Schuldnerschutz bei der Zession: Erhaltung
der Aufrechnungsmöglichkeit bei Zwischenzeitlicher Sicherungsabtretung der
Aktivforderung (Begriff des "Erwerbs" i.S.v. § 406 Halbs. 2 BGB) BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - VII ZR 267/01 - OLG Düsseldorf - LG Duisburg Fundstelle: NJW 2003, 1182 Amtl. Leitsatz: Der Schuldner kann mit einer ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehenden Forderung gegenüber dem neuen Gläubiger auch dann aufrechnen, wenn er seine Forderung als Sicherheit abgetreten und bei der Rückübertragung von der Abtretung an den neuen Gläubiger Kenntnis hatte. Das gilt auch dann, wenn der Sicherungsfall eingetreten und die Abtretung offengelegt worden war. Tatbestand: Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der H. AG Rückerstattung einer an die Beklagte geleisteten Zahlung. Die H. AG, die mit der Errichtung eines Großhandelslagers beauftragt war, schloß mit der Beklagten einen Nachunternehmervertrag über die Ausführung von Abbruch-, Erd- und Entwässerungsarbeiten sowie die Herstellung von Außenanlagen. Die Beklagte übertrug die Abbruch- und Erdarbeiten, Teilleistungen im Bereich der Außenanlagen, die Entwässerungsarbeiten sowie die Verlegung von Kabelrohren und EDV-Schächten der W. GmbH als "Nach-Nachunternehmerin" und trat dieser am 30. Oktober 1997 sicherungshalber ihren Anspruch gegen die H. AG ab. Von den ihr nach Abschluß der Arbeiten von der Beklagten in Rechnung gestellten rund 3,3 Mio. DM hielt die H. AG rund 2,4 Mio. DM für gerechtfertigt und zahlte den von ihr mit DM 202.229,56 ermittelten Schlußrechnungsbetrag im Februar 1999 an die W. GmbH aus, die die Sicherungsabtretung durch die Beklagte zwischenzeitlich offengelegt hatte. Im Juni 1999 zahlte die H. AG nach erneuter Rechnungsprüfung weitere DM 70.068,16 an die W. GmbH. Über denselben Betrag stellte sie außerdem einen Scheck aus, den sie der Beklagten übersandte und der von dieser eingelöst wurde. Im September 1999 trat die H. AG den ihr aus ihrer Sicht wegen einer Doppelzahlung gegen die Beklagte zustehenden Rückforderungsanspruch an die Klägerin ab. Im Juli 2000 übertrug die W. GmbH die an sie sicherungshalber abgetretene Forderung an die Beklagte zurück, nachdem sie sich mit dieser im Rahmen eines Vergleichs über den Ausgleich der Restwerklohnforderung verständigt hatte. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). I. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die H. AG als Zedentin der von der Klägerin geltend gemachten Forderung habe an die Beklagte ohne Rechtsgrund geleistet und deshalb nach § 812 Abs. 1 Satz, 1. Alt. BGB Erstattung verlangen können. Auch wenn durch die Zahlung der H. AG an die W. GmbH in gleicher Höhe deren Werklohnschuld nicht vollständig getilgt worden sein sollte, habe durch die Zahlung an die Beklagte wegen der offengelegten Abtretung ihrer Forderung an die W. GmbH keine Erfüllungswirkung eintreten können. Die Beklagte könne auch nach der Rückabtretung der sicherungsabgetretenen Forderung durch die W. GmbH gegenüber der Klägerin gegen den Bereicherungsanspruch nicht mit einem ihr nach ihrer Behauptung zustehenden Restwerklohnanspruch aufrechnen. Es fehle an der notwendigen Gegenseitigkeit der Forderungen. Die Erweiterung der Aufrechnungsmöglichkeiten durch § 406 BGB komme der Beklagten nicht zugute, weil sie beim Rückerwerb der sicherungshalber an die W. GmbH abgetretenen Forderung bereits von der Abtretung des Bereicherungsanspruchs an die Klägerin Kenntnis gehabt habe. Der Rückerwerb einer sicherungshalber abgetretenen Forderung sei bei der Anwendung des § 406 BGB wie ein Ersterwerb zu behandeln. Dem stehe nicht entgegen, daß der ursprünglich der Beklagten zustehende Werklohnanspruch der W. GmbH lediglich zur Sicherung abgetreten gewesen sei. Der in der Literatur vertretenen Ansicht, daß der Schuldner in diesem Fall zur Aufrechnung berechtigt sei, könne jedenfalls dann nicht gefolgt werden, wenn wie hier der Sicherungsfall eingetreten und die Abtretung offengelegt sei. II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. 1. Für die Zahlung der H. AG an die Beklagte fehlte es an einem Rechtsgrund. a) Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichtes ist zu unterstellen, daß die Werklohnschuld der H. AG durch ihre Zahlungen an die W. GmbH entsprechend den Behauptungen der Beklagten nicht vollständig getilgt war. Ein etwa noch bestehender Anspruch stand aber wegen der Sicherungsabtretung zugunsten der W. GmbH zum Zeitpunkt der Scheckzahlung nicht der Beklagten zu. Das Berufungsgericht hat die Abtretungserklärung entsprechend ihrem Wortlaut dahin ausgelegt, daß sie die gesamte zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Forderung der Beklagten gegen die H. AG umfaßte. Die Revision zeigt keinen Vortrag aus den Tatsacheninstanzen auf, der eine vom Wortlaut abweichende, einschränkende Auslegung rechtfertigen könnte. b) Daß die Beklagte und die W. GmbH eine Vereinbarung geschlossen hatten, wonach die Sicherungsabtretung unter der auflösenden Bedingung der Befriedigung der W. GmbH stehen sollte, macht die Revision nicht geltend. c) Die trotz der Sicherungsabtretung geleistete Zahlung der H. AG an die Beklagte ist auch nicht deshalb mit Rechtsgrund erfolgt, weil die H. AG wegen eines im kaufmännischen Verkehr unwirksamen Abtretungsverbots zur Leistung an die Beklagte als bisherige Gläubigerin berechtigt war, § 354 a Satz 2 HGB. Die H. AG und die Beklagte hatten in Ziffer 7.6 des zwischen ihnen zur Vertragsgrundlage gewordenen "Nachunternehmer-Verhandlungsprotokolls" vereinbart, daß die Abtretung von Forderungen aus dem Vertrag nur mit Zustimmung der H. AG erfolgen dürfe. Diese Zustimmung hat die H. AG durch schlüssiges Verhalten erteilt, indem sie nach Offenlegung der Abtretung durch die W. GmbH an diese gezahlt und dies der Beklagten angezeigt hat. Da dies bereits im Februar 1999 geschehen ist, kommt es auf die Frage, ob die Zustimmung auf den Zeitpunkt der Abtretung zurückwirkt, nicht an; jedenfalls zum Zeitpunkt der streitigen Zahlung im Juni 1999 hat ein Abtretungsverbot nicht mehr bestanden. 2. Die Beklagte ist nicht gehindert, gegen den auf die Klägerin übergegangenen Bereicherungsanspruch mit der nach ihrem Vortrag bestehenden Restwerklohnforderung, von der zugunsten der Revision auszugehen ist, gegen die H. AG aufzurechnen. Die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen steht dem nicht entgegen, weil der Beklagten der erweiterte Schuldnerschutz bei Abtretungen gemäß § 406 BGB zugute kommt (a). Die Rückabtretung der sicherungshalber abgetretenen Forderung, soweit sie zur Erfüllung des Sicherungszwecks nicht mehr benötigt wird, stellt auch dann keinen "Erwerb der Forderung" im Sinne des § 406 2. Halbsatz BGB dar, wenn Verwertungsreife eingetreten war (b). a) Zweck der §§ 404, 406 BGB ist es, Nachteile des Schuldners durch die Abtretung einer Forderung zu vermeiden. Der Schuldner soll gegenüber dem neuen Gläubiger nicht ungünstiger stehen als er gegenüber dem alten Gläubiger stand. § 406 BGB soll den Schuldnerschutz gegenüber § 404 BGB erweitern. Die Bedeutung der Vorschrift liegt dabei darin, daß sie dem Schuldner nicht nur die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abtretung erhalten soll; er soll sich vielmehr auch auf solche Umstände berufen können, die später eingetreten sind und die ihm ohne die Abtretung das Recht zur Aufrechnung gegenüber dem früheren Gläubiger gegeben hätten (BGH, Urteil vom 28. November 1955 - II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 156 f.; BGH, Urteil vom 27. April 1972 - II ZR 122/70, BGHZ 58, 327, 329). § 406 BGB schließt die Aufrechnung mit solchen Forderungen aus, die erst in Kenntnis des Schuldners von der Abtretung erworben worden sind oder die nach Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden sind. Damit soll verhindert werden, daß der Schuldner in Kenntnis der Abtretung eine Forderung erwirbt, um aufrechnen zu können. Diesem Zweck entsprechend ist eine einschränkende Beurteilung des Erwerbs der Forderung im Sinne von § 406 2. Halbsatz BGB geboten, wenn die Gegenforderung lediglich in Abwicklung einer Sicherungsabrede nach Erfüllung des Sicherungszwecks an den Sicherungsgeber zurückübertragen wird. Zwar scheidet bei der Sicherungsabtretung die Forderung im Rechtssinne aus dem Vermögen des Zedenten aus; der Zessionar wird im Verhältnis zum Schuldner zum alleinigen Gläubiger. Wirtschaftlich gehört die Forderung jedoch auch nach der Abtretung zum Vermögen des Sicherungsgebers; der Sicherungsnehmer darf mit ihr als Treuhänder nur unter Wahrung des Sicherungszwecks verfahren. Sowohl das Reichsgericht (RGZ 145, 193) als auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 7. April 1959 - VIII ZR 219/57, NJW 1959, 1224) haben daher dem Sicherungsgeber die Möglichkeit der Drittwiderspruchsklage jedenfalls bis zur Verwertungsreife (BGH, Urteil vom 28. Juni 1978 - VIII ZR 60/77, BGHZ 72, 141, 146) eröffnet, wenn Gläubiger des Sicherungsnehmers auf den Gegenstand zugegriffen haben. In der Literatur wird daher die Ansicht vertreten, daß die Rückabtretung der Forderung nach dem Wegfall des Sicherungszwecks nicht einem Ersterwerb nach Kenntnis entspricht (vgl. Fricke, NJW 1974, 1362; Staudinger/Busche (1999), § 406 BGB Rn. 19; MünchKomm BGB/Roth, 4. Aufl., § 406 Rn. 16). Dem ist zu folgen; bei dem Rückerwerb des Sicherungsgebers nach einer Sicherungsabtretung liegt keiner der die Einschränkung des § 406 2. Halbsatz BGB rechtfertigenden Fälle vor. Vielmehr ist der Sicherungsgeber lediglich entsprechend der Ausgestaltung des Treuhandverhältnisses auch rechtlich wieder Gläubiger der Forderung geworden, die wirtschaftlich nie endgültig aus seinem Vermögen ausgeschieden war. b) Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Sicherungsabtretung offengelegt und nach dem Vortrag der Klägerin der Sicherungsfall eingetreten war. Dies ist zwar im Verhältnis zu Gläubigern des Sicherungsnehmers in der Zwangsvollstreckung oder Insolvenz von rechtlicher Bedeutung. Es führt jedoch nicht dazu, daß die treuhänderische Bindung des Sicherungsnehmers in seiner Rechtsbeziehung zum Sicherungsgeber entfällt und die wirtschaftliche Verbundenheit der Forderung mit dem Vermögen des Sicherungsgebers gänzlich beseitigt wird. Der Sicherungsnehmer darf weiterhin nicht ungebunden über die Forderung verfügen. Die W. GmbH als Sicherungsnehmerin blieb vielmehr verpflichtet, eine Verwertung der Forderung nur im Rahmen der Sicherungsabrede vorzunehmen und die Forderung, soweit sie zur Erfüllung des Sicherungszwecks nicht benötigt wurde, in Abwicklung des Treuhandverhältnisses der Beklagten als Treugeberin zurückzuübertragen. Deren Rückerwerb stellt auch unter diesen Umständen keinen "Erwerb der Forderung" im Sinne des § 406 2. Halbsatz BGB dar. 3. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Die Feststellungen des Berufungsgerichtes ermöglichen keine Prüfung, ob der Beklagten die zur Aufrechnung gestellte Restwerklohnforderung gegen die H. AG zusteht. Die weitere Verhandlung gibt dem Berufungsgericht die Möglichkeit, dies zu klären. |