Anspruch auf Zustimmung
zur Löschung einer negativen Bewertung bei ebay aus §§ 280 I, 241 II BGB
AG Erlangen, Urteil v.
26.5.2004 - 1 C 457/04
Fundstelle:
NJW 2004, 3720
(Eigener) Leitsatz:
Eine negative Bewertung bei ebay stellt eine
Nebenpflichtverletzung aus dem geschlossenen Kaufvertrag dar, wenn sie
unsachliche, überspitzte und mehrdeutige Meinungsäußerungen enthält.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zustimmung zur Löschung einer
negativen Bewertung beim Internetauktionshaus eBay International AG.
Die Klägerin bot unter ihrem Mitgliedsnamen "…" am 15.10.2003 bei der
Internetplattform eBay ein Buch zur Versteigerung an. Der Beklagte gab unter
seinem Mitgliedsnamen "…“ das Höchstgebot ab, so dass am 22.10.2003 ein
wirksamer Kaufvertrag über das Buch zu einem Preis von 3,-- € zustande
gekommen ist. Beide Parteien waren unter Zustimmung zu den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen von eBay zuvor als Nutzer angemeldet.
Die Bezahlung erfolgte erst mehrere Wochen nach Vertragsschluss nach
mehrmaliger Aufforderung durch die Klägerin, das Buch wurde sodann
übersandt. Alle zur Zahlung erforderlichen Daten waren bei eBay hinterlegt.
Der Beklagte bewertete noch vor Bezahlung die Klägerin mit negativ und dem
Kommentar
"Also ich und ein Freund würden hier ganz bestimmt nichts mehr kaufen, sorry!!",
was bei der Klägerin zu einem Gesamtbewertungsprofil von damals 98,5 %
positiv führte, im übrigen wies das Bewertungsprofil der Klägerin nur
positive Bewertungen auf. Mit Schreiben vom 25.12.2003 forderte die Klägerin
auf, sein Einverständnis mit der Löschung der Eintragung zu erklären, die
dieser jedoch verweigerte. Die Klägerin meint, dass der Beklagte mit der
negativen Bewertung, die falsch und sachlich nicht gerechtfertigt sei, seine
vertraglichen Pflichten zur wahrheitsgemäßen Bewertung der Leistung der
Klägerin als Verkäuferin schuldhaft verletzt habe. Somit sei der Klägerin in
voller Kenntnis der Tatsachen Schaden zugefügt worden, weil diese nun mit
einer negativen Bewertung bei ihrer zukünftigen Teilnahme an
Online-Versteigerungen bei eBay belastet sei und ihr der erfolgreiche
Verkauf von Waren dadurch erschwert werden würde.
Die Klägerin beantragt daher:
Der Beklagte wird verurteilt, der Zurücknahme der von ihm als Käufer in der
von der eBay International AG durchgeführten Transaktion mit der
Artikelnummer … abgegebenen negativen Bewertung über die in der Auktion als
Verkäuferin aufgetretene Klägerin auf dem von der eBay International AG
gestellten Formular "Antrag auf Bewertungslöschung" zuzustimmen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er erwidert, dass Ursache für die negative Bewertung der unfreundliche
Kontakt mit der Klägerin gewesen sei. Aufgrund seiner Unerfahrenheit mit
eBay und der Tatsache, dass sein PC defekt gewesen sei und er deswegen von
einem fremden PC agieren habe müssen, habe sich die Transaktion über einen
erheblichen Zeitraum hingezogen. Er habe aber einen anderen, gleichwertigen
Weg gewählt, indem er per e-mail Kontodaten und den richtigen Namen der
Klägerin erfragt habe. Bezüglich des Inhalts der Bewertung legt der Beklagte
dar, dass diese weder beleidigend sei noch das Kundtun falscher Tatsache
darstelle. Er meint, er habe das Recht, die Transaktion nach seinem
Empfinden zu bewerten, was er bezüglich der Kaufabwicklung auch getan habe.
Er behauptet, dass der rege Handel der Klägerin bei eBay durch ihn nicht
eingeschränkt sei und die Klägerin weniger verkaufe. ...
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
I. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zustimmung des Beklagten zur
Zurücknahme der negativen Bewertung gem. §§ 280, 241 Abs 2 BGB.
1. Schuldverhältnis im Sinne dieser Vorschriften ist der zwischen beiden
Parteien geschlossene Kaufvertrag. Die nach Meinung des Gerichts sachlich
nicht gerechtfertigte negative Bewertung stellt eine Nebenpflichtverletzung
dar. Mit der Registrierung als eBay-Nutzer haben sich beide Parteien sowohl
den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay als auch sich einem aus dem
Umgang mit eBay ergebenden allgemeinen Nutzungsverhalten unterworfen. Die
Abgabe von Bewertungen nach einer erfolgten Transaktion ist ein
signifikantes Merkmal der Internetplattform eBay, da dies eine wichtige
Informationsmöglichkeit über den ansonsten nicht greifbaren Vertragspartner
darstellt. Die Bewertung setzt sich zusammen einmal aus einer Beurteilung
positiv-neutral-negativ und zum anderen aus einem knappen
Bewertungskommentar. Anhand dieser Bewertung kann die Zuverlässigkeit des
Handelspartners abgelesen werden, dessen Ruf hängt davon im wesentlichen ab.
Die Bewertungen können jederzeit abgerufen werden, das Bewertungsprofil und
der Prozentsatz der positiven Bewertungen ist bei jeder Transaktion deutlich
sichtbar gemacht.
Auf der Internetseite von eBay kann unter der Rubrik "Fragen und Antworten"
zum Thema Bewertungen nachgelesen werden, dass nur faire und sachliche
Kommentare abgegeben werden sollen, wie auch in § 6 der AGB von eBay
geregelt ist, denen sich die Nutzer bei der Anmeldung unterwerfen. Dann aber
stellt die Abgabe der beschriebenen Bewertung eine vertragliche Nebenpflicht
des Geschäftes dar, deren Verletzung als Folge Schadensersatz nach § 280 BGB
nach sich zieht. Die Vorschrift betrifft sämtliche Nebenpflichten, sowohl
Leistungs- als auch Verhaltenspflichten (Palandt BGB 62.Auflage 2003, § 280
Rn.24). Ein Rückgriff auf die §§ 823, 824 BGB bedarf es daher nicht.
2. Dagegen hat der Beklagte jedoch verstoßen.
Unbestritten ist das Verhalten und die empfundene
Freundlichkeit/Nichtfreundlichkeit des Vertragspartners, hier der Klägerin
als Anbieterin, ein wichtiges Beurteilungskriterium. Sicherlich hätte die
Klägerin als Service auf die e-mail des Beklagten hin ihre Daten diesem
sofort zur Verfügung stellen können, ohne sich auf die bei eBay hinterlegten
Daten zu berufen. Dass damit eine negative Bewertung einhergehen kann, da
aus Sicht Bieters unfreundlich, vermag das Gericht nicht anzugreifen. Dies
ist jedoch nur die eine Seite. Die Bewertung besteht nämlich, wie angeführt,
auch noch aus einem Kommentar, der eine inhaltliche Darstellung der
Bewertung beinhalten, mithin fair und sachlich sein soll, was vorliegend
jedoch gerade nicht der Fall ist. Die Äußerung
"Also ich und ein Freund würden hier ganz bestimmt nichts mehr kaufen, sorry!!"
ist dermaßen allgemein gehalten und lässt für fast jede
Interpretationsmöglichkeit Raum, so z. B. dass schlechte Ware übersendet
worden wäre bis sogar anzunehmenden quasibetrügerischen Verhalten, und zwar
aus Sicht des objektiven eBay-Nutzers. Mit der bei eBay geforderten
sachlichen Bewertung hat diese streitgegenständliche nichts gemein, da
jeglicher Bezug zur Transaktion und den damit einhergehenden Problemen
fehlt. Die Beurteilung ist allein abwertend ohne jegliche sachliche
Begründung oder Bezug - ein "unfreundlich" nach einem Gedankenstrich hätte
schon genügt -, sodass die Klägerin einen Anspruch hat, dass sie aus ihrem
Bewertüngsprofil herausgenommen wird.
Der Ansicht des AG Koblenz in seinem Urteil vom 7.4.04 (Aktenzeichen 142 C
330/04), dass es sich bei der Bewertungsplattform bei eBay ausschließlich um
ein Meinungsforum handelt, kann in diesem weitgehenden Maße nicht gefolgt
werden. Es ist zwar richtig, dass hier hauptsächlich subjektive Meinungen zu
der Abwicklung des Geschäftes und zum Geschäftspartner abgegeben werden,
jedoch ergänzt um die von eBay bestimmte und vorgegebene Sachlichkeit. Erst
diese gewährleistet nämlich die von allen Nutzern gewünschte Funktion, sich
über seinen Vertragspartner ein angemessenes Bild machen zu können.
Nach Meinung des erkennenden Gerichtes kann sich deshalb der
Löschungsanspruch nicht nur auf offensichtlich unwahre Tatsachen oder auf
eine Schmähkritik beschränken, vielmehr müssen auch solche alleinigen
Meinungsäußerungen umfasst sein, die so allgemein, überspitzt und
schlagwörtlich gehalten sind, dass eine Sinnrichtung in der gerade
beschriebenen Weise und in Richtung entstellende Tatsachen möglich ist.
Liegt eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug vor, die durch das
dem Geschäft zugrunde liegenden Verhalten nicht gerechtfertigt ist, so
stellt dies eine vertragliche Nebenpflichtverletzung nach den §§ 241 Abs. 2,
280 BGB dar. Einzuschränken ist der Löschungsanspruch allerdings auf
evidente Fälle der Zuwiderhandlung gegen das Gebot der Sachlichkeit, wovon
das Gericht im streitgegenständlichen Fall ausgeht.
Ob auch die Anforderungen der §§ 823, 824 BGB erfüllt sind, brauchte
aufgrund des Vorliegens des vertraglichen Anspruches nicht entschieden
werden. Die von der Beklagtenvertreterin weiter zitierte Entscheidung des LG
Düsseldorf vom 18.2.04 (12 0 6/02) betraf ein einstweiliges
Verfügungsverfahren als summarisches Verfahren mit abweichenden
Anforderungen, im übrigen ist dort in der Bewertung ein wirklicher
sachlicher Bezug zu dem konkreten Geschäft wie hier gefordert - hergestellt.
Mangels Trennbarkeit von Einstufung und Kommentar ist die komplette
Bewertung zu löschen.
3. Der Löschungsanspruch ist im vorliegenden Fall auch nicht dadurch
ausgeschlossen, dass der Klägerin die Möglichkeit der Gegendarstellung zur
Verfügung steht. Eine solche setzt nämlich gerade regelmäßig voraus, dass
man sich gegen einen konkreten sachlichen Vorwurf in der Beurteilung wehren
kann, was jedoch mangels Vorhandensein nicht möglich war. Dass die Klägerin
von der Gegendarstellung Gebrauch und den Beklagten als "Spaßbieter"
bezeichnet hat, zeigt gerade, dass mangels bestimmten Vorwurfs ebenfalls nur
eine Pauschalbeurteilung abgegeben wurde und werden konnte. Das von eBay
propagierte Bewertungssystem kann eben nur dann funktionieren, wenn die
Vorgaben, denen sich alle Nutzer unterworfen haben, eingehalten werden.
Unsachliche, überspitzte und mehrdeutige Meinungsäußerungen müssen der
Sachlichkeit weichen, da sonst die von allen Seiten gewünschte Funktion des
Beurteilungssystems nicht gewährleistet werden kann.
4. Der Beklagte hat die Pflichtverletzung zu vertreten, eine Entlastung im
Sinne von § 280 Abs. l Satz 2 BGB gelang ihm nicht. Er hat diejenige
Sorgfalt außer Acht gelassen, die ein derartiges Geschäft erfordert. Dies
wäre für ihn auch erkennbar gewesen, hätte er sich mit den Bestimmungen und
den Hinweisen, die sich aus der Internetseite von eBay ergeben,
auseinandergesetzt.
5. Der durch die Pflichtverletzung entstandene Schaden liegt hier in den
negativen Auswirkungen der Bewertungen der Klägerin bei anderen eBay-Nutzern.
Schaden im Sinne von § 249 Abs. l BGB ist nämlich jede unfreiwillige
Einbuße, die jemand infolge eines bestimmten Ereignisses an seinen
Rechtsgütern erleidet. Gerade aber das Bewertungsprofil eines Nutzers trägt
erheblich dazu bei, ob und wie viele andere Teilnehmer mitbieten (was
wiederum sich auch auf den Preis auswirkt) und Verträge abschließen oder
nicht. Wird dieses Profil durch eine negative Bewertung beeinflusst, ist
darin selbst schon der Schaden zu sehen. Es leuchtet ein, dass bei
Vorhandensein mehrerer Anbieter der gleichen Ware derjenige einen Nachteil
hat, der mit einer (ungerechtfertigten) negativen Beurteilung, die auch noch
die benannten Interpretationsmöglichkeiten enthält, belastet ist im
Verhältnis zu nicht oder weniger belasteten Konkurrenten.
6. eBay löscht regelmäßig Bewertungen nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für
einen Verstoß gegen die AGB oder geltendes Recht vorliegen oder wenn beide
Vertragsparteien dem zustimmen, ein entsprechendes Formular ist online
bereitgestellt. Weigert sich der andere Vertragspartner, so ist er auf
Zustimmung zu verklagen.
II. ...
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