NJW 1990, 908
LM § 823 (Ac) BGB Nr. 47
MDR 1990, 531
JZ 1990, 199
BB 1990, 445
WM 1990, 564
VersR1990, 204
Zur Frage der Eigentumsverletzung
durch Lieferung mangelhafter Weinkorken.
Der Kl. ist Inhaber eines Weingutes.
Er begehrt von einem als "Herrn G" bezeichneten Korkenlieferanten Ersatz
von Schäden, die nach seiner Behauptung aufgrund der Lieferung mangelhafter
Weinkorken entstanden sein sollen. Der Kl. bezog im Jahre 1984 von einem
unter "G-Weinkorken", teilweise mit dem Zusatz "G-Korkland Weinkorken"
im Rechtsverkehr auftretenden Unternehmen insgesamt 46000 Weinkorken der
Qualitätsstufe Nr. 32, 38+24 mm, einschließlich Druck, Rundum-Verkapselung
und vakuum-steril verpackt zum Preis von 3883 DM. Der Lieferant ist seit
dem Jahre 1919 im Handelsregister eingetragen. Vom 31. 12. 1967 bis 1977
wurde das Unternehmen als OHG, danach als Einzelhandelsunternehmen, zunächst
von Frau R geb. G und seit 1981 von Frau L geb. R betrieben. Als Firma
war im Handelsregister in der ganzen Zeit "G, Korken-Großhandel"
eingetragen. Mit den bezogenen Korken verkorkte der Kl. 45845 in seinem
Betrieb befüllte Weinflaschen. 10000 Flaschen hat er verkauft; sie
wurden ihm aber von seinen Abnehmern wieder zurückgegeben, weil die
Korken undicht waren und sich an ihnen Schimmel gebildet hatte. Die übrigen
35845 Flaschen konnte der Kl. wegen der Schimmelbildung nicht veräußern.
In einem im Jahre 1986 vom Kl. anhängig gemachten Beweissicherungsverfahren
soll der vom Gericht beauftragte Sachverständige nach der Darstellung
des Kl. zu der Überzeugung gelangt sein, daß die Undichtigkeit
und die Schimmelbildung auf Mängeln der Korken beruhten. Der Kl. hat
behauptet, der Wein sei nur verkäuflich, wenn er umgefüllt und
neu verkorkt würde. Ein Umfüllen erfordere aber einen über
dem Verkaufserlös liegenden Aufwand und bringe die für die Weine
erteilten Prämierungen in Wegfall. Auch könnten die umgefüllten
Weine wegen des in den Flaschen entstandenen Oxidationstones keine
amtliche Prüfnummer mehr erhalten. Ausgehend von einem Flaschenpreis
von 2,60 DM begehrt der Kl. für die von der Schimmelbildung betroffenen
45845 Weinflaschen Schadensersatz in Höhe von 119197 DM.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält die Klage unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt für begründet.
Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung
sind nach Auffassung des BerGer. verjährt, da sich der Schaden des
Kl. unmittelbar aus einem Sachmangel ergebe und deshalb nur eine Verjährungsfrist
von 6 Monaten gelte, die aber bereits Mitte August 1984 abgelaufen gewesen
sei. Einem Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB stehe entgegen,
daß eine relevante Rechtsgutsverletzung nicht ersichtlich sei. Der
Schaden des Kl. liege allein darin, daß die Weinflaschen entkorkt,
der Wein entleert und die Flaschen neu abgefüllt werden müßten.
Eine Substanzverletzung am Wein sei aber nicht eingetreten.
II. Das Berufungsurteil hält den
Angriffen der Revision nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung
hätte die Klage nicht schon als unzulässig abgewiesen werden
müssen, weil der Kl. eine nicht existierende Person verklagt hat.
Der Kl. hat vielmehr zulässigerweise die jetzige Inhaberin der Korkengroßhandlung
G unter ihrer Firma verklagt. Sie ist damit Prozeßpartei geworden.
§ 17 II HGB gestattet es, einen
Kaufmann im kaufmännischen Geschäftsverkehr "unter seiner Firma"
zu verklagen, also unter dem Namen, unter dem er im Handel seine Geschäfte
betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 I HGB). Der Kl. ist nicht
genötigt, sich darum zu kümmern, welche Person dies tatsächlich
ist (RGZ 54, 15 (17)). Es ist deshalb, wie schon das RG in einem Urteil
aus dem Jahre 1903 entschieden hat, z. B. zulässig, einen Einzelkaufmann,
der eine OHG allein forführt, unter der Bezeichnung "Herrn E &
Cie." zu verklagen - (RGZ 54, 15 (17); vgl. dazu auch Wachsmann, in: Gruchot's
Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, 1907, S. 318).
In gleicher Weise muß es demnach zulässig sein, einer Frau,
die - wie im Streitfalle - ein Handelsgeschäft erworben hat und es
unter der bisherigen, auf einen männlichen Inhaber hinweisenden Firma
fortführt, unter diesem Namen mit dem Zusatz "Herrn" zu verklagen.
Es ist in Fällen dieser Art nicht erforderlich, sondern es wäre
im Gegenteil ungenau, die Klage gegen die Firma mit dem von dem Kaufmann
benutzten Namen zu richten. Denn die Firma ist entgegen einem weit verbreitetem
Irrtum als solche kein Rechtsubjekt, das man verklagen kann (RGZ 54, 15
(18)).
2. Die Revision wendet sich mit Erfolg
dagegen, daß das BerGer. die Klage sachlich nicht für begründet
gehalten hat.
a) Zutreffend und von der Revision unangegriffen
hat das BerGer. allerdings Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung
für verjährt erachtet. Über den engen Wortlaut des §
477 I BGB hinaus gilt nämlich die hierin bestimmte sechsmonatige Verjährungsfrist
für alle im Zusammenhang mit der kaufrechtlichen Gewährleistung
geltend gemachten Ansprüche, soweit sie sich unmittelbar auf den Sachmangel
gründen, und damit auch für Schadensersatzansprüche wegen
positiver Vertragsverletzung, sofern die Schäden einschließlich
der Folgeschäden aus einem Sachmangel hergeleitet werden und zu diesem
in unmittelbarem, untrennbaren Zusammenhang stehen (BGHZ 87, 88 (92
f.) = NJW 1983, 1496 = LM § 477 BGB Nr. 37 m. w. Nachw.). Nur solche
Ansprüche verfolgt der Kl. mit seiner Klage. Die Frist von sechs Monaten
war bereits abgelaufen, als der Kl. das Beweissicherungsverfahren eingeleitet
hat, das in entsprechender Anwendung von § 639 II BGB verjährungshemmende
Wirkung haben konnte (vgl. BGHZ 39, 287 (292) = NJW 1963, 1452 = LM §
477 BGB Nr. 6), und zwar auch dann, wenn der Handelsvertreter K bei Annahme
der Mängelrügen Empfangsbote oder Empfangsvertreter für
die Bekl. gewesen sein sollte.
b) Das BerGer. durfte jedoch nicht davon
ausgehen, der Kl. habe auch das Bestehen eines Schadensersatzanspruches
aus § 823 I BGB nicht schlüssig dargelegt.
aa) Rechtsfehlerfrei hat das BerGer.
allerdings aufgrund des von ihm der Entscheidung zugrundegelegten Sachverhalts
solche Ansprüche verneint.
(1) Die Schimmelbildung auf den Korken
unter der Kapsel der Weinflaschen kann deliktisch nicht als Eigentumsverletzung
an den gelieferten Weinkorken angesehen werden, da sich in ihr lediglich
der revisionsmäßig zu unterstellende Mangelunwert der Korken
manifestiert (vgl. zuletzt Senat, BGHZ 105, 346 (355) = NJW 1989, 707
= LM § 823 (Ac) BGB Nr. 46 - Fischfutter).
(2) Der erkennende Senat folgt dem BerGer.
auch darin, daß Schadensersatzansprüche aus § 823 I BGB
wegen Verletzung des Eigentums an dem Wein des Kl. nicht schon deshalb
bestehen, weil dieser wegen der behaupteten Korkenmängel jetzt praktisch
unverkäuflich ist und für ihn nur Verkaufschancen bestehen, wenn
die Weinflaschen entkorkt, der Wein entleert und wieder neu abgefüllt
würde, dieser Aufwand aber bei dem geringen Verkaufspreis des Weines
nicht in Betracht kommt. An einer Eigentumsverletzung fehlt es insoweit
offensichtlich, soweit der Mangel der Weinkorken lediglich bedingt, daß
der Wein umgefüllt werden müßte, wenn ihn der Kl. (nochmals)
in den Verkehr bringen wollte. Der hierfür erforderliche Aufwand gründet
nämlich allein darauf, daß die von der Bekl. gelieferten Weinkorken
zum Verschluß von Weinflaschen ungeeignet sind; in ihm manifestiert
sich nur deren Mangelunwert, der keine Deliktsansprüche begründet.
Aber auch dadurch, daß im Streitfall
der Aufwand einer Neuabfüllung wirtschftlich unsinnig ist, andererseits
aber der Wein wegen der zu unterstellenden Schwierigkeit, ihn mit der vorhandenen
Verkorkung zu verkaufen, für den Kl. so gut wie wertlos ist, wird
noch kein Schadensersatzanspruch wegen Eigentumsverletzung ausgelöst.
Die Verletzung des Eigentums an einer Sache kann zwar nicht nur durch
eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz, sondern auch durch eine Einwirkung
auf die Nutzungs- und Verkaufsfähigkeit der Sache erfolgen (BGHZ
55, 153 (159) = NJW 1971, 886 = LM § 823 (Ac) BGB Nr. 13). Der erkennende
Senat hat deshalb eine Eigentumsverletzung auch darin gesehen, daß
mit Antibiotikum kontaminisiertes Fischfutter geliefert und verfüttert
wurde und daraufhin gegen den Fischzüchter ein behördliches Verkaufsverbot
verhängt wurde (Senat, BGHZ 105, 346 (355) = NJW 1989, 707 = LM §
823 (Ac) BGB Nr. 46). Indes drückt sich, soweit die Unverkäuflichkeit
des Weins allein auf der Unwirtschaftlichkeit eines Korkenwechsels beruht,
in der Beeinträchtigung des Eigentums der Mangelunwert der Korken
derart aus, und ist das Integritätsinteresse des Kl. von einem durch
die §§ 823 ff. BGB nicht geschützten, sondern der Vertragsordnung
vorbehaltenen Äquivalenzinteresse an der Belieferung mit tauglichen
Korken derart überlagert, daß nach Auffassung des Senats
insoweit das Deliktsrecht von dem vertraglichen Gewährleistungsrecht
verdrängt wird.
bb) Die Revision rügt jedoch mit
Recht, daß das BerGer. weiteres Vorbringen des Kl. in der Berufungsbegründung
unberücksichtigt gelassen hat, wonach der Wein wegen des durch den
Schwund in den Flaschen (offenbar aufgrund des anstelle des ausgelaufenen
Weines in die Flaschen gelangten Luftsauerstoffes) inzwischen entstandenen
Oxidationstones die amtliche Prüfnummer verliert und nach einer Neuabfüllung
eine solche nicht mehr erhält. Dieser Verfahrensrüge hält
das Berufungsurteil nicht stand. Bestätigt sich das Vorbringen des
Kl., dann wäre tatsächlich durch den Korkenmangel der Wein in
seiner Beschaffenheit nachteilig beeinflußt worden. Das reicht
für eine Eigentumsverletzung aus. Es ist nicht erforderlich, wie die
Revisionserwiderung meint, daß der Mangel eine "Umweltgefahr" hervorgerufen
hat, etwa "verkehrsgefährdend" geworden ist. Es ist auch nicht - wie
dies in BGHZ 101, 337 = NJW 1988, 52 = LM § 377 HGB Nr. 31 der Fall
war - erforderlich, daß der Wein ungenießbar geworden ist.
Die Bekl. kann sich auch nicht mit
Erfolg darauf berufen, der Kl. habe von den billigen Korken keinen besseren
Schutz seines Weines erwarten dürfen. Der Preis einer Ware kann zwar
für die die Verkehrssicherungspflicht beeinflussende Verbrauchererwartung
von Bedeutung sein (vgl. zuletzt Senat, NJW 1990, 906 ); eine bestimmte
Basissicherheit muß jedoch immer gewährleistet sein (vgl. Kullmann,
in: Kullmann-Pfister, Produzentenhaftung, Kennzahl 1520 unter F I 2 b,
cc).
Der Kl. kann daraus auch ein Schaden
entstanden sein. Wein darf nämlich als Qualitätswein nur gekennzeichnet
(und verkauft) werden, wenn für ihn auf Antrag eine Prüfnummer
zugeteilt worden ist (§ 11 WeinG). Verändert sich der Wein später,
so kann dies tatsächlich zu einem Verlust der Prüfnummer führen.
Die Prüfnummer wird nämlich im allgemeinen nach der Abfüllung
erteilt (§ 5 WeinVO); sie kann aber widerrufen werden, wenn nachträglich
ein Umstand eintritt, welcher der Erteilung einer Prüfnummer entgegenstehen
würde (§ 5 VIIb WeinVO). Dazu gehört auch der Fall nachträglicher
Verschlechterung, insbesondere wenn der Wein nach Farbe, Geruch, Klarheit
oder Geschmack nicht mehr die Wertmerkmale aufweist, die für einen
Qualitätswein normalerweise charakteristisch sind (vgl. Zipfel, LebensmittelR,
§ 5 LebensmittelR 23 i. V. mit § 14 WeinG Rdnr. 22).
Ein durch diese Eigentumsverletzung
herbeigeführter Schaden kann auch nicht ohne weiteres deshalb verneint
werden, weil bereits wegen der mangelnden Elastizität der Korken Schwierigkeiten
bestanden, diesen Wein zu verkaufen und der die Eigentumsverletzung herbeiführende
Oxidationston erst später entstanden ist. Denn von der Entziehung
der Prüfnummer an darf der Wein, wie bereits ausgeführt, als
Qualitätswein nicht mehr verkauft werden. Hierin kann deshalb ein
zusätzlicher Schaden liegen.
III. Bei dieser Sachlage muß das
Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und
Entscheidung an das BerGer. zurückverwiesen werden, damit es zu den
bisher nicht berücksichtigten Behauptungen des Kl. entsprechende Feststellungen
treffen kann. Sollten sich diese Behauptungen bestätigen, wird es
sich allerdings auch mit dem von der Revisionserwiderung erhobenen Mitverschuldenseinwand
zu befassen haben.