Analoge Anwendung des Stellvertretungsrechts
beim Handeln „unter“ fremdem Namen ("ebay-Benutzername" - fremdes Pseudonym)
OLG München, Urteil vom 5.
2. 2004 - 19 U 5114/03
Fundstelle:
NJW 2004, 1328
Amtl. Leitsätze:
1. Wer bei einer Internet-Auktion die Kennung (sog. „Mitgliedsname“) eines
anderen benutzt, handelt „unter“ (nicht „in“) fremdem Namen i.S. von §§
164ff.BGB.
2. Erfolgt diese Willenserklärung mit Einwilligung des wahren Inhabers der
verwendeten Kennung, kommt ein Geschäft des Namensträgers zu Stande.
3. Ansonsten haftet der Handelnde dem anderen Vertragsteil entsprechend §
179 I BGB auf Erfüllung oder Schadensersatz.
Zentrale Probleme:
Wie so häufig in "ebay-Fällen"
geht es um zentrale Fragen der Rechtsgeschäftslehre ("ebay" ist so gesehen
ein Segen für den akademischen Unterricht!). Die Entscheidung grenzt
vollkommen zutreffend das Handeln in fremden Namen, bei welchem der
Handelnde erkennen läßt, daß er für eine andere Person handelt, vom Handeln
"unter" fremden Namen ab. Dieses unterscheidet sich von ersterem dadurch,
daß der Handelnde den Eindruck erweckt, eine (bestimmte) andere Person zu
sein. Dies bejaht das OLG vollkommen zutreffend für den Fall der Benutzung
eines fremden Nutzernamens bei "ebay". Die in diesem Zusammenhang noch
denkbare Variante des "Handelns unter falschem Namen", bei welchem der
Vertragspartner eindeutig individualisiert, aber nur falsch bezeichnet ist
(Bsp.: Einmietung in einem Hotel unter falschem Namen), kommt hier nicht in
Betracht, da mit dem Benutzernamen (einschl. "login") eine bestimmte
individualisierbare Person bezeichnet wird und nicht nur ein beliebiger Name
als Pseudonym, sondern ein fremdes Pseudonym verwendet wird. Bei
Verwendung des eigenen Pseudonyms liegt (unschädliches) Handeln unter
falschem Namen vor (s.
LG Berlin NJW 2003, 3493). Mit der Anwendung
des Stellvertretungsrechts auf das Handeln "unter" fremden Namen folgt das
OLG der ganz h.M. in Rspr. und Literatur. S. dazu jetzt auch
BGH v. 11.5.2011 - VIII ZR 289/09.
©sl 2004
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten darüber, ob sie am 11. 9. 2003 bei einer
eBay-Internet-Auktion einen wirksamen Kaufvertrag über einen Pkw geschlossen
haben. Der Kl. räumt ein, dass er bei Abgabe des Höchstgebots nicht unter
einem auf ihn zugelassenen Nutzernamen aufgetreten sei. Er ist jedoch der
Auffassung, dass der Bekl. ihn auf Grund des nachfolgenden Schriftverkehrs
als Käufer akzeptiert habe. Damit seien eventuelle rechtliche Mängel
geheilt.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
1. Zwischen den Parteien ist im Rahmen der Internet-Auktion kein Kaufvertrag
zu Stande gekommen, §§ 433, 145ff., 164ff. BGB. Zwar ist in der
Rechtsprechung mittlerweile anerkannt, dass im Rahmen von Internetauktionen
auf Grundlage von §§ 145ff. BGB vollgültige Verträge geschlossen werden
können (BGH, NJW 2002, 363).
a) Indem sie die eBay-Kennung anderer benutzt haben, haben beide Parteien
jeweils „unter“ (nicht „in“) fremdem Namen gehandelt, denn diese Kennung
steht für den Inhaber der Kennung, der dem anderen Teil von eBay nach
Auktionsende namentlich mit Anschrift bekannt gegeben wird.
Ob beim Handeln unter fremdem Namen ein Geschäft des Namensträgers oder ein
Eigengeschäft des Handelnden vorliegt, hängt davon ab, wie die andere Partei
das Verhalten des Handelnden auffassen durfte. Ein Eigengeschäft des
Handelnden ist dann gegeben, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der
anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des
Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem Handelnden
abschließen will. Ein Geschäft des Namenträgers ist anzunehmen, wenn das
Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die
andere Partei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person
zu Stande (BGH, NJW-RR 1988, 814; vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl.
[2004], § 164 Rdnrn. 10ff.).
Danach liegt hier eindeutig ein Geschäft der jeweiligen Namensträger vor.
Die Benutzung der jeweiligen Kennung weist für die andere Partei
ausschließlich auf die Person hin, die von eBay nach Auktionsende namentlich
identifiziert wird. Ein anonymer Dritter als Vertragspartner wäre dagegen
für die andere Partei überhaupt nicht identifizierbar und würde bei ihr die
Fehlvorstellung hervorrufen, mit dem von eBay Genannten abgeschlossen zu
haben. Auch das Bewertungssystem von eBay stützt dieses Ergebnis, da
ansonsten der „gute Ruf“ Dritter ausgenutzt werden könnte und das
Bewertungssystem seinen Sinn verlöre (vgl. zu diesem Aspekt schon LG Berlin,
NJW 2003, 3493). Schließlich sprechen auch die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen von eBay, die den Missbrauch von Mitgliedskonten
verbieten und deren Übertragbarkeit ausschließen, für diese Auslegung der
jeweiligen Willenserklärung.
b) Auf das Handeln unter fremdem Namen finden die §§ 164ff. BGB
entsprechende Anwendung (vgl. Palandt/Heinrichs, § 164 Rdnr. 10). Nachdem
beide Parteien unstreitig - der Bekl. hat diese Behauptung des Kl. nicht
bestritten, sondern nur darauf hingewiesen, dass auch andere
Fallgestaltungen denkbar wären - mit Einwilligung des jeweiligen Inhabers
der verwendeten Kennung gehandelt haben, bedeutet dies für den vorliegenden
Fall, dass ein Kaufvertrag zwischen diesen Kennungsinhabern und nicht
zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits zu Stande gekommen ist. Darauf,
ob die Kennungsinhaber dies bei ihrer Einwilligung zur Benutzung der Kennung
wussten oder wollten, kommt es nicht an, wie § 164 II BGB für den
vergleichbaren Fall eines unbeachtlichen Rechtsfolgenirrtums zeigt.
c) Der Bekl. kann somit vom Kl. weder aus eigenem noch aus abgetretenem
Recht in Anspruch genommen werden, da er nicht Vertragspartei geworden ist.
Auf Erfüllung oder Schadensersatz würde der Bekl. entsprechend § 179 I BGB
nur haften, wenn er ohne Einwilligung der Kennungsinhaberin gehandelt hätte.
Der Senat erspart sich in diesem Zusammenhang Ausführungen zu der hier
völlig deplazierten Rechtsfigur des Vertrags zu Gunsten Dritter.
2. Ein nachträglich im Rahmen der Vertragsabwicklung zwischen den Parteien
geschlossener Kaufvertrag scheidet ebenfalls aus. Wie bereits das LG
zutreffend ausgeführt hat, herrschte zu diesem Zeitpunkt schon Streit
zwischen den Parteien, so dass ein konkludenter Vertragsschluss fern liegend
erscheint. Im Übrigen würde dies - ähnlich wie die Bestätigung eines
nichtigen Rechtsgeschäfts - die Kenntnis vom bisherigen Nichtzustandekommen
eines Vertrags zwischen den Parteien voraussetzen (Palandt/Heinrichs, § 141
Rdnr. 6) und überdies das Schicksal des zwischen den Kennungsinhabern
bereits zu Stande gekommenen ersten Kaufvertrags offen lassen.
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