Auch die Zweckbestimmung einer Leistung, die der Zuwendende, obgleich er sie entweder als Bürge oder als Dritter bewirken konnte, ohne Zweckbestimmung bewirkt hat, richtet sich nicht nach seinem inneren Willen, sondern danach, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt (Anschluß an BGHZ 40, 272 = NJW 1964, 399; BGHZ 72, 246 = NJW 1979, 157).
NJW 1986, 251
LM § 267 BGB Nr. 7
MDR 1986, 229
DB 1986, 376
WM 1985, 1449
ZIP 1985, 1465
Die bekl. Bank hatte dem Kl. einen Kontokorrentkredit in Höhe von 475000 DM eingeräumt, Dr. B durch Bürgschaftsvertrag sich ihr gegenüber verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des Kl. aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung bis zu diesem Höchstbetrage zuzüglich Zinsen, Provisionen, Spesen und Kosten einzustehen (§ 765 I BGB). Den Kredit einschließlich Zinsen hatte der Kl. am 1. 12. 1980 in Höhe von 536877,36 DM in Anspruch genommen. Dr. B befriedigte die Bekl. wegen ihrer Forderung auf Rückzahlung dieses Kredits dadurch, daß er einen ihm von ihr ohne Besicherung in derselben Höhe eingeräumten Zwischenfinanzierungskredit in Anspruch nahm und damit das Konto des Kl. ausglich. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig ist, ob Dr. B die Leistung als Bürge in Erfüllung seiner Bürgschaftschuld bewirkt hat mit der Folge, daß die Forderung der Bekl. gegen den Kl. nicht erlosch, sondern nach § 774 I 1 BGB auf ihn überging, oder sie als Dritter i. S. von § 267 I BGB bewirkt hat mit der Folge, daß das Schuldverhältnis zwischen dem Kl. und der Bekl. nach § 362 I BGB erlosch. Nur im ersten Falle kann Dr. B die kraft Gesetzes entstandene Rückgriffsforderung erworben haben, die er am 10. 9. 1981 an die Bekl. abtrat und die sie für sich beansprucht. Der Kl. nimmt die bekl. Bank auf Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde sowie auf Ersatz von Avalzinsen in Anspruch. Die Bekl. verlangt von ihm im Wege der Widerklage aufgrund abgetretenen Rechts die Rückzahlung eines Kredits. Das LG wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Die Berufung des Kl. hatte Erfolg. Die Revision der bekl. Bank führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
... II. Das BerGer. bejaht den zweiten Fall und
hält deshalb die Klage für begründet, die Widerklage für
nicht begründet. Dazu führt es aus: Eine Gesamtwürdigung
aller Umstände ergebe, daß Dr. B durch seine Leistung eine Schuld
der I-GmbH gegenüber dem Kl. habe tilgen wollen, indem er dessen Verbindlichkeit
gegenüber der Bekl., die dabei die Funktion einer von ihm angegebenen
Zahlstelle gehabt habe, erfüllte. Maßgebend dafür, ob er
als Bürge geleistet oder die Verbindlichkeit der I-GmbH gegenüber
dem Kl. erfüllt habe, sei nicht die Sicht eines objektiven, mit der
Sachlage vertrauten Dritten oder die der Bekl. Zwar werde bei rechtlichen
Dreiecksbeziehungen, insbesondere im Bereicherungsrecht, oft auf den Empfängerhorizont
abgestellt, mithin darauf, als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver
Betrachtungsweise aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstelle.
Diese Auffassung verfolge das Ziel, die Einheitlichkeit des Gewinn und
Verlust begründenden Bereicherungsvorgangs bei Dreiecksbeziehungen
herzustellen. Maßgebend im Rahmen des § 774 BGB, auf den die
Bekl. sich stütze, seien, wie der Regelungsgehalt der Vorschrift ergebe,
jedoch Wille und Motiv des Leistenden, hier des Dr. B. § 774 I 1 BGB
normiere einen gesetzlichen Übergang der Forderung des Gläubigers
gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen. Dadurch allein würden
weder Rechtspositionen des Gläubigers noch solche des Hauptschuldners
berührt. Für den Gläubiger sei es ohne Belang, ob er Leistungen
erhalte, weil jemand als Bürge an ihn zahle oder weil er als Dritter
die geschuldete Leistung bewirken wolle. Der Gläubiger sei durch die
Regelung des § 774 I 2 BGB geschützt, daß der Übergang
der Forderung nicht zu seinem Nachteil geltend gemacht werden könne.
Das Verhältnis zum Hauptschuldner sei für die Frage, ob jemand
als Bürge leiste oder nicht, gleichermaßen ohne Bedeutung. Denn
Einwendungen des Hauptschuldners aus einem zwischen ihm und dem Bürgen
bestehenden Rechtsverhältnis blieben durch den gesetzlichen Forderungsübergang
unberührt (§ 774 I 3 BGB). Somit wirke es sich allein auf die
Rechtsstellung der Person des Bürgen aus, ob er als solcher oder,
wie hier für die I-GmbH, als i. S. des § 267 BGB Dritter leiste.
Deshalb seien allein seine Motivation und Willensrichtung maßgebend.
Davon habe es im vorliegenden Fall abgehangen, ob Dr. B einen Ausgleichsanspruch
gegen den Kl. (§ 774 BGB) oder gegen die I-GmbH (§ 812 I-GmbHrhalten
habe. Stelle man auf das ab, was Dr. B Anfang Dezember 1980 durch die Übernahme
der 536877,36 DM wirklich bezweckt habe, so zeige sich, daß er auf
diesem Wege - wie das BerGer. in Auslegung der Angaben einer Strafanzeige
des Dr. B vom 14. 5. 1983, der an ihn gerichteten Schreiben des Kl. und
des Schriftwechsels zwischen ihm und der Bekl. ausführt - die Verbindlichkeit
der I-GmbH gegenüber dem Kl. habe ablösen wollen. Es sei nicht
gehalten, den Direktor F und den Prokuristen G der Bekl., wie von ihr beantragt,
als Zeugen darüber zu hören, daß ausschließlich davon
gesprochen worden sei, Dr. B solle aufgrund seiner Bürgschaft an die
Bekl. leisten, und diese Leistung Ende 1981 ausdrücklich bestätigt
habe. Die in das Wissen dieser Zeugen gestellten Indizien seien so schwach,
daß sie nicht geeignet seien, die Überzeugungsbildung des Senats
zu beeinflussen.
III. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des
BGH (BGHZ 40, 272 (277) = NJW 1964, 399; BGHZ 72, 246 (248) = NJW 1979,
157 m. w. Nachw.) ist unter einer Leistung i. S. des § 812 I BGB eine
bewußte und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu
verstehen und richtet sich die Zweckbestimmung, wenn die Zweckvorstellungen
des Zuwendenden und des Zuwendungsempfängers auseinander fallen, nicht
nach dem inneren Willen des Zuwendenden. Maßgebend ist vielmehr,
als wessen Leistung sich die Zuwendung bei objektiver Betrachtungsweise
aus der Sicht des Zuwendungsempfängers darstellt. Diese Grundsätze
sind nicht auf das Gebiet des Bereicherungsrechts beschränkt (vgl.
Keller, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 267 Rdnrn. 5, 6; Palandt-Heinrichs,
BGB, 44. Aufl., § 267 Anm. 3b). Sie gelten, weil die Problematik insoweit
dieselbe ist, vielmehr auch für die Beurteilung einer Leistung, wenn
der Zuwendende sie als Bürge oder als Dritter bewirken konnte und
gegenüber dem Zuwendungsempfänger eine Zweckbestimmung unterlassen
hat. Die Ansicht des BerGer., in einem solchen Falle wirke es sich allein
auf die Rechtsstellung der Person des Bürgen aus, ob er als solcher
oder als i. S. des § 267 BGB Dritter leiste, und deshalb seien allein
seine Motivation und seine Willensrichtung maßgebend, hält der
Überprüfung nicht stand. Entgegen dieser Ansicht können
durch eine solche Leistung, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, auch
die Rechtspositionen des Gläubigers und des Hauptschuldners berührt
werden: Der Bürge Dr. B hat seine Leistung, wirtschaftlich gesehen,
nicht mit eigenen, sondern mit Mitteln bewirkt, die ihm die Bekl. ohne
Besicherung zur Verfügung gestellt hatte. Auch das BerGer. verkennt
nicht, daß sie der Bekl. als Bürgenleistung erscheinen mußte.
Durch eine solche Leistung erlosch die Forderung der Bekl. nicht, sondern
ging mit den für sie bestehenden Nebenrechten auf den Bürgen
über (§§ 774 I 1, 412, 401 I BGB), von dem sie, wie geschehen,
ihr wieder abgetreten werden konnte. Leistete Dr. B dagegen als Dritter,
erlosch das Schuldverhältnis und wurden die für die Bekl. bestellten
Sicherheiten frei, hätte sie also durch ihre Finanzierung der Leistung
erreicht, daß sie statt der besicherten Forderung gegen den Kl. nur
noch eine nicht gesicherte Forderung gegen Dr. B besaß, auf den die
Forderung gegen den Kl. als Hauptschuldner nicht übergegangen war.
Es kommt deshalb auch im vorliegenden Falle darauf an, als wessen Leistung
sich die Zuwendung des Dr. B bei objektiver Betrachtungsweise aus der Sicht
des Zuwendungsempfängers darstellt. Das hat das BerGer. verkannt.
Die Zurückverweisung gibt ihm Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen
zu treffen.