Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung: Vorrang der vertraglichen Regelung, insbesondere des Leistungsstörungsrechts

BGH, Urteil v. 17.06.1992  - XII ZR 253/90 (Celle)


Fundstelle:

NJW 1992, 2690
Zu den Voraussetzungen der Zweckverfehlungskondiktion s. auch BGH, Urteil vom 10. November 2003 - II ZR 250/01 - 



Amtl. Leitsätze:

1. Zur Frage, ob ein Sponsor die an einen Sportlehrer für die Übernahme der Trainertätigkeit bei einem Amateuroberligaverein gezahlte Summe (teilweise) zurückfordern kann, wenn der Trainervertrag vor Ablauf der vereinbarten Zeit beendet wird.
2. Ein Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung ist ausgeschlossen, wenn der bezweckte, aber nicht (voll) erreichte Erfolg Inhalt einer vertraglichen Bindung war; für die Abwicklung gelten dann die Grundsätze des Vertragsrechts.


Zum Sachverhalt:

Der Kl., ein Sportverein, begehrt aus abgetretenem Recht die (teilweise) Rückzahlung eines Geldbetrages, den der Bekl., ein Sportlehrer, von einem Sponsor des Kl., dem Kaufmann F, erhalten hat. Der Bekl. war bis zum Herbst 1985 als Trainer in derselben Stadt bei einem anderen Sportverein tätig, dessen Fußballmannschaft unter seiner sportlichen Leitung in die Bundesliga, die höchste deutsche Spielklasse für Berufsspieler, aufgestiegen war. Er verlor diese Anstellung jedoch wegen alkoholbedingten Verhaltens. Mit Blick auf die fachlichen Fähigkeiten des Bekl. ging der Kl. im Januar 1986 auf ein Angebot des F ein, die Anstellung des Bekl. als Trainer der ersten Fußballmannschaft des Kl. zu ermöglichen; diese spielte seinerzeit in der höchsten Amateurklasse, erstrebte jedoch den Aufstieg in den professionellen Fußballsport. Durch schriftliche Vereinbarung mit dem Bekl. vom 15. 1. 1986 verpflichtete sich F, an ihn für die Übernahme der Trainertätigkeit beim Kl. einen Betrag von 200000 DM zu zahlen. Davon waren zu diesem Zeitpunkt 30000 DM schon ausgezahlt, weitere 136000 DM wurden bis zum 1. 2. 1986 an den Bekl. gezahlt; die restlichen 34000 DM stellte F vereinbarungsgemäß dem Kl. zur Verfügung, damit dieser dem Bekl. ein monatliches Bruttogehalt von 4250 DM ab 1. 1. 1986 gewähren konnte. Der Bekl. übernahm aufgrund eines gleichfalls am 15. 1. 1986 geschlossenen und bis zum 30. 6. 1987 befristeten Vertrages die Trainertätigkeit beim Kl. Diese endete jedoch schon im November 1986. Zwischen den Parteien besteht Streit sowohl über die Gründe der Trennung wie darüber, wer von ihnen die Kündigung erklärt hat. Der Kl., an den F sämtliche Ansprüche gegen den Bekl. abgetreten hat, vertritt den Standpunkt, der Bekl. müsse den Anteil aus der von F erhaltenen Summe zurückvergüten, den er zeitanteilig für jene sieben  Monate erhalten habe, in denen er entgegen der Vereinbarung nicht mehr als Trainer beim Kl. tätig gewesen sei.
Der demgemäß auf Zahlung von 70000 DM gerichteten Klage haben die Vorinstanzen in Höhe von 64555,56 DM stattgegeben. Die Revision des Bekl. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

1. Das BerGer. sieht in der Vereinbarung vom 15. 1. 1986 zwischen F und dem Bekl. weder einen gegenseitigen Vertrag i. S. der §§ 320 ff. BGB noch einen Vertrag zugunsten eines Dritten, denn alle Leistungsverpflichtungen des Bekl. beruhten auf dem am selben Tag zwischen den Parteien geschlossenen Trainervertrag.
Es billigt dem Kl. aus abgetretenem Recht des F aber einen Bereicherungsanspruch wegen Zweckverfehlung gem. § 812 I 2 Alt. 2 BGB zu, weil den Zahlungen des F an den Bekl. in Höhe von 166000 DM eine Zweckvereinbarung zugrunde gelegen habe, die zwischen ihnen auch schriftlich fixiert worden sei; danach habe Zweck der Zuwendung die Übernahme der Trainertätigkeit des Bekl. beim Kl. sein sollen. Diese Vereinbarung habe sich erkennbar darauf erstreckt, daß der Bekl. nicht nur kurzzeitig das Training übernahm, sondern bis zum 30. 6. 1987 beim Kl. blieb. Da dieser Zweck nicht vollständig erfüllt worden sei, weil der Bekl. in den letzten sieben Monaten der vorgesehenen Laufzeit nicht mehr beim Kl. gearbeitet habe, könne dieser - aus abgetretenem Recht - wegen teilweiser Zweckverfehlung den entsprechenden Anteil zurückfordern, ohne daß es darauf ankomme, wer und aus welchem Grund das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien gelöst habe.
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Revision verweist zu Recht darauf, daß ein Bereicherungsanspruch nach § 812 I 2 Alt. 2 BGB zwar eine tatsächliche Einigung der Beteiligten über den bezweckten Erfolg erfordert, diese aber nicht den Charakter einer vertraglichen Bindung haben darf. Haben die Beteiligten dagegen eine Vereinbarung geschlossen, aufgrund derer die Leistungen erbracht werden sollen, ist das Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen des Vertragsrechts abzuwickeln (BGHZ 44, 321 (323) = NJW 1966, 540 = LM § 812 BGB Nr. 70; BGHZ 108, 256 (265) = NJW 1989, 2745 = LM § 558 BGB Nr. 43; Lieb, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 812 Rdnr. 162; Palandt-Thomas, BGB, 51. Aufl., Vorb. § 812 Rdnr. 11 m. w. Nachw.).
Das BerGer. hat verkannt, daß ein Vertrag selbst dann vorliegen kann, wenn die von den Parteien übernommenen Leistungspflichten nicht in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen und auch kein Vertrag zugunsten Dritter gegeben ist. Der zwischen F und dem Bekl. geschlossene Vertrag läßt sich zwar keinem der im Gesetz - insbesondere im BGB - geregelten besonderen Schuldvertragstypen zuordnen. Doch wird dadurch der Vertragscharakter nicht in Frage gestellt; denn § 305 BGB ermöglicht es den Parteien, im Rahmen des rechtlich Zulässigen beliebige Leistungspflichten zu begründen. Auch wenn diese keinem gesetzlich geregelten Vertragstyp entsprechen, also atypisch sind, unterliegen sie doch jedenfalls den allgemeinen Regeln des Schuldrechts, wenn nicht im Einzelfall sogar bestimmte Vorschriften aus gesetzlich geregelten einzelnen Schuldverhältnissen direkt oder analog zur Lösung von Konflikten herangezogen werden können.
Der vom Kl. durch Abtretung erworbene Anspruch beruht auf einem solchen Vertrag eigener Art. F hat dem Bekl. den Betrag von insgesamt 200000 DM weder ganz noch teilweise unentgeltlich zugewendet. Die Vertragsparteien waren vielmehr darüber einig, daß diese Zahlung von der Übernahme der Trainertätigkeit des Bekl. beim Kl. rechtlich abhängig sein sollte. Gegen die Wirksamkeit dieses Vertrages bestehen keine - etwa aus § 138 BGB herzuleitenden - Bedenken; solche werden auch von keinem der Beteiligten geltend gemacht. Im professionellen Leistungssport ist die Zahlung hoher Geldbeträge für die angestrebte Verpflichtung von besonders qualifizierten Kräften, die eine Anhebung des Leistungsvermögens einer Mannschaft verheißen, nichts Außergewöhnliches; die dafür erforderlichen Mittel werden in vielen Fällen von Sponsoren (Firmen oder privaten Förderern) zu Werbezwecken oder zur Steigerung des eigenen Ansehens aufgebracht.
Dem Bekl. kann nicht vorgeworfen werden, daß er seinen gegenüber F übernommenen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht ausreichend nachgekommen sei. Durch den Abschluß des Trainervertrages mit dem Kl. am 15. 1. 1986, der unstreitig bis zum 30. 6. 1987 laufen sollte, und mit dem Antritt seiner Tätigkeit hatte der Bekl. die in der Vereinbarung mit F genannten Verpflichtungen erfüllt. Der Fortbestand des Vertrages und die Tätigkeit bis zum vorgesehenen Ablauf des Trainervertrages war nicht Gegenstand einer Leistungspflicht des Bekl. gegenüber F. Die insoweit gegenüber dem Kl. aufgrund des mit diesem geschlossenen Trainervertrages bestehenden Verpflichtungen konnte der Bekl. ohnehin nur unter Mitwirkung des Kl. bis zum vorgesehenen Vertragsende erfüllen; auf die Entwicklung dieses Vertragsverhältnisses hatte F keinen (unmittelbaren) Einfluß mehr.
Die vorzeitige Beendigung der Trainertätigkeit des Bekl. im November 1986 kann danach mit den Regeln über die Nichterfüllung von vertraglichen Leistungspflichten des Bekl. gegenüber F nicht mehr erfaßt werden. Das bedeutet jedoch nicht, daß diesem Umstand von vornherein keine Bedeutung mehr zukommt. Der Fortbestand des Trainervertrages bis zum Sommer 1987 kann zu den nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluß aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien gehört haben, auf denen sich ihr Geschäftswille aufbaute und die daher die Geschäftsgrundlage ihrer Vereinbarung gebildet haben (BGH, NJW 1991, 1478 = LM § 242 (Bb) BGB Nr. 134 = BGHRBGBB § 242 Geschäftsgrundlage 21). In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Berücksichtigung einer Veränderung der Geschäftsgrundlage auch dann nicht von vornherein ausnahmslos ausgeschlossen ist, wenn der Vertrag wie hier beiderseits erfüllt ist (BGHZ 74, 370 (373) = NJW 1979, 1818 = LM § 242 (Bb) BGB Nr. 95 m. w. Nachw.). Allerdings können Störungen der Geschäftsgrundlage insoweit nicht berücksichtigt werden, als sich ein Risiko verwirklicht, das nach dem Inhalt des Vertrages  derjenige zu tragen hat, der sich auf die Störung beruft (BGHZ 74, 370 (373) = NJW 1979, 1818 = LM § 242 (Bb) BGB Nr. 95). Eine solche Zuordnung bestimmter Gefahren zur Risikosphäre einer Vertragspartei ist dabei ihren ausdrücklichen oder stillschweigenden Absprachen zu entnehmen; sie kann jedoch auch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden.
In diesem Zusammenhang kommt hier dem Umstand erhebliche Bedeutung zu, daß allen Beteiligten, insbesondere aber dem Zedenten F, bei Vertragsschluß bekannt war, welche Gründe wenige Monate zuvor zur Entlassung des Bekl. als Trainer des höherklassigen Lokalrivalen geführt hatten. Es kann nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kl. den Bekl. trotz dessen (latenter) Alkoholkrankheit wegen seiner besonderen fachlichen Fähigkeiten als Trainer verpflichten wollte, eine Erwartung, die der Bekl. auch erfüllt hat; denn er hat unstreitig die erste Fußballmannschaft des Kl. so gefördert, daß sie im Zeitpunkt der Trennung der Parteien einen Tabellenplatz einnahm, der zur erstrebten Teilnahme an den Aufstiegsspielen zur (zweiten) Bundesliga berechtigte. Die Gefahr, daß die Krankheit des Bekl. (wieder) in ein akutes Stadium eintrat, wird unter diesen Umständen der Risikosphäre des F und - als dessen Rechtsnachfolger - des Kl. fallen mit der Folge, daß die Verwirklichung dieser Gefahr nicht unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu einer (nachträglichen) Herabsetzung der (bereits erfüllten) Leistungspflicht des F gem. § 242 BGB führt. Zu einer Anpassung des Vertrages an eine veränderte Geschäftsgrundlage kann daher nur ein dem Bekl. vorwerfbares, nicht auf dessen Alkoholkrankheit zurückzuführendes Verhalten führen, etwa eine grobe Vernachlässigung seiner Trainerpflichten, ein vorzeitiger und nicht gestatteter Wechsel zu einem anderen Verein oder ähnlich schwere Vertragsbrüche. Da hierzu bisher tatrichterliche Feststellungen fehlen, ist die Zurückverweisung des Rechtsstreits veranlaßt.
3. Im Hinblick auf die vom Kl. geäußerte und auch vom BerGer. in einer nicht tragenden Zusatzbemerkung vertretene Ansicht weist der Senat für das weitere Verfahren darauf hin, daß erhebliche Bedenken gegen die Annahme bestehen, die vom Kl. herangezogenen Vorfälle aus dem November 1986 könnten die fristlose Kündigung des mit dem Bekl. bestehenden Trainervertrages aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB rechtfertigen. Aus dem Umstand, daß der Bekl. der Kündigung des Kl. nicht widersprochen hat, läßt sich jedenfalls nicht schließen, daß er einen wichtigen Grund hat einräumen oder hat zugeben wollen, daß er die vorzeitige Vertragsbeendigung zu vertreten habe. Falls das BerGer. aufgrund der neuen Verhandlung zu der Beurteilung gelangt, trotz Annahme einer veränderten Geschäftsgrundlage sei keine Anpassung des Vertragsverhältnisses an veränderte Umstände geboten, öffnet sich auch nicht wieder Raum für einen Bereicherungsanspruch nach § 812 I 2 Alt. 2 BGB (BGH, NJW 1975, 776 = LM § 812 BGB Nr. 109; vgl. auch Lieb, in: MünchKomm, § 812 Rdnr. 166).