Rechtshängigkeitssperre
nach Art. 21 EuGVÜ (jetzt: Art. 27 EuGVO) bei Konkurrenz von
Feststellungs- und Leistungsklage
BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 - VIII ZR
106/01 - OLG Stuttgart - LG Stuttgart
Fundstelle:
NJW 2002, 2795
Amtl. Leitsätze:
1. Der Begriff desselben Anspruchs in Art. 21 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] umfaßt auch den Fall,
daß eine Partei vor dem Gericht eines ausländischen Vertragsstaats auf
Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für eine Kündigung
klagt und die andere Partei im Inland einen Schadensersatzanspruch
gerichtlich geltend macht, der voraussetzt, daß diese Kündigung
unberechtigt war.
2. § 539 ZPO berechtigt das Berufungsgericht nicht, den Rechtsstreit an
das Landgericht zurückzuverweisen, wenn dieses das Verfahren entgegen Art.
21 Abs. 1 EuGVÜ nicht ausgesetzt hat. Vielmehr muß das Berufungsgericht
seinerseits dem Gebot des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ durch die Aussetzung des
Berufungsverfahrens Rechnung tragen.
Beachte: Das EuGVÜ ist mit Wirkung
vom 1.3.2002 durch eine entsprechende EG-Verordnung (EuGVO
- sog. "Brüssel I-VO) abgelöst worden. Die entsprechenden Normen der
EuGVO sind in eckigen Klammern wiedergegeben und nicht Bestandteil der
Originalentscheidung.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen
unberechtigter Kündigung eines Handelsvertretervertrages.
Die in Deutschland ansässige Klägerin war für die Beklagte, die ihren Sitz
in Italien hat und Gußteile aus Aluminium und Zink herstellt, aufgrund
eines bis zum 1. Juli 1998 befristeten Vertrages als Handelsvertreterin
tätig. In dem Vertrag ist vereinbart, daß für das Vertragsverhältnis das
am Sitz des Handelsvertreters geltende Recht maßgebend ist und
Gerichtsstand für Streitigkeiten der Sitz des Klägers sein soll. Zwischen
Juli 1997 und März 1998 verhandelten die Parteien über eine Fortsetzung
des Vertragsverhältnisses über den 1. Juli 1998 hinaus. Mit Fax-Schreiben
vom 13. März 1998 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum 31.
März 1998 und bot der Klägerin eine Abfindung an. Die Klägerin widersprach
einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages und bot die Fortsetzung ihrer
Leistungen bis zum vereinbarten Vertragsende an. Die Beklagte hielt jedoch
an ihrer Kündigung fest und forderte die Klägerin auf, ihre Tätigkeit für
sie einzustellen. Daraufhin erklärte die Klägerin ihrerseits mit Schreiben
vom 22. April 1998 die außerordentliche Kündigung des Vertrages, weil
durch die unberechtigte Kündigung der Beklagten das Vertrauensverhältnis
zu ihr zerstört sei, und meldete die Geltendmachung von
Schadensersatzansprüchen an.
Am 15. Juli 1998 reichte die Beklagte eine Klage beim Tribunale di
Ancona/Italien ein, die der Klägerin vor dem ersten Termin am 1. März 1999
zugestellt wurde. Sie beantragt in diesem Verfahren unter anderem
festzustellen, daß für ihre Kündigung ein wichtiger Grund bestanden habe
und der Klägerin kein Ausgleich nach Beendigung des Vertragsverhältnisses
zustehe.
Mit der vorliegenden, am 16. September 1999 beim Landgericht Stuttgart
eingereichten Klage hat die Klägerin von der Beklagten Schadensersatz für
die ihr bis zum 30. Juni 1998 entgangenen Provisionen in Höhe von
49.573,22 DM verlangt. Das Landgericht hat vor mündlicher Verhandlung
durch Beschluß vom 24. Februar 2000 den Antrag der Beklagten, das
Verfahren gemäß Art. 21 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] auszusetzen, zurückgewiesen, weil ein Fall
doppelter Anhängigkeit nicht vorliege; zugleich hat es eine Aussetzung
nach Art. 22 EuGVÜ [jetzt: Art. 28
EuGVO] abgelehnt. Durch Urteil vom 19. Juni 2000 hat das
Landgericht der Klage in Höhe von 46.000 DM stattgegeben. Auf die Berufung
der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil sowie
das ihm zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und den Rechtsstreit an das
Landgericht zurückverwiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer
- zugelassenen - Revision.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Das erstinstanzliche Verfahren leide an einem wesentlichen
Verfahrensfehler, weil das Landgericht das Verfahren nach Art. 21 EuGVÜ
[jetzt: Art. 27 EuGVO] hätte
aussetzen müssen. Für die Frage, ob zwei Klagen "derselbe Anspruch" im
Sinne des Art. 21 EuGVÜ [jetzt: Art. 27
EuGVO] zugrunde liege, sei nicht die formale Identität der Anträge
entscheidend, sondern es seien die Kernpunkte beider Streitigkeiten zu
bewerten. Gemeinsamer Kernpunkt der Feststellungsklage der Beklagten in
Italien und der Schadensersatzklage der Klägerin sei die Frage, ob die
Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Beklagte aus wichtigem
Grund zu Recht erfolgt sei. Im Falle einer positiven Feststellung durch
das italienische Gericht und der Zuerkennung von Schadensersatz durch das
deutsche Gericht würden einander entgegengesetzte Entscheidungen gegeben
sein, die im jeweils anderen Vertragsstaat nicht anerkannt werden könnten.
Da das angefochtene Urteil wegen der von Amts wegen auszusprechenden
Aussetzung nach Art. 21 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] nicht hätte ergehen dürfen, sei das Verfahren nicht
lediglich in der Berufungsinstanz auszusetzen, vielmehr seien das
erstinstanzliche Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht
zurückzuverweisen. Denn ein Urteil, das entgegen einem von Amts wegen zu
beachtenden Aussetzungsgebot ergangen sei, sei solchen Urteilen
gleichzustellen, die während einer kraft Gesetzes eingetretenen
Unterbrechung des Verfahrens oder während einer Aussetzung ergangen seien.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nur insoweit stand,
als sie die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] bejahen. Mit Erfolg
rügt die Revision dagegen, daß gleichwohl die Voraussetzungen einer
Zurückverweisung an das Landgericht nicht vorliegen.
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß das
Landgericht das Verfahren nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] hätte aussetzen
müssen. Denn die beim Tribunale di Ancona anhängige Klage der hiesigen
Beklagten betrifft, soweit sie auf die Feststellung gerichtet ist, daß für
die Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Beklagte ein
wichtiger Grund bestanden hat, denselben Anspruch im Sinne des Art. 21
EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO]
wie die hiesige Klage. Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] schreibt dem
Gericht in diesem Falle eine Aussetzung des Verfahrens zwingend vor.
a) Die Auslegung des Begriffs "derselbe Anspruch" in Art. 21 EuGVÜ
[jetzt: Art. 27 EuGVO] hat sich
daran zu orientieren, daß soweit wie möglich Parallelprozesse vor
Gerichten verschiedener Vertragsstaaten vermieden werden, in denen
Entscheidungen ergehen können, die miteinander "unvereinbar" im Sinne von
Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ [jetzt: Art. 34 Nr.
3 EuGVO] sind und deshalb in dem jeweils anderen Staat nicht
anerkannt werden (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987 - Rs. 144/86, Slg.
1987, 4861 = NJW 1989, 665 unter Tz. 8 und 13). Für die Unvereinbarkeit
zweier Entscheidungen im Sinne des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ [jetzt:
Art. 34 Nr. 3 EuGVO] und die
Beurteilung, ob in zwei Prozessen derselbe Anspruch verfolgt wird, kommt
es deshalb nicht auf die "formale Identität" der Klagen, sondern darauf
an, ob der "Kernpunkt" beider Rechtsstreitigkeiten derselbe ist (EuGH,
Urteil vom 8. Dezember 1987, aaO, unter Tz. 16 und 17). Derselbe Anspruch
wird in zwei Prozessen deshalb auch dann verfolgt, wenn Gegenstand des
einen eine Zahlungsklage ist und Gegenstand des anderen eine
Feststellungsklage mit dem Antrag festzustellen, daß entweder der geltend
gemachte Zahlungsanspruch (so in EuGH, Urteil vom 6. Dezember 1994 -
C-406/92, Slg. 1994 I, 5439 = EuZW 1995, 309 und BGHZ 134, 201, 208 ff)
oder ein für den Zahlungsanspruch vorgreifliches Rechtsverhältnis (so in
EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987, aaO, und Senatsurteil vom 8. Februar
1995 - VIII ZR 14/94, WM 1995, 1124 = NJW 1995, 1758) nicht besteht. Eine
Unvereinbarkeit im Sinne von Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ [jetzt:
Art. 34 Nr. 3 EuGVO] liegt nämlich
auch dann vor, wenn der durch das anzuerkennende Leistungsurteil
zugesprochene Anspruch nach einem Feststellungsurteil des
Anerkennungsstaates nicht bestehen kann (Senatsurteil vom 8. Februar 1995,
aaO, unter II 1; Schlosser, EuGVÜ, Art. 27-29 Rdnr. 20). Die Reihenfolge
der Klageeinreichung ist dafür ohne Bedeutung. Art. 21 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] greift deshalb auch
ein, wenn die Feststellungsklage zuerst anhängig geworden ist
(Senatsurteil vom 8. Februar 1995, aaO unter II.2. m.w.Nachw.).
b) Die Klage beim Tribunale di Ancona betrifft, soweit sie auf die
Feststellung gerichtet ist, daß für die Kündigung des
Handelsvertretervertrages durch die Beklagte ein wichtiger Grund bestand,
ein für die hiesige Zahlungsklage auf Schadensersatz wegen entgangener
Provisionen vorgreifliches Rechtsverhältnis. Der Schadensersatzanspruch
der Klägerin setzt nach § 89 a Abs. 2 HGB voraus, daß sie zu ihrer eigenen
Kündigung vom 22. April 1998 durch ein von der Beklagten zu vertretendes
Verhalten veranlaßt worden ist. Als ein solches Verhalten der Beklagten
kommt allein die Kündigung des Handelsvertretervertrages zum 31. März 1998
in Betracht, die wegen der Befristung des Vertrages nur bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes berechtigt war. Wird deshalb auf die Klage in
Italien hin rechtskräftig festgestellt, daß für die Kündigung der
Beklagten ein wichtiger Grund bestand, so ist aufgrund der nach Art. 26
Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 33 Nr. 1
EuGVO] zu beachtenden materiellen Rechtskraft die Zahlungsklage
der Klägerin ohne weiteres als unbegründet abzuweisen. Wird hingegen der
Feststellungsantrag der Beklagten abgewiesen, ist aufgrund der
präjudiziellen Rechtskraftwirkung dieses Urteils für die hiesige
Zahlungsklage der Klägerin davon auszugehen, daß die Kündigung der
Beklagten unwirksam und damit vertragswidrig war, was eine der notwendigen
Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch der Klägerin ist. Daß mit
der Abweisung der Feststellungsklage der Beklagten noch nicht feststeht,
ob der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegeben ist, weil dafür noch
weitere Voraussetzungen vorliegen müssen, steht der Annahme einer
doppelten Rechtshängigkeit im Sinne des Art. 21 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] nicht entgegen.
Ausreichend ist nach dessen Zweck schon die Möglichkeit, daß es in beiden
Prozessen zu unvereinbaren Entscheidungen kommen kann (vgl. EuGH, Urteil
vom 8. Dezember 1987, aaO unter Tz. 8).
c) Der Rechtshängigkeitssperre des Art. 21 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] steht im Streitfall
entgegen der Meinung der Revision nicht eine überlange Verfahrensdauer des
von der Beklagten angestrengten Prozesses in Italien entgegen. Insoweit
kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtshängigkeitssperre des Art. 21
EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO]
nachträglich wegfällt, wenn eine überlange Dauer des zuerst anhängig
gewordenen ausländischen Verfahrens eine Verletzung des
Justizgewährungsanspruchs des inländischen Klägers aus Art. 6 Abs. 1 EMRK
zur Folge hat (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 335/81, NJW
1983, 1269 unter III.2. zu Art. 3, 4 Deutsch-Ital. AVA; Dohm, Die Einrede
ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen
Zivilprozeßrecht, 1996, S. 178-182; Geimer/Schütze, Europäisches
Zivilverfahrensrecht, Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 47; MünchKomm-ZPO/Gottwald, 2.
Aufl., Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 16). Da dem EuGVÜ das Prinzip der
Gleichwertigkeit der Justizgewährung in allen Vertragsstaaten zugrunde
liegt, kann eine Nichtbeachtung der Rechtshängigkeit allenfalls in
seltenen Ausnahmefällen überlanger Verfahrensdauer in Betracht kommen. Das
ist bei dem von der Beklagten angestrengten Verfahren bislang nicht der
Fall.
2. Die vom Landgericht zu Unrecht abgelehnte Aussetzung des Verfahrens
berechtigte das Berufungsgericht jedoch nicht, das erstinstanzliche
Verfahren nach § 539 ZPO - wie auch alle nachfolgend erwähnten
Bestimmungen der ZPO in der für das bisherige Berufungsverfahren geltenden
Fassung - aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen. Das
Berufungsgericht durfte die Sache nicht an das Landgericht
zurückverweisen, weil es selbst dem Aussetzungsgebot des Art. 21 Abs. 1
EuGVÜ [jetzt: Art. 27 EuGVO]
durch eine Aussetzung des Berufungsverfahrens Rechnung tragen konnte.
a) Leidet das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel,
kann nach § 539 ZPO das Berufungsgericht das angefochtene Urteil aufheben
und die Sache zurückverweisen. Im Rahmen der nach §§ 539, 540 ZPO zu
treffenden Ermessensentscheidung kommt aber auch beim Vorliegen eines
wesentlichen Verfahrensfehlers eine Zurückverweisung nicht in Betracht,
wenn dem Berufungsgericht eine Entscheidung ohne weitere Sachaufklärung
möglich ist (BGH, Urteil vom 9. Mai 2000 - KZR 1/99, LM Nr. 30 zu § 539
ZPO unter II. 2. b aa; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Februar 1986 - VI ZR
220/84, NJW 1986, 2436 unter II. 1. b ). Eine eigene
Entscheidungsmöglichkeit des Berufungsgerichtes, die einer
Zurückverweisung entgegensteht, kann auch dann anzunehmen sein, wenn das
Berufungsgericht ein in erster Instanz fehlerhaft nicht ausgesetztes
Verfahren ebenso wie das erstinstanzliche Gericht aussetzen kann (BGH,
Urteile vom 9. Mai 2000, aaO., und vom 25. Mai 1973 - IV ZR 41/72, NJW
1973,1367). So ist es hier.
Die vom Landgericht in erster Instanz fehlerhaft unterlassene Aussetzung
des Verfahrens nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] rechtfertigte keine
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht, weil das Berufungsgericht
das Berufungsverfahren aussetzen konnte und nur dieses Vorgehen
sachgerecht war. Denn der Rechtsstreit kann nach Beendigung des
italienischen Prozesses vom Berufungsgericht fortgeführt und
möglicherweise durch eine eigene Entscheidung in der Sache erledigt
werden, so daß sich eine Zurückverweisung in diesem Fall als unnötig
erweist.
Mit einer rechtskräftigen Sachentscheidung über die von der Beklagten in
Italien erhobene Feststellungsklage endet die Anhängigkeit dieses
Anspruchs und entfällt das Aussetzungsgebot des Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ
[jetzt: Art. 27 EuGVO]. Wird der
Feststellungsklage rechtskräftig stattgegeben, so ist aufgrund der
materiellen Rechtskraft dieses Urteils der Entscheidung im hiesigen
Verfahren zugrunde zu legen, daß die Kündigung der Beklagten berechtigt
war. Damit würde es an dem für den Schadensersatzanspruch der Klägerin
notwendigen Erfordernis einer vertragswidrigen Kündigung durch die
Beklagte fehlen und deshalb die Klage ohne weiteres abzuweisen sein. Wird
andererseits die Feststellungsklage vom italienischen Gericht
rechtskräftig abgewiesen, weil ein wichtiger Grund für die Kündigung nicht
vorgelegen habe, so steht fest, daß die Kündigung der Beklagten nicht
berechtigt war. Ist danach vom Bestehen dieser Voraussetzung des
Schadensersatzanspruches der Klägerin auszugehen, so kann das
Berufungsgericht für die weiteren Voraussetzungen an die Ergebnisse des
erstinstanzlichen Verfahrens anknüpfen. Eine Zurückverweisung an das
Landgericht kommt in diesem Fall nur dann noch in Betracht, wenn, wofür im
Streitfall bislang nichts ersichtlich ist, das erstinstanzliche Verfahren
aus einem anderen Grund an einem wesentlichen Verfahrensfehler leidet.
b) Die Zurückverweisung wegen einer vom Gericht erster Instanz zu Unrecht
unterlassenen Aussetzung des Verfahrens ist entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichtes auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil das
erstinstanzliche Urteil solchen Urteilen gleich zu stellen ist, die
während einer Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens ergangen sind.
Die während eines Verfahrensstillstandes ergangenen Urteile beruhen
deshalb auf einem Verfahrensverstoß, der zur Aufhebung und
Zurückverweisung führen muß, weil nach § 249 Abs. 2 ZPO die während einer
Unterbrechung oder Aussetzung von den Parteien zur Hauptsache
vorgenommenen Prozeßhandlungen ohne rechtliche Wirkung sind und die
Parteien deshalb im Sinne des § 551 Nr. 5 ZPO nicht nach Vorschrift der
Gesetze vertreten waren (vgl. zur Zurückverweisung durch das
Revisionsgericht: BGHZ 66, 59, 61; BGH, Urteile vom 11. Juli 1985 - VIII
ZR 253/83, WM 1984, 1170, vom 5. November 1987 - VII ZR 208/97, ZIP 1988,
446 unter 2 und vom 21. Juni 1995 - VIII ZR 224/94, WM 1995, 1607). Daran
fehlt es bei einer zwar gebotenen, aber nicht angeordneten Aussetzung;
hier nimmt das Verfahren gerade seinen Fortgang.
c) Eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nach § 539 ZPO wegen einer in
erster Instanz zu Unrecht unterlassenen Aussetzung des Verfahrens nach
Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27
EuGVO] kann nicht allein damit begründet werden, daß nur bei einer
Aufhebung und Zurückverweisung das vorläufig vollstreckbare
erstinstanzliche Urteil beseitigt wird, während es bei einer Aussetzung
des Berufungsverfahrens vorläufig unangetastet bleibt. Zwar unterliegt
auch ein vorläufig vollstreckbares Urteil der Anerkennung nach den Art. 26
ff EuGVÜ, so daß es der in erster Instanz siegreiche Kläger in einem
Vertragsstaat für vollstreckbar erklären lassen könnte. Der Beklagte kann
jedoch jedenfalls für die Zeit der Aussetzung des Berufungsverfahrens nach
Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt: Art. 27
EuGVO] die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 in
Verbindung mit § 707 ZPO erreichen. Solange eine doppelte Rechtshängigkeit
im Sinne von Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ [jetzt:
Art. 27 EuGVO] gegeben ist und das
zuerst angerufene ausländische Gericht seine Zuständigkeit nicht verneint
hat, wird das Berufungsgericht dem Einstellungsantrag stattzugeben haben.
Bei identischen Ansprüchen ist mit rechtskräftiger Bejahung der
Zuständigkeit durch das Erstgericht die zweite Klage abzuweisen. Hat das
ausländische Verfahren - wie hier - nur eine Vorfrage für den inländischen
Prozeß zum Gegenstand, hängt jedenfalls die im inländischen Prozeß zu
treffende Entscheidung vom Ausgang des ausländischen Verfahrens ab. Daß
die Einstellung nach § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der Regel nur gegen eine
Sicherheitsleistung des Beklagten erfolgen kann, zwingt nicht zur
Aufhebung des Urteils nach § 539 ZPO. Dieses Erfordernis gilt für die
einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig
vollstreckbaren Urteil generell, also unabhängig davon, an welchem Mangel
das erstinstanzliche Urteil möglicherweise leidet, und damit auch für
andere Urteile, die aus prozessualen Gründen nicht hätten ergehen dürfen.
Es ist nicht ersichtlich, daß für die Vorschriften des Art. 21 EuGVÜ
[jetzt: Art. 27 EuGVO] nach Sinn
und Zweck des Übereinkommens hiervon eine Ausnahme geboten wäre.
d) Das Oberlandesgericht war auch verfahrensrechtlich befugt, das
Berufungsverfahren nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ auszusetzen. Dem steht § 512
2. Halbs. ZPO nicht entgegen. Allerdings unterlag der Beschluß des
Landgerichts, mit dem die beantragte Aussetzung des Verfahrens abgelehnt
worden war, in dem auf die Aussetzung nach Art. 21 Abs. 1 EuGVÜ
entsprechend anzuwendenden Verfahren des § 148 ZPO (allg.M., vgl. Geimer/Schütze,
aaO, Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 45; Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 6.
Aufl., Art. 21 EuGVÜ Rdnr. 23 je m.w.Nachw.) nach § 252 Satz 2 ZPO dem
Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Davon hat die Beklagte keinen
Gebrauch gemacht. Es kann dahin gestellt bleiben, ob damit dem
Berufungsgericht nach § 512 2. Halbs. ZPO die Befugnis zur Beurteilung der
Frage entzogen war, ob das erstinstanzliche Verfahren wegen der nicht
erfolgten Aussetzung an einem Verfahrensfehler litt. Unabhängig davon wäre
dem Berufungsgericht durch § 512 2. Halbs. ZPO nämlich nur verwehrt, die
Entscheidung des Landgerichts zu überprüfen; es wäre aber nicht gehindert,
für das Berufungsverfahren eine abweichende Entscheidung zu treffen. Zwar
bewirkt § 512 2. Halbs. ZPO für Entscheidungen in Urteilen, die dem
Endurteil vorausgehen, die Erstreckung einer sich aus § 318 ZPO ergebenden
Bindung des erstinstanzlichen Gerichts auf das Berufungsgericht (MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher,
aaO, § 512 Rdnr. 8; Musielak/Ball, aaO, § 512 Rdnr. 1; Stein/Jonas/Grunsky,
aaO, § 512 Rdnr. 4). Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung auf
Beschlüsse ist aber allenfalls für solche Beschlüsse gerechtfertigt, die -
anfechtbaren Zwischenurteilen vergleichbar - entweder eine Entscheidung in
der Hauptsache treffen oder über die Zulässigkeit der Klage oder eines
Rechtsbehelfs befinden, nicht aber für Beschlüsse, die wie die
Entscheidung über eine Aussetzung des Verfahrens nur prozeßleitenden
Inhalt haben. Mit einem solchen Beschluß trifft das Gericht des ersten
Rechtszuges eine Entscheidung allein für das seiner Herrschaft
unterliegende erstinstanzliche Verfahren. Auch aus § 577 Abs. 3 ZPO ergibt
sich nichts anderes. Selbst wenn danach das Landgericht zu einer
Abänderung seines Beschlusses nicht befugt gewesen sein sollte, hätte sich
dieses Verbot als Ausnahmebestimmung zu § 571 ZPO wie diese Regelung nur
an das Landgericht als Ausgangsgericht gerichtet (vgl. Bauer NJW 1991,
1711, 1713 f).
III. Wegen des Verstoßes gegen die §§ 539, 540 ZPO waren daher das
Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
564 Abs. 1 und § 565 Abs. 1 ZPO, nach § 26 Nr. 7 EGZPO in der am 31.
Dezember 2001 geltenden Fassung). Eine Aussetzung des Revisionsverfahrens
durch den Senat kam schon deshalb nicht in Betracht, weil das
Revisionsverfahren mit der Entscheidung darüber, ob das Berufungsgericht
die Sache zu Recht unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das
Landgericht zurückverwiesen hat, abgeschlossen ist.
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