Pflichtteilsvermächtnis
bei Nachlaßspaltung (Art. 3 Abs. 3 EGBGB), Testamentsformstatut (Haager
Testamentsformübereinkommen 1961), Nachlaßkonflikt und (ergänzende)
Testamentsauslegung
BGH, Urteil vom 7. Juli
2004 - IV ZR 135/03
Fundstelle:
NJW 2004, 3558
Amtl. Leitsätze:
1. Die Auslegung eines Testaments im Sinne einer
Erbeinsetzung setzt nicht notwendig voraus, daß dem Erben dem Werte nach der
größte Teil des Nachlasses verbleibt.
2. Weist der Erblasser den Abkömmlingen im Testament ihren gesetzlichen
Pflichtteil zu und ist darin keine Erbeinsetzung zu sehen, steht noch nicht
fest, ob die Abkömmlinge auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht beschränkt
oder ob sie mit Vermächtnissen in Höhe ihrer Pflichtteilsquote bedacht
werden sollten. Das hängt davon ab, ob der Erblasser die Abkömmlinge
begünstigen oder ihnen nur belassen wollte, was er ihnen nach dem Gesetz
nicht entziehen konnte.
3. Ein deutscher Erblasser kann durch ein gemäß § 2247 BGB gültiges
eigenhändiges Testament wirksam auch über ein in Florida/USA belegenes
Grundstück verfügen, obwohl diese Testamentsform dort nicht zulässig ist,
die USA nicht dem Haager Testamentsformübereinkommen beigetreten sind und
für das dort belegene Grundstück im übrigen das Erbrecht Floridas gilt (Art.
3 Abs. 3 EGBGB).
Tatbestand:
Die am 27. August 1990 geborene Klägerin ist die
Tochter des am 8. September 1997 verstorbenen Erblassers. Sie macht gegen
die Beklagten, zwei ehemalige Freundinnen des Erblassers, mit denen dieser
jeweils ein Kind hatte, Pflichtteilsansprüche unter Bezug auf das
eigenhändige Testament des Erblassers vom 29. April 1997 geltend.
Der Erblasser hatte mit der Mutter der Klägerin am 23. Dezember 1991 einen
notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem sich beide gegenseitig
als alleinige Erben eingesetzt hatten. Die Ehe wurde am 1. August 1997
rechtskräftig geschieden. Bereits nach der Trennung der Eheleute Mitte 1996
hatte der Erblasser am 29. April 1997 eigenhändig das folgende Testament
errichtet:
Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bestimme ich, daß im
Falle meines unerwarteten Todes mein Vermögen wie folgt geteilt wird:
1.) Rückzahlung meiner Schulden zu je DM 60.000 an meine
Eltern aus meinem Aktienvermögen, das ich für sie im Auftrag angelegt habe.
2.) Pflichtanteile für jedes meiner 3 Kinder aus dem Verkauf
meiner Häuser abzüglich Bankschulden.
3.) Lebensversicherungen namentlich auf jedes Kind
abgeschlossen.
4.) Sonstige Lebensversicherungen plus Rest aus 2.) zu
gleichen Teilen an ... (Beklagte zu 1 und Beklagte zu 2).
Meine Ehefrau ... erhält nichts! Aufgrund ihres Verhaltens
und laufender Scheidung enterbe ich sie.
5.) BMW an S… K...
6.) Harley + Corvette + Einrichtung nach Verkauf zu gleichen
Teilen an meine Eltern.
Zum Nachlaß gehörten unter anderem auch
ein in Florida belegenes Grundstück sowie eine - inzwischen verkaufte -
Finca auf Mallorca. Es wurde eine Nachlaßpflegschaft angeordnet und
durchgeführt, für die Kosten anfielen.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe gegen die Beklagten über die
bereits erhaltenen 10.000 DM hinaus ein weiterer Pflichtteilsanspruch in
Höhe von 48.001,29 € zu. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang
stattgegeben; auf die Berufung der Beklagten wurde die Verurteilungssumme
auf 35.454,96 € herabgesetzt (vgl. das u.a. in FamRZ 2003, 1876
veröffentlichte Berufungsurteil). Mit ihren Revisionen verfolgen die
Beklagten ihr Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.
Die Klägerin hat ihre Anschlußrevision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revisionen bleiben ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, durch die Scheidung der Ehe des
Erblassers sei der Erbvertrag vom 23. Dezember 1991 unwirksam geworden.
Infolgedessen sei das bereits vor der Scheidung errichtete eigenhändige
Testament vom 29. April 1997 maßgebend. Danach stehe der Klägerin ein
Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/6 des Nachlasses gegen die Beklagten zu.
Diese seien Erbinnen zu je 1/2 geworden. Das ergebe die Auslegung des
Testaments vom 29. April 1997. Der Erblasser habe über sein Vermögen
abschließend verfügen wollen. Nach dem Wortlaut kämen nur die Beklagten als
Erben in Betracht. Ihnen sei mit den Grundstücken der überwiegende Teil des
Nachlasses zugewendet.
Bezüglich des Grundstücks in Florida liege allerdings ein Fall der
Nachlaßspaltung vor. Insoweit sei die Erbeinsetzung der Beklagten nicht
formwirksam, weil das anwendbare Recht Floridas eigenhändige Testamente
nicht kenne. Erben des in den USA gelegenen Grundstücks seien daher die
Kinder des Erblassers - und damit auch die Klägerin - zu je 1/3. Dieses
Grundstück müsse bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin
außer Betracht bleiben. Der Pflichtteilsanspruch sei auch nicht deswegen
nach unten zu korrigieren, weil die Klägerin durch das Zusammentreffen des
Pflichtteils an dem deutschem Recht unterliegenden Nachlaßteil und des
Erbteils am Grundstück in Florida deutlich mehr erhalte, als ihr Pflichtteil
von 1/6 sowohl am gesamten Nachlaß als auch am deutschen Nachlaßteil
ausmache. Die im Zusammenhang mit dem Verkauf der Finca angefallenen Kosten
seien keine Nachlaßverbindlichkeiten. Es handele sich vielmehr um
Nachlaßerbenschulden, die aus eigenen Rechtshandlungen der Erben entstanden
seien. Da die Eingehung dieser Verbindlichkeiten für die
Pflichtteilsberechtigte nicht von Vorteil sei, müßten sie unberücksichtigt
bleiben. Gleiches gelte im Ergebnis für die Kosten der Nachlaßpflegschaft.
Diese seien zwar als Erbfallschulden grundsätzlich in die Berechnung des
Pflichtteils einzustellen. Doch weil die Beklagten sie erstmals in der
Berufungsinstanz geltend gemacht hätten, ohne daß ein Zulassungsgrund im
Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO gegeben sei, könnten sie keine Berücksichtigung
finden. Daran ändere nichts, daß ihr Anfall unstreitigsei und der
Rechtsstreit durch ihre Zulassung nicht verzögert würde.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Klägerin steht
gegen die Beklagten aus Vermächtnis ein Zahlungsanspruch jedenfalls in Höhe
des vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrages zu.
1. Unbedenklich geht das Berufungsgericht gemäß §§ 2279, 2077 Abs. 1 Satz 1
BGB von der Unwirksamkeit des Erbvertrages vom 23. Dezember 1991 infolge der
Scheidung des Erblassers am 1. August 1997 aus. Damit trat das dem
Erbvertrag zuwider laufende eigenhändige Testament vom 29. April 1997
entsprechend dem Rechtsgedanken der §§ 2257, 2258 Abs. 2 BGB in Kraft (vgl.
OLG Zweibrücken FamRZ 1989, 1355, 1356; AnwK-BGB/Kornexl, § 2289 Rdn. 22;
Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB § 2289 Rdn. 8).
2. Die tatrichterliche Auslegung des Testaments vom 29. April 1997 ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGHZ 121, 357, 363), soweit
sie im Ergebnis zu einer Erbeinsetzung der Beklagten je zur Hälfte gelangt.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben ohne Erfolg.
Wie das Berufungsgericht mit Recht dem Einleitungssatz des Testaments
entnommen hat, wollte der Erblasser über sein gesamtes Vermögen verfügen. Es
ist nicht anzunehmen, daß er überhaupt keinen Erben berufen wollte. Hätten
seine Abkömmlinge kraft Gesetzes Erben werden sollen, wäre die Bestimmung
des Testaments sinnlos, mit der ihnen "Pflichtanteile" zugedacht sind.
Darauf, daß mit dem Testament auch die Erbfolge geregelt werden sollte,
deutet ferner die ausdrückliche Enterbung seiner damals noch nicht von ihm
geschiedenen Ehefrau hin. Obwohl den Kindern mit den "Pflichtanteilen" eine
Quote des gesamten Nachlaßwerts, nämlich in Höhe ihres Pflichtteils von je
einem Sechstel, zugedacht ist, wird die insoweit an sich zu einer
Erbeinsetzung führende Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB außer durch die
vorrangige Auslegung des hier zu beurteilenden Testaments auch durch die
negative Auslegungsregel des § 2304 BGB überwunden, (wonach die Zuwendung
des Pflichtteils im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen ist). Die
Kinder sind daher jedenfalls nicht Erben geworden. Abgesehen von den beiden
Beklagten werden im Testament neben den mit "Pflichtanteilen" bedachten
Kindern nur Personen begünstigt, denen lediglich bestimmte, im Blick auf das
Immobiliarvermögen des Erblassers jedenfalls nicht als Hauptbestandteile des
Nachlasses zu wertende Gegenstände zugewendet werden. Auch diese weiteren
Personen kommen daher nicht als Erben in Betracht (§ 2087 Abs. 2 BGB). Den
Beklagten sollte dagegen außer Lebensversicherungen der "Rest" aus dem
Verkauf des gesamten Grundvermögens zustehen. Ob ihnen dadurch letzten Endes
mehr oder aber - wie die Revisionen meinen - weniger vom Wert des Nachlasses
zukommt als den Kindern, kann für sich genommen nicht den Ausschlag geben.
Denn die Berufung zum Erben setzt nicht notwendig voraus, daß dem Erben ein
mehr oder weniger großer oder sogar der größte Teil des Nachlasses verbleibt
(vgl. BayObLG FamRZ 2003, 119, 120). Hier hat der Erblasser den Beklagten
mit dem "Rest" gerade das zugewiesen, was bei ausdrücklicher Einsetzung als
Erben nach Erfüllung der Nachlaßverbindlichkeiten, der Vermächtnisse sowie
der Auszahlung der "Pflichtanteile" für sie übrig bliebe. Das spricht
entscheidend für eine Erbeinsetzung. Hinzu kommt, daß die Beklagten die
Mütter jeweils eines Kindes des Erblassers sind und der Erblasser unter
derselben Ziffer des Testaments und in unmittelbarem Zusammenhang mit der
Begünstigung der Beklagten die Mutter der Klägerin ausdrücklich enterbt hat.
Das läßt den Rückschluß zu, daß es ihm schon bei der Begünstigung der
Beklagten um die Regelung seiner Erbfolge ging.
3. Mit dem Zwischenergebnis, daß die Beklagten und nicht die Kinder des
Erblassers als Erben berufen sind, steht aber noch nicht fest, ob der
Erblasser die Kinder auf den gesetzlichen Pflichtteil beschränken oder aber
ihnen ein Vermächtnis in Höhe dieses Pflichtteils gewähren wollte (zu dieser
Abgrenzung vgl. etwa OLG Nürnberg FamRZ 2003, 1229; Staudinger/Haas, BGB
[1998] § 2304 Rdn. 17). Insoweit ist entscheidend, ob der Erblasser die
Kinder begünstigen oder ihnen nur belassen wollte, was er ihnen nach dem
Gesetz nicht entziehen konnte.
Das hat das Berufungsgericht verkannt. Zwar hat auch die Klägerin den von
ihr geltend gemachten Anspruch rechtlich als gesetzlichen
Pflichtteilsanspruch eingeordnet; sie hat sich dafür aber auf die
Anordnungen des Erblassers im Testament vom 29. April 1997 bezogen. Der
Senat kann die insoweit erforderliche Auslegung selbst vornehmen, weil mit
Blick auf das Erbscheinsverfahren und den umfassenden Vortrag der Parteien
zur Frage der Testamentsauslegung in den Vorinstanzen weder neuer
Tatsachenvortrag zu erwarten noch weitere tatsächliche Feststellungen zu
treffen sind.
a) Danach ist der Klägerin ein Vermächtnis in Höhe des nach deutschem
Erbrecht auf den gesamten Nachlaßwert anfallenden Pflichtteils zugewendet
worden. Über das gesetzliche Pflichtteilsrecht war derErblasser bei der
Beurkundung des Ehe- und Erbvertrages vom 23. Dezember 1991 vom Notar
belehrt worden. Für den Willen des Erblassers, seine Kinder zu begünstigen,
spricht zunächst die sprachliche Gestaltung des Testaments. Anders als bei
der Ehefrau soll den Kindern nichts entzogen, sondern im Rahmen der
einleitend angekündigten Aufteilung des Vermögens ein "Pflichtanteil"
zugewendet werden. Ferner wird deutlich, daß der Erblasser nicht die Absicht
hatte, seine Kinder auf das gesetzliche Minimum zu beschränken. In Ziffer 3
des Testaments erwähnt er die namentlich auf jedes Kind abgeschlossenen
Lebensversicherungen, die diese zusätzlich zu den "Pflichtanteilen" erhalten
sollen. Dabei handelt es sich zwar um Schenkungen auf den Todesfall, die an
sich keiner testamentarischen Regelung bedurft hätten. Ihre Erwähnung zeigt
aber, daß der Erblasser seinen Abkömmlingen im Ergebnis mehr als den
gesetzlichen Pflichtteil zuwenden wollte.
b) Das Testament verknüpft die Erfüllung des offenbar auf Zahlung eines
Geldbetrags gerichteten Anspruchs auf den "Pflichtanteil" mit dem Verkauf
der Häuser, aus deren Erlös vorab die Bankschulden beglichen werden sollen.
Daß sich der "Pflichtanteil" der Kinder etwa auf den Betrag hätte
beschränken sollen, der sich aus dem Verkauf des Grundbesitzes abzüglich der
Bankschulden ergeben würde (vgl. Dörner, FamRZ 2003, 1880, 1881), ist nicht
anzunehmen. Mit dem Wort "Pflichtanteil" nimmt der Erblasser den
gesetzlichen Pflichtteil in Bezug, der eine Quote am gesamten Nachlaß
darstellt. Von einem Pflichtteil nur in Bezug auf bestimmte
Nachlaßgegenstände zu sprechen, hätte keinen Sinn. Der Zusatz "aus dem
Verkauf meiner Häuser abzüglich Bankschulden" ist vielmehr im Sinne einer
Vorsorge des Erblassers für die Nachlaßabwicklung sowie dafür zu verstehen,
daß die Ansprüche der Kinder auf den "Pflichtanteil" aus den wichtigsten und
wertvollsten Teilen seines Vermögens gedeckt seien.
c) Aus dieser testamentarischen Regelung geht ferner hervor, daß
Berechnungsgrundlage des - nur bezüglich der Quote von einem Sechstel an das
gesetzliche Pflichtteilsrecht angelehnten - "Pflichtanteils" das gesamte
Vermögen des Erblassers einschließlich seines Grundbesitzes in Florida sein
sollte. Von einer Aufspaltung seines Nachlasses in einen dem deutschen
Erbrecht und einen dem Erbrecht Floridas unterliegenden Anteil ist der
Erblasser offenbar nicht ausgegangen.
4. Dieser Erblasserwille ist auch für das Vermögen in Florida gültig. Das
eigenhändige Testament ist gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Haager
Testamentsformübereinkommens (TestÜbk) vom 5. Oktober 1961 (BGBl 1965 II S.
1145; in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar
1966, BGBl II S. 11) i.V. mit §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB entgegen der Annahme
des Berufungsgerichts in vollem Umfang formwirksam.
a) Zwar ist eine Nachlaßspaltung in einen dem Erbrecht Floridas und in einen
dem deutschem Erbrecht unterliegenden Nachlaßteil eingetreten. Denn gemäß
Art. 3 Abs. 3 EGBGB haben die besonderen Vorschriften, die in den
Vereinigten Staaten für die Erbfolge in das dort belegene unbewegliche
Vermögen gelten (Belegenheitsstatut), Vorrang vor dem an die
Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpfenden Erbstatut nach Art. 25 Abs.
1 EGBGB (BGH, Urteil vom 21. April 1993 - XII ZR 248/91 - NJW 1993, 1920
unter II 2 a). Die Erbfolge in den unbeweglichen Nachlaß eines Erblassers
beurteilt sich in Florida nach der zur Zeit des Todes geltenden lex rei
sitae; Florida hat hiervon keine Ausnahmeregelung getroffen (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann,
Internationales Erbrecht USA Grdz. C II Rdn. 39, 39 a). Damit ist an sich
jede Nachlaßmasse grundsätzlich nach dem jeweils für sie maßgebenden
Erbstatut zu beurteilen.
b) Das Erbrecht Floridas führt nicht zu einem anderen Ergebnis als das
deutsche Erbrecht, soweit es um die Unwirksamkeit des Erbvertrages vom 23.
Dezember 1991 mit Rechtskraft der Scheidung am 1. August 1997 geht. Gemäß
Chapter 732.507 des Florida Probate Code (siehe Ferid, aaO USA Texte III Nr.
8) bewirkt nämlich die Scheidung den Widerruf der für den Ehegatten
günstigen testamentarischen Verfügung. Andere Verfügungen als die
gegenseitige Alleinerbeinsetzung der Ehegatten enthält der Erbvertrag nicht.
Erbverträge, die das Recht Floridas an sich nicht kennt, können als
gemeinschaftliche und gegenseitige Testamente aufrechterhalten werden; sie
sind aber stets frei widerruflich. Die Widerruflichkeit kann zwar durch
einen vom Testament zu unterscheidenden Vertrag ausgeschlossen werden; ein
solcher Vertrag liegt aber nicht allein schon in der Errichtung eines
gegenseitigen und – nach überwiegender Ansicht - auch nicht in der
Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments; ferner folgt die
amerikanische Rechtsprechung überwiegend der Auffassung, daß eine
vertragliche Bindung erst mit dem Tod des Erstversterbenden eintritt (Ferid,
aaO USA Grdz. C II Rdn. 39 b, Grdz. F III Rdn. 235, u.a. in Fn. 7). Mithin
ist der Erbvertrag vom 23. Dezember 1991 auch aus der Sicht des in Florida
geltenden Rechts durch die Ehescheidung widerrufen und damit unwirksam
geworden.
c) Das in Deutschland wirksame eigenhändige Testament des Erblassers vom 29.
April 1997 ist, auch soweit es den Nachlaß in Florida betrifft, nicht
unwirksam. Das Erbrecht Floridas kennt zwar ein eigenhändiges Testament nur
in der Form des Zweizeugentestaments; soweit die Testamentsform des
Heimatlandes des Erblassers ausreicht, gilt diese Ausnahme nicht für
eigenhändige Testamente (Chapter 732.502 (1) und (2) des Florida Probate
Code, abgedruckt bei Ferid, aaO USA Texte III Nr. 8).
aa) Jedoch steht gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. b TestÜbk für die
Testamentsform als Anknüpfung das Recht des Staates, dem der Erblasser zum
Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder seines Todes angehörte, zur
Verfügung - mithin deutsches Erbrecht, nach dem das streitgegenständliche
Testament formwirksam errichtet ist. Das Abkommen löst generell die
Formfrage vom Erbstatut (MünchKomm/Birk, BGB 3. Aufl. Art. 26 EGBGB Rdn. 38)
mit der Folge, daß für die Frage der Formgültigkeit die Vorschriften des
ansonsten als Erbstatut berufenen Rechts außer Betracht bleiben müssen
(Senatsurteil vom 28. September 1994 - IV ZR 95/93 - NJW 1995, 58 unter A II
2 c). Dem steht nicht entgegen, daß die USA bzw. Florida dem Abkommen nicht
beigetreten sind. Seine Wirkungen erstrecken sich vielmehr auch auf ein
nicht in einem Vertragsstaat belegenes Grundstück (v. Oertzen/Seidenfus, ZEV
1996, 210, 213; Dörner FamRZ 2003, 1880). Das Abkommen schafft für die
Bestimmung des Formstatuts bei letztwilligen Verfügungen für die
Vertragsstaaten universell anwendbares Kollisionsrecht. Gemäß Art. 6 TestÜbk
setzt seine Anwendbarkeit keine Gegenseitigkeit voraus; es ist als sog. loi
uniforme ohne weitere Verknüpfung des Sachverhalts mit einem Vertragsstaat
und auch gegenüber Nichtvertragsstaaten anzuwenden (MünchKomm/Birk, aaO Rdn.
73; Erman/Hohloch, BGB 11. Aufl. Art. 26 EGBGB Rdn. 3; Palandt/Heldrich, BGB
63. Aufl. Art. 26 EGBGB Rdn. 1; Bamberger/Roth/Lorenz, BGB Art. 26 EGBGB Rdn.
2; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht 9. Aufl. § 21 III 2 a S.
1010). Das entspricht dem Ziel des Abkommens, Testamente zu begünstigen (favor
testamenti) und dem Erblasser die Möglichkeit zu geben, durch ein Testament
über seinen gesamten Nachlaß zu verfügen, ohne Gefahr zu laufen, daß es
hinsichtlich eines Teils des Nachlaßvermögens, etwa eines im Ausland
belegenen Grundstücks, formungültig ist (Kegel/Schurig, aaO; v. Schack,
DNotZ 1966, 131, 133). Eine letztwillige Verfügung ist somit auch dann
formwirksam, wenn sie zwar nicht die Formvorschriften des Lageortes, wohl
aber - wie hier - die des Heimatrechts des Erblassers einhält.
bb) Diese Rechtslage ändert freilich nichts daran, daß das eigenhändige
Testament des Erblassers in Florida möglicherweise wegen Formmangels nicht
anerkannt wird und sich daraus für die Beklagten als Erben Schwierigkeiten
ergeben können, die rechtliche Verfügungsmacht über das ererbte Grundstück
zu erlangen (vgl. zu einem solchen, international hinkenden Rechtsverhältnis
Otte, IPrax 1993, 142, 144 ff.; v. Oertzen, ZEV 1995, 167, 172; Steiner, ZEV
2003, 145, 146 und 500, 501). Wem gegenwärtig das Grundstück in Florida
zusteht und wer darüber verfügen könnte, ist in den Tatsacheninstanzen nicht
vorgetragen worden. Falls sich ergeben sollte, daß nur die Kinder des
Erblassers als dessen gesetzliche Erben Verfügungsbefugnis haben, würde sich
eine vom Erblasser nicht vorausgesehene und bedachte Situation ergeben.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß der im Testament niedergelegte
letzte Wille des Erblassers gleichwohl in Deutschland weiterhin zwischen den
Parteien verbindlich bleibt. Dem Testament läßt sich im Wege ergänzender
Auslegung entnehmen, daß die Kinder, wenn das Grundstück in Florida nicht
ohne ihre Mitwirkung verkauft werden könnte, hierzu sowie zu einer dem
Testament entsprechenden Auseinandersetzung des Nachlasses den Beklagten
gegenüber verpflichtet wären, insbesondere im Hinblick auf die Bankschulden
und den "Rest" des Veräußerungserlöses. Ein solches Untervermächtnis zu
Lasten der Kinder als Vermächtnisnehmer und zugunsten der Beklagten würde an
deren Rechtsstellung als Erben nichts ändern.
5. a) Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu Fragen einer Angleichung
widerstreitender Rechtsordnungen kommt es nicht mehr an. Wie oben bereits
dargelegt, ist dem Testament vielmehr durch Auslegung zu entnehmen, daß der
Erblasser seinen Kindern ein Vermächtnis in Höhe ihrer nach deutschem Recht
bestehenden Pflichtteilsquote an seinem ganzen Nachlaß unabhängig davon
zuwenden wollte, wo er belegen ist und ob dort ein dem deutschen Recht
vergleichbares Pflichtteilsrecht gilt. Die Auslegung geht der
Rechtsanpassung vor und richtet sich auch aus der Sicht Floridas nach
deutschem Recht, das der hier an seinem Wohnsitz testierende Erblasser
konkludent durch Bezugnahme auf die Pflichtteilsquote des deutschen Rechts
gewählt hat (Dörner, FamRZ 2003, 1880, 1881).
b) Der Klägerin steht daher selbst bei Berücksichtigung der von den
Beklagten geltend gemachten Kosten, die durch den Verkauf der Finca und die
Nachlaßpflegschaft entstanden sind, ein Vermächtnisanspruch zu, der den vom
Berufungsgericht zugesprochenen Betrag von 35.454,96 € übersteigt. Auf die
weiteren von den Revisionen aufgeworfenen Rechtsfragen kommt es somit nicht
mehr an. Der Aktivnachlaß (einschließlich des Grundstücks in Florida)
beläuft sich nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts
auf 1.268.425,62 DM; der Passivnachlaß würde 628.078,30 DM betragen, wenn
man den vom Berufungsgericht insoweit festgestellten 559.698,37 DM weiter
Nachlaßpflegschaftskosten von 36.987,93 DM und Verkaufskosten von 31.392 DM
hinzurechnen würde. Von dem sich danach ergebenden Saldo in Höhe von
640.347,32 DM stünde der Klägerin ein Sechstel, also 106.724,55 DM zu.
Darauf erhalten hat sie bereits 10.000 DM, so daß noch 96.724,55 DM
(49.454,48 €) offen wären.
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