Verkehrssicherungspflichten bei Umstürzen eines Grenzbaums (§ 923 BGB) und
Mitverschulden (§ 254 BGB)
BGH, Urt. v.
2. Juli 2004 - V ZR 33/04
Fundstelle:
NJW 2004, 3328
für BGHZ vorgesehen
Zentrale Probleme:
s. die
Pressemeldung des BGH Nr. 82/2004 v. 2.7.2004
Amtl. Leitsätze:
a) Ein Baum ist ein Grenzbaum im Sinne von
§ 923 BGB, wenn sein Stamm dort, wo er aus dem Boden heraustritt, von der
Grundstücksgrenze durchschnitten wird.
b) Jedem Grundstückseigentümer gehört der Teil des Grenzbaumes, der sich auf
seinem Grundstück befindet (vertikal geteiltes Eigentum).
c) Jeder Grundstückseigentümer ist für den ihm gehörenden Teil eines
Grenzbaumes in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen
vollständig auf seinem Grundstück stehenden Baum.
d) Verletzt jeder Eigentümer die ihm hinsichtlich des ihm gehörenden Teils
eines Grenzbaumes obliegende Verkehrssicherungspflicht, ist für den ihnen
daraus entstandenen Schaden eine Haftungsverteilung nach § 254 BGB
vorzunehmen.
Tatbestand:
Die Parteien sind (Mit-) Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zumindest
teilweise auf der Grundstücksgrenze stand eine alte Steineiche, die seit
mehreren Jahren eine verringerte Belaubung sowie totes Holz in der Krone
zeigte; außerdem hatte sich rings um den Stamm der Fruchtkörper eines Pilzes
(Riesenporling) gebildet. Im Jahr 1996 ließ der (inzwischen verstorbene)
Ehemann der Beklagten in dem Teil der Baumkrone, der sich über ihrem
Grundstück befand, das tote Holz durch ein Fachunternehmen (Streithelferin
der Beklagten) entfernen. Weitere Baumpflegemaßnahmen erfolgten weder auf
der Grundstücksseite der Klägerin noch auf der der Beklagten.
Im Dezember 2001 stürzte die Eiche ohne Sturmeinwirkung um und beschädigte
das Wohnhaus der Klägerin erheblich. Diese verlangt aus eigenem und von
ihrem Ehemann abgetretenem Recht von der Beklagten Schadensersatz, weil sie
meint, die Beklagte sei zumindest anteilig für den Baum
verkehrssicherungspflichtig gewesen.
Das Landgericht hat die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von
97.278,08 € nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung, mit der
die Klägerin nur noch die Hälfte der Klageforderung geltend gemacht hat, ist
zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die in dem Berufungsurteil
zugelassene Revision der Klägerin. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung
des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen
nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Die umgestürzte Eiche sei ein
Grenzbaum gewesen. Die Klägerin habe von der Beklagten jederzeit seine
Beseitigung verlangen können und sei deshalb keinem Duldungszwang ausgesetzt
gewesen. Auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht bestehe nicht. Die Beklagte sei zwar aufgrund
ihres Miteigentums an der Eiche verpflichtet gewesen, den Baum auf
Krankheitsbefall und Gefahr durch Windbruch und -wurf zu überwachen sowie
bei Anzeichen für eine Erkrankung dessen Standfestigkeit untersuchen zu
lassen. Diese Pflicht bestünde auch zugunsten der Eigentümer von
Anliegergrundstücken. Obwohl die Beklagte dieser Verkehrssicherungspflicht
nicht nachgekommen sei, scheide ihre Haftung aus, weil die Klägerin und ihr
Ehemann in gleichem Maße verkehrssicherungspflichtig gewesen und dieser
Pflicht ebenfalls nicht nachgekommen seien. Denn die
Verkehrssicherungspflicht bestehe nur gegenüber Dritten, zu denen der
Verpflichtete selbst nicht gehöre, und nicht zwischen gleichrangig
Verkehrssicherungspflichtigen. Daß die Beklagte bzw. ihr Ehemann durch die
1996 vorgenommene Auslichtung der Baumkrone eine Seitenlastigkeit
herbeigeführt und damit die Fallrichtung des Baumes auf das Grundstück der
Klägerin vorgegeben haben, wirke sich nicht zugunsten der Klägerin aus. Die
Maßnahme sei zwar ursächlich für den Schaden geworden, der aber weder
voraussehbar noch vermeidbar gewesen sei; vielmehr habe es sich um eine
gewöhnliche Baumpflegemaßnahme gehandelt. Nach dem unbestrittenen Vortrag
der Streithelferin sei der Baum zudem fachgerecht beschnitten worden; er
habe damals keinerlei äußerlich erkennbare Anzeichen für einen Pilzbefall
aufgewiesen. Demgegenüber sei nicht hinreichend ersichtlich oder dargelegt,
daß die einseitige Beschneidung des Baumes das Haus der Klägerin gefährdet
habe.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
II. 1. Ob das Berufungsgericht zu Recht einen verschuldensunabhängigen
nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog
verneint hat, kann dahingestellt bleiben; denn der Klägerin steht gegen die
Beklagte ein dem vorgehender (Senat, BGHZ 120, 239, 249) deliktsrechtlicher
Schadensersatzanspruch zu.
2. Die Beklagte und ihr Ehemann haben die ihnen hinsichtlich des
umgestürzten Baumes obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt; die
Beklagte ist deshalb nach § 823 Abs. 1 BGB dem Grunde nach zum Ersatz des
der Klägerin dadurch entstandenen Schadens verpflichtet. Daß auch die
Klägerin und ihr Ehemann hinsichtlich des Baumes verkehrssicherungspflichtig
waren, läßt - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - die Haftung
der Beklagten nicht entfallen.
a) Der Eigentümer eines Grundstücks hat im Rahmen des Möglichen dafür zu
sorgen, daß von dort stehenden Bäumen keine Gefahr für andere ausgeht, der
Baumbestand vielmehr so angelegt ist, daß er im Rahmen des nach
forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und
Windwurf, insbesondere aber auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender
Standfestigkeit gesichert ist (Senat, Urt. v. 21. März 2003, V ZR 319/02,
NJW 2003, 1732, 1733). Diese Verkehrssicherungspflicht haben die Beklagte
und ihr Ehemann verletzt.
aa) Zweifelhaft ist bereits der Ansatz des Berufungsgerichts, daß bei
bestehendem Miteigentum eine Haftung der Eigentümer untereinander für
Schäden, die auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten
zurückzuführen sind, ausscheide. Das berücksichtigt nicht, daß sich aus dem
Gemeinschaftsverhältnis (§§ 741 ff. BGB) etwas anderes ergeben kann. Aber
darauf kommt es hier nicht an, weil die Parteien nicht Miteigentümer,
sondern Teileigentümer des später umgestürzten Baumes waren.
bb) Die Beklagte und ihr Ehemann waren Eigentümer des Grundstücks, auf dem
der Baum bis zum Umstürzen teilweise stand. Damit waren sie auch Eigentümer
des auf ihrem Grundstück stehenden Teils des Baumes.
(1) Die umgestürzte Eiche war ein Grenzbaum im Sinne des § 923 BGB, weil sie
mit ihrem Stamm auf der Grundstücksgrenze stand. Das gilt unabhängig davon,
ob diese Situation bereits im Zeitpunkt des Anpflanzens oder natürlichen
Aufwuchses vorhanden war; unerheblich ist auch, auf welchem der beiden
Grundstücke sich das Wurzelwerk befand. Entscheidend ist allein, daß der
Stamm des Baumes - und zwar dort, wo er aus dem Boden heraustrat - von der
Grenze durchschnitten wurde (OLG München, NJW-RR 1992, 1369; Münch-Komm-BGB/Säcker,
4. Aufl., § 923 Rdn. 2; Palandt/Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 923 Rdn. 1;
Staudinger/Roth, BGB [2002], § 923 Rdn. 2; ebenso für die einzelnen Pflanzen
einer Hecke als Grenzeinrichtung: Senat, BGHZ 143, 1, 4).
(2) Die Eigentumsverhältnisse an einem Grenzbaum, der noch nicht gefällt
ist, werden unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung - der das
Berufungsgericht ohne weiteres folgt - steht der Baum im Miteigentum der
beiden Grundstückseigentümer zu gleichen Teilen (LG München II, NJW 1976,
973; MünchKomm-BGB/Säcker, aaO, Rdn. 1; Meisner/Stern/Hodes, Nachbarrecht im
Bundesgebiet [ohne Bayern], 5. Aufl., § 12; Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl.,
B § 2 II, § 12; Laibling, AgrarR 1994, 28). Nach anderer Auffassung besteht
vertikal geteiltes Eigentum in dem Sinn, daß jedem Grundstückseigentümer der
Teil des Baumes gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet (OLG
München, OLGR 1994, 197; BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 923 Rdn. 3;
Pa-landt/Bassenge, aaO; Soergel/J. F. Baur, BGB, 13. Aufl., § 923 Rdn. 1;
Staudinger/Roth, aaO, Rdn. 4; für die einzelnen Pflanzen einer Hecke als
Grenzeinrichtung: ebenso OLG Düsseldorf, OLGZ 1978, 190, 191; offen gelassen
von Senat, BGHZ 143, 1, 8). Dem schließt sich der Senat an. Nach dem
Wortlaut des Gesetzes gebührt erst der gefällte Baum den Nachbarn zu
gleichen Teilen (§ 923 Abs. 1 BGB). Diese Regelung wäre überflüssig, wenn
dieselbe Rechtslage bereits vorher bestünde. Das wird durch die
Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Der Gesetzgeber ging davon
aus, daß vor dem Fällen des Baumes kein Miteigentum besteht (Mot. III, 278),
sondern der Grundsatz der vertikalen Eigentumsteilung gilt (Staudinger/Roth,
aaO, § 923 Rdn. 1). Diese Sicht steht nicht im Wertungswiderspruch zu § 93
BGB (so aber MünchKomm-BGB/Säcker, aaO), sondern räumt dem § 94 Abs. 1 BGB
insoweit Vorrang ein und dient damit der Herstellung klarer
Rechtsverhältnisse (vgl. Senat, Urt. v. 27. September 1978, V ZR 36/77, NJW
1979, 712). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß von dem
gesamten Baum - z.B. infolge mangelnder Standfestigkeit - Gefährdungen
ausgehen können, die einer der beiden Eigentümer allein nicht beseitigen
kann. In diesem Fall hat jeder Eigentümer die Möglichkeit, von dem anderen
das Fällen des Baumes zu verlangen (§ 923 Abs. 2 Satz 1 BGB).
cc) Als Eigentümer eines Teils des Grenzbaumes waren die Beklagte und ihr
Ehemann für diesen Teil in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie
für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden Baum. Sie mußten
deshalb die nach dem jeweiligen Stand der Erfahrungen und Technik als
geeignet und genügend erscheinenden Sicherungen treffen, also den Gefahren
vorbeugend Rechnung tragen, die nach der Einsicht eines besonnenen,
verständigen und gewissenhaften Menschen erkennbar sind, und diejenigen
Maßnahmen ergreifen, die zur Gefahrbeseitigung objektiv erforderlich und
nach objektiven Maßstäben zumutbar sind (BGH, Urt. v. 21. Januar 1965, III
ZR 217/63, NJW 1965, 815). Danach waren sie u.a. verpflichtet, den Grenzbaum
in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu überwachen (BGH, Urt. v.
30. Oktober 1973, VI ZR 115/72, VersR 1974, 88, 89). Wie oft und in welcher
Intensität solche Baumkontrollen durchzuführen sind, läßt sich nicht
generell beantworten. Ihre Häufigkeit und ihr Umfang sind von dem Alter und
Zustand des Baumes sowie seinem Standort abhängig (Breloer,
Wertermittlungsforum 2004, 3, 8). Werden dabei Anzeichen erkannt, die nach
der Erfahrung auf eine besondere Gefahr durch den Baum hinweisen, ist eine
eingehende Untersuchung vorzunehmen; solche Anzeichen können trockenes Laub,
dürre Äste oder verdorrte Teile, Pilzbefall, äußere Verletzungen oder
Beschädigungen, hohes Alter des Baumes, sein Erhaltungszustand, die Eigenart
seiner Stellung und sein statischer Aufbau sein (BGH, Urt. v. 21. Januar
1965, aaO). Das haben die Beklagte und ihr Ehemann nicht beachtet, obwohl
die Eiche nach den Feststellungen des Berufungsgerichts seit mehreren Jahren
eine Fruchtkörperbildung des Riesenporlings rings um den Stamm, verringerte
Belaubung sowie Totholz in der Krone zeigte. Damit war für die Beklagte und
ihren Ehemann eine Erkrankung des Baumes erkennbar. Da die Krankheitszeichen
auch an dem ihnen gehörenden Baumteil vorhanden waren, hätten sie eine
fachmännische Untersuchung veranlassen müssen. Dabei wäre die mangelnde
Standfestigkeit erkannt worden, so daß rechtzeitig geeignete Maßnahmen gegen
ein plötzliches Umstürzen hätten ergriffen werden können. Davor haben die
Beklagte und ihr Ehemann die Augen verschlossen, indem sie lediglich im Jahr
1996 Totholz aus der Baumkrone haben entfernen lassen, ohne später den
Zustand des Baumes zu kontrollieren und untersuchen zu lassen. Damit haben
sie die Beschädigung des Nachbargrundstücks in Kauf genommen. Das gilt auch
für den Fall, daß der die Grundstücke der Parteien trennende Zaun den von
der Beklagten behaupteten Verlauf gehabt hat, so daß der Baum nach dem
äußeren Erscheinungsbild auf dem Grundstück der Klägerin stand. Denn die
Beklagte hat sich lediglich darauf berufen, wegen des Zaunverlaufs habe sie
nicht um den Baum herumgehen und sein Wurzelwerk untersuchen können; daß der
Baum auf der Grundstücksgrenze stand, hat sie bereits in ihrer
Klageerwiderung eingeräumt.
b) Somit ist die Beklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Sie
muß allerdings nicht den gesamten Schaden ersetzen, sondern nur die Hälfte.
aa) Die Klägerin und ihr Ehemann waren zwar als Eigentümer des auf ihrem
Grundstück befindlichen Teils des Baumes für diesen ebenfalls
verkehrssicherungspflichtig. Darauf kommt es hier aber für die
Haftungsverteilung nicht an, weil der umgestürzte Baum nicht im
gemeinschaftlichen Eigentum der Grundstückseigentümer stand. Die von dem
Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob sich derjenige, dem die
Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich einer Sache obliegt, auf die
Verletzung der Sicherungspflicht durch den hinsichtlich derselben Sache
(gleichrangig) Verkehrssicherungspflichtigen berufen kann (grundsätzlich
verneinend OLG Hamm, VersR 2002, 1299), stellt sich deshalb nicht; denn
wegen des Alleineigentums jedes Grundstückseigentümers an einem Teil des
Baumes sind beide Eigentümer wie jeder Dritte in den Schutzbereich der
Verkehrssicherungspflicht einbezogen, die dem jeweils anderen Eigentümer
hinsichtlich des ihm gehörenden Teils des Baumes obliegt.
bb) Indem die Klägerin und ihr Ehemann den für sie ebenfalls erkennbaren
Krankheitsanzeichen an dem ihnen gehörenden Baumteil keine Beachtung
geschenkt und damit letztlich die Beschädigung ihres Hauses in Kauf genommen
haben, trifft sie eine Mitverantwortung für den eingetretenen Schaden. In
welchem Umfang sich das auf ihren Ersatzanspruch gegen die Beklagte
auswirkt, ist nach § 254 BGB zu beurteilen. Da die Rechtsprechung eine
Selbstgefährdung und Selbstbeschädigung nicht verbietet, geht es im Rahmen
dieser Vorschrift nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber
einem anderen oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht,
sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung,
der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden "Obliegenheit"; sie
beruht auf der Überlegung, daß jemand, der diejenige Sorgfalt außer acht
läßt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor
Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche
hinnehmen muß, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem
unbillig erscheint, daß jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz
eigener Mitverantwortung vollen Ersatz fordert (Senat, BGHZ 135, 235, 240
m.w.N.).
cc) Da hinsichtlich des Maßes der Verursachung, in welchem die Beteiligten
zur Schadensentstehung beigetragen haben, und des beiderseitigen
Verschuldens weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten
sind, kann der Senat die nach § 254 Abs. 1 BGB erforderliche Abwägung selbst
vornehmen. Das führt zu einer Schadensteilung.
(1) Die Klägerin und ihr Ehemann haben das Umstürzen der Eiche durch die
unterbliebenen Kontrollen und Untersuchungen in demselben Maß verursacht wie
die Beklagte und ihr Ehemann. Das Auslichten der Baumkrone im Jahr 1996
wirkt sich - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu Lasten der
Beklagten aus. Zwar war damit die spätere Fallrichtung des Baumes
vorgegeben; aber das allein hat, worauf es für die Haftungsverteilung
entscheidend ankommt, den Eintritt des Schadens nicht in wesentlich höherem
Maß wahrscheinlich gemacht (vgl. BGH, Urt. v. 20. Januar 1998, VI ZR 59/97,
NJW 1998, 1137, 1138). Denn dem steht zum einen gegenüber, daß die Klägerin
und ihr Ehemann jegliche Baumpflegemaßnahmen wie das Auslichten der Krone
auf ihrer Grundstücksseite unterlassen haben; erst dadurch ist es zu der
einseitigen Lastigkeit des Baumes gekommen. Zum anderen hat das Auslichten
unstreitig keinen Einfluß auf die fehlende Standfestigkeit und damit auf das
Umstürzen des Baumes gehabt.
(2) Der Verschuldensanteil der Beteiligten ist ebenfalls gleich hoch zu
bewerten. Beide Grundstückseigentümer konnten die jeweils auf der ihnen
gehörenden Baumseite vorhandenen Krankheitszeichen erkennen; beide haben die
deshalb notwendigen Überwachungs- und Untersuchungsmaßnahmen nicht
durchgeführt. Ein Fällen des Baumes wurde nicht verlangt (§ 923 Abs. 2 Satz
1 BGB). Das Auslichten der Baumkrone im Bereich des Grundstücks der
Beklagten war nicht pflichtwidrig, sondern eine ordnungsgemäßer
Bewirtschaftung entsprechende Pflegemaßnahme. Die mangelnde Standfestigkeit
des Baumes war für keinen der Eigentümer, sondern nur für einen Fachmann
erkennbar.
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