NJW 1990, 1117 f
LM § 51 ZPO Nr. 21
MDR 1990, 709
DB 1990, 1324
WM 1990, 655
ZIP 1990, 330
Klagt der ursprüngliche Inhaber einer sicherungshalber
abgetretenen Forderung diese zulässig in gewillkürter Prozeßstandschaft
ein und tritt erst danach sein Vermögensverfall zutage, so bestehen
jedenfalls dann keine Bedenken gegen die Fortdauer seiner Prozeßführungsbefugnis,
wenn der Zessionar für den Fall des Unterliegens dem Gegner Bankbürgschaften
anbietet, die dessen volles Prozeßkostenrisiko abdecken (Fortführung
von Senatsurteilen BGHZ 96, 151 = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr.
14; NJW 1989, 1932 und NJW-RR 1989, 1104 = BauR 1989, 610 = ZfBR 1989,
199).
Die Kl. begehrt die Zahlung von Restwerklohn in
Höhe von noch 1199075,52 DM nebst Zinsen. Sie führte aufgrund
Vertrages vom 5. 11. 1979 mit dem Bekl. Erd-, Maurer- und Rohrverlegungsarbeiten
für den Hauptsammler in O. durch. Die Kl. trat die Werklohnforderung
bereits vor Klageerhebung an die Kreissparkasse ab. Mit am 23. 3. 1984
eingegangener Klage machte die Kl. den von ihr in der Schlußrechnung
vom September 1983 ermittelten Restwerklohn erstmals - entsprechend der
Ermächtigung der Zessionarin im eigenen Namen - gerichtlich geltend;
die erwähnte Abtretung offenbarte sie zunächst nicht. Am 11.
12. 1985 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen
mangels kostendeckender Masse abgelehnt. Die Kl. hat von dem Bekl. - bereits
im landgerichtlichen Verfahren - zuletzt Zahlung an die Kreissparkasse
verlangt. Der Bekl. ist der Forderung und der Prozeßführung
durch die Kl. entgegengetreten. Die Kl. befindet sich mittlerweile in Liquidation.
Seit Januar 1986 ist die Abtretung offengelegt.
Die vor dem LG zum größten Teil obsiegende
Kl. hat Sicherheitsleistung durch selbstschuldnerische Bürgschaft
der genannten Kreissparkasse erbracht, wobei 30000 DM auf erstinstanzliche
Kosten entfallen sollen. In der mündlichen Berufungsverhandlung bot
die Kl. zudem "zur Absicherung aller dem Bekl. eventuell aus der Fortführung
des Rechtsstreits erwachsenden Kostenerstattungsansprüche" eine Bürgschaft
der Sprakasse über weitere 60000 DM an. Der Prozeßbevollmächtigte
des Bekl. lehnte jedoch den Abschluß eines Bürgschaftsvertrages
als nicht von seiner Vollmacht gedeckt ab. Das von der Kl. nach Abschluß
der mündlichen Berufungsverhandlung, aber vor Verkündung des
Berufungsurteils wiederholte Angebot, einen entsprechenden Bürgschaftsvertrag
abzuschließen, nahm der Bekl. ebenfalls nicht an. Das OLG hat die
Klage für unzulässig gehalten und abgewiesen. Die Revision der
Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
Das BerGer. nimmt an, es liege kein schutzwürdiges
Eigeninteresse der Kl. an der Geltendmachung des fremden Rechts im eigenen
Namen vor. Es sei zu besorgen, daß gegen die Kl. gegebenenfalls weder
Kostenerstattungsansprüche des Bekl. noch Gebührenforderungen
der Landeskasse durchgesetzt werden könnten. Hiergegen wendet sich
die Revision mit Erfolg.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH
darf jemand ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten
Ermächtigung im eigenen Namen im Prozeß verfolgen, sofern er
hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog. gewillkürte
Prozeßstandschaft; vgl. BGHZ 100, 217 (218) = NJW 1987, 2018 = LM
§ 51 ZPO Nr. 15 m. w. Nachw.; zuletzt Senat, NJW 1989, 1932; NJW-RR
1989, 1104 = BauR 1989, 610 = ZfBR 1989, 199).
2. Die Ermächtigung muß wirksam erteilt
worden sein und darf nicht nachträglich entfallen sein. Das hat das
BerGer. jedoch ohne Rechtsirrtum angenommen. Anhaltspunkte für eine
von vornherein bestehende Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) der Ermächtigung
sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Daß im Zeitpunkt der
Abtretung und Ermächtigung die Sittenwidrigkeit begründende Umstände
vorgelegen hätten, ist nicht dargetan. Insbesondere kann nach dem
Sach- und Streitstand nicht etwa angenommen werden, die Ermächtigung
sei in dem Bewußtsein oder gar mit dem Ziel der "Risikoverlagerung"
erteilt worden. Die Ermächtigung ist auch nicht nachträglich
sittenwidrig geworden; es kommt insoweit auf die Verhältnisse im Zeitpunkt
ihrer Erteilung an (Senat, NJW 1989, 1932 (1933) m. Nachw.). Schließlich
hat die Sparkasse die Ermächtigung auch nie widerrufen.
3. Ein eigenes schutzwürdiges Interesse der
Kl. daran, die Klageforderung im eigenen Namen gegen den Bekl. weiter gerichtlich
geltend zu machen, ist entgegen der Annahme des BerGer. hier zu bejahen.
a) Das schutzwürdige Eigeninteresse ist beispielsweise
angenommen worden, wenn der Verkäufer einer abgetretenen Forderung
diese wegen der ihn treffenden Gewährleistung aus § 437 BGB einklagt
(BGH, NJW 1979, 924 (925)). Dieses Interesse ist ferner anzuerkennen, wenn
der Zedent abgetretene Gewährleistungsansprüche geltend macht,
weil im Falle der Nichtdurchsetzbarkeit der abgetretenen Rechte seine subsidiäre
Eigenhaftung wieder auflebt (vgl. Senatsurteil BGHZ 70, 389 (394) = NJW
1978, 1375 = LM § 633 BGB Nr. 30). Ganz ähnlich liegt es im Streitfall,
in dem die Kl. ihre behaupteten Ansprüche "zur Deckung von Schulden"
an die Sparkasse abgetreten hat. Hier ist zudem durch die landgerichtliche
Beweisaufnahme ein Prozeßstand erreicht, dessen Erhalt allein vernünftiger
wirtschaftlicher Prozeßführung entspricht und deshalb beiden
Prozeßparteien nur dienlich sein kann. Auch angesichts dessen sind
an die Fortdauer des Eigeninteresses des ursprünglichen Gläubigers
der eingeklagten Forderung an deren Geltendmachung keine zu strengen Anforderungen
zu stellen (vgl. etwa Senat, NJW 1989, 1932 (1933)).
b) Schutzwürdig ist dieses Interesse der
Kl. allerdings nur dann, wenn der Bekl. durch die gewählte Art der
Prozeßführung nicht unbillig benachteiligt wird (BGHZ 96, 151
(155 f.) = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14). Auch das ist hier
aber nicht der Fall. Es kann schon nicht unterstellt werden, daß
mit der gewählten Verfahrensweise der Zweck verfolgt wird, den Bekl.
ungerechtfertigt schlechterzustellen. Für eine solche Annahme fehlt
nach den Feststellungen jeder konkrete Anhaltspunkt. Gegen sie spricht
das Bestreben der Kl., den Bekl. wegen seines ihm bei erfolgloser Klage
zustehenden Kostenerstattungsanspruches vorab durch Bürgschaft gerade
der Zessionarin zu sichern. Diese Bemühungen der Kl. werden auch nicht
dadurch in Frage gestellt oder gar vollends entwertet, daß der Bekl.
sie für unzureichend bzw. verspätet gehalten hat. Die Annahme
des Angebots auf Abschluß eines Bürgschaftsvertrages hätte
dem Bekl. keinesfalls nachteilig sein können.
c) Auch dem Senatsurteil BGHZ 96, 151 = NJW 1986,
850 = LM § 51 ZPO Nr. 14 (vgl. dazu Boecken-Krause, NJW 1987, 420;
Bülow, WuB VII A § 51 I ZPO 1. 86; Crezelius, EWiR 1986, 203;
Olzen, JR 1986, 289; Karsten Schmidt, JuS 1986, 318), auf das sich das
BerGer. zu Unrecht beruft, ist nichts anderes zu entnehmen. Aus dieser
Entscheidung folgt lediglich, daß einer überschuldeten vermögenslosen
GmbH oder GmbH & Co. KG, die keine Aussicht hat, die Geschäfte
fortzuführen, in aller Regel das schutzwürdige Eigeninteresse
daran fehlt, abgetretene Forderungen nach Offenlegung der Abtretung im
eigenen Namen und auf eigene Kosten mit Ermächtigung des neuen Gläubigers
zu dessen Gunsten einzuklagen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der
verklagten Partei ist nach dem genannten Senatsurteil regelmäßig
darin zu sehen, daß der ihr bei erfolgloser Klage zustehende Kostenerstattungsanspruch
infolge Zahlungsunfähigkeit des Prozeßstandschafters aller Voraussicht
nach nicht durchzusetzen ist (vgl. BGHZ 96, 151 (155) = NJW 1986, 850 =
LM § 51 ZPO Nr. 14 m. w. Nachw.). Diese Grundsätze beruhen
auf der Überlegung, daß ein erkennbarer Mißbrauch der
gewillkürten Prozeßstandschaft nicht hingenommen werden kann
(BGHZ 96, 151 (156) = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14; vgl. auch
Senat, NJW-RR 1989, 1104 = BauR 1989, 610 (611) = ZfBR 1989, 199 (200)).
Die Annahme eines solchen Mißbrauchs drängte
sich im Falle BGHZ 96, 151 = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14 schon
aus der zeitlichen Abfolge der maßgebenden Umstände auf, insbesondere
der Ablehnung der Konkurseröffnung über das Vermögen der
späteren Kl., dann erst Offenlegung der Abtretung, Eingeständnis
der Überschuldung der späteren Kl., schließlich Klageerhebung
durch sie und ihre Ermächtigung durch die Zessionarin. Ganz anders
liegt es im vorliegenden Fall, in dem der Vermögensverfall erst über
11/2 Jahre nach Einreichung der Klage zutage getreten ist. Unter den hier
gegebenen Umständen liegt ein Mißbrauch nicht vor. Dem Risiko,
von einem Kl. in Anspruch genommen zu werden, der bei erfolgloser Klage
Kostenerstattungsansprüche nicht befriedigen kann, ist ohnehin jeder
Bekl. ausgesetzt. Auf die Frage eines etwaigen realisierbaren Kostenerstattungsanspruchs
des Bekl. kommt es somit nicht mehr entscheidend an. Das gleiche gilt für
die hier zu unterstellende Gerichtsgebührenfreiheit des Bekl.; denn
dadurch dürfen die Rechte der Kl. nicht verkürzt werden.
Dieses Ergebnis ist allein sach- und interessengerecht.
Auch hier (vgl. etwa Senat, NJW 1989, 1932 (1934)) ist nicht zu verkennen,
daß die Kl. der ursprüngliche Vertragspartner des Bekl. war.
Ohne die Abtretung an die Sparkasse wäre die Kl. zu allen Zeiten der
allein in Frage kommende Prozeßgegner des Bekl. gewesen, mit der
sich dieser zuvor aus freien Stücken zur Vertragspartnerschaft verbunden
hatte. Eine nicht hinnehmbare "gezielte Prozeßrollenverschiebung"
- und damit ein Mißbrauch - liegt daher nicht vor (vgl. dazu etwa
Rosenberg-Schwab, ZPR, 14. Aufl., § 65 VII 4).
Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob §
561 ZPO der Berücksichtigung der unstreitigen Tatsache entgegensteht,
daß die Kl. dem Bekl. mit Schreiben vom 8. 5. 1989 eine neuerliche
Bürgschaftserklärung der Kreissparkasse vom 24. 4. 1989 übersandt
hat. In dieser bietet die Sparkasse an, "gegenüber dem Bekl. für
die diesem gegenüber der Kl. im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreites
in 1., 2. und/oder 3. Instanz entstehenden bzw. bereits entstandenen Kostenerstattungsansprüche
(Anwalts- und Gerichtskosten) die selbstschuldnerische Bürgschaft
bis zum Höchstbetrage von 175000 DM" zu übernehmen. Der Bekl.
hat sich hierzu nicht abschließend geäußert (zur Beachtlichkeit
neuer Tatsachen im Revisionsverfahren vgl. BGHZ 85, 288 (290) = NJW 1983,
867 = LM Art. 103 GG Nr. 7).
4. Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht
bestehen bleiben; es ist aufzuheben. Da hinreichende tatrichterliche Feststellungen
des BerGer. zur sachlichen Berechtigung der der Kl. vom LG zugesprochenen
Forderung fehlen, ist der Senat zu eigener abschließender Entscheidung
nicht in der Lage (§ 565 III Nr. 1 ZPO). Die Sache ist daher zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen.