NJW 1994, 187
1. In einem ohne Rechtsgrund sicherungshalber
begebenen Wechselakzept liegt die Eingehung einer Verbindlichkeit i. S.
des § 817 S. 2 Halbs. 2 BGB. Diese kann bis zur Erfüllung oder
der Weitergabe des Wechsels an einen Dritten zurückgefordert werden.
2. Entgeltliche Geschäfte über die
Verschaffung öffentlicher Ämter und Titel sind sittenwidrig (§
138 I BGB).
3. Art. 37 Nr. 1 EGBGB 1986 schließt
die wirksame Abbedingung des in Art. 93 I WG kodifizierten Wirkungsstatuts
des Zahlungsortes durch Parteivereinbarung nicht aus (im Anschluß
an BGHZ 104, 145).
Die sehr komplexe Entscheidung ist für den
Grundkurs nur insofern relevant, als sie ein gutes Beispiel für den
Kondiktionsausschluß nach § 817 S. 2 BGB und dessen Ausnahme
bei Eingehung einer Verbindlichkeit darlegt. Der Vertrag über den
"Verkauf" bzw. die Vermittlung eines Titels (hier: Honorarkonsul) ist nichtig.
An sich könnte der "Käufer" dann die an den Titelhändler
gezahlte Vergütung nach § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt
der Leistungskondiktion als nicht geschuldet zurückfordern (sofern
nicht ein Fall des § 814 BGB vorliegt). Diese Kondiktion schließt
§ 817 S. 2 BGB, der entgegen seinem Wortlaut nicht nur für die
(praktisch bedeutungslose) Kondiktion nach § 817 S. 1 BGB, sondern
auch für die allgemeine Leistungskondiktion gilt ("Ausdehnungstheorie"),
an sich aus. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn die "Leistung", die
erbracht wurde, ihrerseits in der Begründung einer Forderung bestand.
Dann kann diese Forderung zurückverlangt bzw. ihr die Bereicherungseinrede
entgegengesetzt werden, weil andernfalls de facto der "Titelhändler"
sein Entgelt (sozusagen über den Umweg der geleisteten Forderung)
bekommen würde. So auch im vorliegenden Fall: Durch das Ausstellen
eines Wechsels hat der "Käufer" gegen sich eine Forderung begründet.
Dies war seine (sittenwidrige) "Leistung" auf den Vertrag, sie kann kondiziert
werden, weil § 817 S. 2 Halbs. 2 BGB eingreift.
Für den Grundkurs sind insoweit nur die fetten
Passagen von Bedeutung.
Der Kl. nimmt den Bekl. aus einem in der Schweiz
ausgestellten trassiert eigenen Wechsel über 50000 US-Dollar zzgl.
Zinsen in Anspruch. Dem bei Fälligkeit zu Protest gegangenen Wechsel
lag eine Vereinbarung der Parteien vom 22. 12. 1989 zugrunde. Danach sollte
der Bekl. dem Kl. gegen ein Entgelt von 125000 US-Dollar, auf das der Kl.
50000 US-Dollar anzahlte, bis zum 30. 6. 1990 die Ernennung zum Honorargeneralkonsul
von Sierra Leone in Ungarn verschaffen. Für den Fall nicht fristgerechter
Ernennung war der geleistete Betrag zurückzuzahlen. Zur Sicherung
dieser Verbindlichkeit stellte der Bekl. den Klagewechsel aus und übergab
ihn einem Treuhänder, der ihn abredegemäß dem Kl. aushändigte,
nachdem dieser nicht fristgerecht zum Honorargeneralkonsul ernannt worden
war. Der Bekl. ist der Ansicht, die dem Wechsel zugrundeliegende Vereinbarung
sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Der geltend gemachten Wechselforderung
stehe deshalb die Einrede der Bereicherung entgegen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Das BerGer. hat
ihr stattgegeben. Die Revision hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung
des landgerichtlichen Urteils.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält unter Zugrundelegung deutschen
Rechts eine Wechselforderung des Kl. für gegeben (Art. 28 I WG). Zur
Begründung hat es ausgeführt:
Die Parteien hätten das nach Art. 93 I WG
an sich maßgebliche schweizerische Recht zumindest konkludent abbedungen.
Beide hätten zur Begründung ihrer Rechtsstandpunkte nur deutsche
Rechtsvorschriften angeführt. Die vom Bekl. erhobene Bereicherungseinrede
(§ 821 BGB) greife nicht durch, ohne daß es darauf ankomme,
ob der vereinbarte "Titelkauf" wegen Verstoßes gegen die guten Sitten
nichtig sei. Selbst wenn dies unterstellt werde, scheitere die Wechselklage
nicht an § 817 S. 2 BGB. Diese bezwecke, für sittenwidrige Geschäfte
den Rechtsschutz zu verweigern. Im Streitfall gehe dies nicht zu Lasten
des Kl., sondern des Bekl., da er auf der Grundlage eines sittenwidrigen
Geschäfts Rechtsschutz mit dem Ziel begehre, dem Kl. den vom Wechsel
repräsentierten Vermögenswert wieder zu entziehen.
II. Diese Beurteilung ist von Rechtsirrtum beeinflußt.
1. Zuzustimmen ist dem BerGer. allerdings darin,
daß auf den Streitfall deutsches Recht anzuwenden ist. Nach Art.
93 I WG bestimmen sich die Wirkungen der Verpflichtungserklärungen
des Annehmers eines gezogenen Wechsels zwar nach dem Recht des Zahlungsortes,
hier nach schweizerischem Recht. Das in Art. 93 I WG kodifizierte Wirkungsstatut
des Zahlungsortes kann jedoch durch Vereinbarung der Parteien wirksam abbedungen
werden (BGHZ 104, 145 (146 f.) = NJW 1988, 1979 = LM Art. 20 WG Nr. 2 m.
w. Nachw.). An dieser Rechtslage hat sich, anders als die Revisionserwiderung
meint, durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts
vom 25. 7. 1986 (BGBl I, 1142) nichts geändert. Art. 37 Nr. 1 EGBGB
bestimmt zwar, daß die Vorschriften über vertragliche Schuldverhältnisse
(Art. 27 ff. EGBGB) nicht auf Verpflichtungen aus Wechseln anzuwenden sind.
Damit sollte aber nicht der in Art. 27 EGBGB kodifizierte Grundsatz der
Privatautonomie für das Wechselrecht ausgeschlossen, sondern lediglich
dem Vorrang des Genfer Abkommens über Bestimmungen auf dem Gebiet
des internationalen Wechselprivatrechts vom 22. 6. 1933 (RGBl II, 377/445),
auf dem die Art. 91-98 WG basieren, für den Bereich des Wechselrechts
Rechnung getragen werden (vgl. BGHZ 99, 207 (210) = NJW 1987, 1145
= LM § 38 ZPO Nr. 26; Morawitz, Das internationale Wechselrecht, S.
155; Schefold, IPRax 1987, 150 (151); s. auch Baumbach/Hefermehl, WG u.
ScheckG, 18. Aufl., Vorb. Art. 91 WG Rdnr. 1; Bülow, WG, ScheckG,
AGB, Art. 91 ScheckG. 2). Von der danach weiterhin bestehenden Möglichkeit
der Rechtswahl haben die Parteien Gebrauch gemacht. Sie haben sich im Rechtsstreit
ausschließlich auf deutsche Rechtsvorschriften und nicht das an sich
anwendbar schweizerische Recht berufen. Dies rechtfertigt nach ständiger
Rechtsprechung des BGH die Annahme, daß sich die Parteien jedenfalls
im Rechtsstreit stillschweigend auf die Geltung deutschen Rechts verständigt
haben (BGHZ 103, 84 (86) = NJW 1988, 1592 = LM BörsG Nr. 21; BGH,
NJW 1991, 1292 = LM § 346 (Ea) HGB Nr. 9 = WM 1991, 464 (465); Senat,
NJW 1992, 1380 = LM H. 9/1992 § 164 BGB Nr. 73 = WM 1992, 567 (568)).
2. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Ansicht des
BerGer., die Bereicherungseinrede nach Art. 17 WG, §§ 821, 812
II BGB stehe der Wechselforderung des Kl. aus Art. 28 I WG auch im Falle
der Sittenwidrigkeit des Titelkaufs nicht entgegen, weil die Kondiktion
des Wechsels durch den Bekl. nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sei.
Diese Ansicht ist mit dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes nicht vereinbar.
§ 817 S. 2 Halbs. 1 BGB schließt bei einem beiderseitigen
Sitten- oder Gesetzesverstoß zwar Rückforderungsansprüche
aus Leistungskondiktion grundsätzlich aus, weil für Forderungen,
die aus gesetz- oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften abgeleitet werden,
kein Rechtsschutz gewährt werden soll (BGHZ 36, 395 (399) = NJW 1962,
955; BGHZ 44, 1 (6) = NJW 1965, 1585). Der vom BerGer. unberücksichtigt
gelassene zweite Halbsatz macht aber eine Ausnahme für den Fall, daß
die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand. Das Gesetz
sieht die verwerfliche Vermögensverschiebung bis zur Erfüllung
der Verbindlichkeit noch nicht als abgeschlossen an und will ihre Realisierung
verhindern (Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2.
Aufl., S. 66; Lieb, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 817 Rdnr. 22).
Im Streitfall greift diese Ausnahmeregelung
ein, wenn von der Nichtigkeit des Titelkaufs wegen Sittenwidrigkeit ausgegangen
wird. In dem dann ohne Rechtsgrund sicherungshalber begebenen Wechselakzept
des Bekl. liegt die Eingehung einer Verbindlichkeit i. S. des § 817
II Halbs. 2 BGB, die bis zur Erfüllung oder der Weitergabe des Wechsels
an einen Dritten zurückgefordert werden kann (h. M.; vgl. Staudinger/Lorenz,
BGB, 12. Aufl., § 817 Rdnr. 25; Heimann/Trosien, in: RGRK, 12. Aufl.,
§ 817 Rdnr. 31; Palandt/Thomas, BGB, 52. Aufl., § 817 Rdnr. 16;
Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 227; Koppensteiner/Kramer,
S. 63; a. A. Erman/H. P. Westermann, BGB, 9. Aufl., § 817 Rdnr. 24
für erfüllungshalber begebene Wechsel; offengelassen in RG, JW
1921, 461). Diese Sicht entspricht den Motiven zum BGB, in denen die Hingabe
eines Wechsels als Beispiel für die Eingehung einer Verbindlichkeit
genannt ist (Mugdan, Materialien z. BGB, II, S. 475), und vor allem
dem Zweck des Gesetzes. Denn durch die Zulassung der Rückforderung
des Wechselakzepts wird die Realisierung der gesicherten Forderung des
Kl. verhindert, für die im Falle der Sittenwidrigkeit des Titelkaufs
kein Rechtsschutz gewährt werden soll. § 817 S. 2 Halbs. 1 BGB
schließt Kondiktionsansprüche des Kl. auf Rückgewähr
der geleisteten Anzahlung von 50000 DM nämlich aus. Daß die
Parteien über die Rückzahlung dieses Betrages für den Fall
nicht fristgerechter Ernennung des Kl. zum Honorargeneralkonsul eine vertragliche
Vereinbarung getroffen haben, ändert nichts. § 817 S. 2 BGB ist
nicht abdingbar und kann nicht durch Ersetzung des ausgeschlossenen
Bereicherungsanspruchs durch eine andere Forderung umgangen werden (vgl.
BGHZ 28, 164 (170) = NJW 1958, 2111 = LM § 817 BGB Nr. 10).
Hiernach wirkt sich § 817 S. 2 BGB im Falle
der Sittenwidrigkeit des Titelkaufs, anders als das BerGer. gemeint hat,
nicht zum Nachteil des Bekl., sondern des Kl. aus.
III. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben
(§ 564 I ZPO). Einer Zurückverweisung der Sache bedurfte es nicht,
da die Klage abweisungsreif ist (§ 565 III Nr. 1 ZPO). Gegenüber
der Wechselforderung des Kl. greift die Bereicherungseinrede des Bekl.
durch (Art. 17 WG, §§ 821, 812 II BGB), weil die von den Parteien
getroffene Kausalvereinbarung über die entgeltliche Verschaffung der
Ernennung zum Honorargeneralkonsul wegen Verstoßes gegen die guten
Sitten nichtig ist (§ 138 I BGB). Nach - soweit ersichtlich - einhelliger
Meinung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt,
verstoßen entgeltliche Geschäfte über die Verschaffung
öffentlicher Ämter und Titel gegen das Anstandsgefühl aller
billig und gerecht Denkenden (RGZ 86, 98 f.; RG, JW 1919, 447 (448);
RG, LZ 1922, 648 (649); RG, JW 1931, 1924 (1925); OLG Karlsruhe, Bad. Rechtspraxis
1922, 111; LG Bonn, MDR 1992, 125; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl.,
§ 138 Rdnr. 87; Heimann-Trosien, in: RGRK, § 817 Rdnr. 18; Mayer/Maly,
in: MünchKomm, 3. Aufl., § 138 Rdnr. 109; Soergel/Hefermehl,
BGB, 12. Aufl., § 138 Rdnr. 25; Palandt/Heinrichs, § 138 Rdnr.
56; Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts II, 15.
Aufl., S. 1173; Honsell, Die Rückabwicklung sittenwidriger oder verbotener
Geschäfte, S. 141 f.). In den Augen anständiger Menschen, die
Ämter und Titel durch Mühen und Verdienste erwerben und nicht
einkaufen, ist der Ämter- und Titelhandel in hohem Maße zu mißbilligen.
Die Anstößigkeit ergibt sich aus der sachfremden, ethischen
Prinzipien widersprechenden Verknüpfung der Verleihung öffentlicher
Ämter und Titel mit einer Gegenleistung in Geld. Die Käuflichkeit
würde zur Sinnentleerung von Titeln und zu einer wesentlichen Beeinträchtigung
der Funktionsfähigkeit öffentlicher Ämter führen.
Dies ist vor allem bei Ämtern, mit denen
hoheitliche Aufgaben oder besondere Rechte verbunden sind, nicht hinnehmbar.
Bei dem Ehrenamt eines Honorarkonsuls handelt es sich um ein solches Amt.
Zu seinen Aufgaben gehört nach dem Wiener Übereinkommen über
konsularische Beziehungen vom 24. 4. 1963 (WÜbkKonsBez, BGBl II 1969,
1585), das zur weltweit anerkannten Grundlage der konsularischen Beziehungen
geworden ist (Hoffmann/Glietsch, KonsularR, Vorb. 1.5 z. KonsularG), u.
a. das Ausstellen von Pässen, die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben
und die Erledigung von Rechtshilfeersuchen (Art. 5d, f, j WÜbkKonsBez).
Außerdem genießt ein Honorarkonsul gem. Art. 58 I und II i.
V. mit Art. 28, 30, 31, 34-36, 43 und 44 III WÜbkKonsBez, besondere
Vorrechte. An der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung, dem Kl. für 125000
US-Dollar die Ernennung zum Honorargeneralkonsul von Sierra Leone in Ungarn
zu verschaffen, vermag die Behauptung des Kl., der Staaat Sierra Leone
vergebe solche Ämter gegen Entgelt, ebensowenig etwas zu ändern
wie sein Vorbringen, der Titelhandel habe sich zu einem eigenen Wirtschaftsbereich
mit respektablen Umsätzen entwickelt. Mißbräuchliche Praktiken,
die sich in bestimmten Kreisen herausgebildet haben, sind im Rahmen des
§ 138 I BGB nicht zu beachten (BGHZ 10, 228 (232) = NJW 1953, 1665
= LM § 138 (Bb) BGB Nr. 3; BGHZ 16, 4 (12) = NJW 1955, 460 = §
2 KunstUrhG Nr. 1). Dessen Anwendung steht schließlich auch
nicht entgegen, daß der Kl. sich der Sittenwidrigkeit des Geschäfts
nicht bewußt gewesen sein will. Nach ständiger Rechtsprechung
des BGH reicht es aus, daß die Parteien die Umstände, aus denen
die Sittenwidrigkeit folgt, wie hier, kannten (BGHZ 94, 268, 273 = NJW
1985, 2405 = LM § 138 (Ca) BGB Nr. 15; BGH, WM 1988, 624 (625); NJW-RR
1990, 750 = WM 1990, 799 (801) = NJW 1993, 1587 = LM H. 9/1993 § 19
BNotO Nr. 53 = WM 1993, 1189 (1191)).