094 BGB ausgeschlossen ist (Palandt/ Bassenge, BGB 60. Aufl. § 1098 Rdn. 2; MünchKomm/Westermann, BGB 3. Aufl., § 1094 Rdn. 6). Auf der Grundlage dieses Sachverhalts sollte mit dem Klageantrag die Sicherung des sich aus dem Testament ergebenden Anspruchs zum Schutz gegen eine mögliche Vereitelung durch den Beklagten erreicht werden. Die Klägerin hat das Testament in erster Instanz zwar dahin ausgelegt, daß ihr ein dingliches Vorkaufsrecht vermacht worden sei. Am Ende der Klageschrift wird aber um einen Hinweis nach § 139 ZPO gebeten.

Bei dieser Sachlage ist das erstinstanzliche Begehren der Klägerin nicht dahin zu verstehen, daß sie etwa nur den sich aus ihrer Auslegung des Testaments ergebenden Anspruch auf ein dingliches Vorkaufsrecht geltend machen wolle. Vielmehr lag in ihrem Vorbringen konkludent der Hilfsantrag auf Einräumung einer Vormerkung zur Sicherung eines sich aus dem Testament ergebenden schuldrechtlichen Anspruchs auf das Haus. Danach war ihre Berufung zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 - VIII ZR 237/89 - WM 1990, 1748 unter II).

2. Das Berufungsgericht legt die Anordnungen des Testaments über das "Vorkaufsrecht" als Vermächtnis aus, das den Geschwistern unter bestimmten Voraussetzungen und in einer bestimmten Reihenfolge einen Rechtsanspruch gegen den Beklagten verschafft (§ 2174 BGB). Gegenstand dieses Vermächtnisses sei ein Ankaufsrecht des jeweils Bedachten, der unmittelbar die Übertragung des Grundstücks zu dem im Testament vorgesehenen, durch Auslegung bestimmbaren Preis vom Beklagten fordern könne. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen.

Die von der Revision mit Rücksicht auf die im Testament bestimmte 50-Jahresfrist aufgeworfenen Bedenken greifen nicht durch, § 2163 Abs. 1 Nr. 1 BGB (BGH, Urteil vom 9. Januar 1969 - III ZR 174/66 - NJW 1969, 1112).

Die Revision stellt weiter zur Überprüfung, ob durch Vermächtnis ein synallagmatisches Verhältnis zwischen Bedachtem und Beschwertem begründet werden könne (a.A. Schurig, Das Vorkaufsrecht im Privatrecht, 1975, 123, der nur einen Anspruch auf Einräumung etwa eines Vorkaufsrechts des Bedachten annimmt). Das Erbrecht eröffnet jedoch nicht nur die Möglichkeit, den Vermächtnisnehmer durch Untervermächtnis zu beschweren (§ 2186 BGB). Der Erblasser kann schon als Gegenstand des Hauptvermächtnisses alles vorsehen, was als Inhalt der Leistungspflicht eines Schuldners nach § 241 BGB vereinbart werden könnte (MünchKomm/Leipold, § 1939 Rdn. 7; Staudinger/Otte, BGB, September 1999, § 1939 Rdn. 6). Mithin kann er die Leistungspflicht des Beschwerten auch einschränken, indem der Bedachte den Anspruch aus dem Vermächtnis nur durchsetzen kann, wenn er sich zur Übernahme einer Gegenleistung entschließt (h.M.; Staudinger/Mader, BGB Juni 1995, § 504 Rdn. 1; MünchKomm/Westermann § 504 Rdn. 8 a.E.; Soergel/Huber, BGB 12. Aufl. vor § 504 Rdn. 11). Die Klägerin kann den Anspruch aus dem Vermächtnis - sofern dessen weitere Voraussetzungen gegeben sind - also nur geltend machen, wenn sie die im Testament vorgesehene Gegenleistung anbietet. Ist sie dazu nicht bereit, steht das so eingeschränkte Vermächtnis der nächstjüngeren Schwester zu.

3. Das Berufungsgericht meint, aus dem Vermächtnisanspruch ergebe sich ohne weiteres das Recht, zur Sicherung dieses Anspruchs die Bewilligung einer Vormerkung zu verlangen (so auch MünchKomm/ Wacke, § 885 Rdn. 3 m.w.N.). Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Wenn der Anspruch nicht durch Arrest oder einstweilige Verfügung gesichert wird, kommt es für den Anspruch auf Bewilligung der Vormerkung darauf an, daß dem Bedachten eine solche Sicherung im Testament zugewendet worden ist (h.M.; RG DNotZ 1932, 539 Nr. 20; MünchKomm/ Schlichting § 2174 Rdn. 23; Staudinger/Otte, BGB Januar 1996, § 2174 Rdn. 20; Soergel/M. Wolf, § 2179 Rdn. 3; Zawar, DNotZ 1986, 515, 525 f.).

Das ergibt sich hier im Wege der Auslegung des Testaments. Die Klägerin kann den Anspruch auf das Grundstück erst geltend machen, wenn der Beklagte es veräußern will. Bis dahin kann viel Zeit vergehen. Damit ist die Gefahr verbunden, daß das Recht der Klägerin etwa durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung von Gläubigern des Beklagten vereitelt wird. Da weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Testaments insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich sind, kann der Senat das Testament selbst auslegen. Gerade der Zweck des Testaments, das Haus noch mindestens 50 Jahre nach dem Ableben der Eltern im Familienbesitz zu erhalten, spricht entscheidend dafür, daß den Bedachten nicht nur ein Anspruch auf das Grundstück, sondern auch das Recht vermacht worden ist, diesen Anspruch durch Vormerkung sichern zu lassen. Damit hat das Berufungsgericht im Ergebnis mit Recht einen Anspruch der Klägerin auf eine Vormerkung angenommen.

4. Weiter geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Klägerin das Vermächtnis angenommen habe und daher später nicht mehr wirksam habe ausschlagen können (§ 2180 BGB). Daß die Klägerin den Pflichtteil verlangt und erhalten habe, stehe ihrem Anspruch aus dem Vermächtnis nicht entgegen (§ 2307 BGB). Die Klägerin habe diesen Anspruch auch nicht erlassen (§ 397 BGB).

Das wird von der Revision nicht angegriffen und ist auch nicht zu beanstanden. Wenn die Klägerin das Vermächtnis bei Eintritt der Bedingungen geltend macht, kann der Beklagte zwar eine (teilweise) Erstattung des Pflichtteils verlangen (vgl. Senatsurteil vom 18. Oktober 2000 - IV ZR 99/99 - NJW 2001, 520 unter 2 a). Das ändert aber an dem Anspruch der Klägerin aus dem Vermächtnis nichts.

5. Die Revision wendet sich hauptsächlich dagegen, daß ein Ankaufsrecht, wie es der Tatrichter hier dem Testament entnommen hat, überhaupt durch Vormerkung gesichert werden könne. Denn der Anspruch hänge außer von der Geltendmachung durch die Klägerin, die eine Gegenleistung anzubieten habe, in erster Linie davon ab, daß der Beklagte das Grundstück veräußern wolle und die älteren Geschwister an einem Erwerb nicht interessiert seien. Mithin hänge der Anspruch nicht allein vom Willen des Berechtigten ab. Nur dann sei aber nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Rechtsboden für die Entstehung des Anspruchs soweit vorbereitet, daß er vormerkungsfähig sei (vgl. BGHZ 54, 56, 64).

Anerkannt ist jedoch, daß ein Ankaufsrecht, wenn es - wie hier - in einem aufschiebend bedingten Auflassungsanspruch besteht, der durch eine spätere Ausübungserklärung des Berechtigten zustande kommt, durch Vormerkung im Grundbuch gesichert werden kann (so für den Fall des bedingten Grundstückskaufvertrages BGH, Urteil vom 28. September 1962 - V ZR 8/61 - LM BGB § 433 Nr. 16 unter 3; Urteil vom 31. Mai 1974 - V ZR 190/72 - LM BGB § 883 Nr. 13 unter B 1; Staudinger/Gursky, BGB Januar 1996, § 883 Rdn. 77). Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof die Eintragungsfähigkeit einer Vormerkung auch für einen Rückübereignungsanspruch bejaht, den sich Eltern in einem Grundstücksübertragungsvertrag für den Fall vorbehalten hatten, daß ihre Töchter über den ihnen übertragenen Grundstücksanteil ohne Zustimmung der Eltern verfügen und die Eltern deshalb vom Vertrag zurücktreten. Zwar sei die Vormerkbarkeit eines Anspruchs zu verneinen, dessen Entstehung ausschließlich vom Willen des Schuldners abhänge. Bedingte Ansprüche böten aber von Anfang an eine gesicherte Grundlage für die Eintragung einer Vormerkung (§ 883 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies gelte auch dann, wenn eine der Bedingungen in einem künftigen Verhalten des Verpflichteten liege (Potestativbedingung; BGHZ 134, 182, 184 f., 187 f.).

Danach bestehen gegen die Eintragungsfähigkeit einer Vormerkung im vorliegenden Fall keine Bedenken. Der zu sichernde Anspruch ist zum einen davon abhängig, daß der Beklagte das Haus veräußern will. Insoweit handelt es sich um eine Potestativbedingung, die ähnlich wie im Fall BGHZ 134, 182 ff. an ein künftiges Verhalten des Schuldners anknüpft. Der Anspruch hängt weiter davon ab, daß die älteren Geschwister das Haus nicht, jedenfalls nicht für die im Testament vorgesehene Gegenleistung, erwerben wollen. Auch diese, nach § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB zulässige Bedingung hebt auf das Verhalten eines Dritten ab. Schließlich setzt der Anspruch voraus, daß die Klägerin die Gegenleistung anbietet. Eine solche Einschränkung steht der Vormerkungsfähigkeit des Anspruchs nach den genannten Urteilen vom 28. September 1962 und 31. Mai 1974 nicht entgegen. Die Kumulation aller dieser Voraussetzungen ändert an der rechtlichen Verbindlichkeit des Anspruchs und der damit von Anfang gegebenen sicheren Grundlage für die Eintragung einer Vormerkung nichts. Die Entstehung des Anspruchs hängt auch nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners ab. Das Berufungsgericht hat also auch insoweit richtig entschieden.

6. Schließlich greifen die Rügen der Revision gegen die Vollstreckungsfähigkeit des Urteilstenors nicht durch. Soweit die Revision rügt, es sei nicht zu erkennen, auf welchen Zeitpunkt sich die Schätzung des als Gegenleistung zu zahlenden Preises beziehen solle, kommt dafür nach dem Sinn des auch insoweit vom Senat auszulegenden Testaments nur der Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses in Betracht, d.h. der Auflassung des Hausgrundstücks an die Klägerin. Das war im Tenor klarzustellen ebenso wie die sich im Wege der Auslegung des Testaments ergebenden wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen. Soweit die Revision auf Verwendungen des Beklagten hinweist, die in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen worden sind, bleibt dem Beklagten unbenommen, bei der Erfüllung des Vermächtnisses einen Gegenanspruch aus §§ 2185, 994 Abs. 2, 684 BGB geltend zu machen (vgl. BGHZ 114, 16, 18, 28). Davon hängen der zu sichernde Vermächtnisanspruch und die Eintragung der Vormerkung jedoch ebensowenig ab wie von einer eventuellen Rückforderung des bereits ausgezahlten Pflichtteils (s.o. unter 4).