Geltung eines
Gewährleistungsausschlusses für zwischen Vertragsschluß und Gefahrübergang
entstandene Sachmängel BGH, Urt. v. 24. Januar 2003 - V ZR 248/02 - OLG Düsseldorf - LG Wuppertal Fundstelle: NJW 2003, 1316 Zentrale Probleme: Im Mittelpunkt der noch das alte Kaufrecht
betreffenden Entscheidung steht die Frage der Auslegung eines
Haftungsausschlusses für Sachmängel. Der BGH ist - entgegen seines früheren
Rechtsprechung - der (nicht unproblematischen) Ansicht, daß sich ein solcher
nicht ohne weiteres auch auf Mängel bezieht, die zwischen Vertragsschluß und
Gefahrübergang eintreten. Insoweit ist die Entscheidung auch für das neue
Kaufrecht von Bedeutung. Obsolet ist auch die hier noch angedeutete Frage
der Einrede des Käufers einer mangelhaften Sache. Sofern es sich um einen
behebbaren Mangel handelt, hat der Käufer nunmehr sowohl vor als auch nach
Gefahrübergang insoweit die Einrede aus § 320 BGB, weil im neuen Kaufrecht -
was bisher str. war - die Sachmängelfreiheit zur Leistungspflicht des
Verkäufers gehört (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB), s. dazu etwa
Lorenz/Riehm,
Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rn.
500 f, 567 f. Amtl. Leitsatz: Haben die Parteien die Gewährleistungspflicht des Verkäufers i.s.d. §§ 459 ff. BGB a.F. für sichtbare und unsichtbare Mängel ausgeschlossen, so erfaßt der Ausschluß in der Regel nicht solche Mängel, die nach Vertragsschluß und vor Gefahrübergang entstehen; wollen die Parteien auch solche Mängel von der Haftung ausschließen, müssen sie dies deutlich machen. Tatbestand: Mit notariellem Vertrag vom 18. Mai 1999 verkaufte der Beklagte dem Kläger und dessen Ehefrau ein Hausgrundstück in Solingen für 530.000 DM. Die Gewährleistung für sichtbare und unsichtbare Mängel wurde ausgeschlossen. Die Übergabe und die Kaufpreisfälligkeit war für den 30. November 1999 vereinbart. Mit der vollständigen Zahlung des Kaufpreises sollten Gefahr und Lasten auf die Käufer übergehen. Zwischen Vertragsschluß und Gefahrübergang kam es am 26. August 1999 zu einem Wassereinbruch. Dadurch entstanden nach der Behauptung des Klägers, der sich etwaige Ansprüche seiner Frau hat abtreten lassen, an dem Laminatboden in der Souterrainwohnung des Hauses und an einzelnen Türblättern Schäden, deren Beseitigung der Kläger mit insgesamt 4.868,96 DM veranschlagt. Ferner macht er geltend, der Beklagte habe beim Auszug Tapeten im Kellerbereich beschädigt, was Kosten in Höhe von 816,14 DM verursacht habe. Zusammen mit anderen Schadenspositionen hat der Kläger von dem Beklagten erstinstanzlich 29.021,94 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem auf 42.949,24 DM nebst Zinsen erhöhten Antrag in Höhe von 15 EUR stattgegeben und die Revision wegen der oben genannten Schadenspositionen (Laminatboden, Tapete, Türblätter) zugelassen. Insoweit, nämlich in Höhe von jetzt 2.906,74 EUR nebst Zinsen, verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter. Eine zunächst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im übrigen hat er wieder zurückgenommen. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht prüft das Begehren des Klägers unter dem Gesichtspunkt der Kaufpreisminderung nach §§ 459, 462, 472 BGB a.F. und lehnt einen Anspruch mit der Begründung ab, daß ein Gewährleistungsausschluß im Regelfall auch die von dem Verkäufer nicht verschuldeten Mängel erfasse, die zwischen dem Vertragsschluß und dem Gefahrübergang entstehen. Wolle sich der Käufer hierauf nicht einlassen, sei es seine Sache, dies in dem Kaufvertrag klarzustellen. Daran fehle es im vorliegenden Fall. II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. 1. Nicht zu beanstanden, und von der Revision auch nicht angegriffen, ist der Ansatz des Berufungsgerichtes, den geltend gemachten Anspruch nur unter dem Gesichtspunkt der Kaufpreisminderung (§§ 459, 462, 472 BGB a.F.) zu prüfen. Der Kläger verlangt zwar Ausgleich seiner Schäden. Die getroffenen Feststellungen erfüllen aber nicht die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 463 BGB a.F. Zu einer Kaufpreisminderung können die Schäden nach Maßgabe des § 472 BGB a.F. führen. 2. Rechtsfehlerhaft ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Gewährleistungsausschluß erfasse im vorliegenden Fall die - nach Behauptung des Klägers - aufgetretenen Mängel. a) Für die geltend gemachten Schäden an der Tapete im Kellerbereich ist dies selbst dann anzunehmen, wenn man dem Ansatz des Berufungsgerichtes folgen wollte. Es legt den Vertrag dahin aus, daß der Haftungsausschluß auch nach Vertragsschluß entstandene Mängel erfaßt, sofern sie von dem Verkäufer nicht verschuldet worden sind. In Betracht kommt also nur ein Haftungsausschluß für eine zufällige Verschlechterung zwischen Kaufabschluß und Gefahrübergang (vgl. zur Diskussion Staudinger/Honsell, BGB [1995], § 476 a.F. Rdn. 11 m.w.N.; weitergehend auch nicht Tiedtke, NJW 1995, 3081, 3084, auf den sich das Berufungsgericht stützt). Ein Fall der zufälligen Verschlechterung liegt aber hinsichtlich der Schäden an der Tapete nach dem Vorbringen des Klägers nicht vor. Diese Schäden sollen beim Auszug des Beklagten insbesondere durch die Auswechselung von Türrahmen und Zargen entstanden sein. Auszugehen ist danach davon, daß der Beklagte oder die von ihm beim Auszug eingesetzten Leute schuldhaft gegen die dem Verkäufer bis zum Gefahrübergang obliegenden Schutzpflichten (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 433 Rdn. 33) verstoßen haben. b) Im übrigen ist die Auslegung des Berufungsgerichtes fehlerhaft, da sie der Interessenlage der Parteien nicht gerecht wird. Dies kann das Revisionsgericht beanstanden (s. nur Senat, Urt. v. 1. Oktober 1999, V ZR 168/98, WM 1999, 2513, 2514; Urt. v. 21. September 2001, V ZR 14/01, WM 2002, 598, 599, jew. m.w.N.). aa) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht für seine Auffassung die Senatsentscheidung vom 10. März 1995 (BGHZ 129, 103 = NJW 1995, 1737) in Anspruch. Diese Entscheidung enthält zu der Frage des Umfangs eines Gewährleistungsausschlusses, zumal auf der zitierten Seite (NJW 1995, 1738), keine Aussage. Soweit auf der vorhergehenden Seite Ausführungen zur Reichweite eines Gewährleistungsausschlusses für vor Gefahrübergang aufgetretene Mängel zu finden sind, wird lediglich eine in der Literatur vertretene Auffassung (Tiedtke, NJW 1992, 3213) unterstellt und auf die sich daraus ergebenden Folgerungen überprüft. Der Senat hat sich dem aber ausdrücklich nicht angeschlossen. bb) Der Sinn eines Gewährleistungsausschlusses beim Grundstückskauf besteht darin, den Verkäufer vor der Haftung wegen solcher Mängel zu bewahren, die ihm nicht bekannt sind. Dieses Interesse ist schützenswert. Sind ihm Mängel bekannt, die bei einer Besichtigung der Kaufsache nicht ohne weiteres erkennbar sind, so ist ein Gewährleistungsausschluß wegen der in der Regel dem Verkäufer zur Last fallenden Arglist unwirksam (§ 476 BGB a.F.). Hier gebietet die Interessenlage einen Schutz des Käufers. Ist ein Mangel ohne weiteres - auch für den Käufer - erkennbar, so hat dieser die Möglichkeit, seine Interessen selbst zu wahren, durch Aushandeln eines geringeren Kaufpreises oder durch ausdrückliche Vereinbarung der Mängelhaftung auch für diesen Fehler. Macht der Käufer von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch, erfaßt der Gewährleistungsausschluß im Regelfall auch solche Mängel. Auch dies ist interessengerecht. Bei Fehlern, die nach Vertragsschluß auftreten, ist eine andere Beurteilung geboten. Der Käufer, der sich auf einen Gewährleistungsausschluß einläßt, kann sich vor den Folgen eines solchen Mangels nicht in vergleichbarer Weise schützen. Die Frage der Erkennbarkeit des Mangels mit der Möglichkeit, sich bei den Vertragsverhandlungen darauf einzurichten, stellt sich nicht. Auch das Korrektiv des § 476 BGB a.F. greift nicht. Wer sich als Käufer auf einen Haftungsausschluß einläßt, der auch die nach Vertragsschluß eintretenden Mängel erfaßt, geht folglich ein großes Risiko ein. Daß hierzu ein Käufer im Regelfall bereit ist, kann nicht angenommen werden. Zwar birgt die zufällig eintretende Verschlechterung der Kaufsache nach Vertragsschluß für den Verkäufer die gleichen Risiken. Er kann sie, solange die Gefahr noch nicht übergegangen ist, aber eher beherrschen. Das Gesetz weist ihm daher diese Risiken zu (§§ 446 Abs. 1, 459 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.). Soweit die Revisionserwiderung meint, der Käufer sei dadurch hinreichend geschützt, daß er bei Übergabe die Kaufsache auf neu aufgetretene Mängel untersuchen und gegebenenfalls nach § 320 ff. BGB a.F. verfahren könne (vgl. Senat, BGHZ 129, 103, 106), verkennt sie, daß das Gesetz dem Käufer das Recht zubilligt, die Kaufsache anzunehmen und anschließend Mängelrechte geltend zu machen (bis zur Grenze des § 464 BGB a.F.). Es verweist ihn nicht auf die Möglichkeiten, die die allgemeinen Normen der §§ 320 ff. BGB bieten. Daher ist es gerade die Frage, ob ein allgemeiner Gewährleistungsausschluß diese Folge haben soll. Wollen die Parteien von dieser gesetzlichen Regelung, die die beiderseitigen Interessen angemessen gewichtet, abweichen, müssen sie dies deutlich machen. Anderenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, daß einem Haftungsausschluß, für den ohnehin der Grundsatz einer engen Auslegung gilt (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1960, VII ZR 109/59, WM 1960, 1119, 1120; Senat, Urt. v. 26. Januar 1962, V ZR 168/60, WM 1962, 511, 512; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdn. 223), solch weitreichende Folgen beigemessen werden sollten (vgl. Soergel/Huber aaO; Staudinger/Honsell, § 476 a.F. Rdn. 11; Erman/Grunewald, BGB, 10. Aufl., vor § 459 Rdn. 71; a.A., doch ohne näheres Eingehen auf die Problematik, Tiedtke, NJW 1995, 3081, 3084; ihm im Grundsatz folgend OLG Hamm, MDR 1999, 1189). Soweit der Senat in einer früheren Entscheidung (BGHZ 114, 34, 39) ohne weiteres davon ausgegangen ist, daß ein vergleichbarer Gewährleistungsausschluß generell auch die nach Vertragsschluß auftretenden Mängel erfaßt, wird daran nicht festgehalten. III. Das angefochtene Urteil unterliegt der Aufhebung, § 564 ZPO a.F. An einer eigenen Sachentscheidung ist der Senat gehindert, da der geltend gemachte Anspruch nach Grund und Höhe streitig ist. Bei der Bemessung des Anspruchs wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der Schadensbetrag dem Minderwert (§ 472 BGB a.F.) gleichgesetzt werden kann. |