Widerruf einer Offerte
bei "ebay"-Auktionen bei vorzeitiger Beendigung der "Auktion", Bedeutung der
AGB von
"ebay"
OLG Oldenburg, Urteil vom
28. Juli 2005, Az: 8 U 93/05
Fundstelle:
NJW 2005, 2556
Amtl. Leitsatz:
Das Einstellen eines
Warenangebots auf der Webseite von eBay zwecks Durchführung einer
Online-Auktion begründet ein verbindliches Angebot. Die Wirksamkeit eines
solchen verbindlichen Angebots wird durch die nach den eBay-Grundsätzen
mögliche vorzeitige Beendigung der Auktion nicht berührt. Seine
Willenserklärung kann der Anbieter nur im Wege der Anfechtung beseitigen.
Zum Sachverhalt:
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung
eines im Rahmen einer Internetauktion geschlossenen Kaufvertrags über einen
gebrauchten Pkw.
Der Beklagte bot diesen Pkw ab dem 27. Mai 2004 auf der Website der
eBay-International AG (im folgenden: eBay) zum Verkauf an. Dem Angebot war
eine umfangreiche Produktbeschreibung beigefügt. Der Startpreis belief sich
auf 1,- €, Angebotsende war der 6. Juni 2004.
Der Beklagte beendete die Auktion vorzeitig am 3. Juni 2004. Zu diesem
Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von 4.500,50 € Meistbietender. Er
forderte unter Hinweis auf
§ 9
Ziffer 1 - 3 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay von dem
Beklagten die Lieferung des Fahrzeugs gegen einen Kaufpreis von 4.500,50 €.
Dies lehnte der Beklagte ab; mit Email vom 10. Juni 2004 teilte er dem
Kläger mit, er habe während der Laufzeit der Auktion festgestellt, dass aus
dem Getriebe des Fahrzeugs Öl austrete, weswegen er das Fahrzeug aus der
Versteigerung herausgenommen habe.
Der Kläger vertritt die Auffassung, zwischen den Parteien sei ein
Kaufvertrag zu einem Preis von 4.500,50 € zustande gekommen. Der Pkw habe
einen Zeitwert von mindestens 12.000,- € besessen. In Höhe der Differenz von
7.499,50 € verlangt er Schadensersatz wegen Nichterfüllung.
Der Beklagte vertritt unter Bezugnahme auf die so genannten
eBay-Grundsätze die Auffassung, er habe sein Angebot vorzeitig beenden
und die Gebote der Käufer streichen können. Gründe für eine zulässige
Streichung seien danach, dass die Beschaffenheit des Artikels sich
nachweislich verändert oder der Verkäufer sich beim Einstellen des Artikels
bezüglich der Beschaffenheit geirrt hat. Er behauptet, bei der Besichtigung
des Fahrzeugs durch einen potentiellen Interessenten seien zuvor nicht
bekannte Mängel, nämlich Ölverluste sowie die Durchrostung der Auspuffanlage
festgestellt worden. Außerdem habe er es irrtümlich unterlassen, auf einen
fachgerecht reparierten Unfallschaden hinzuweisen. Hilfsweise behauptet er,
der Wert des Fahrzeugs habe zum damaligen Zeitpunkt maximal 6.700,- €
betragen; er selbst habe das Fahrzeug etwa ein Jahr zuvor für 7.600,- € bei
einem Händler erworben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung
des Klägers, mit der er erneut geltend macht, zwischen den Parteien sei ein
Kaufvertrag geschlossen worden, der Beklagte müsse deshalb Schadensersatz
wegen Nichterfüllung leisten. Dieser verteidigt das angefochtene Urteil.
Angesichts der nach Beginn der Internetauktion festgestellten Beschaffenheit
des Fahrzeugs sei er zur Beendigung der Auktion nicht nur berechtigt,
sondern sogar verpflichtet gewesen. Mindestens habe er den Kaufvertrag
rechtzeitig und wirksam wegen eines Irrtums über die Beschaffenheit des Pkw
angefochten Aus den Gründen:
I .... II. Die
zulässige Berufung des Klägers ist zum Teil begründet. Der Kläger kann von
dem Beklagten gemäß den §§ 280, 281 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung
in Höhe von 2.499,50 € verlangen.
Die Parteien haben im Rahmen der von dem Beklagten initiierten
Internetauktion einen Kaufvertrag über den Pkw ... zu einem Kaufpreis von
4.500,50 € geschlossen. Der Beklagte hat das Fahrzeug zwecks Durchführung
einer Online-Auktion auf der Website von eBay eingestellt und die
Angebotsseite für die Versteigerung des Pkw freigeschaltet; darin liegt nach
der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGHZ
149, 129, 133 ff = NJW 2002, 363) die ausdrückliche Erklärung, er nehme
bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste wirksam abgegebene Kaufangebot an.
Das entspricht
§ 9
Ziffer 3 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Die
Annahmeerklärung des Klägers liegt in dem online abgegebenen Höchstgebot.
Gemäß § 9 Ziffer 3 der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay kommt mit
dem Ende der Laufzeit der Online-Auktion oder im Fall der vorzeitigen
Beendigung durch den Anbieter zwischen diesem und dem Meistbietenden ein
Kaufvertrag zustande. Allgemeine Geschäftsbedingungen für
Internetauktionen können als Auslegungsgrundlage für Erklärungen bei
Internetauktionen herangezogen werden; der Rückgriff auf derartige
allgemeine Geschäftsbedingungen lässt Schlussfolgerungen auf die
wechselseitigen Erwartungen von Anbieter und Bieter und deren gemeinsames
Verständnis über die Funktionsweise der Online-Auktion zu (vgl. BGH
a.a.O., S. 135). Danach kann nicht zweifelhaft sein, dass das Angebot des
Beklagten sich sowohl im Fall des Ablaufs der von ihm bestimmten Laufzeit
wie auch im Fall der vorzeitigen Beendigung der Online-Auktion durch ihn an
den jeweils Höchstbietenden richtete. Der Beklagte nimmt nicht für sich in
Anspruch, dass seine Erklärung anders zu verstehen sei; er hat sich
lediglich für berechtigt oder sogar verpflichtet gehalten, die Auktion
vorzeitig zu beenden. Aus dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont des
Klägers hatte die Willenserklärung des Beklagten ohnehin den in § 9 Ziffer 3
der allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay niedergelegten Inhalt.
Die Auslegung der Willenserklärung des Beklagten seitens des Landgerichts,
das davon ausgegangen ist, dessen Angebot habe sich nur an den bei Ende des
von ihm ursprünglich festgelegten Auktionszeitraums Höchstbietenden
gerichtet, ist damit nicht fehlerfrei und für den Senat nicht bindend (§§
513, 546 ZPO).
Das Angebot des Beklagten als Versteigerer war verbindlich und nicht
widerruflich. Das folgt aus § 9 Ziffer 1 der allgemeinen
Geschäftsbedingungen von eBay; dort wird die gesetzlich (§ 130 Abs. 1 S. 2
BGB) vorgesehene Möglichkeit des vorherigen oder gleichzeitigen Widerrufs
der Willenserklärung ausgeschlossen. Die Besonderheiten von
Internetauktionen erfordern die Unwiderruflichkeit der Vertragsangebote; der
Bieter wäre der Willkür des Anbieters ausgesetzt, wenn dieser es sich
jederzeit überlegen könnte, ob er ein Angebot gelten lassen will oder nicht
(vgl. KG NJW 2005, 1053; LG Berlin NJW 2004, 2831 f.). Auch die
eBay-Grundsätze
für das vorzeitige Beenden von Angeboten und das Streichen von Geboten, auf
die sich der Beklagte beruft, betonen ausdrücklich, dass alle bei eBay
eingestellten Artikel grundsätzlich verbindliche Angebote sind und dass nur
in Ausnahmefällen eine Auktion vorzeitig beendet werden darf.
Der Beklagte hat zwar die Internetauktion unter Berufung auf die
eBay-Grundsätze
vorzeitig beendet und die bis dahin abgegebenen Gebote gestrichen; das
berührt indes die Wirksamkeit seines zuvor abgegebenen Angebots nicht
(vgl. KG und LG Berlin a.a.O.; LG Coburg MMR 2005, 330 f). Die
eBay-Grundsätze nennen als Gründe dafür einen Irrtum über die Beschaffenheit
des Artikels oder die zwischenzeitliche Veränderung der Beschaffenheit.
Damit soll indes keine zusätzliche Handhabe geschaffen werden, sich auf
rechtlich nicht ohne Weiteres einzuordnende Art und Weise von der
Willenserklärung zu lösen. Nach der gesetzlichen Regelung kann der
Erklärende eine verbindliche oder nicht (mehr) widerrufliche
Willenserklärung (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB) nur im Wege der Anfechtung wieder
beseitigen. Diesen Grundsatz bestätigt § 9 Ziffer 3 der allgemeinen
Geschäftsbedingungen von eBay, indem dort festgelegt wird, dass bei
vorzeitiger Beendigung der Online-Auktion - was nur auf der Grundlage der
genannten eBay-Grundsätze geschehen kann - der Vertrag mit dem zu diesem
Zeitpunkt Höchstbietenden zustande kommt. Die in den eBay-Grundsätzen
aufgeführten Gründe für das vorzeitige Beenden von Angeboten bzw. das
Streichen von Geboten, nämlich der Irrtum über die Beschaffenheit der
Kaufsache oder deren zwischenzeitliche Veränderung, nehmen ausdrücklich auf
die Irrtumsanfechtung des § 119 BGB Bezug. Der Anbieter kann zwar aufgrund
der eBay-Grundsätze tatsächlich die Online-Auktion vorzeitig beenden; am
Bestand der von ihm abgegebenen Willenserklärung ändert diese Maßnahme
allein jedoch nichts, wenn er nicht gleichzeitig über einen Anfechtungsgrund
verfügt und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen die Anfechtung
erklärt.
Der danach von den Parteien wirksam geschlossene Kaufvertrag ist nicht
infolge der von dem Beklagten erklärten Anfechtung wegen eines
Eigenschaftsirrtums (§ 119 Abs. 2 BGB) nichtig. Der Beklagte hat zwar
unverzüglich im Sinne des § 121 BGB angefochten; er hat dem Kläger, nachdem
dieser die Erfüllung des Vertrages angemahnt hatte, eine Woche nach
vorzeitiger Beendigung der Internetauktion den Grund mitgeteilt, nämlich den
Ölverlust des Getriebes, der ihn zur vorzeitigen Beendigung der Auktion und
zum Streichen des Angebots des Klägers bewogen hat. Die Email vom 10. Juni
2004 genügt inhaltlich den nach § 143 BGB an eine Anfechtungserklärung zu
stellenden Anforderungen, weil sie erkennen lässt, dass er das Geschäft
wegen eines Willensmangels nicht gelten lassen will. Jedoch fehlt es an
einem Anfechtungsgrund im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB. Nur vorübergehende
Erscheinungen wie ein unschwer durch Reparatur zu behebender Ölverlust des
Getriebes sind keine verkehrswesentlichen Eigenschaften einer Sache. Zudem
greift hier der Vorrang der Mängelhaftung ein; das Anfechtungsrecht des
Verkäufers ist in solchen Fällen ausgeschlossen, weil er sich sonst seiner
Mängelhaftung entziehen könnte (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., §
119 Rdnr. 28).
Der Beklagte beruft sich für seine Anfechtung weiterhin auf eine Korrosion
der Auspuffanlage sowie darauf, dass er im Angebot einen fachgerecht
reparierten Unfallschaden nicht mitgeteilt habe. Diese Anfechtungsgründe hat
er erst im Prozess mitgeteilt; die Email vom 10. Juni 2004 schweigt dazu.
Gemäß § 143 BGB muss die Anfechtungserklärung erkennen lassen, auf welche
tatsächlichen Gründe die Anfechtung gestützt wird; nach Fristablauf (§ 121
BGB) kann der Anfechtungsberechtigte keine neuen Anfechtungsgründe
nachschieben (vgl. Palandt/Heinrichs a.a.O., § 143 Rdnr. 3). Die Mitteilung
weiterer Anfechtungsgründe erst im Verlauf des Rechtsstreits ist damit nicht
rechtzeitig; es kann deshalb offen bleiben, ob sie überhaupt eine Anfechtung
rechtfertigen würden.
Der Beklagte beruft sich erfolglos darauf, dass er beim Einstellen des
Fahrzeugs auf der eBay-Website ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass er
den Pkw ... als Privatperson ohne Garantie und Rückgaberecht verkaufe. Darin
mag ein gemäß den §§ 444, 475 BGB zulässiger Haftungsausschluss für
Sachmängel liegen. Vor Schadensersatzansprüchen wegen Nichterfüllung schützt
diese Klausel jedoch nicht.
Der Beklagte hat das Fahrzeug inzwischen anderweitig veräußert; er kann es
an den Kläger nicht mehr liefern. Er schuldet deshalb wegen der
Nichterfüllung der Leistungspflicht den Ausgleich des durch die
Nichterfüllung entstandenen Schadens. Der Anspruch ist auf das positive
Interesse gerichtet, d. h., der Kläger ist so zu stellen, wie er stehen
würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Es kommt
deshalb auf den Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Internetauktion (Juni
2004) an. Diesen Wert schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf 7.000,- €. Der
Beklagte selbst hat das Fahrzeug etwa ein Jahr zuvor mit Vertrag vom 10. Mai
2004 von einem Händler für 7.600,- € erworben; das ist durch die Vorlage des
Kaufvertrags vom 10. Mai 2003 belegt. Der Kläger hat mit der
Berufungserwiderung eine DAT-Schätzung vorgelegt, die einen
Händler-Einkaufswert incl. Mehrwertsteuer von 6.700,- € nennt. Nach der vom
Senat eingesehenen Schwacke-Liste 6/2004 beträgt die Einkaufsnotierung incl.
Mehrwertsteuer 7.200,- €. Mit einem Betrag von 7.000,- € ist das Fahrzeug
danach angemessen bewertet. Nach Abzug des Gebotes von 4.500,50 € ergibt
sich ein Nichterfüllungsschaden von 2.499,50 €.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
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