NJW 1984, 183
Zur Gesamtproblematik vgl. Schwarz/Ernst
NJW 1997, 2550 ff
1. Der Besitzer eines Parkplatzes kann sich
sofort nach Entziehung des Besitzes durch Abschleppen des rechtswidrig
abgestellten Fahrzeugs wieder des Besitzes bemächtigen.
2. Von der nach § 859 III BGB geforderten
'sofortigen' Besitzkehr kann auch dann gesprochen werden, wenn der Pkw
erst etwa vier Stunden nach dem Abstellen abgeschleppt wird und die Motorhaube
bereits abgekühlt ist.
Die Kl. begehrt Schadensersatz in Höhe von
1468,82 DM, weil der Bekl. am 20. 5. 1982 gegen 0.15 Uhr ihren Wagen von
seinem Parkplatz auf dem Parkoberdeck des Hauses M. abschleppen ließ.
Die Kl. hatte den Wagen am 19. 5. 1982 gegen 20 Uhr auf dem Parkplatz des
Bekl. abgestellt, am Morgen des 20. 5. 1982 Diebstahlsanzeige beim 10.
Polizeirevier in der G-Straße erstattet und erst am 28. 6. 1982 in
der L-Straße wiedergefunden, wohin der Wagen abgeschleppt worden
war.
Das AG hat der Klage in Höhe von 792 DM stattgegeben.
Die hiergegen gerichtete Berufung des Bekl. hatte
Erfolg, die Anschlußberufung des Kl. wurde zurückgewiesen.
Aus den Gründen:
... Die Kl. kann von dem Bekl. keinen Schadensersatz
gem. § 823 I BGB verlangen, da der Bekl. in berechtigter Weise
ihren Pkw von seinem Parkplatz hat abschleppen lassen. Der Bekl. hat nicht
widerrechtlich gehandelt, da er sich der rechtswidrigen Störung seines
Besitzes an dem Parkplatz und der verbotenen Eigenmacht ( § 858 BGB)
der Kl. dadurch erwehren konnte, daß er den Wagen der Kl. abschleppen
ließ. In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber,
daß auf die Fälle vorliegender Art § 859 III BGB Anwendung
findet, wonach der Besitzer des Parkplatzes als Besitzer eines Grundstückteiles
sich sofort nach Entziehung des Besitzes durch Entsetzung des Täters
durch Abschleppen des rechtswidrig abgestellten Fahrzeuges wieder des Besitzes
bemächtigen kann. Dies räumt die Kl. unter Bezugnahme auf das
Referat von Jung (21. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1983, Arbeitskreis
VI - Abschleppen von Kraftfahrzeugen) auch selbst ein. Soweit sie in diesem
Zusammenhang allerdings die Ansicht vertritt, daß von der nach
§ 859 III BGB geforderten 'sofortigen' Besitzkehr dann nicht mehr
gesprochen werden könne, wenn der Wagen erst etwa vier Stunden nach
dem Abstellen abgeschleppt werde und die Motorhaube bereits abgekühlt
gewesen sei, vermag die Kammer dem nicht zu folgen.
'Sofort' ist dahingehend auszulegen, daß
die Besitzkehr so schnell wie nach objektiven Maßstäben möglich
zu erfolgen habe ohne Rücksicht auf die subjektive Kenntnis der Entziehung
(vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 42. Aufl. (1983), § 859 Anm. 3b; Staudinger-Bund,
BGB, 12. Aufl. (1982), § 859 Rdnr. 17). Dies bedeutet nach einhelliger
Ansicht in Rechtsprechung und Literatur aber nicht, wie die Kl. meint,
daß die Entsetzung des Täters augenblicklich nach der Besitzentziehung
und so lange die Motorhaube noch warm ist, erfolgen müsse (vgl. Staudinger-Bund,
§ 859 Rdnr. 17). Vielmehr dürfen keine übertrieben strengen
Anforderungen gestellt werden, sondern es ist eine am Zweck der Norm ausgerichtete
interessengerechte Auslegung vorzunehmen, wobei zu berücksichtigen
ist, daß der Besitzer des Parkplatzes, wenn er seinen Platz besetzt
findet, meist nicht feststellen kann, wann das Fahrzeug abgestellt wurde
und wie lange es dort schon steht. Bereits aus der Entstehungsgeschichte
des § 859 III BGB ergibt sich, daß nach dem Willen des
Gesetzgebers 'sofort' nicht im Sinne von augenblicklichem bzw. blitzschnellem
Handeln verstanden werden darf, da bei einer so engen Auslegung das Wiederbemächtigungsrecht
in seiner Wirksamkeit zu weit beeinträchtigt würde (vgl. Prot.
III 39, 40). Es ist daher gleichermaßen in Rechtsprechung und Literatur
anerkannt, daß eine Entsetzung des Besitzstörers 'noch am gleichen
Tag' oder 'noch am gleichen Abend', aber auch 'noch am folgenden Tag' als
in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Besitzstörung und
damit als sofort i. S. des § 859 III BGB angesehen werden muß
(vgl. RG, GA 51, 191: noch an demselben Nachmittag des Tages; OLG Karlsruhe,
OLGZ 1978, 206 (207): noch am gleichen Abend; der Mieter handelt noch 'sofort',
wenn er sich einen Tag nach der gewaltsamen Entziehung der Wohnung wieder
bemächtigt, vgl. RG, SeuffBl 68, 145; Haase, in: MünchKomm, §
859 Rdnr. 24; Staudinger-Bund, § 859 Rdnr. 17). Da der Bekl. unstreitig
nur wenige Stunden nach dem Abstellen des Wagens der Kl. zu dem Parkplatz
kam und nach einer ihm zuzubilligenden Informations-, Überlegungs-
und Vorbereitungszeit (vgl. Prot. III, 39, 40; Palandt-Bassenge, §
859 Anm. 3; BGH, NJW 1967, 46 (48)) noch am gleichen Abend unverweilt zur
Entsetzung der Kl. aus seinem Besitz schritt, hat er sofort i. S. des
§ 859 III BGB gehandelt.
Die Kl. kann sich auch nicht darauf berufen, daß
der Bekl. widerrechtlich gehandelt habe, weil er bei dem Abschleppen über
das zur Abwehr der Besitzstörung gebotene Maß hinausgegangen
sei. Ein Abstellen auf einen anderen Parkplatz auf dem Parkoberdeck war
nicht zu verlangen, da dadurch möglicherweise wiederum eine verbotene
Eigenmacht gegenüber anderen Parkplatzbesitzern begangen worden wäre
und der Bekl. nicht wissen konnte, welche anderen Parkplätze auf dem
Parkoberdeck unvermietet waren bzw. unbelegt bleiben würden. Dem Bekl.
kann auch nicht vorgeworfen werden, daß er den Wagen in die Nähe
des zuständigen 10. Polizeireviers abschleppen ließ und nicht
in unmittelbarer Nähe des Parkplatzes im öffentlichen Verkehrsraum
abstellte. Der Bekl. hat hierzu vorgetragen, daß dies wegen der Parkplatznot
im gesamten Wohnbereich M. und dem Umstand, daß bekanntermaßen
gerade dort viele Wagen aufgebrochen und gestohlen würden, nicht möglich
bzw. angezeigt gewesen sei. Da der Bekl. im Rahmen seiner Schadensgeringhaltungspflicht
aber auch gehalten war, für einen möglichst sicheren Abstellplatz
Sorge zu tragen, kann nicht beanstandet werden, daß er den Wagen
auf Anraten des Abschleppunternehmers und der Polizei in der Nähe
des Polizeireviers abstellen ließ.
Dem Bekl. kann schließlich auch nicht vorgeworfen
werden, daß er schuldhaft seine aus § 242 BGB sich ergebende
Pflicht zur Ergreifung zumutbarer Maßnahmen zur Schadensgeringhaltung
(vgl. Palandt-Bassenge, § 859 Anm. 2) im Rahmen des § 859
BGB verletzt habe. Eine besondere Information des zur Nachtzeit nicht erreichbaren
Hausmeisters am nächsten Tag über den Abschleppvorgang war nicht
geboten, da der Bekl. seinerseits davon ausgehen durfte, daß die
Kl. von der Polizei entsprechend darüber informiert werden würde
oder ihrerseits beim Hausmeister nachfragen würde, wer Mieter oder
Eigentümer des Parkplatzes sei, auf dem sie ihr Fahrzeug abgestellt
hatte.