Irrtumsanfechtung
nach § 119 II BGB durch den Verkäufer - Konkurrenz zu den §§
459 ff BGB ("Duveneck/Leibl"-Fall)
BGH, Urteil v. 08.06.1988 - VIII ZR 135/87 Fundstellen:
1. Zum Anfechtungsrecht des Verkäufers
wegen Irrtums über die Urheberschaft eines verkauften Gemäldes. 2. Zur Beweislastverteilung, wenn sich der
auf Rückgabe in Anspruch genommene Bereicherungsschuldner darauf beruft,
er habe das Erlangte weiterveräußert, und der Bereicherungsgläubiger
geltend macht, dieses Veräußerungsgeschäft sei nicht ernstgemeint
gewesen.
Zum Sachverhalt:
Der Kl. verlangt von dem Bekl. mit der im Juli
1985 eingereichten Klage in erster Linie Herausgabe des Ölgemäldes
"Bildnis eines jungen Mannes". Am 19. 3. 1984 verkaufte der Kl. das ihm
gehörende Bild zum Preis von 6000 DM an den Bekl. Eine Quittung vom
selben Tage enthält die Erklärung des Kl., das "Ölbild Männerkopf
von Frank Duveneck" sei von Dr. S als eindeutiges Original von Frank Duveneck
begutachtet" worden. Das Bild wurde dem Bekl. übergeben, der Kaufpreis
gezahlt. Der Bekl. ließ das Gemälde im August 1984 von dem Konservator
Dr. R untersuchen, der es dem Maler Wilhelm Leibl zuschrieb. Der Bekl.
veräußerte das Bild nach seiner Darstellung am 2. 8. 1984 zusammen
mit einer Vielzahl anderer Kunstgegenstände und Antiquitäten
an eine Galerie A-GmbH zu einem Gesamtpreis von 6220000 DM; hiervon entfielen
25000 DM auf das streitgegenständliche Gemälde, das in einer
"Liste zum Kaufvertrag vom 2. 8. 1984" bezeichnet wurde als "Frank Duveneck
(1848-1919) zugeschrieben (Wilhelm Leibl oder Leibl-Umkreis?)". Am 19.
6. 1985 entdeckte der Kl. das Bild in einer Ausstellung der Städtischen
Galerie R. über Wilhelm Leibl und dessen Malerkreis. Es war dort als
Werk von Wilhelm Leibl ausgestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 26. 6. 1985
ließ der Kl. den Kaufvertrag und die Übereignungserklärung
vom 19. 3. 1984 wegen Irrtums anfechten und Rückgabe des Bildes Zug
um Zug gegen Rückzahlung der bezahlten 6000 DM verlangen. Der Bekl.
verweigerte dies.
Die Vorinstanzen haben der Herausgabeklage stattgegeben.
Die Revision des Bekl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat ausgeführt:
Dem Kl. stehe "an sich" ein Herausgabeanspruch
nach § 985 BGB zu, weil er sich über eine verkehrswesentliche
Eigenschaft des Bildes geirrt habe und die deshalb wirksame Anfechtung
nicht nur den Kaufvertrag, sondern auch das dingliche Übereignungsgeschäft
vom 19. 3. 1984 erfasse. Das schließe jedoch nicht aus, daß
er sein Herausgabeverlangen auch - wie geschehen - auf einen aus der Nichtigkeit
des Kaufvertrages abgeleiteten Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
stützen könne. Die Anfechtung des Kaufvertrages sei wirksam,
weil die Urheberschaft eines Gemäldes eine verkehrswesentliche Eigenschaft
i. S. des § 119 II BGB darstelle und sich der Kl. im Zeitpunkt des
Verkaufs über den Maler des Bildes geirrt habe. Aus der Quittung folge,
daß der Kl. sich nach der Begutachtung durch Dr. S die feste Vorstellung
gebildet habe, bei dem Gemälde handle es sich um ein Werk von Frank
Duveneck. Mit dem LG sei hingegen aufgrund der von diesem durchgeführten
Beweisaufnahme anzunehmen, daß das Bild von Wilhelm Leibl stamme.
Das somit gegebene Anfechtungsrecht des Kl. werde durch die Gewährleistungsvorschriften
der §§ 459 ff. BGB nicht ausgeschlossen. Als Verkäufer stünden
dem Kl. Gewährleistungsansprüche nicht zu. Die Rechtsprechung
lasse vielmehr eine Anfechtung durch den Verkäufer zu, wenn er eine
Sache in Unkenntnis ihres viel höheren Wertes abgegeben habe. Eine
Anfechtung durch den Verkäufer komme nur dann nicht in Betracht, wenn
er sich auf diese Weise berechtigten Sachmängelansprüchen des
Käufers entziehen könnte; so liege der Fall hier aber nicht.
Der Bekl. könne einer Anfechtung des Kl. auch nicht entgegenhalten,
dieser habe durch den Irrtum wirtschaftlich keinen Nachteil erlitten, weil
Werke des amerikanischen Malers Duveneck in den USA etwa so hoch gehandelt
würden wie ein Bild von Leibl in Deutschland. Für den Besitzer
eines Gemäldes sei auch der Umstand von Interesse, von wem es stamme.
Selbst bei einem rein wirtschaftlichen Wertvergleich komme es auf die tatsächlichen
Verhältnisse zum Zeitpunkt und am Ort des Verkaufsgeschäfts an;
insofern könne nicht zweifelhaft sein, daß ein Werk von Wilhelm
Leibl in München höhere Wertschätzung und größere
Verwendbarkeit genieße als ein Bild von Duveneck.
Der Bekl. sei zur Herausgabe zu verurteilen, weil
er den ihm obliegenden Beweis, daß ihm die Herausgabe nicht mehr
möglich sei, nicht habe führen können. Obwohl die Zeugin
K, die Geschäftsfüherin und Alleingesellschafterin der Galerie
A-GmbH, den im Vertrag vom 2. 8. 1984 niedergelegten Kauf bestätigt
habe, bestünden Zweifel, ob es sich um ein ernstgemeintes Veräußerungsgeschäft
gehandelt habe. Diese Zweifel ergäben sich aus den Verbindungen des
Bekl. zu der Zeugin und der Galerie und aus den unklaren und teilweise
widersprüchlichen Angaben der Zeugin über die Abwicklung des
angeblichen Geschäfts, nach denen der Bekl. aus nicht nachvollziehbaren
Gründen auf die Zahlung eines Kaufpreises von über 6000000 DM
verzichtet haben müsse. Danach sei der Verdacht nicht auszuschließen,
daß zwischen dem Bekl. und der Galerie ein Scheingeschäft vorgenommen
worden sei. Daß das streitgegenständliche Bild an eine Bank
zur Sicherheit übereignet worden sei, habe der Bekl. schon nicht ausreichend
dargelegt, jedenfalls sei es nicht nachgewiesen.
II. Diese Ausführungen des BerGer. halten
den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Zu Unrecht beanstandet die Revision allerdings
die Auffassung des BerGer., der Kl. habe den Kaufvertrag wirksam angefochten.
a) Das Anfechtungsrecht des Kl. ist nicht, wie
die Revision meint, durch die Bestimmungen der §§ 459 ff. BGB
ausgeschlossen. aa) Zwar schließen nach der Rechtsprechung
des BGH die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften die Anfechtung
des Käufers wegen eines Irrtums über solche Eigenschaften der
Kaufsache aus, die Gewährleistungsansprüche begründen können
(NJW 1979, 160 = WM 1979, 54 (unter I 2 a) m. Nachw., insoweit in BGHZ
72, 252 nicht abgedr.; BGHZ 78, 216 (218) = NJW 1981, 224). Dagegen kann
von einer "Konkurrenz" zwischen den Sachmängelansprüchen und
einem Anfechtungsrecht des Verkäufers gem. § 119 II BGB keine
Rede sein, weil dem Verkäufer Gewährleistungsrechte nie zustehen
(z. B. Esser-Weyers, SchuldR BT, 6. Aufl., § 6 I 4; Staudinger-Dilcher,
BGB, 12. Aufl., § 119 Rdnr.66; anders zu Unrecht Feldmann, Kann der
Verkäufer den Kaufvertrag wegen Irrtums anfechten?, Diss., Jena 1937,
S. 47 ff., für den Zeitpunkt nach Gefahrübergang). Entgegen einer
Mindermeinung (z. B. Enneccerus-Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse,
15. Bearb., S. 457; vgl. auch Linke, Die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums
nach § 119 II BGB im Kunst- und Antiquitätenhandel, Diss., Würzburg
1936, S. 28 ff., 30 f.) bedeutet dies aber nicht, daß der Verkäufer
stets von einem Anfechtungsrecht nach § 119 II BGB Gebrauch
machen könnte. Wäre dem so, so könnte sich der Verkäufer,
der irrig Mangelfreiheit der Sache annimmt, durch Irrtumsanfechtung unter
Inkaufnahme der auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzpflicht
nach § 122 BGB von seiner Gewährleistungspflicht befreien. Mit
der im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Ansicht ist vielmehr
davon auszugehen, daß es dem Verkäufer nach dem Gedanken des
Rechtsmißbrauchs verwehrt ist, von dem Anfechtungsrecht Gebrauch
zu machen, wenn die Folge wäre, daß er sich gesetzlich angeordneten
Zurechnungen, nämlich seiner Gewährleistungspflicht, entzöge
(z. B. Esser-Weyers, § 6 I 4, und Staudinger-Dilcher, § 119 Rdnr.
66; Staudinger-Honsell, Vorb. § 459 Rdnr. 25; Soergel-Hefermehl, BGB,
12. Aufl., § 119 Rdnr. 80; H. P. Westermann, in: MünchKomm, §
459 Rdnr. 76; Flume, BGB AT II, 3. Aufl., § 24 4; für den
Fall, daß der Verkäufer sich auf die Grundsätze über
die fehlende Geschäftsgrundlage berufen will, vgl. auch bereits Senat,
WM 1971, 1016 (unter I 2 a)).
bb) Daraus folgt, daß im vorliegenden Fall
das Anfechtungsrecht des Kl. nicht ausgeschlossen ist. Denn die Rechtsfolge
eines Gewährleistungsanspruchs, dessen Geltendmachung durch eine Anfechtung
vereitelt werden könnte, will der Bekl. gerade nicht in Anspruch nehmen.
(i) Das BerGer. hat tatrichterlich festgestellt,
daß das Gemälde nicht von Duveneck, sondern von Leibl stammt.
Dies greift die Revision nicht an und läßt Rechtsfehler nicht
erkennen. Liegt - wie hier - ein Spezieskauf vor, so führt der Umstand,
daß das Bild entgegen dem Vertragsinhalt nicht von dem Maler Duveneck
herrührt, nicht zur Annahme einer Falschlieferung, sondern stellt
einen Fehler i. S. des § 459 I BGB dar (Senat, BGHZ 63, 369 (371)
= NJW 1975, 970). Daran ändert nach Auffassung des RG (RGZ 135, 339
(342 f.)) nichts, daß der "Leibl" - wie der Kl. behauptet - wesentlich
mehr wert ist, als es ein "Duveneck" gewesen wäre. Stand dem Bekl.
mithin ein Wandelungsanspruch zu, so hindert das den Kl. gleichwohl nicht
an einer Anfechtung. Denn der Bekl. ist mit der ihm vorprozessual und mit
dem Hauptantrag der Klage angebotenen Rückabwicklung des Kaufvertrages,
die auch Rechtsfolge einer Wandelung wäre (§§ 467, 346 ff.
BGB), nicht einverstanden; was der Käufer nicht will, kann der Verkäufer
nicht treuwidrig vereiteln (ebenso Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf,
1948, S. 149, für den Fall, daß der Käufer seinen Wandelungsanspruch
fallen läßt).
(ii) Einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung
gem. § 463 BGB, dem eine Anfechtung durch den Kl. den Boden entziehen
könnte, macht der Bekl. ebenfalls nicht geltend. Das BerGer. stellt
rechtsfehlerfrei fest, daß der Kl. beim Verkauf des Bildes der festen
Vorstellung gewesen sei, bei dem Maler handele es sich um Frank Duveneck;
ein arglistiges Verhalten des Kl. i. S. des § 463 S. 2 BGB scheidet
daher aus. Der Bekl. hat sich auch nicht darauf berufen, daß ihm
die Eigenschaft des Bildes als von Duveneck herrührend zugesichert
worden (vgl. hierzu Senat, WM 1972, 1058 (unter I 2)) und dementsprechend
der Kl. ihm zum Schadensersatz verpflichtet sei. cc) Allerdings wird im Schrifttum die Auffassung
vertreten, dem Verkäufer stehe ein Anfechtungsrecht gem. § 119
II BGB nur bei Lieferung einer Sache von besserer Beschaffenheit als der
geschuldeten (z. B. Soergel-Hefermehl, § 119 Rdnr. 80; Reinicke-Tiedtke,
KaufR, 3. Aufl., S. 155; Raape, AcP 150, 504; Staudinger-Honsell, Vorb.
zu § 459 Rdnr. 25; so lag der Fall auch in der vom BerGer. herangezogenen
Entscheidung RGZ 124, 115) oder bei einem besonderen subjektiven Interesse
des Verkäufers an dem Gegenstand zu (Flume, Eigenschaftsirrtum, S.
148).
(i) Nach der unter Beweis gestellten Behauptung
des Bekl., die sich auf eine Äußerung des Sachverständigen
Dr. L stützen kann, werden die Bilder des Malers Duveneck in den USA
etwa so hoch gehandelt wie Werke von Leibl in Deutschland. Das BerGer.
hat dies für unerheblich gehalten. Der Revision ist aber einzuräumen,
daß die Begründung, es komme auf den Wert "am Ort des Verkaufsgeschäfts"
an und jedenfalls in München genieße ein Bild von Leibl höhere
Wertschätzung als ein solches von Duveneck, Bedenken begegnen kann;
auch die Parteien hätten das Bild, wäre es von Duveneck gewesen,
zu dem in den USA erzielbaren Preis verkaufen können.
(ii) Die Frage bedarf jedoch keiner abschließenden
Entscheidung. Denn dem Kl. ist die Anfechtung auch dann nicht verwehrt,
wenn das vom Bekl. behauptete Wertverhältnis bestünde. Die oben
(zu cc) dargestellte Auffassung eignet sich zwar als Faustregel für
den Normalfall - weil nämlich dann, wenn die Sache infolge ihres "Andersseins"
nicht mehr wert ist als mit der nach dem Vertrag vorausgesetzten Eigenschaft,
der Verkäufer mit einer Anfechtung in der Regel nur den Zweck verfolgen
wird, sich den Gewährleistungsansprüchen des Käufers zu
entziehen -, sie bedarf aber der Einschränkung in Fällen wie
dem vorliegenden, wo diese Folge der Anfechtung des Verkäufers ausscheidet
(dazu oben II 1 a bb). Dann kann entscheidend letztlich nur sein, ob der
Verkäufer eine Sache mit anderen Eigenschaften geliefert hat, als
sie nach dem Vertrag vorausgesetzt waren, ohne daß - mit der Grenze
des Verbots rechtsmißbräuchlichen Verhaltens - maßgeblich
sein kann, ob die erbrachte Leistung gegenüber der vertraglich vorausgesetzten
höher- oder gleichwertig ist. Ein Grund, ihm darüber hinaus das
ihm gesetzlich zustehende Anfechtungsrecht nach § 119 II BGB zu versagen,
ist nicht ersichtlich. dd) An diesem Ergebnis ändert nichts, daß
der Kl. sich (auch) über den in den USA erzielbaren Preis für
Bilder von Duveneck geirrt haben mag. Zwar hätte ihn ein Irrtum über
den Wert des für 6000 DM verkauften Bildes nach ständiger Rechtsprechung
des BGH nicht zur Anfechtung gem. § 119 II BGB berechtigt (BGHZ 16,
54 (57) = NJW 1955, 340; BGH, LM § 779 BGB Nr. 2 (unter II 4)). Da
aber das Bild kein "Duveneck" war, hat sich ein derartiger Irrtum des Kl.
nicht ausgewirkt, sondern ist von der - weiteren - irrigen Vorstellung
über die Urheberrschaft des Bildes "überlagert" worden. Der Irrtum
des Kl. über den Wert verschaffte dem Bekl. auch keine Einrede gegenüber
dem Anfechtungsrecht des Kl. (anders wohl Flume, Eigenschaftsirrtum, S.
150 f.). Nach der den Irrenden begünstigenden gesetzlichen Wertung
muß das Interesse des Käufers, "sich durch Aufrechterhaltung
des Vertrages den der Kaufvereinbarung entsprechenden Geschäftsgewinn
(zu) sichern" (Flume, S. 151), dem Anfechtungsrecht des Verkäufers
weichen. Weder der Anspruch auf das Vertrauensinteresse nach § 122
BGB noch die Käuferrechte gem. den §§ 459 ff. BGB hätten
- von dem hier nicht gegebenen Fall des § 463 BGB abgesehen - den
Bekl. berechtigt, vom Kl. den Wert eines Bildes von Duveneck zu verlangen.
ee) Schließlich kann dahinstehen, ob der
Kl., hätte er die Urheberschaft des Bildes erkannt, dieses ebenfalls
- dann lediglich zu dem einem Werk von Leibl entsprechenden höheren
Preis - verkauft hätte. Ob dem Käufer dann das Recht zugestanden
werden muß, der Anfechtung des Verkäufers gem. § 242 BGB
zu widersprechen und die Nachzahlung des erhöhten Preises anzubieten
(so Flume, Eigenschaftsirrtum, S. 152 ff.; Soergel-Hefermehl, § 119
Rdnr. 80; ähnlich Raape, AcP 1950, 504), bedarf keiner Entscheidung,
weil der Bekl. kein derartiges Recht in Anspruch nimmt und nicht erklärt
hat, den wirklichen Wert des Bildes bezahlen zu wollen.
b) Die Voraussetzungen eines Eigenschaftsirrtums
nach § 119 II BGB liegen vor. aa) In der Urheberschaft des Gemäldes ist
eine verkehrswesentliche Eigenschaft zu sehen (Senat, BGHZ 63, 369 (371)
= NJW 1975, 970 m. Nachw.). Auch hier ändert daran nichts, daß
ein Bild von Duveneck nach dem Vortrag des Bekl. ebensoviel wert sein kann
wie ein solches von Leibl. Dies trifft sich mit der zitierten Auffassung
des RG (RGZ 135, 339 (342 f.)), daß ein Fehler des Bildes im Sinne
des Gesetzes selbst dann gegeben sein kann, wenn der wahre Schöpfer
des Bildes noch höher geschätzt wird als der Künstler, dem
es die Vertragsparteien zugeschrieben haben.
bb) Zu Unrecht meint die Revision, das Anfechtungsrecht
des Kl. sei deshalb ausgeschlossen, weil er durch die angefochtene Erklärung
wirtschaftlich keinen Nachteil erlitten habe (dazu z. B. RGZ 128, 116 (121);
Palandt-Heinrichs, BGB, 47. Aufl., § 119 Anm. 8). Dies gilt zwar für
den Regelfall (Soergel-Hefermehl, § 119 Rdnr. 67) und dient als Anhaltspunkt
(Staudinger-Dilcher, § 119 Rdnr. 74) für die Abgrenzung zwischen
einem beachtlichen Irrtum und bloßem "Eigensinn, subjektiven Launen
und törichten Anschauungen" (RGZ 62, 201 (206)), bei denen "bei verständiger
Würdigung des Falles" (§ 119 I BGB) ein Einfluß des Irrtums
auf die Abgabe der Erklärung zu verneinen ist. Bei Verkauf von Kunstgegenständen
ist hingegen der wirtschaftliche Wert nicht allein ausschlaggebend. Wenn
das BerGer. in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, in München
- und gemeint ist offenbar: auch für den Kl., wie dessen Vorgehen
und auch die Zeugenaussage seiner Ehefrau zeigen - komme einem Bild von
Leibl auch unabhängig von dem reinen Geldeswert höhere Wertschätzung
als einem Gemälde Duvenecks zu, so kann dies nicht als rechtsfehlerhaft
beanstandet werden.
2. Nach allem war der Bekl. nach wirksamer Anfechtung
des Kaufvertrages durch den Kl. grundsätzlich verpflichtet, das von
diesem erlangte Bild zurückzugeben (§ 812 I BGB). Mit Erfolg
rügt die Revision indessen, das Berufungsurteil beruhe auf einer Verkennung
der Beweislastverteilung. Es geht davon aus, daß der Bekl. für
seine Behauptung, ihm sei die Herausgabe des Bildes nicht mehr möglich,
beweispflichtig sei und daß ihm dieser Beweis nicht gelungen sei.
Das stimmt zwar mit der einhellig vertretenen Auffassung überein,
daß der Bereicherungsschuldner für die Unmöglichkeit der
Herausgabe des Erlangten die Beweislast trägt (z. B. Staudinger-Lorenz,
§ 818 Rdnr. 32; Soergel-Mühl, BGB, 11. Aufl., § 818 Rdnr.
99; Baumgärtel-Strieder, Hdb. der Beweislast im PrivatR I, §
818 Rdnr. 7; Planck-Landois, BGB, 4. Aufl., § 818 Anm. 4i). Das BerGer.
hatte aber offenbar keinen Zweifel daran, daß der Bekl. und die Zeugin
K die sich aus dem vorgelegten Kaufvertrag vom 2. 8. 1984 ergebenden Erklärungen
tatsächlich abgegeben haben; es konnte sich nur nicht davon überzeugen,
daß dieses Veräußerungsgeschäft ernst gemeint gewesen
sei. Da grundsätzlich von der Ernstlichkeit rechtsgeschäftlicher
Willenserklärungen auszugehen ist, trägt für das Vorliegen
eines Scheingeschäfts i. S. des § 117 BGB derjenige die Beweislast,
der sich darauf beruft (BGH, WM 1977, 922 (unter II 3); NJW 1980,
1572 = WM 1980, 372 (unter II 2); Baumgärtel-Laumen, § 117 Rdnr.
1 m. w. Nachw. Fußn. 1). Gelingt es also dem Bereicherungsschuldner,
die Abgabe der tatsächlichen Erklärungen, die sich auf eine Weiterübereignung
richten und damit die Unmöglichkeit der Herausgabe zur Folge haben,
zu beweisen, so hat er seiner Beweislast genügt. Die Ernstlichkeit
dieses Geschäfts braucht er nicht nachzuweisen, wie auch sonst derjenige,
der sich auf rechtsgeschäftliche Erklärungen beruft, nicht auch
noch deren Wirksamkeit darlegen und nachweisen muß. Das Gegenteil
zu beweisen, war vielmehr Sache des Kl.
Die Verkennung der Beweisverteilung machte die
Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache
an das BerGer. erforderlich. Das BerGer., das bisher lediglich "zumindest
eine Vermutung" für das Vorliegen eines Scheingeschäfts angenommen
hat, wird prüfen müssen, ob der Kl. aufgrund der Beweisaufnahme
den Nachweis erbracht hat, daß der Bekl. und die Zeugin K das Veräußerungsgeschäft
nur zum Schein vorgenommen haben.
3. Das Berufungsurteil konnte auch nicht mit anderer
Begründung aufrechterhalten bleiben (§ 563 ZPO). a) Ein Eigentumsherausgabeanspruch nach §
985 BGB, den das BerGer. zwar grundsätzlich bejaht, auf den es die
Verurteilung aber nicht gestützt hat, scheidet aus, wenn der Bekl.
- wie er geltend macht - den Besitz an dem Bild schon vor Rechtshängigkeit
der Klage verloren hat. Der Kl. muß beweisen, daß der Bekl.
im Zeitpunkt der Erhebung der Klage Besitzer der herausverlangten Sache
war (Senat, WM 1982, 749 (unter II 1 b)) m. Nachw.). Insoweit gilt hier
nichts anderes als zum Bereicherungsanspruch des Kl. (oben II 2).
b) Das BerGer. hat nicht erörtert, ob nicht
auch der Bekl. sich über die Urheberschaft des Bildes geirrt hat und
wie sich der dann vorliegende beiderseitige Irrtum auswirken würde.
Zu dieser Prüfung hatte das BerGer. aber auch keine Veranlassung,
weil keine der Parteien etwas über die Vorstellung des Bekl. bei Vertragsschluß
vorgetragen hat und der Umstand, daß dieser wenige Monate nach dem
19. 3. 1984 das Bild einem Sachverständigen zur Begutachtung vorgeführt
und - angeblich - an die Galerie A mit dem Vermerk "Wilhelm Leibl oder
Leibl-Umkreis?" weiterveräußert hat, es nicht ausgeschlossen
erscheinen läßt, daß der Bekl. sich schon bei Vertragsschluß
nicht in einem Irrtum über die Urheberschaft des Gemäldes befand.