NJW 1990, 2549
LM § 611 BGB Nr. 91
BB 1990, 1793
WM 1990, 1552
VersR1991, 103
Zur Unmöglichkeit bei Dienstverträgen.
Die Kl. betreibt ein Detektivunternehmen. Der Bekl.
ist Wirtschaftsberater. Bei der von ihm betreuten Firma W waren wiederholt
Verluste im Lagerbereich aufgetreten. Um zu erfahren, ob diese auf kriminellen
Handlungen von Mitarbeitern beruhten, kam der Bekl. mit der Kl. überein,
diese solle für die Zeit vom 21. 9. bis 3. 10. 1987 einen Mitarbeiter
als angeblichen neuen Arbeitnehmer bei der Firma einschleusen. In dem am
18. 9. 1987 unterzeichneten Vertragsformular ist als Entgelt ein Pauschalbetrag
von 10000 DM nebst Mehrwertsteuer vereinbart. Der von der Kl. eingesetzte
Mitarbeiter S trat seinen Dienst, wie abgesprochen, im Hauptlager der Firma
an. Der Bekl. behauptet, die Kl. sei bei Vertragsschluß darauf hingewiesen
worden, daß ihr Mitarbeiter sich unter keinen Umständen als
kurzfristige Aushilfe zu erkennen geben dürfe, weil man ihn dann nur
zum "Hofkehren" einsetzen werde. Trotzdem habe er dem Lagermeister am zweiten
Tag nach Dienstantritt erklärt, er werde nur 14 Tage bleiben.
Daraufhin sei er - das ist unstreitig - während mehr als der Hälfte
der vorgesehenen Zeit nicht mehr im Hauptlager, sondern in dem nur mit
einem Mann besetzten Außenlager an der I-Straße eingesetzt
worden. Der Bekl. hält die von der Kl. geleisteten Dienste für
völlig nutz- und wertlos. Er weigert sich, die mit der Klage verlangte
Vergütung zu zahlen.
Die Vorinstanzen haben der Klage in der Hauptsache
stattgegeben. Die zugelassene Revision des Bekl. führte zur Aufhebung
und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. führt aus, die von der Kl.
geschuldeten Dienstleistungen hätten im wesentlichen darin bestehen
sollen, daß sie einen ihrer Mitarbeiter bei der Firma einschleuste,
um zu beobachten, ob Angestellte etwa Teile der Lagerbestände entwendeten.
Der Zahlungsanspruch der Kl. sei fällig i. S. des § 614 BGB.
Die Einwendung des Bekl., die Dienstleistung sei mangelhaft erbracht worden
und daher nutzlos, sei nicht erheblich.
Eine Minderung des Vergütungsanspruchs aus
Gewährleistungsgesichtspunkten komme nicht in Betracht, weil das Recht
des Dienstvertrages keine Regelung über die Gewährleistung enthalte.
Deshalb seien die allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen
anzuwenden. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. §
320 BGB stehe dem Zahlungsanspruch nicht entgegen. Da der Dienstverpflichtete
nicht einen bestimmten Erfolg, sondern eine sorgfältige Tätigkeit
schulde, würde ihm ein überverschuldensmäßiges Risiko
aufgebürdet, wie es nur die Gewährleistungshaftung kenne, wenn
ihm bei Erbringung einer qualitativ mangelhaften Leistung nach § 320
BGB der Lohn entzogen würde. Auch soweit der Bekl. geltend mache,
die Kl. sei von der ihr erteilten Weisung abgewichen, daß sich ihr
Mitarbeiter nicht als Aushilfe zu erkennen geben dürfe, sei die Einrede
des nicht erfüllten Vertrages nicht gerechtfertigt. Dies folge jedenfalls
daraus, daß der Bekl. nach seinen eigenen Angaben bereits am zweiten
Tag der Ermittlungen die Erklärung des Mitarbeiters S gegenüber
dem Lagermeister erfahren und diesen Sachverhalt mit der Kl. besprochen
habe. Wenn er dann in Kenntnis der Weisungsabweichung die weitere Auftragsdurchführung
zugelassen habe, habe die Kl. dieses Verhalten dahin verstehen dürfen,
daß der Bekl. ihr später nicht entgegengehalten werde, sie habe
wegen Abweichung von einer Anweisung des Bekl. überhaupt keine zur
Erfüllung ihrer Dienstpflichten geeignete Leistung erbracht.
Das Zahlungsverlangen der Kl. sei ferner nicht
als unzulässige Rechtsausübung zu werten. Sie brauche den geforderten
Betrag auch nicht nach § 812 BGB zurückzuerstatten und habe dem
Bekl. nicht einen ihm durch die Erfüllung des Zahlungsanspruchs entstehenden
Schaden zu ersetzen. Eine Haftung für die unzureichende Qualität
von Dienstleistungen sei allein nach den Grundsätzen über die
Haftung für positive Vertragsverletzungen zu beurteilen. Der Bekl.
habe jedoch nicht dargetan, daß ihm durch die behauptete Schlechtleistung
ein Schaden entstanden sei oder entstehen könne. Insbesondere stelle
die Zahlung der vereinbarten Vergütung für eine nicht sachgerecht
ausgeführte Dienstleistung einen ersatzpflichtigen Schaden nicht dar.
Auch bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung der Dienstverpflichtung
bestehe ein Anspruch gegen den Dienstberechtigten auf Zahlung der vereinbarten
Vergütung. Daraus, daß das Dienstleistungsrecht für den
Fall der Schlechtleistung eine Herabsetzung der vereinbarten Vergütung
nicht vorsehe, sei die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, daß
der Dienstherr das Risiko der Einstellung eines den Ansprüchen nicht
genügenden Dienstverpflichteten trage. Eine Honorarkürzung ergebe
sich schließlich nicht aus dem Fehlen zugesagter Psychogramme der
einzelnen Lagerarbeiter. Der Bekl. habe nicht in substantiierter Weise
dargetan, daß es sich insoweit um eine - nach Werkvertragsrecht zu
beurteilende - selbständige Vertragsleistung gehandelt habe, für
deren Erbringung ein gesondert feststellbarer Teil der Gesamtvergütung
zu zahlen sei.
II. 1. Zutreffend hat das BerGer. den zwischen
den Parteien geschlossenen Vertrag als Dienstvertrag gewertet. Dies entspricht
der rechtlichen Einordnung eines Detektivvertrages in Rechtsprechung und
Literatur (vgl. BGH, LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 84 = WM 1978,
723 (725); Erman-Hanau, BGB, 8. Aufl., § 611 Rdnr. 40; Lieb, Dienstvertrag,
in: Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts,
Bd. III, 1983, S. 183, 194). Auch die Revision erhebt insoweit keine Bedenken.
Daß das Ergebnis der detektivischen Tätigkeit in einem Bericht
zusammengefaßt werden sollte und nach der Behauptung des Bekl. Psychogramme
über die einzelnen Mitarbeiter der Firma zu erstellen waren, vermag
die Einordnung des Vertrages als Dienstvertrag nicht in Zweifel zu ziehen.
Auch wenn diese Leistungen werkvertragliche Elemente enthalten, treten
sie hinter dem dienstvertraglichen Charakter des Gesamtvertrages zurück
(vgl. Staudinger-Löwisch, BGB, 12. Aufl., § 305 Rdnr. 79; Staudinger-Richardi,
Vorb. §§ 611 ff. Rdnr. 85).
2. Die Erwägungen, mit denen das BerGer.
das der Klage stattgebende Urteil des LG bestätigt hat, tragen das
von ihm gefundene Ergebnis auch dann nicht, wenn man die umstrittene Frage,
ob im Fall der Schlechtleistung ein Dienstverpflichteter die Dienstvergütung
verwirken oder ein Dienstberechtigter diese herabsetzen kann, mit dem BerGer.
verneint. Die Revision rügt mit Recht, das BerGer. habe sich nicht
mit der Frage der Unmöglichkeit befaßt.
a) Nach dem bisherigen Vortrag muß der Senat
davon ausgehen, daß zwischen den Parteien abgesprochen war, der bei
der Firma einzusetzende Mitarbeiter der Kl. solle die nach dem Vertrag
geschuldete detektivische Tätigkeit im Hauptlager am K.-Tor entfalten.
Hier lag das Schwergewicht der Aktivitäten der Firma. In dem Lager
waren sieben Personen beschäftigt. Hier befand sich die gesamte Warenpalette
der Firma einschließlich aller kleinen Geräte und hochwertigen
kleinen Ersatzteile, die durch ungetreue Mitarbeiter leicht beiseite geschafft
werden konnten. Demgegenüber kam einer Aufklärungsarbeit in dem
nur mit einem Mann besetzten Außenlager an der I-Straße, das
nur mit großvolumigen und schweren Artikeln bestückt war, allenfalls
eine ganz untergeordnete Bedeutung zu. Der Ort, an dem die Dienste der
Kl. vereinbarungsgemäß zu erbringen waren, hatte mithin eine
für den Inhalt des Dienstvertrags wesentliche Bedeutung. Nach dem
in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vorbringen des Bekl.
ist der Mitarbeiter S der Kl. deshalb überwiegend nicht in dem Hauptlager,
sondern in dem Außenlager beschäftigt worden, weil er dem über
die Funktion von S nicht unterrichteten Lagermeister am zweiten Tag seines
Einsatzes erklärte, er werde nur 14 Tage bei der Firma tätig
sein. Danach ist der Kl. die von ihr geschuldete Aufklärungsarbeit
in dem Hauptlager für die Zeit, in der ihr Mitarbeiter S in dem Außenlager
eingesetzt war, unmöglich geworden.
b) Die durch den Einsatz ihres Mitarbeiters in
dem Außenlager herbeigeführte Unmöglichkeit der Leistung
der versprochenen Dienste hat die Kl. nach dem Vortrag des Bekl. zu vertreten.
Dieser behauptet, bei Vertragsschluß ausdrücklich darauf hingewiesen
zu haben, der Mitarbeiter der Kl. dürfe sich unter keinen Umständen
als nur für 14 Tage eingestellte Aushilfe zu erkennen geben, weil
man ihn dann nur zum "Hofkehren" einsetzen werde. Daraus konnte die Kl.
entnehmen, daß die Gefahr eines anderweitigen Einsatzes ihres Mitarbeiters
bestand, der die Leistung der versprochenen Dienste ausschloß. Dem
mußte sie durch eine entsprechende Unterrichtung ihres Mitarbeiters
vorbeugen. Dessen Verschulden ist ihr nach § 278 BGB anzulasten.
c) Daß der Bekl. sich mit einem Einsatz
des Mitarbeiters der Kl. in dem Außenlager einverstanden erklärt
hätte, ist dem Sachvortrag der Parteien nicht zu entnehmen. Die Revision
weist mit Recht darauf hin, daß der Bekl. unter Beweisantritt vorgetragen
hat, nachdem er von dem Hinweis des Mitarbeiters S auf die kurze Dauer
seiner Beschäftigungszeit und der daraufhin erfolgten Versetzung in
das Außenlager erfahren habe, habe er Herrn T von der Kl. angerufen
und ihm vorgeschlagen, den Auftrag sofort abzubrechen. T habe ihn beschwichtigt
und versprochen, S bekomme eine völlig neue Legende und werde sich
das Vertrauen seiner Kollegen schnellstmöglich zurückgewinnen.
Davon habe er - Bekl. - jedoch nichts gemerkt. Nach circa einer Woche habe
er selbst dafür Sorge tragen müssen, daß S zumindest zeitweise
wieder im Hauptlager tätig geworden sei. Danach verstößt
der Bekl. auch nicht unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens
gegen Treu und Glauben, wenn er sich wegen des Einsatzes von S in dem Außenlager
auf Unmöglichkeit beruft.
d) Im Fall der Unmöglichkeit kann der Bekl.
Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder die für den
Fall des § 323 BGB bestimmten Rechte geltend machen (§ 325 I
BGB). Ein Rücktritt kommt bei Dienstverhältnissen nicht in Betracht;
er ist durch das Recht zur außerordentlichen Kündigung ersetzt
(vgl. Palandt-Putzo, BGB, 49.Aufl., § 611 Anm. 1d; Staudinger-Richardi,
§ 611 Rdnr. 455; auch Staudinger-Otto, § 326 Rdnr. 24 f.). Davon
hat der Bekl. keinen Gebrauch gemacht.
Nach dem bisherigen Sachstand ist davon auszugehen,
daß der Kl. die von ihr geschuldete Leistung durch den Einsatz ihres
Mitarbeiters S außerhalb des Hauptlagers teilweise unmöglich
geworden ist. Auch wenn in Fällen der vorliegenden Art eine Frist
von mindestens zwei Wochen erforderlich ist, um sinnvolle Observierungsarbeit
zu leisten, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, ein kürzerer
Zeitraum sei zur Erlangung von mit dem Vertrag erstrebten Ergebnissen von
vornherein völlig ungeeignet gewesen. Vielmehr war es nicht auszuschließen,
daß der Mitarbeiter der Kl. in den Tagen seiner Anwesenheit im Hauptlager
Beobachtungen machte, die für die Firma von Bedeutung sein konnten.
Freilich ist der Bekl. gem. § 325 I 2 BGB berechtigt, Schadensersatz
wegen Nichterfüllung der ganzen Verbindlichkeit nach Maßgabe
des§ 280 II BGB zu verlangen, wenn die Teilerfüllung des Vertrages
für ihn kein Interesse hat. Das träfe dann zu, wenn die Erbringung
der möglichen Teilleistung gegen eine entsprechende Teilgegenleistung
für den Bekl. ohne Interesse und es günstiger für ihn wäre,
insgesamt neu abzuschließen (vgl. Erman-Battes, § 325 Rdnr.
32; Emmerich, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 325 Rdnr. 71; Palandt-Heinrichs,
§ 325 Anm. 6; Staudinger-Otto, § 325 Rdnr. 77; auch BGH, WM 1981,
792 (795)). Dazu fehlt es an Feststellungen des BerGer. In diesem Zusammenhang
kann von Bedeutung sein, daß die Kl. Psychogramme über das Personal
des Hauptlagers nicht erstellt und nach der Behauptung des Bekl. die für
einen Zeitpunkt im unmittelbaren Anschluß an die Tätigkeit
ihres Mitarbeiters im Betrieb der Firma zugesagte Schlußbesprechung
derart verzögert hat, daß sie ohne Erkenntnisgewinn blieb.
Der Schaden des Bekl. bestünde bei gänzlichem
Interessewegfall darin, daß er mit der vereinbarten Vergütung
belastet ist. Er brauchte diese Vergütung dann grundsätzlich
nicht zu leisten. Freilich hat er nach § 280 II i. V. mit § 346
S. 2 BGB für die in dem Hauptlager geleisteten Dienste das vereinbarte
(anteilige) Entgelt zu entrichten. Dieses ist in Anwendung von § 287
ZPO zu ermitteln. Dabei wird eine Aufteilung der vereinbarten Pauschalvergütung
im Verhältnis der Zeitdauer, während der der Mitarbeiter der
Kl. in dem Hauptlager und an anderer Stelle eingesetzt war, nicht ohne
weiteres genügen. Vielmehr ist gegebenenfalls der anteilige Wert von
Mitarbeiterpsychogrammen und einer zeitnahen Schlußbesprechung zu
gewichten und zu Lasten der Kl. mit in Ansatz zu bringen. An die Darlegungs-
und Beweislast des Bekl. sind insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen.
Ihm werden die dem Pauschalpreis zugrundeliegenden Berechnungsfaktoren
nicht bekannt sein. Das Gericht hat nötigenfalls zu schätzen
und nach freiem Ermessen zu entscheiden (vgl. BGH, NJW 1964, 589 = LM §
287 ZPO Nr. 33).
Möglicherweise kann die Frage des gänzlichen
Interessewegfalls auch auf sich beruhen. Dies träfe dann zu, wenn
- wofür einiges spricht - die Berechnung eines Anspruchs auf Schadensersatz
wegen teilweiser Nichterfüllung (vgl. BGH, NJW-RR 1988, 420 = LM §
611 BGB Nr. 87 = ZIP 1988, 568 (569 f.)) im Streitfall zu demselben Ergebnis
führte wie die Berechnung eines Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung
der ganzen Verbindlichkeit.
III. Die Zurückverweisung gibt dem BerGer.
Gelegenheit, das Parteivorbringen unter Berücksichtigung der aufgezeigten
rechtlichen Gesichtspunkte umfassend neu zu würdigen und die erforderlichen
Beweise zu erheben.