(Keine) Erfüllung einer Geldschuld durch Einwurf von Bargeld in den Hausbriefkasten; Geldschuld als qualifizierte Schickschuld


AG Köln, Urteil vom 29. 6. 2005 - 137 C 146/05


Fundstelle:

NJW 2006, 1600


(Eigener) Leitsatz:

Auch wenn dies dem Gläubiger angekündigt wird, tritt mit dem Einwurf von Geld in den Hausbriefkasten keine Erfüllungswirkung ein. Diese setzt voraus, die Schuldsumme tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Gläubigers gelangt ist.


Zentrale Probleme:

Gem. § 270 I hat "im Zweifel" der Schuldner Geld auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln. Da dies gem. § 270 IV BGB aber nichts daran ändert, daß Erfüllungsort der Wohnsitz des Schuldners ist (was etwa für die gerichtliche Zuständigkeit von Bedeutung ist, s. § 29 I ZPO, Art. 5 Nr. 1 EuGVO), kann man die Geldschuld auch als eine Schickschuld mit besonderer Kosten- und Gefahrtragungsregelung bezeichnen. Solche besonderen Arten von Schickschulden (wie sie etwa auch § 357 II S. 1, 2 BGB) bezeichnet man als qualifizierte Schickschulden. Da Erfüllungswirkung (§ 362 I BGB) erst eintritt, wenn der Leistungserfolg eingetreten ist, ist eine Geldschuld erst erfüllt, wenn die Geldsumme in der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Gl. ist. Dies verneint das AG hier zu recht, s. dazu auch die Anm. von Wiese NJW 2006, 1569.

©sl 2006


Zum Sachverhalt:

Im Zeitraum von Januar 2004 bis Mai 2004 stellte die Kl. der Bekl. im Wege eines Privatdarlehens mehrmals Geldbeträge zur Verfügung. Die Zahlungen der Kl. erfolgten entweder an die Bekl. direkt in bar oder die Kl. bezahlte bei Einkäufen der Bekl. für die Bekl. Die Bekl. zahlte im weiteren Verlauf einen Teilbetrag an die Kl. in bar zurück und übernahm ebenfalls die Kosten eines kleineren Einkaufs der Kl. Die Höhe des von der Bekl. noch nicht zurückgezahlten Betrags beläuft sich auf 650 Euro. Die Kl. mahnte mehrfach mündlich die Rückzahlung an und forderte die Bekl. schließlich mit E-Mail vom 21. 9. 2004 auf, ihr den Betrag bis Ende der Woche zurückzuzahlen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 1. 2. 2005 wurde die Bekl. seitens der Kl. erneut zur Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 650 Euro aufgefordert. Die Kl. behauptet, eine Rückzahlung des Darlehens sei bisher nicht erfolgt, insbesondere habe sie den von der Bekl. geschuldeten Betrag nicht in ihrem Briefkasten vorgefunden. Sie macht mit der vorliegenden Klage die Rückzahlung des Darlehensbetrags sowie den nicht anrechenbaren Teil der rechtsanwaltlichen Gebührennote des Aufforderungsschreibens geltend, wobei sie vorträgt, die Gebühr ihrer Prozessbevollmächtigten nicht ausgeglichen zu haben. Die Bekl. behauptet, dass eine Rückzahlung des streitgegenständlichen Betrags erfolgt sei. Der Betrag sei von ihr in bar in den Hausbriefkasten der Kl. eingelegt worden. Um sicher zu gehen, dass die Kl. den Geldbetrag erhält, habe sie diese zuvor per SMS über die beabsichtigte Rückzahlung benachrichtigt.

Die Klage hatte überwiegend Erfolg.

Aus den Gründen:


Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Rückerstattung des Darlehens in Höhe von 650 Euro gem. § 488 I 2 BGB. Zwischen der Kl. und der Bekl. ist ein Darlehnsvertrag zu Stande gekommen, den die Kl. mit der in ihrer E-Mail vom 21. 9. 2004 enthaltenen Aufforderung, den Betrag zurückzuzahlen, konkludend gekündigt hat. Gemäß § 488 III BGB beträgt die Kündigungsfrist drei Monate, so dass der Rückerstattungsanspruch am 21. 12. 2004 fällig war. Soweit die Klägerin vorträgt, bereits vor Absenden der E-Mail vom 21. 9. 2004 die Rückzahlung des noch ausstehenden Betrags mehrfach mündlich angemahnt zu haben, so kann dieser Vortrag nach Auffassung des Gerichts nicht als konkludente Kündigungserklärung aufgefasst werden, da nicht vorgetragen ist, wann und in welchem Zusammenhang genau diese Mahnung erfolgte und auf welchen Betrag sie sich bezog.

Der Anspruch der Kl. auf Rückerstattung des Darlehens in Höhe von 650 Euro ist nicht durch Erfüllung gem. § 362 I BGB erloschen.

Soweit die Bekl. behauptet, am 29. 11. 2004 den streitgegenständlichen Betrag in Höhe von 650 Euro in bar in den Hausbriefkasten der Kl. eingelegt zu haben, so stellt dies keine Erfüllung gem. § 362 I BGB dar. Die Bekl. ist von ihrer Leistungspflicht nicht frei geworden, da das zu übermittelnde Geld bei der Kl. nicht eingegangen ist. Gemäß § 270 I BGB hat der Schuldner Geld im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln, das heißt der Schuldner ist mit dem Risiko des Verlustes belastet. Es war Sache der Bekl., dafür Sorge zu tragen, dass der Geldbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt der Kl. gelangt.

Der Verlust beruhte auch nicht auf Gefahren, die aus der Sphäre der Kl. stammen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Hausbriefkasten - wie auch immer er ausgestaltet sein mag - keine Empfangsvorrichtung für Bargeldbeträge in dieser Größenordnung ist. Ein Briefkasten ist schon auf Grund seiner Bestimmung leicht zugänglich, zum Beispiel für Postboten oder Austrägern von Werbemitteln. Angesichts der in Briefkästen verwendeten Einwurfschlitze und der so bestehenden Möglichkeiten des Eingriffs von außen musste sich der Bekl. das Risiko eines Einwurfs des Darlehensbetrags aufdrängen.

Die Kl. hat auch keine Einwilligung dahin gehend erteilt, dass die Bekl. ihr das Eigentum an dem zu übergebenden Geld durch Einwurf in ihren Briefkasten verschaffen soll. Den Vortrag der Bekl. als wahr unterstellt, hat diese eine SMS an die Kl. geschickt und sie über den Einwurf des Betrags informiert, dies beinhaltet jedoch nicht eine Zustimmung der Kl. auf Übereignung des Geldbetrags in dieser Art und Weise. Auch in dem Vorhalten eines Briefkastens liegt keine Einwilligung, diesen zur Übermittlung von Bargeldbeträgen in der Größenordnung von 650 Euro zu nutzen. Ein Briefkasten dient dazu, Briefe, Zeitungen, Werbeprospekte etc. in Empfang zu nehmen, ist jedoch nicht zur Aufnahme von Geldbeträgen in bar gedacht.

Die Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Zahlung der nicht anrechenbaren Geschäftsgebühr in Höhe von 58,81 Euro. Ein solcher Zahlungsanspruch ergibt sich nicht aus Verzug, §§ 280, 286 BGB, da nach dem eigenen Vortrag ein Schaden der Kl. (noch) nicht entstanden ist. Die Kl. hat die betreffende Gebühr tatsächlich noch nicht ausgeglichen, so dass ihr ein Zahlungsanspruch noch nicht zusteht. Die Belastung mit einer Verbindlichkeit stellt zwar einen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar, der Belastete hat jedoch gegen den Schädiger lediglich einen Freistellungsanpruch, der sich erst dann in einen Zahlungsanspruch umwandelt, wenn der Belastete die Verbindlichkeit tatsächlich beglichen hat.