NJW 1992, 2228
LM § 781 BGB Nr. 22
MDR 1993, 125
DB 1992, 2441
VersR1992, 1091
Akzeptiert nach einem Verkehrsunfall der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners in einer Abfindungserklärung des Geschädigten einen auf den materiellen Zukunftsschaden gerichteten Vorbehalt, so liegt darin allein auch dann keine "konstitutive" Befreiung von der Verjährungseinrede, wenn damit zu rechnen ist, daß weitere Unfallfolgen erst nach mehr als drei Jahren auftreten könnten.
Der Kl. verlangt nach einem Verkehrsunfall vom
6. 8. 1973 von der Bekl. als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners B
Ersatz seines Schadens. Die volle Haftung der Bekl. für die Unfallfolgen
ist außer Streit. Sie hat bis zum Jahre 1975 mehrere Zahlungen geleistet.
Am 13. 10. 1975 erteilte der Kl. der Bekl. eine schriftliche Abfindungserklärung,
mit der er sich "wegen aller bisherigen und künftigen Ansprüche
aus dem Schadenereignis vom 6. 8. 1973 gegen B und gegen sonstige Personen
nach Zahlung von restlich 12000 DM für endgültig abgefunden"
erklärte. In der Urkunde heißt es sodann: "Vorbehalten bleibt
der materielle Zukunftsanspruch ab 13. 10. 1975." Im Jahre 1984 begab sich
der Kl. in die Behandlung eines Orthopäden, der an der linken Beckenhälfte
einen ausgeprägten Verschleiß des Hüftgelenks mit "Verformung
des Kopfes, Geröllzystenbildung und Osteophytenbildungen" feststellte.
Der Arzt führte diese Schäden auf den Unfall im Jahre 1973 zurück
und empfahl dem bislang als Schreiner und Möbelpacker tätigen
Kl., einen anderen Beruf zu ergreifen. Mit Schreiben seiner Rechtsanwälte
vom 11. 6. 1987 bat der Kl. die Bekl. um die Zusage, "eventuell zukünftig
entstehende materielle Ansprüche zu begleichen", was die Bekl. unter
Hinweis auf die Abfindungserklärung und wegen Verjährung ablehnte.
Mit der am 13. 9. 1990 bei Gericht eingegangenen
Klage begehrt der Kl. die Feststellung, daß die Bekl. verpflichtet
sei, ihm den zukünftigen materiellen Schaden aus dem Unfallereignis
vom 6. 8. 1973 zu ersetzen.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg
geblieben. Die - zugelassene - Revision des Kl. blieb erfolglos.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält, ebenso wie schon das
LG, die geltend gemachten Schadensersatzansprüche für verjährt.
Für den Kl. sei nach seinem eigenen Vorbringen
die nunmehr eingetretene Arthrose im linken Hüftgelenk aufgrund ärztlicher
Zeugnisse bereits ab November 1973 vorhersehbar gewesen. Zwar möge
die Bekl. dadurch, daß sie sich auf den Vorbehalt in der Abfindungserklärung
eingelassen habe, ihre davon umgrenzte Schadensersatzpflicht i. S. des
§ 208 BGB anerkannt haben. Sie habe hierdurch jedoch weder den Anspruch
des Kl. auf Ersatz von Zukunftsschäden von der Verjährungseinrede
aus § 852 I BGB gänzlich befreit, noch sei sie durch schuldbegründendes
Anerkenntnis eine selbständige rechtliche Verpflichtung eingegangen.
In Anbetracht der Möglichkeit, daß beim Kl. weitere Unfallfolgen
erst nach Ablauf von drei Jahren eintreten könnten, sei allerdings
der in der Abfindungserklärung niedergelegte Vorbehalt nur sinnvoll
gewesen, wenn er von einem Verzicht der Bekl. auf die Einrede der Verjährung
begleitet wurde. Der deshalb möglicherweise anzunehmende Einredeverzicht
der Bekl. habe jedoch nur so lange andauern können, wie eine Ungewißheit
des Kl. über den Eintritt von Zukunftsschäden bestanden habe.
Diese Ungewißheit sei durch die ärztliche Untersuchung des Kl.
im Jahre 1984 beseitigt worden. Eine zu dieser Zeit neu anlaufende Verjährungsfrist
von drei Jahren sei aber schon vor der Klageerhebung im September 1990
wieder abgelaufen gewesen. Aus der Vereinbarung des Vorbehalts könne
nach § 157 BGB nicht herausgelesen werden, daß der Einredeverzicht
der Bekl. noch über diese drei Jahre hinaus so lange habe andauern
sollen, bis Spätfolge-Schäden des Kl. bezifferbar sein würden.
II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen
der Revision stand.
1. Mit Recht geht das BerGer. davon aus, daß
der Klageanspruch verjährt ist, wenn die Bekl. dadurch, daß
sie sich auf den Vorbehalt in der Abfindungserklärung vom 13. 10.
1975 einließ, dem Kl. (lediglich) ein deklaratorisches Anerkenntnis
erteilt hat. Denn eine solche schuldbestätigende Erklärung veränderte
nicht die Länge der in § 852 I BGB und § 14 StVG festgelegten
und gem. § 3 Nr. 3 PflVG auch im Verhältnis des Kl. zur Bekl.
geltenden Verjährungsfrist von drei Jahren, sondern führt gem.
§ 208 BGB nur zu einer Unterbrechung der Verjährung mit der Folge
ihres Neubeginns nach § 217 BGB (vgl. Senat, VersR 1965, 155 (156);
1965, 1153 (1154); NJW 1985, 791 = LM § 249 (Bb) BGB Nr. 40
= VersR 1985, 62 (63)). Lief aber ab dem 13. 10. 1975 lediglich eine neue
dreijährige Verjährungsfrist, so kann sich die Bekl. gegenüber
der erst am 13. 9. 1990 bei Gericht eingegangenen Klage selbst dann auf
den Eintritt der Verjährung berufen, wenn in dem Verhalten der Bekl.,
wie das BerGer. unterstellt, ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung
für denjenigen Zeitraum gelegen hat, in dem der Kl. über
den Eintritt von Spätfolgen des Unfalls noch im Ungewissen war. Denn
diese Ungewißheit bestand seit dem Jahre 1984 und damit bei Eingang
der Klageschrift bereits seit rund sechs Jahren nicht mehr. Dies alles
wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt.
2. Das Rechtsmittel des Kl. könnte deshalb
nur dann Erfolg haben, wenn in der Aufnahme des Vorbehalts in die Abfindungserklärung
vom 13. 10. 1975 und deren Entgegennahme durch die Bekl. ein zu einer Verjährungsfrist
von 30 Jahren führendes selbständiges (konstitutives) Anerkenntnis
der Bekl. i. S. von § 781 BGB gelegen hätte oder wenn durch Vereinbarung
der Parteien der Anspruch des Kl. auf Ersatz seines Zukunftsschadens wie
bei einem Feststellungsurteil gem. § 218 I BGB von der Verjährungseinrede
der Bekl. aus § 852 I BGB befreit worden wäre. Beides hat das
BerGer. ohne Rechtsfehler verneint. Die dazu in tatrichterlicher Würdigung
vorgenommene Auslegung der Vereinbarung vom 13. 10. 1975, die vom RevGer.
nur beschränkt nachgeprüft werden kann (vgl. Senat, VersR 1965,
1153 (1154); 1974, 571 (572); BGH, VersR 1984, 441 (442)), verstößt
nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und läßt auch
keinen erheblichen Parteivortrag außer Betracht.
a) Der von der Bekl. akzeptierte Vorbehalt in
der Abfindungserklärung spricht bei revisionsrechtlicher Überprüfung
weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem vom BerGer. dargelegten Zweck,
den materiellen Zukunftsschaden aus dem Verzicht des Kl. auf die den Abfindungsbetrag
übersteigenden Ansprüche auszugrenzen, dafür, daß
die Parteien für diesen Zukunftsschaden eine von dem zugrundeliegenden
Haftungstatbestand losgelöste selbständige Rechtsgrundlage schaffen
wollten. Auch die Revision vermag keine Umstände aufzuzeigen, die
das BerGer. hätten veranlassen müssen, die Erklärung der
Bekl. als derart schuldbegründendes Anerkenntnis zu beurteilen.
b) Keinen Erfolg kann die Revision auch mit ihrer
Rüge haben, die Bekl. habe mit der Entgegennahme der Abfindungserklärung
den Kl. wie bei einem Feststellungsurteil von der Verjährungseinrede
"konstitutiv" befreit (zu dieser rechtlichen Möglichkeit s. Senat,
VersR 1986, 694 (685) = NJW 1985, 791 = LM § 249 (Bb) BGB Nr. 40).
Im Unterschied zu den diesen Urteilen zugrundeliegenden Fallgestaltungen
bestand nämlich hier nach dem vom BerGer. festgestellten Sachverhalt
für die Bekl. weder besonderer Anlaß zu der Annahme, ohne Abgabe
einer die Verjährung langfristig hinausschiebenden Erklärung
vom Kl. mit einer auf den Zukunftsschaden gerichteten Feststellungsklage
überzogen zu werden, noch hat die Bekl. ein auf den Zukunftsschaden
gerichtetes Anerkenntnis mit dem Ziel abgegeben, den Kl. insoweit klaglos
zu stellen. Freilich war, wie auch das BerGer. nicht verkennt, der Vorbehalt
des Kl. in der Abfindungserklärung und seine als Anerkenntnis i. S.
von § 208 BGB anzusehende Entgegennahme durch die Bekl. ohne einen
Verzicht der Bekl. auf die Einrede der Verjährung jedenfalls dann
nicht sinnvoll, wenn die Parteien, wie das BerGer. unterstellt, am 13.
10. 1975 davon ausgingen, daß ein Folgeschaden möglicherweise
erst nach Ablauf von drei Jahren eintreten würde. Die sich daraus
für solche Zukunftsschäden ergebende Interessenlage des Kl. reicht
aber für sich allein nicht aus, um den Kl. allein schon aufgrund der
Entgegennahme des Vorbehalts durch die Bekl. so zu stellen, als ob er eine
gerichtliche Feststellung der Ersatzpflicht der Bekl. erwirkt hätte.
Wie das BerGer. rechtsfehlerfrei darlegt, hätte der bereits
bei der Abfindungsvereinbarung anwaltlich vertretene Kl., wenn er einen
langfristigen Ausschluß der Verjährung erreichen wollte, entweder
eine Feststellungsklage erheben oder vor dem Hintergrund eine solchen Klage
und zu deren Vermeidung die Bekl. zur Abgabe einer eindeutigen Anerkenntniserklärung
veranlassen müssen oder er hätte, als für ihn bis Oktober
1978 noch keine Spätfolgen erkennbar waren, die Bekl. zu einem noch
über den Zeitpunkt der Erkennbarkeit von Spätfolgen im Jahre
1984 hinaus bis zur Klagerhebung wirkenden Verzicht auf die Einrede der
Verjährung veranlassen müssen. Das erstere hat der Kl. nicht
getan und die Verwirklichung einer der beiden anderen Möglichkeiten
kann nach der rechtsfehlerfreien Würdigung des BerGer. den Erklärungen
der Parteien vom 13. 10. 1975 und ihrem nachfolgenden Verhalten nicht entnommen
werden.