Begriff der Unmöglichkeit: Physische Unmöglichkeit (Vertrag über den Einsatz magischer Kräfte)

LG Kassel, Urteil v. 14.03.1985


Fundstelle:

NJW 1985, 1642



Leitsatz:

Ein Vertrag, in welchem sich eine Partei zum Einsatz "parapsychologischer Kräfte" zur Zusammenführung eines getrennten Paares verpflichtet, ist nach § 306 BGB nichtig.



Sachverhalt:

Die Kl. begehrt von der Bekl. die Rückzahlung eines Betrages von 3000 DM, den die Kl. der Bekl. dafür gezahlt hatte, daß diese ihr helfen sollte, auf parapsychologischer Grundlage ein Partnerschaftsproblem zu lösen, nämlich einen anderen Mann, zu dem sie enge Beziehungen unterhalten, der sich aber von ihr abgewandt hatte, wieder mit ihr zusammenzuführen. Die Bekl. wurde zu Rate gezogen, nachdem die Kl. aus Frauenzeitschriften von der erfolgreichen Tätigkeit der Bekl., Partnerschaftsprobleme auf parapsychologischer Grundlage zu lösen, gelesen hatte. Die Bekl. hat der Kl. den Erfolg ihrer Tätigkeit innerhalb eines Zeitraumes von 8 bis 13 Wochen garantiert, ihren ehemaligen Partner mental so zu beeinflussen, daß er zu ihr zurückkehren werde und dabei die Aufnahme ihrer Tätigkeit von einer Zahlung von 3000 DM abhängig gemacht. Die Kl. wurde wiederholt alsdann von der Bekl. vertröstet, den Ablauf der 13. Woche abzuwarten. Als auch nach diesem Zeitraum der Partner sich ihr nicht wieder zugewandt hatte, hat ihr die Bekl. am Telefon erklärt, daß sie die Lösung der gestörten Partnerbeziehung der Kl. für besonders schwierig halte und deshalb Nacharbeiten ihrerseits geleistet werden müßten, diese jedoch davon abhängig seien, daß ein weiterer Betrag von 3000 DM zuvor von der Kl. gezahlt werde. Diesen hat sie daraufhin nicht gezahlt.Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

Die Klageforderung von 3000 DM ist aus  § 812 I 1 Alt. 1 BGB begründet. Die Bekl. ist durch Leistung der Kl. um 3000 DM bereichert, denn die Kl. hat 3000 DM im voraus als Gegenleistung für die von der Bekl. zu erbringende Vertragsleistung gezahlt. Die Kl. hat jedoch die Zahlung ohne Rechtsgrund i. S. des  § 812 BGB erbracht, weil der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nach  § 306 BGB nichtig ist.
Die von der Bekl. geschuldete Leistung war ... von Anfang an objektiv unmöglich, weil niemand den Freund der Kl. ohne Kontaktaufnahme allein durch eine mentale Beeinflussung über eine große Entfernung hinweg zur Kl. zurückführen kann. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob hier ein Werk- oder Dienstvertrag vorliegt. Selbst wenn man zugunsten der Bekl. annimmt, bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag handele es sich um einen Dienstvertrag, ist die von der Bekl. geschuldete Leistung unmöglich. Nach dem Inhalt des Dienstvertrages war nämlich die Bekl. verpflichtet, sich zu bemühen, der Kl. ihren Freund durch geeignete mentale Mittel zurückzubringen. Da die von der Bekl. behaupteten magischen Kräfte nicht existieren, mithin die Bekl. den Freund der Kl. nicht durch magische Kräfte zu einer Rückkehr veranlassen konnte, ist die von der Bekl. geschuldete Leistung objektiv unmöglich. Zwar ist die Unmöglichkeit der Leistung zwischen den Parteien streitig. Eine Beweisaufnahme hierüber war jedoch nicht erforderlich, weil die Unmöglichkeit der Leistung der Bekl. offenkundig ist ( § 291 ZPO).
Eine Tatsache ist nämlich offenkundig, wenn sie einem größeren Kreis von Personen allgemein bekannt ist. Dies ist hier der Fall, da in der Bevölkerung die Meinung vorherrscht, daß die von der Bekl. behaupteten magischen Kräfte nicht existieren. So hat die von der Bekl. in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung, sie habe auch schon Personen totgehext, nicht etwa zu einer Beunruhigung in der Bevölkerung geführt, weil niemand ernstlich an die magischen Kräfte der Bekl. glaubt. Die von der Bekl. behaupteten magischen Kräfte sind nicht beweisbar; sie gehören lediglich dem Glauben oder Aberglauben, der Vorstellung oder dem Wahne an (vgl. auch RGSt 33, 321).
Selbst wenn man unterstellt, die Unmöglichkeit der von der Bekl. geschuldeten Leistung sei nicht offenkundig, so tritt insoweit zumindest eine Umkehr der Beweislast ein. Wer sich auf parapsychologische Tatsachen beruft, deren Existenz jeglicher Lebenserfahrung widerspricht und deren Existenz auch durch naturwissenschaftliche Forschungen bislang nicht nachgewiesen werden konnte, den trifft die Beweislast für diese Tatsachen. Es ist nicht Aufgabe eines Skeptikers, jede absurde Behauptung zu widerlegen (vgl. auch Wimmer, NJW 1979, 589). Insoweit kann die Bekl. nicht beweisen, daß sie die von ihr geschuldete Leistung erbringen kann. Bereits die Tatsache, daß ihre angebliche Tätigkeit für die Kl. erfolglos war, stützt die in der Bevölkerung vorherrschende Auffassung, daß es die von ihr behaupteten magischen Kräfte nicht gibt. Der Bekl. steht zum Beweis der Möglichkeit der ihr obliegenden Leistung auch kein geeignetes Beweismittel zur Verfügung, denn die Einholung eines parapsychologischen Sachverständigengutachtens kommt nicht in Betracht. Ein parapsychologisches Sachverständigengutachten ist nämlich kein geeignetes Beweismittel im Sinne der Prozeßordnung, weil parapsychologisches Gutachten von der Naturwissenschaft nicht als allgemeingültige und gesicherte Erkenntnisse anerkannt sind (vgl. BGH, NJW 1978, 1207). Es ist deshalb davon auszugehen, daß sich die Bekl. zu einer objektiv unmöglichen Leistung verpflichtet hat. Dies hat gem.  § 306 BGB die Nichtigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages zur Folge. Die Kl. hat deshalb die 3000 DM an die Bekl. ohne Rechtsgrund gezahlt.
Damit kann die Kl. die Rückzahlung der 3000 DM fordern. Dem Rückzahlungsanspruch der Kl. steht nicht  § 814 BGB entgegen, weil die Kl. die 3000 DM nicht in Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes an die Bekl. gezahlt hat. Die Kl. hatte bei der Zahlung der 3000 DM vielmehr die Vorstellung, daß die Bekl. zur Erfüllung des Vertrages in der Lage sei und den Vertrag erfüllen werde, so daß ihr der Grund für die Nichtigkeit des Vertrages verborgen blieb. Zwar kannte die Kl. alle Tatsachen, die hier letztlich zu einer Nichtigkeit des Vertrages führten. Sie hat jedoch nicht die Schlußfolgerung gezogen, daß die der Bekl. obliegende Leistung unmöglich sei. Dies ist unschädlich, denn nach  § 814 BGB ist ein Rückzahlungsanspruch nur ausgeschlossen, wenn der Bereicherungsgläubiger den fehlenden Rechtsgrund positiv kannte. Eine grob fahrlässige Unkenntnis schadet nicht. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob die Kl. bei gehöriger Sorgfalt die Unmöglichkeit der Leistung der Bekl. hätte erkennen müssen.
Die Rückforderung der 3000 DM ist auch nicht nach
 § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, denn die Nichtigkeit des Vertrages beruht nicht auf der Sittenwidrigkeit des Vertragsinhaltes, sondern auf einer objektiven Unmöglichkeit der Leistung der Bekl. Die Verpflichtung zu einer objektiv unmöglichen Leistung kann hier aber schon deshalb nicht zugleich sittenwidrig sein, weil sich die eventuelle Sittenwidrigkeit des Vertragsinhaltes nicht aus dem Verhältnis der Parteien zueinander, sondern allenfalls aus dem Verhältnis zu einem Dritten, nämlich dem Freund der Kl., ergeben kann. Da die Sittenwidrigkeit des Vertrages nach  § 138 BGB objektiv festzustellen ist, würde die Sittenwidrigkeit des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages voraussetzen, daß durch den Vertrag die Interessen des Freundes der Kl. ernstlich tangiert werden könnten. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Ob allein eine verwerfliche oder sittenwidrige Gesinnung der Kl. einen Bereicherungsausgleich nach  § 817 S. 2 BGB ausschließen kann, kann dahinstehen, denn auch eine sittenwidrige Absicht der Kl. kann nicht festgestellt werden. 



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