Rechtsgeschäftlicher Charakter der Duldungsvollmacht: Keine Duldungsvollmacht für eine GmbH, wenn das Verhalten des (scheinbaren) Vertreters nicht von allen gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern geduldet wird BGH, Urteil v. 16.11.1987 - II ZR 92/87 (Hamburg) Fundstelle:
NJW 1988, 1199 Amtlicher Leitsatz:
Zur Frage Zum Sachverhalt: Durch Vertrag vom 16. 12. 1983 gewährte der Kl. ein Darlehen von 250000 DM an die Bekl. zu 1, eine GmbH, deren gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer bei Vertragsschluß der Bekl. zu 2 und der Kaufmann J waren. Nach dem Tode des Kaufmanns J Anfang Januar 1985 war der Bekl. zu 2 alleinvertretungsberechtigt. Die Urkunde über den Darlehensvertrag und die vereinbarungsgemäß von der Bekl. zu 1 am 16. 12. 1983 und 16. 12. 1984 begebenen Wechsel hat der Bekl. zu 2 allein unterschrieben. Der vom Kl. zum 16. 12. 1985 ausgesprochenen Kündigung des Darlehensvertrages hat der Bekl. zu 2 widersprochen. Nachdem er im Rahmen der von dem Kl. erhobenen Wechselklage mit Schriftsatz vom 3. 1. 1986 auf seine fehlende Alleinvertretungsberechtigung zur Wechselzeichnung hingewiesen hatte, kündigte der Kl. das Darlehen mit Schreiben vom 10. 1. 1986 fristlos. Dem widersprach der Bekl. zu 2 mit Schreiben vom 17. 1. 1986 und bot zur Besicherung des Darlehens einen weiteren Wechsel an. Mit Schriftsatz vom 4. 3. 1986 nahm der Kl. vom Wechselverfahren Abstand und verklagte die Bekl. als Gesamtschuldner auf Zahlung der Darlehenssumme. Der Bekl. zu 2 hat mit Schriftsatz vom 4. 4. 1986 behauptet, der Darlehensvertrag sei seinerzeit durch seinen Mitgeschäftsführer sowie seit dem Zeitpunkt, in dem er alleinvertretungsberechtigt geworden sei, auch von ihm genehmigt worden. Das LG hat der Klage gegen beide Bekl. stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Bekl. zu 1 zurückgewiesen, die Klage gegen den Bekl. zu 2 jedoch abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kl. seinen Klageanspruch gegen den Bekl. zu 2 weiter. Das Rechtsmittel führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den Gründen: 1. Die Begründung, mit der das BerGer. eine Haftung des Bekl. zu 2 aus § 179 BGB verneint hat, ist rechtsfehlerhaft. a) Das BerGer. hat ausgeführt, der Bekl. zu 2 sei kraft Duldung der Bekl. zu 1 zum Abschluß des Darlehensvertrages mit dem Kl. bevollmächtigt gewesen. Denn sie habe sein Auftreten als Einzelbevollmächtigter wissentlich geduldet, da ihr Wissen und Duldung des Bekl. zu 2 als ihres Geschäftsführers zuzurechnen seien. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg. Es trifft zwar zu, daß einer GmbH die Kenntnis von rechtserheblichen Umständen bereits dann zuzurechnen ist, wenn nur ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer von diesen Umständen Kenntnis erlangt. Hängt der Eintritt einer Rechtsfolge allein von dieser Kenntniserlangung ab, bedarf es nicht des Hinzutretens weiterer Umstände. Erlangt zum Beispiel ein gesamtvertretungsberechtigter Geschäftsführer Kenntnis von dem Inhalt eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens, ohne daß dem Inhalt widersprochen wird, kann das zum Vertragsschluß führen (vgl. BGHZ 20, 153 (154) = NJW 1956, 945; Thiele, in: MünchKomm, § 164 Rdnr. 97). Für das Entstehen einer Duldungsvollmacht reicht jedoch die alleinige Kenntniserlangung durch den Vertretenen von dem Handeln einer Person als Alleinvertreter nicht aus. Es muß vielmehr noch der Entschluß hinzukommen, gegen die bekannt gewordene Verhaltensweise nicht einzuschreiten. Dieser Entschluß kann jedoch nicht allein durch den seine Vertretungsbefugnis überschreitenden Geschäftsführer gefaßt werden, sondern es muß noch eine entsprechende Willensentschließung des weiteren gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer hinzukommen (vgl. Schilling, in: Großkomm. z. GmbHG, 6. Aufl., § 35 Anm. 18; zur Anscheinsvollmacht vgl. BGH, NJW 1976, 1402; Soergel-Schulze=v. Lasaulx, BGB, 11. Aufl., § 167 Rdnr. 32). Aus den Feststellungen des BerGer. ergibt sich nicht, daß diese Voraussetzung in bezug auf den Abschluß des Darlehensvertrages erfüllt ist. Der Bekl. zu 2 hat allerdings vorgetragen, der Mitgeschäftsführer J habe generell gegen die alleinige Tätigkeit von Rechtsgeschäften durch den Bekl. zu 2 für die Bekl. zu 1 keine Einwendungen erhoben. Das habe einer sinnvollen Arbeitsteilung entsprochen, weil der Kaufmann J anderweitig beschäftigt und ausgelastet gewesen sei. Zudem habe er die Briefbögen, auf denen der Bekl. zu 2 allein als Geschäftsführer der Bekl. zu 1 aufgeführt sei, besorgt und der Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Daraus folge sogar die stillschweigende Erteilung einer zur Alleinvertretung berechtigenden Generalvollmacht. Es kann dahinstehen, ob in dem dargelegten Verhalten des Kaufmannes J die Erteilung einer stillschweigenden Vollmacht oder eine Duldungsvollmacht zu sehen ist. Auch wenn man dem Vortrag des Bekl. zu 2 folgt, wäre eine solche Vollmacht nicht wirksam entstanden. In ihren Wirkungen käme sie der Umwandlung der bisherigen Gesamtgeschäftsführungsbefugnis in eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis gleich. Eine solche Umwandlung kann nur durch einen der Satzung entsprechenden Gesellschafterbeschluß nach § 46 Nr. 5 GmbHG vollzogen werden, nicht aber dadurch, daß der Mitgeschäftsführer die Wahrnehmung seiner Funktionen dem anderen Geschäftsführer überträgt. Denn die Befugnis zur organschaftlichen Willensbildung und Willenserklärung und die damit verbundene Verantwortung sind nicht übertragbar (BGHZ 13, 61 (65) = NJW 1954, 1158; BGHZ 64, 72 (76) = NJW 1975, 1117). Zwar kann der Geschäftsführer einer GmbH eine Generalhandlungsvollmacht i. S. des § 54 HGB nach außen wirksam erteilen (BGHZ 62, 166 (168) = NJW 1974, 1194). Auch dadurch kann jedoch die Gesamtgeschäftsführungsbefugnis nicht in eine Einzelgeschäftsführungsbefugnis umgewandelt werden. Denn außer der Bestellung zum Geschäftsführer mit Alleinvertretungsmacht durch einen satzungsgerechten Beschluß der Gesellschafter nach § 46 Nr. 5 GmbHG erlaubt das Gesetz nur eine Ermächtigung des Mitgeschäftsführers zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften (§ 125 II 2 HGB, § 78 IV AktG; vgl. BGH, NJW 1975, 1741 = WM 1975, 790 (791); WM 1978, 1047 (1048)). b) Aus den Feststellungen des BerGer. ergibt sich auch nicht, daß der Darlehensvertrag zwischen dem Kl. und der Bekl. zu 1 durch Genehmigung des Bekl. zu 2 als Alleingeschäftsführer zustande gekommen ist. Unstreitig war der Bekl. zu 2 nach dem Tode des Mitgeschäftsführers J im Januar 1985 alleiniger Geschäftsführer der Bekl. zu 1. Von diesem Zeitpunkt an konnte er den Darlehensvertrag demnach wirksam genehmigen (BGH, WM 1960, 611 (612) 9. Eine solche Genehmigung kann nach den vom BerGer. getroffenen Feststellungen in der namens der Bekl. zu 1 durch den Bekl. zu 2 erklärten Annahme des am 16. 12. 1984 ausgestellten Wechsels nicht gesehen werden. Da der Bekl. zu 2 die Alleingeschäftsführungsbefugnis erst nach dem Tode des Mitgeschäftsführers J erlangt hat, kann eine Genehmigung des Darlehensvertrages auch nur in einem Akzept liegen, das der Bekl. zu 2 nach dem Todeszeitpunkt oder mit Ermächtigung des Kaufmannes J zu dessen Lebzeiten erteilt hat. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, da der Bekl. zu 2 bestritten hat, bei Erteilung des Akzeptes alleinvertretungsberechtigt gewesen zu sein. Auch in einer Zinszahlung kann eine schlüssige Genehmigung des Darlehensvertrages nicht gesehen werden, da aus den bisher getroffenen Feststellungen des BerGer. nicht hervorgeht, daß der Bekl. zu 2 solche Zahlungen nach dem Tode des Geschäftsführers J namens der Bekl. zu 1 vorgenommen hat. Eine schlüssige Genehmigung liegt auch nicht in dem Schreiben des Bekl. zu 2 vom 11. 9. 1985, in dem er der durch Schreiben des Kl. vom 5. 9. 1985 erfolgten Darlehenskündigung widerspricht. Eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, daß sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksamkeit des Vertrages bewußt ist oder zumindest mit ihr gerechnet hat und daß in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich zu machen. Aus den Feststellungen des Berufungsurteils folgt nicht, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar ergibt sich aus dem Schreiben vom 11. 9. 1985 der Wille des Bekl. zu 2, an dem Vertrag festzuhalten. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß er sich der schwebenden Unwirksamkeit des Darlehensvertrages bewußt gewesen ist. Denn er wendet sich nur gegen die Berechtigung der Kündigung, die das Zustandekommen eines Vertrages voraussetzt. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Parteien zu diesem Zeitpunkt über die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages infolge fehlender Vertretungsmacht des Bekl. zu 2 bereits gestritten haben. Ferner hat der Bekl. zu 2 im Prozeß behauptet, sein Mitgeschäftsführer habe ihn zum Abschluß des Vertrages bevollmächtigt und darüber hinaus auch noch eine Genehmigung erteilt. Daraus folgt, daß der Bekl. zu 2 im September 1985 von der Wirksamkeit des Vertrages ausgegangen ist. In gleicher Weise ist das Schreiben des Bekl. zu 2 vom 17. 1. 1986 zu werten, mit dem er sich gegen die vom Kl. am 10. 1. 1986 ausgesprochene fristlose Kündigung des Darlehensvertrages gewandt hat. Der Bekl. zu 2 hat darin im wesentlichen ausgeführt, das von ihm abgegebene Wechselakzept sei nicht wirksam. Keinesfalls hat er dabei zum Ausdruck gebracht, den Darlehensvertrag genehmigen zu wollen. Es kann dahinstehen, ob der Bekl. zu 2 den Darlehensvertrag durch sein Verhalten im Rahmen des vorliegenden Verfahrens schlüssig genehmigt hat. Eine Genehmigung könnte nur in seinem Vorbringen gesehen werden, mit dem er sich gegen den vom Kl. mit Schriftsatz vom 4. 3. 1986 geltend gemachten, aus § 179 BGB hergeleiteten Zahlungsanspruch verteidigt. Zu diesem Zeitpunkt war der Vertrag aber schon endgültig unwirksam. Denn da der Kl. in diesem Schriftsatz seine Klage gegen die Bekl. zu 1 auf einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 I BGB und gegen den Bekl. zu 2 auf einen Anspruch aus § 179 BGB stützt, ist darin zugleich der Widerruf des Vertrages nach § 178 BGB zu sehen. Dieser ist nur dann ausgeschlossen - und insoweit käme es auf eine schlüssige Genehmigung durch prozessuales Verhalten nicht an -, wenn der Vertrag bereits vor Geltendmachung dieser Ansprüche wirksam zustande gekommen ist. 2. Die Sache war daher zurückzuverweisen, damit das BerGer. die noch weiterhin erforderlichen Feststellungen, insbesondere zur Frage der Genehmigung des Darlehensvertrages durch den Mitgeschäftsführer J treffen kann.
|