Grenzen des Verbots
geltungserhaltender Reduktion nichtiger Formularklauseln (Mietkaution)
BGH, Urteil vom
25. Juni 2003 - VIII ZR 344/02
Fundstelle:
NJW 2003, 2899
Zentrales Problem:
Die Entscheidung ist über die konkrete
mietrechtliche Frage hinaus von methodischem Interesse. Es geht um die
Frage, inwieweit eine Klausel, die teilweise gegen zwingendes Recht
verstößt, aufrechterhalten kann. Die hier in Frage stehende
Mietkautionsklausel verstieß nur in Bezug auf die Fälligkeit gegen
zwingendes Recht (jetzt: § 551 II, IV BGB n.F.). Da die Klausel bereits
nach § 551 IV unwirksam war, stellte sich das Problem hier nicht im Rahmen
einer AGB-Prüfung nach §§ 305 ff BGB.
Amtl. Leitsatz:
Zur Rückforderung einer Mietkaution bei
unwirksamer Fälligkeitsklausel
Tatbestand:
Die Kläger
begehren die Freigabe eines als Mietkaution an die Beklagte verpfändeten
Sparguthabens.
Die Kläger
und die Rechtsvorgängerin der Beklagten schlossen am 11. Dezember 1998
einen Mietvertrag über eine Wohnung in H. /L. . Nach § 3 dieses Vertrages
beträgt der Grundmietzins monatlich 930 DM. In § 5 heißt es:
"1. Der Mieter
leistet eine Kaution in Höhe von 2.790 DM (DM zwei-sieben-neun-null).
2. Der Kautionsbetrag
wird verzinst; er wird entrichtet durch Verpfändung eines vom Mieter bei
der B. M. , Zweigstelle A. zu errichtenden Sparkontos. Die Zinshöhe soll
einer Spareinlage mit gesetzlicher Kündigung entsprechen. Die Zinsen stehen
dem Mieter zu, sie erhöhen die Sicherheit. Die Sicherheitsleistung ist
mit Abschluss des Mietvertrages zu erbringen.
3. Die Kaution
wird nach Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Mietsache
unter Berücksichtigung der dem Vermieter etwa zustehenden Ansprüche,
in diesem Falle spätestens binnen sechs Monaten nach Rückgabe oder
Beendigung, freigegeben."
Das Mietverhältnis
begann am 15. März 1999. Die Kläger errichteten bei der Sparkasse
H. ein Sparkonto, auf das sie 2.790 DM einzahlten. Mit Erklärung vom 9.
April 1999 verpfändeten sie das Sparguthaben an die Rechtsvorgängerin
der Beklagten.
Die Kläger
sind der Auffassung, die Kautionsabrede sei insgesamt unwirksam, die Kaution
deshalb ohne Rechtsgrund geleistet worden.
Das Amtsgericht
hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die Berufung zurückgewiesen und
die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgen die Kläger ihr Klageziel
weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat
keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht
meint, die Verpfändung des Sparguthabens bei der Sparkasse H. zugunsten
der Beklagten sei nicht ohne Rechtsgrund erfolgt, so dass ein Freigabeanspruch
der Kläger gemäß § 812 BGB nicht gegeben sei.
Die Regelung in
§ 5 Abs. 2 Satz 4 des Mietvertrages sei zwar wegen Verstoßes gegen
§ 550 b Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB a.F. (jetzt § 551 BGB) sowie nach
§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam, weil der Mieter danach die gesamte Kaution
schon bei Abschluss des Mietvertrages zu leisten habe. Diese Unwirksamkeit führe
aber nicht dazu, dass die Kautionsabrede im ganzen unwirksam wäre.
Unwirksam sei nur
die Vereinbarung zur Fälligkeit der Kaution. § 5 des Mietvertrages
enthalte sprachlich und inhaltlich selbständige Regelungen, die teilbar
seien und auch bei Wegfall der Fälligkeitsabrede in Absatz 2 Satz 4 einen
eigenen sinnvoll bleibenden Regelungsgehalt hätten. Präventive Erwägungen
seien außer acht zu lassen. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung in §
550 b Abs. 3 BGB a.F. nicht den Vermieter bestrafen und durch eine Pflicht zur
Rückzahlung der Kaution einem Vermögensrisiko aussetzen wollen.
Da die Parteien
aufgrund der unwirksamen Fälligkeitsregelung keine Vereinbarung über
die Fälligkeit der Kaution getroffen hätten, greife gemäß
§ 6 Abs. 2 AGBG die in § 550 b Abs. 1 Satz 2, 3 BGB a.F. enthaltene
gesetzliche Regelung ein. Dies entspreche dem mutmaßlichen Willen redlicher
Parteien. Der Vermieter erhalte seine Sicherheitsleistung letztlich nur vorfristig.
II. Dagegen wendet
sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. Das Landgericht ist zu Recht der
Auffassung, dass die Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch
auf Freigabe des verpfändeten Sparguthabens gemäß § 812
Abs. 1 Alt. 1 BGB bei noch bestehendem Mietverhältnis haben.
1. Zutreffend ist
das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Vereinbarung in § 5 Abs.
2 Satz 4 des Mietvertrages - "Die Sicherheitsleistung ist mit Abschluss
des Mietvertrages zu erbringen" - unwirksam ist. Sie verstößt
gegen die zwingende Bestimmung des § 550 b Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. Danach
ist der Mieter berechtigt, die Sicherheitsleistung in drei gleichen monatlichen
Teilzahlungen zu leisten, wobei die erste Teilzahlung zu Beginn des Mietverhältnisses
fällig ist. Gemäß § 550 b Abs. 3 BGB a.F. ist eine hiervon
zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam. Durch § 5
Abs. 2 Satz 4 des Mietvertrages werden die Rechte des Mieters zur ratenweisen
Erfüllung der Kaution und zur Zahlung erst bei Beginn des Mietverhältnisses
unzulässig eingeschränkt.
2. Richtig ist
auch die Auffassung des Berufungsgerichts, bei Wegfall des vierten Satzes des
§ 5 Absatz 2 des Mietvertrages enthalte die restliche Bestimmung in ihrer
verbleibenden Fassung noch eine sprachlich und inhaltlich selbständige
Regelung, die dem Vertragszweck diene.
In Absatz 1 des
§ 5 des Mietvertrages haben die Parteien vereinbart, dass der Mieter eine
Kaution in Höhe von 2.790 DM leisten soll; diese Regelung ist gemessen
an § 550 b Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nicht zu beanstanden, da die zu erbringende
Sicherheit das Dreifache des auf einen Monat entfallenden Mietzinses ohne Nebenkosten
nicht übersteigt. In Absatz 2 des § 5 des Mietvertrages werden dann
unter anderem die Art der Kautionsleistung (Verpfändung eines Sparbuchs)
sowie die Fälligkeit der Kaution geregelt. Ohne die unwirksame Fälligkeitsregelung
bleibt eine Abrede der Parteien über eine von den Klägern zu erbringende
Sicherheitsleistung in Höhe von 2.790 DM selbständig bestehen. Entgegen der von
Instanzgerichten und der Literatur teilweise vertretene Auffassungen (z.B. LG
Berlin, Grundeigentum 2002, 55; LG München, NJW-RR 2001, 1230; Börstinghaus,
MDR 1999, 965 f.) stellt die Annahme einer Teilunwirksamkeit einer Kautionsvereinbarung
keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion einer Allgemeinen Geschäftsbedingung
dar (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 550 Rdnr. 28). Die Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs, die eine geltungserhaltende Reduktion von Formularklauseln
auf einen zulässigen Kern ablehnt, betrifft Klauseln, die zulässige
und unzulässige Tatbestände sprachlich nicht trennbar verbinden, bei
denen daher die Ausgrenzung der unzulässigen und die Aufrechterhaltung
der zulässigen Teile nur durch eine sprachliche und inhaltliche Umgestaltung
erreicht werden könnte (BGH, Urteil vom 28. Mai 1984 - III ZR 63/83, NJW
1984, 2816 unter II 3). Hier geht es aber nicht darum, für eine unzulässige
Klausel eine neue Fassung zu finden, die für den Verwender möglichst
günstig, aber rechtlich gerade noch zulässig ist. Vielmehr wird eine
sprachlich und inhaltlich teilbare Formularbestimmung ohne ihre unzulässigen
Bestandteile mit ihrem zulässigen Inhalt aufrechterhalten. Das Verbot geltungserhaltender
Reduktion einer beanstandeten Klausel gilt nicht, wenn sich die Formularklausel
aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen zulässigen und
in einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt (BGHZ 136, 314,
322; vgl. auch BGHZ 145, 203, 212).
3. Entgegen der
Ansicht der Revision ist die Teilunwirksamkeit der Kautionsabrede auch mit dem
Sinn und Zweck des § 550 b BGB a.F. vereinbar.
Mit dem Gesetz
zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982 (BGBl.
I S. 1912), mit dem auch § 550 b in das BGB eingefügt worden ist,
sollte "marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten mehr Geltung verschafft"
werden, der "sozialen Bedeutung des Mietverhältnisses für die
Mieter Rechnung getragen, als auch die Interessen des Vermieters an der Wirtschaftlichkeit
der Wohnungen berücksichtigt" werden (Gesetzesbegr. BTDrucks. 9/2079
S. 1 f.). Die unübersichtliche Rechttslage zur Mietkaution sollte bereinigt
und ein Ausgleich zwischen dem Sicherungsbedürfnis des Vermieters auf der
einen und dem Schutzbedürfnis des Mieters auf der anderen Seite geschaffen
werden (Gesetzesbegr. BT-Drucks. 9/2079, S. 10). Im Hinblick auf diesen Schutzzweck
des § 550 b BGB a.F. wäre es verfehlt, eine Kautionsregelung insgesamt
für unwirksam zu erklären, weil eine Teilregelung zur Fälligkeit
gegen das Gesetz verstößt. Damit blieben die berechtigten Interessen
des Vermieters an einer Sicherheit und damit auch an der wirtschaftlichen Nutzbarkeit
der Wohnung außer acht. Der Vermieter erbringt dem Mieter gegenüber
in der Weise eine Vorleistung, dass er diesem die Wohnung zur Verfügung
stellt, die er nur bei Wahrung der besonderen Erfordernisse des Mieterschutzrechtes
zurückerhalten kann. Zudem besteht für einen Vermieter die Gefahr,
dass die vermietete Wohnung durch den Mieter beschädigt wird und der Schaden
bei Vertragsende nicht oder nicht vollständig von diesem beseitigt worden
ist. Durch die Mietsicherheit ist der Vermieter zumindest teilweise gegen hieraus
resultierende Schäden abgesichert. Demgegenüber kann ein Mieter in
der Regel nicht erwarten, dass sich ein Vermieter zur Überlassung einer
Wohnung ohne Stellung einer Mietsicherheit bereit erklärt. Die Leistung
einer solchen Sicherheit entspricht der üblichen Praxis, die vom Gesetzgeber
durch die Regelung des § 550 b BGB a.F. auch ausdrücklich bestätigt
worden ist.
Entgegen der Meinung
der Revision läuft die Bestimmung des § 550 b Abs. 1 Satz 3 BGB a.F.
nicht leer, wenn die Kautionsregelung nicht insgesamt als unwirksam anzusehen
ist. Der Mieter ist nicht verpflichtet, die Mietsicherheit vor der gesetzlichen
Fälligkeit zu entrichten. Er ist dazu nur berechtigt. Es steht ihm frei,
die Kaution sofort zu bezahlen oder sie bis zu den in § 550 b Abs. 1 BGB
a.F. bestimmten Fälligkeitszeitpunkten einzubehalten. Der Vermieter hat
keine rechtliche Möglichkeit, die Zahlung der Kaution vor Fälligkeit
zu erzwingen.
Ein Mieter, von
dem der Vermieter die vorzeitige Zahlung der vereinbarten Kaution verlangt,
ist auch nicht ohne rechtlichen Schutz. Ihm steht ein Anspruch auf Überlassung
der Wohnung zu, den er notfalls gerichtlich durchsetzen kann. Entsprechend dem
Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung vermag der Mieter damit seine wirtschaftliche
Belastung zu Beginn des Mietverhältnisses zu verringern (vgl. Gesetzesbegr.
BT-Drucks. 9/2079 S. 14). Auch ist die Kaution vom Zeitpunkt ihrer Zahlung an
zu verzinsen.
III. Die Vereinbarung
einer Sicherheitsleistung in § 5 des Mietvertrages der Parteien vom 11.
Dezember 1998 ist mithin mit Ausnahme der Fälligkeitsregel in Abs. 2 Satz
4 rechtswirksam. Die Verpfändung des Sparguthabens an die Beklagte erfolgte
deshalb mit Rechtsgrund. Ein Bereicherungsanspruch der Kläger gegenüber
der Beklagten scheidet demnach aus.