NJW 1975, 776
vgl. auch die Fallvariante bei Köhler
PdW SchuldR II Fall 5.
Zur Frage der Gefahrtragung beim sog. Konditionsgeschäft
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht zunächst
die Auslegungsfrage bei einem "Konditionsgeschäft": Zu Recht nimmt
das Gericht einen aufschiebend bedingten Kaufvertrag an, wenn der Käufer
erst dann zur Kaufpreiszahlung verpflichtet sein soll, wenn er selbst
die Sache weiterverkauft hat.
Damit stellte sich hier das Problem des §
446 BGB. Nach dieser Vorschrift trägt der Käufer, dem die Kaufsache
übergeben wurde, in Abweichung von § 323 BGB die Gefahr, beim
von keiner Seite zu vertretenden ("zufälligen") Untergang der Sache
dennoch den Kaufpreis zahlen zu müssen (sog. "Preisgefahr" oder "Gegenleistungsgefahr").
Das setzt aber einen wirksamen KAufvertrag voraus, der hier mangels Bedinungseintritts
nicht vorliegt und wegen des endgültigen Ausfalls der Bedingung auch
nicht mehr eintreten kann. Mangels einer besonderen vertraglichen Risikoübernahme
durch den "Käufer" verneint der BGH hier zu Recht den Übergang
der Preisgefahr auf den bekl. Käufer.
Nur im Falle des Bedingungseintritts, also des
Vorliegens eines Kaufvertrages nach Untergang der Sache (vgl. die Fallvariante
bei Köhler PdW SchuldR II Fall 5) kann man in einem solchen
Fall mit § 159 BGB argumentieren.
Die Klägerin - eine Textilgroßhandlung
- belieferte seit 1968 das Textileinzelhandelsgeschäft des Beklagten
mit Waren. Am 2.9.1970 nahm der Beklagte nach Absprache mit dem Inhaber
der Klägerin auch Herrenoberbekleidung, die diese kommissionsweise
für die Firma J. vertrieb, in sein Verkaufsprogramm auf. In der Folgezeit
suchte der Beklagte jeweils im Lager der Klägerin die ihm geeignet
erscheinenden Stücke, die mit einer Kontrollkarte versehen waren und
in ein für ihn geführtes Lieferscheinbuch eingetragen wurden,
aus. Verkaufte er ein Teil, so trennte er die Kontrollkarte ab und sandte
sie an die Klägerin zurück, die ihm daraufhin eine Rechnung über
den im Lieferscheinbuch vermerkten Bruttoeinkaufspreis abzüglich eines
Einzelhändlerrabatts von 35 % und zuzüglich 11 % Mehrwertsteuer
übersandte. Nicht verkaufte Stücke sandte der Beklagte nach einer
gewissen Zeit zurück; sie wurden alsdann im Lieferscheinbuch gestrichen.
Bei einem Einbruchdiebstahl am 29.4.1971 wurden
aus dem Geschäft des Beklagten u.a. auch Anzüge, die dieser von
der Klägerin erhalten hatte, entwendet. Für diese Stücke
verlangt die Klägerin im vorliegenden Verfahren als Kaufpreis einen
- der Höhe nach unstreitigen - Betrag. Sie wirft dem Beklagten zwar
kein Verschulden vor, ist aber der Ansicht, daß im Rahmen der über
jedes Stück abgeschlossenen Kaufverträge mit der Übergabe
die Preisgefahr auf den beklagten übergegangen sei. Der Beklagte
hält sich zur Zahlung deswegen nicht verpflichtet, weil er die Anzüge
lediglich in Kommission übernommen habe und der - ohnehin nicht übliche
- Abschluß einer Diebstahlversicherung nicht von ihm verlangt worden
sei.
Das LG hat der Klage entsprochen. Das Berufungsgericht
hat sie abgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen
Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das Berufungsgericht folgt der Ansicht der Klägerin, daß es sich vorliegend nicht um Kommissionsgeschäfte, sondern um Kaufverträge gehandelt habe. Diese Kaufverträge seien jedoch - und zwar als sog. Konditionsgeschäfte, wie sie im Sortimentbuchhandel üblich und auch sonst nicht ungebräuchlich seien - unter der aufschiebenden Bedingung der Weiterveräußerung durch den Beklagten abgeschlossen worden. Da während des Schwebens der Bedingung der Klägerin die Vertragserfüllung - nämlich die Eigentumsverschaffung - unmöglich geworden sei, ohne daß eine der Parteien dies zu vertreten habe, könne die Klägerin gemäß § 323 BGB den Kaufpreis nicht beanspruchen. Die Vorschrift des § 446 BGB und damit ein bereits an die Besitzverschaffung geknüpfter Übergang der Preisgefahr auf den Beklagten finde auf derartige aufschiebend bedingt abgeschlossene Kaufverträge keine Anwendung, zumal die Übergabe nicht in erster Linie der Erfüllung des jeweils noch in der Schwebe befindlichen Kaufvertrages zwischen den Parteien gedient habe, sondern erfolgt sei, um den Verkauf der Waren durch den Beklagten überhaupt zu ermöglichen.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten - jedenfalls im Ergebnis - den Angriffen der Revision stand.
1. Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, die
Parteien hätten nicht einen Kommissionsvertrag (§§ 383ff.
HGB), sondern jeweils Kaufverträge über die einzelnen Anzüge
abgeschlossen, handelt es sich um eine dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung
von Individualverträgen, die im Revisionsrechtszug nur beschränkt
nachprüfbar ist. Die Auslegung ist rechtlich möglich, im übrigen
aber auch naheliegend. Zwar haben die Parteien - beide Kaufleute - nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts am 2. 9. 1970 ihr Vertragsverhältnis
selbst als "Kommission" bezeichnet. Andererseits spricht aber schon die
Vereinbarung fester Preise - wenn auch nicht zwingend (RGZ 110, 119; BGH,
Urt.v. 30.4.1962 - II ZR 80/61= WM 1962, 812) - für das Vorliegen
von Kaufverträgen (Schlegelberger, HGB, 4. Aufl., § 383 Anm..
24). entscheidend ist jedoch, daß im vorliegenden Fall das Fehlen
jeder Weisungsbefugnis gegenüber dem Beklagten - und zwar insbesondere
hinsichtlich der Preisgestaltung - die Annahme eines Kommissionsverhältnisses
i. S. der §§ 383ff. HGB ausschließt (BGHZ 1, 75, 79ff.
= NJW 1951, 270 m. w. Nachw.).
Im Revisionsverfahren haben beide Parteien gegen
die Würdigung ihrer Vertragsbeziehungen nach kaufrechtlichen Gesichtspunkten
auch keine Einwendungen mehr erhoben. Im übrigen kommt es, wie noch
auszuführen ist, letztlich auf die Frage, ob die Klägerin Ansprüche
gegen den Beklagten als Verkäuferin oder Kommittentin geltend machen
kann, jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidend
an.
2. Das Berufungsgericht sieht in den einzelnen Kaufverträgen sogenannte "Konditionsgeschäfte" und damit zunächst nur bedingt abgeschlossene Verträge, wie sie nicht nur im Sortimentbuchhandel, sondern auch sonst im Handelsverkehr üblich seien. Dabei geht es in Übereinstimmung mit dem Schrifttum und teilweise auch der Rechtsprechung davon aus, daß die Verträge aufschiebend bedingt abgeschlossen seien (§ 158 I BGB; vgl. dazu Schmidt-Rimpler in Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts V, 1. Abt., S. 532ff.; Riezler, ebenda, 2. Abt. S. 101ff.; Staudinger-Ostler, BGB, 11. Aufl., § 433 Anm. 88; Schlegelberger, aaO, § 383 Anm. 69; Mezger in RGRK, 12. Aufl., vor § 433 Anm. 62; OLG Hamburg, Betr 1960, 1388). Auch diese Ansicht läßt im Ergebnis einen Rechtsfehler nicht erkennen.
a) Die Parteien streiten im Revisionsrechtszug
in erster Linie um die Frage, ob es sich insoweit um aufschiebend oder
auflösend bedingte Verträge gehandelt habe. Aus ihrer
Auffassung, die Kaufverträge seien durch die Rückgabe der Ware
seitens des Beklagten auflösend bedingt gewesen, will die Revision
den Schluß herleiten, daß mit dem endgültigen Wegfall
der Rückgabemöglichkeit die Klägerin nunmehr ihre Kaufpreisansprüche
als unbedingt geltend machen könne. Dem vermag der Senat nicht zu
folgen.
Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß
sich, sofern eine ausdrückliche Bestimmung fehlt, nur durch Auslegung
der beiderseitigen Willenserklärungen und Heranziehung der Interessenlage
beurteilen läßt, ob im Einzelfall eine eine aufschiebende (§158
I BGB) oder auflösende Bedingung (§ 158 II BGB) gewollt ist.
Diese Würdigung ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten
und im Revisionsrechtszug nur beschränkt nachprüfbar. Zu beachten
ist dabei, daß die sog. " Konditionsverträge" nicht nur nach
der jeweiligen Branche (Sortimentbuchhandel, Teppichhandel, Textilhandel
pp.) unterschiedlich ausgestaltet sein können, sondern das es auch
entscheidend darauf ankommt, welche Ausgestaltung die Vertragspartner im
Einzelfall ihren Vertragsbeziehungen gegeben haben.
b) Das hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt. Dabei kommt nach der gegebenen Sachlage lediglich in Betracht, ob die Kaufverträge als durch den Weiterverkauf der Ware seitens des Beklagten aufschiebend oder durch die Rückgabe an die Klägerin auflösend bedingt anzusehen sind. Die sonst bei Konditionsverträgen vergleichbarer Art bestehende dritte Möglichkeit - nämlich ein Vertragsabschluß unter der aufschiebenden Bedingung, daß der Käufer die Ware bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zurückgibt (vgl. Mezger, aaO, vor § 433 Anm. 62) - scheidet hier dewegen aus, weil sich die Vereinbarung einer derartigen, hinreichend klar bestimmten Frist nicht feststellen läßt.
c) Es kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen, ob in derartigen Zweifelsfällen allgemein eine Vermutung für die Vereinbarung einer lediglich aufschiebenden Bedingung - und zwar wegen der damit verbundenen geringeren Bindungswirkung - spricht (vgl. dazu Staudinger-Coing, aaO, §158 Anm. 3; Knoopp bei Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., § 158 Anm. 2; Steffen in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 158 Anm. 2). Jedenfalls legt in einem Fall wie dem vorliegenden die dem § 495 I 2 BGB vergleichbare Interessenlage die Annahme einer lediglich aufschiebenden Bedingung nahe (vgl. dazu auch Staudinger-Ostler, BGB, 11. Aufl., § 433 Anm. 88). Wie bei einem Kauf auf Probe der Käufer die Billigung des gekauften Gegenstandes nach seinem Belieben erklären kann, so stand es auch hier dem Beklagten völlig frei, die Anzüge nach seinem Belieben und ohne Abgabe von Gründen zurückzugeben. Jedenfalls in einem derartigen Fall entspricht die Annahme eines lediglich aufschiebend bedingten Vertragsabschlusses mit seiner für den Käufer geringeren Bindung dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien.
d) Soweit die Revision ihre gegenteilige Auffassung darauf stützt, der Beklagte habe hier - anders als in den üblichen Fällen der Konditionsgeschäfte im Buchhandel - grundsätzlich alle übernommenen Stücke kaufen und sich nur die Möglichkeit offenhalten wollen, einzelne unverkäufliche Stücke zurückzugeben, findet diese Ansicht in dem Sachverhalt keine Stütze. Wie aus dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Lieferscheinbuch ersichtlich ist, überstieg die Zahl der (blau angestrichenen) zurückgegebenen Stücke die der verkauften, rot gekennzeichneten Waren um ein Vielfaches. Dabei entstehen entgegen der Ansicht der Revision keine Bedenken, aus der Art, wie die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien tatsächlich abgewickelt worden sind. Rückschlüsse darauf zu ziehen, von welchen Vorstellungen sie bei Vertragsabschluß ausgegangen sind. Das von der Revision im übrigen zur Stützung ihrer Ansicht angezogene Urteil des OLG Karlsruhe (Betr. 1971, 1410 = BB 1971, 1123) betrifft insoweit einen anderen Sachverhalt, als dort die Rückgabe der zur Auswahl erhaltenen Teppiche bis zu einem bestimmten, vertraglich vereinbarten Zeitpunkt als auflösende Bedingung angesehen ist, eine zeitliche Bindung also, die hier gerade nicht vorliegt.
3. Hatte somit der Beklagte die Anzüge nur
unter der aufschiebenden Bedingung der Weiterveräußerung gekauft,
so entfiel, nachdem die Waren bei dem Beklagten gestohlen waren und damit
im Hinblick auf die erfolglos gebliebenen strafrechtlichen Ermittlungen
die Bedingung endgültig ausgefallen war, mit dem Kaufvertrag auch
der hier im Streit befindliche Kaufpreisanpruch der Klägerin (vgl.
dazu Staudinger-Ostler, aaO, § 446 Anm. 22; Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht,
15. Aufl., § 103 III 1; Larenz, Schuldrecht II, 10. Aufl., S. 77ff.).
Für eine Heranziehung des § 446 BGB - und das hat das Berufungsgericht
verkannt - ist damit schon dewegen kein Raum, weil der Übergang der
Preisgefahr mit der Übergabe auf den Käufer einen wirksam zustande
gekommenen Kaufvertrag und einen ursprünglich rechtswirksamen Kaufpreisanspruch
des Verkäufers voraussetzt.
Aus dem gleichen Grunde geht auch der Hinweis
des Berufungsgerichts auf § 159 BGB fehl. Eine vertraglich vereinbarte
Rückbeziehung der an den Bedingungseintritt geknüpften Rechtsfolgen
auf einen früheren Zeitpunkt - hier der Übergang der Preisgefahr
auf den Zeitpunkt der jeweiligen Übergabe an den Beklagten - käme
überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Bedingung tatsächlich
eingetreten wäre, was hier endgültig nicht der Fall ist.
Das schließt allerdings nicht aus, daß
die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB) in einem solchen
Fall hätten vereinbaren können, der Käufer solle trotz Ausfalls
der Bedingung zur Bezahlung der ihm übergebenen Kaufsachen verpflichtet
bleiben, auch wenn die Sachen ihm ohne sein Verschulden entzogen würden
(vgl. dazu Ballerstedt bei Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., § 446
Anm. 8; auch Mezger, aaO, § 446 Anm. 4). Dazu fehlt es jedoch im vorliegenden
Fall ebenso an Anhaltspunkten wie für die an sich gegebenen Möglichkeiten,
in derartigen Fällen auflösend bedingte Kaufverträge abzuschließen.
Soweit schließlich die Revision meint, der
Kläger habe immerhin aufgrund eines ihm zustehenden Anwartschaftsrecht
den Besitz an der Sache erlangt und sie in seinen Gefahrenbereich übernommen,
verkennt sie, daß mit dem endgültigen Ausfall der Bedingung
dieses Anwartschaftsrecht gegenstandslos geworden war.
4. Der zufällige, unstreitig vom Beklagten
nicht verschuldete Untergang der Sachen geht mithin zu Lasten der Klägerin
( so auch Schmidt-Rimpler, aaO, S. 533; Riezler, aaO, S. 103). Die Sachlage
ist somit nicht anders, als wenn die Parteien im vorliegenden Fall einen
Kommissionsvertrag oder Kaufverträge mit Rücktrittsvorbehalt
abgeschlossen hätten (§ 390 I HGB; § 350 BGB). Der Klägerin
als Verkäuferin wird insoweit schon deswegen kein unzumutbares Risiko
aufgebürdet, weil sie sich selbst gegen einen derartigen Verlust versicherungsmäßig
hätte schützen können oder, sofern dies wegen der Schwankungen
in dem hier in Betracht kommenden Warenbestand auf Schwierigkeiten stieß,
für eine Diebstahlversicherung durch den Beklagten - wie es bei dem
in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend gleichgelagerten Kommissionsgeschäft
ausdrücklich vorgesehen ist (§ 390 II HGB) - hätte Sorge
tragen können.