BVerfG NJW 1994, 36 = BVerfGE 89, 214 ff: Schutz der Privatautonomie ("Bürgschaftsbeschluß")



Die Zivilgerichte müssen - insbesondere bei der Konkretisierung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 und  § 242 BGB - die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Art. 2 I GG beachten. Daraus ergibt sich ihre Pflicht zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind.



Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage, inwieweit Zivilgerichte von Verfassungs wegen verpflichtet sind, Bürgschaftsverträge mit Banken einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, soweit einkommens- und vermögenslose Angehörige von Kreditnehmern als Bürgen hohe Haftungsrisiken übernehmen. Das Bankvertragsrecht ist nicht spezialgesetzlich geregelt. Es richtet sich nach dem Vertragsrecht des BGB und nach den AGB, in denen die Kreditinstitute ihre Dienstleistungen nahezu vollständig und einheitlich geregelt haben. Bei der Kreditgewährung verwenden sie Formularverträge, die weitgehend übereinstimmen. Koordinierend wirkt ein zentraler Kreditausschuß, dem als Mitglieder die Verbände der Kreditinstitute angehören. In der Sicherungspraxis der Kreditinstitute ist es üblich geworden, bei Konsumkrediten und bei Geschäftskrediten mit mittelständischen Unternehmen Bürgschaftsverträge mit Familienangehörigen zu schließen. Deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse bleiben dabei vielfach ungeprüft. Der Zweck solcher Verträge besteht nicht ausschließlich darin, die Haftungsmasse zu erweitern, vielmehr geht es auch darum, Vermögensverschiebungen zu begegnen und Kreditnehmer durch die Einbeziehung ihrer Angehörigen zu sorgfältigem Wirtschaften zu veranlassen (Stellungnahme des Bundesverbandes deutscher Banken). Seit etwa zehn Jahren werden die Zivilgerichte zunehmend mit Fällen befaßt, in denen junge Erwachsene in ausweglose Überschuldung geraten sind, weil sie für hohe Bankkredite ihrer Partner oder Eltern gebürgt hatten, obwohl sie nur über geringfügige Einkünfte verfügten.a) Die Instanzgerichte unterzogen die genannte Vertragspraxis zunächst einer weitgehenden Inhaltskontrolle. In erster Linie stützten sie sich auf  § 138 I BGB. Die Oberlandesgerichte Düsseldorf (ZIP 1984, 166), Frankfurt (ZIP 1984, 1465) und Köln (ZIP 1987, 363) sowie das LG Hamburg (WM 1985, 1465) bewerteten die Haftungserweiterung auf geschäftlich unerfahrene Ehepartner und sonstige Familienangehörige bei absehbarer Einkommens- und Vermögenslosigkeit als sittenwidrig. Das LG Lübeck (NJW 1987, 959) hat sogar jede Verpflichtung als sittenwidrig beanstandet, die von vornherein und erkennbar die monatlichen Pfändungsfreibeträge des Schuldners übersteigen mußte. Das OLG Stuttgart (NJW 1988, 833) sah statt dessen  § 310 BGB als maßgebend an. Die Vorschrift habe über ihren Wortlaut hinaus die Bedeutung, das Individuum gegen den Verlust des 'unveräußerlichen Menschenrechts auf Hoffnung und auf Streben nach Glück' zu schützen. Deshalb sei eine vertragliche Verpflichtung nichtig, wenn der Gläubiger von vornherein erkennen könne, daß die Mithaftung zu einer ausweglosen Überschuldung führen müsse. Andere Oberlandesgerichte knüpften vor allem an die Aufklärungs- und Rücksichtspflichten an, die sich aus  § 242 BGB ergeben und schon vor Abschluß des Vertrages bestehen (vgl. die Rechtsprechungsübersichten bei Canaris, BankvertragsR I, 3. Aufl., Rdnrn. 100 ff.; Roth, in: MünchKomm, § 242 Rdnr. 217). Die Oberlandesgerichte Celle (WM 1988, 1436 (1438)) und Hamm (NJW-RR 1993, 113) wiesen Zahlungsklagen gegen mithaftende Familienangehörige mit der Begründung ab, die klagenden Banken hätten Mißverständnisse nicht in der gebotenen Weise ausgeräumt, daher ihre Hinweispflichten verletzt und sich schadenersatzpflichtig gemacht.b) Die Inhaltskontrolle der Verträge durch die Instanzgerichte wurde vom IX. Zivilsenat des BGH weitgehend verworfen (BGHZ 106, 269 = NJW 1989, 830 = LM  § 765 BGB Nr. 62; BGHZ 107, 92 = NJW 1989, 1276 = LM  § 138 (Aa) BGB Nr. 38; BGH, NJW 1989, 1605 = LM  § 765 BGB Nr. 67 = ZIP 1989, 629; NJW 1991, 2015 = LM  § 765 BGB Nr. 74 und NJW 1992, 896 = LM H. 6/1992  § 765 BGB Nr. 77/78 = BB 1992, 387). Der III. Zivilsenat ist dem im wesentlichen beigetreten (BGH, NJW 1989, 1665 = LM  § 138 (Bc) BGB Nr. 59 = ZIP 1989, 487). Bürgschaftsverträge könnten nicht deshalb als sittenwidrig angesehen werden, weil sie voraussichtlich zu einer Überschuldung führten. Die Freiheit der Vertragsgestaltung umfasse für jeden voll Geschäftsfähigen die Rechtsmacht, Verpflichtungen zu übernehmen, die nur unter besonders günstigen Bedingungen erfüllbar seien. Die geschäftliche Unerfahrenheit eines Bürgen sei kein Grund, die Kreditinstitute mit Aufklärungs- und Beratungspflichten zu belasten. Ein Volljähriger wisse im allgemeinen auch ohne besondere Hinweise, daß die Abgabe einer Bürgschaftserklärung ein riskantes Geschäft darstelle. Die Bank könne deshalb davon ausgehen, daß derjenige, der eine Bürgschaftsverpflichtung übernehme, die Tragweite seines Handelns kenne und sein Risiko selbstverantwortlich einschätze. Etwas anderes gelte allenfalls dann, wenn die Bank durch eigenes Verhalten und für sie erkennbar bei dem Bürgen einen Irrtum errege, durch den das Haftungsrisiko erhöht werde. Diese Rechtsprechung hat im wissenschaftlichen Schrifttum teilweise zurückhaltende Zustimmung gefunden (Medicus, ZIP 1989, 817; Rehbein, JR 1989, 468; wohl auch H. P. Westermann, JZ 1989, 746; alle mit dem Hinweis, daß die apodiktischen Formulierungen des BGH eine sorgfältige Gesamtwürdigung der Einzelfälle nicht entbehrlich machten). Überwiegend wurde sie aber abgelehnt (Derleder, in: Festschr. f. Bärmann u. Weitnauer, 1990, S. 121; Grün, NJW 1991, 925; H. Honsell, JZ 1989, 495; Reifner, ZIP 1990, 427; Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 613; Tiedtke, ZIP 1990, 413). Auch einige Instanzgerichte haben ihr die Gefolgschaft versagt (LG Osnabrück, NJW-RR 1990, 306; LG Münster, NJW 1990, 1668). Die Kritik geht dahin, der Bundesgerichtshof habe die Aufgabe der richterlichen Inhaltskontrolle zu starr und undifferenziert wahrgenommen und damit die Grundentscheidung der Verfassung verfehlt. Inzwischen hat der XI. Zivilsenat des BGH, der für Bankrecht zuständig ist, diese Rechtsprechung modifiziert (BGH, NJW 1991, 923 = LM  § 55 GewO Nr. 8; BGHZ 120, 272 = NJW 1993, 322 = LM H. 4/1993  § 138 (Bc) BGB Nr. 75 = ZIP 1993, 26). Unter Berufung auf das BVerfG (BVerfGE 81, 242 = NJW 1990, 1469) vertritt er die Auffassung, bei gestörter Vertragsparität sei der Richter zu einer Inhaltskontrolle von Bürgschaftsverträgen mit Hilfe der Generalklauseln des BGB verpflichtet. Die Mithaftung für hohe Bankschulden von Ehepartnern oder Eltern könne sich unter bestimmten Voraussetzungen als sittenwidrig erweisen.Das Verfahren 1 BvR 567/89: Der Vater der Bf. war zunächst als Immobilienmakler tätig; er errichtete und verkaufte Eigentumswohnungen. Im Jahre 1982 begehrte er von der Stadtsparkasse C. eine Verdoppelung seines Kreditlimits von 50000 DM auf 100000 DM. Als die Stadtsparkasse eine Sicherheit verlangte, unterzeichnete die damals 21jährige Bf. am 29. 11. 1982 eine vorgedruckte Bürgschaftsurkunde mit einem Höchstbetrag von 100000 DM zzgl. Nebenleistungen, in der es u. a. heißt:(1) Die Bürgschaft wird zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen den Hauptschuldner... aus ihrer Geschäftsverbindung... übernommen.(3) Die Bürgschaft ist selbstschuldnerisch unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage übernommen. Der Bürge verzichtet auf die Einreden der Anfechtbarkeit und der Anrechenbarkeit... sowie auf die Einrede der Verjährung der Hauptschuld... Der Bürge kann keine Rechte aus der Art oder dem Zeitpunkt der Verwertung oder der Aufgabe anderweitiger Sicherheiten herleiten. Die Sparkasse ist nicht verpflichtet, sich an andere Sicherheiten zu halten, bevor sie den Bürgen in Anspruch nimmt.Die Krediterhöhung wurde daraufhin bewilligt. Die Bf. erhielt für das Kreditkonto ihres Vaters ein Zeichnungsrecht, verfügte selbst aber über kein Vermögen. Sie hatte keine Berufsausbildung, war überwiegend arbeitslos und verdiente zur Zeit der Bürgschaftserklärung in einer Fischfabrik 1150 DM monatlich netto. Im Oktober 1984 gab der Vater der Bf. sein Immobiliengeschäft auf und betätigte sich nunmehr als Reeder. Die Stadtsparkasse finanzierte den Kauf eines Schiffes mit 1,3 Mio. DM. Im Dezember 1986 kündigte sie die offenstehenden Kredite (etwa 2,4 Mio. DM) und teilte der Bf. mit, daß sie aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werde. Die Bf. klagte zunächst auf Feststellung der Unwirksamkeit ihrer Bürgschaft. Nachdem die Stadtsparkasse Widerklage auf Zahlung von 100000 DM nebst Zinsen erhoben hatte, erklärten die Parteien des Ausgangsverfahrens die Feststellungsklage für erledigt. Das LG gab der Widerklage mit dem angegriffenen Urteil statt. Auf die Berufung der Bf. änderte das OLG die Entscheidung des LG und wies die Widerklage ab (WM 1988, 1436 (1438)): Die Stadtsparkasse sei unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen verpflichtet, die Bf. aus der Bürgschaft zu entlassen, da sie die ihr obliegenden Auskunftspflichten verletzt habe. Zwar müsse der Gläubiger den Bürgen im allgemeinen nicht über dessen Risiko aufklären. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei aber geboten, wenn der Gläubiger durch sein Verhalten erkennbar einen Irrtum des Bürgen veranlasse. Dem stehe es gleich, wenn ein Kreditinstitut als Gläubiger gegenüber einem erkennbar geschäftsungewandten Bürgen Art und Umfang der Bürgenhaftung bagatellisiere und dadurch dessen Willensentschluß beeinflusse. Dieser Fall sei hier gegeben. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, daß der Vertreter der Stadtsparkasse bei der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde sinngemäß erklärt habe: 'Hier bitte, unterschreiben Sie mal, Sie gehen dabei keine große Verpflichtung ein, ich brauche das für meine Akten.' Damit habe er das tatsächliche Risiko für die Bf. wesentlich 'geschönt' und bagatellisiert. Daß diese bei realistischer Einschätzung bereit gewesen wäre, die Bürgschaft zu übernehmen, sei nicht anzunehmen. Der BGH hob die Entscheidung des OLG mit dem angegriffenen Urteil auf und wies die Berufung der Bf. gegen das Urteil des LG zurück (BGH, NJW 1989, 1605 = LM  § 765 BGB Nr. 67 = ZIP 1989, 629): Die Bürgschaft sei ein einseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft, bei dem den Gläubiger in der Regel weder eine Aufklärungspflicht noch die Pflicht treffe, sich über den Wissensstand des Bürgen zu unterrichten. Eine über 18jährige und damit nach dem Gesetz volljährige Person wisse im allgemeinen auch ohne besondere Erfahrung im Geschäftsverkehr, daß die Abgabe einer Bürgschaftserklärung Haftungsrisiken begründe. Die Erwartung eines Bürgen, er werde nicht in Anspruch genommen, könne nicht Geschäftsgrundlage sein. Der Vertreter der Stadtsparkasse habe nichts getan, wodurch diese Einschätzung beeinflußt worden wäre. Zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung sei die Bonität des Hauptschuldners gut, die Auskunft des Bankangestellten also zutreffend gewesen. Die Fortentwicklung der Geschäfte ihres Vaters und damit ihres künftigen Haftungsrisikos hätte die Bf. als Bürgin selbst beobachten müssen. Auf die Kündigungsmöglichkeit sei in dem Bürgschaftsformular ausdrücklich hingewiesen worden. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Bf. die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1 I und Art. 2 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. LG und BGH hätten die in diesen Grundrechtsnormen begründeten Schutz- und Fürsorgepflichten des Staates verletzt... Bei einer Bürgschaftssumme i. H. von 100000 DM und einem Zinssatz von 8,5 vom Hundert ergebe sich eine jährliche Zinslast von 8500 DM, mithin monatlich etwa 708 DM. Um allein diese Zinslast tragen zu können, müßte die Bf. nach der derzeit geltenden amtlichen Tabelle zu  § 850c ZPO etwa 1800 DM netto monatlich verdienen. Ein solches Einkommen habe sie noch nie erzielt. Zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung habe ihr pfändbares Einkommen 413,70 DM betragen. Seit Oktober 1991 sei sie alleinerziehende Mutter eines Sohnes; sie lebe von Sozialhilfe und Erziehungsgeld. Bis Januar 1992 sei ein rechnerischer Schuldsaldo i. H. von 160000 DM aufgelaufen. Es sei nicht damit zu rechnen, daß sie eine derartige Verbindlichkeit jemals ablösen könne.Das Verfahren 1 BvR 1044/89: Die Bf. verbürgte sich 1979 gegenüber der kl. Bank selbstschuldnerisch zur Sicherung eines sog. 'Versicherungsdarlehens', das ihrem Ehemann i. H. von insgesamt 30000 DM gewährt worden war. Zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung war sie ohne Einkommen und Vermögen. Sie betreute als Hausfrau ihre zwei 1971 und 1978 geborenen Kinder. Als ihr Ehemann mit den Zinszahlungen in Verzug geriet, kündigte die Bank im Jahre 1988 das Darlehen. Der Schuldsaldo betrug damals 32140,31 DM. Durch Einziehung des Rückkaufwertes der Lebensversicherung wurde er auf 16274,02 DM zurückgeführt. In Höhe dieses Betrages erhob die Bank Klage gegen die Bf. Das LG gab der Klage mit dem angegriffenen Urteil statt: Gegen die Wirksamkeit des Bürgschaftsversprechens bestünden keine Bedenken.  § 310 BGB sei nicht anwendbar, da künftig fällige Verbindlichkeiten, wie hoch und unerfüllbar sie auch seien, keine Übertragung künftigen Vermögens darstellten. Der Bürgschaftsvertrag sei auch nicht gem.  § 138 BGB nichtig. Bei Übernahme der Bürgschaft sei nicht auszuschließen gewesen, daß die Bf. noch vor Abwicklung des Kredits eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder andere Einkünfte erzielen werde. Im Fall der Erwerbslosigkeit ihres Ehemannes hätte dieser die Versorgung des Haushalts und der Kinder übernehmen können. Aber selbst dauerhaftes Leistungsunvermögen führe noch nicht zur Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages. Für ein etwaiges Beratungsverschulden der Bank sei nichts vorgetragen worden. Die Berufung der Bf. wies das OLG mit dem ebenfalls angegriffenen Urteil aus den Gründen der landgerichtlichen Entscheidung zurück. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Bf. die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1 und Art. 2 GG. Der Bank sei bekannt gewesen, daß sie als Mutter zweier kleiner Kinder in absehbarer Zukunft nicht werde erwerbstätig sein können. Bei der ihr jetzt zumutbaren Erwerbstätigkeit werde sie niemals in der Lage sein, sich von der Bürgschaftsschuld zu befreien. Vielmehr müsse die Verschuldung trotz regelmäßiger Zahlungen ständig steigen. Die daraus folgende Vernichtung jeglicher Zukunftsperspektive begründe den Verfassungsverstoß.

B. Die Verfassungsbeschwerden sind im wesentlichen zulässig ...

C. Soweit die Verfassungsbeschwerde der Bf. zu 1 zulässig ist, hat sie auch Erfolg. Hingegen ist die Verfassungsbeschwerde der Bf. zu 2 unbegründet.
I. Beide Verfassungsbeschwerden richten sich gegen zivilgerichtliche Zahlungsurteile. Angegriffen werden nicht die normativen Grundlagen, auf die sich die Entscheidungen stützen; die maßgebenden Vorschriften des BGB bleiben unbeanstandet. Die Rügen der Bf. betreffen vielmehr die Auslegung und Anwendung derjenigen Generalklauseln, die den Zivilgerichten eine Inhaltskontrolle schuldrechtlicher Verträge gebieten, vor allem der  §§ 138 und 242 BGB. Bei deren Konkretisierung seien die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie und das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen, was die Zivilgerichte in den Ausgangsverfahren verkannt hätten. Diese Begründung erfaßt die Bedeutung der Grundrechte für die Konkretisierung zivilrechtlicher Generalklauseln zutreffen.
Das Grundgesetz enthält in seinem Grundrechtsabschnitt verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts. Diese Grundentscheidungen entfalten sich durch das Medium derjenigen Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, und haben vor allem auch Bedeutung bei der Interpretation zivilrechtlicher Generalklauseln (vgl. BVerfGE 7, 198 (205 f.) = NJW 1958, 257; BVerfGE 42, 143 (148) = NJW 1976, 1677). Indem § 138 und  § 242 BGB ganz allgemein auf die guten Sitten, die Verkehrssitte sowie Treu und Glauben verweisen, verlangen sie von den Gerichten eine Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Deshalb sind die Zivilgerichte von Verfassungs wegen verpflichtet, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln die Grundrechte als 'Richtlinien' zu beachten. Verkennen sie das und entscheiden sie deshalb zum Nachteil einer Prozeßpartei, so verletzen sie diese in ihren Grundrechten (vgl. BVerfGE 7, 198 (206 f.) = NJW 1958, 257; st. Rspr.).
Dennoch hat das BVerfG die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts grundsätzlich nicht nachzuprüfen. Ihm obliegt es lediglich, die Beachtung der grundrechtlichen Normen und Maßstäbe durch die ordentlichen Gerichte sicherzustellen. Daher kann es einer rechtskräftigen zivilgerichtlichen Entscheidung nicht schon dann entgegentreten, wenn es selbst bei der Beurteilung widerstreitender Grundrechtspositionen die Akzente anders gesetzt und daher anders entschieden hätte. Die Schwelle eines Verfassungsverstoßes, den das BVerfG zu korrigieren hat, ist erst erreicht, wenn die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen läßt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (BVerfGE 18, 85 (93) = NJW 1964, 1713; BVerfGE 42, 143 (149) = NJW 1976, 1677; st. Rspr.). Daran gemessen kann im Falle der Bf. zu 1 das Urteil des BGH keinen Bestand haben (II). Hingegen läßt sich im Falle der Bf. zu 2 nicht erkennen, daß die Zivilgerichte in den angegriffenen Entscheidungen die Bedeutung von Grundrechten grundsätzlich verkannt hätten (III).
II. 1. Der Bürgschaftsvertrag, den der BGH zu bewerten hatte, unterschied sich wesentlich von alltäglichen Kreditsicherungen. Die Bf. zu 1 übernahm darin ein außerordentlich hohes Risiko, ohne an dem gesicherten Kredit ein eigenes wirtschaftliches Interesse zu haben. Unter Verzicht auf nahezu alle abdingbaren Schutzvorschriften des BGB verbürgte sie sich selbstschuldnerisch für das Unternehmerrisiko ihres Vaters in einem Umfang, der ihre wirtschaftlichen Verhältnisse weit überstieg. Es war von vornherein abzusehen und für das Kreditinstitut auch leicht feststellbar, daß die Bf. im Haftungsfall voraussichtlich bis an ihr Lebensende nicht in der Lage sein würde, sich aus eigener Kraft von der übernommenen Schuldenlast zu befreien. Bei dieser Sachlage mußte sich die Frage nach den Voraussetzungen und Gründen des Vertragsschlusses geradezu aufdrängen, zumal sich der Parteivortrag hierauf konzentrierte. Die Bf. hatte in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, die Stadtsparkasse habe vorvertragliche Rücksichtspflichten verletzt und unter Ausnutzung ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit eigene Interessen durchgesetzt. Das OLG war dem im Ergebnis gefolgt. Im Gegensatz dazu sah der BGH keine Veranlassung zu einer Inhaltskontrolle des Bürgschaftsvertrags. Die Frage, ob und inwieweit beide Vertragspartner über den Abschluß und den Inhalt des Vertrages tatsächlich frei entscheiden konnten, stellte sich der BGH nicht. Darin liegt eine Verkennung der grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie.
2. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ist die Gestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen ein Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. BVerfGE 8, 274 (328) = NJW 1959, 475; BVerfGE 72, 155 (170) = NJW 1986, 1859). Art. 2 I GG gewährleistet die Privatautonomie als 'Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben' (Erichsen, in: Isensee/Kirchhof, Hdb. d. StaatsR VI, S. 1210 Rdnr. 58). Die Privatautonomie ist notwendigerweise begrenzt und bedarf der rechtlichen Ausgestaltung. Privatrechtsordnungen bestehen deshalb aus einem differenzierten System aufeinander abgestimmter Regelungen und Gestaltungsmittel, die sich in die verfassungsmäßige Ordnung einfügen müssen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Privatautonomie zur beliebigen Disposition des Gesetzgebers stünde und ihre grundrechtliche Gewährleistung infolgedessen leerliefe. Vielmehr ist der Gesetzgeber bei der gebotenen Ausgestaltung an die objektiv-rechtlichen Vorgaben der Grundrechte gebunden. Er muß der Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben einen angemessenen Betätigungsraum eröffnen. Nach ihrem Regelungsbescheid ist die Privatautonomie notwendigerweise auf staatliche Durchsetzung angewiesen. Ihre Gewährleistung denkt die justitielle Realisierung gleichsam mit und begründet daher die Pflicht des Gesetzgebers, rechtsgeschäftliche Gestaltungsmittel zur Verfügung zu stellen, die als rechtsverbindlich zu behandeln sind und auch im Streitfall durchsetzbare Rechtspositionen begründen.
b) Mit der Pflicht zur Ausgestaltung der Privatrechtsordnung stellt sich dem Gesetzgeber ein Problem praktischer Konkordanz. Am Zivilrechtsverkehr nehmen gleichrangige Grundrechtsträger teil, die unterschiedliche Interessen und vielfach gegenläufige Ziele verfolgen. Da alle Beteiligten des Zivilrechtsverkehrs den Schutz des
Art. 2 I GG genießen und sich gleichermaßen auf die grundrechtliche Gewährleistung ihrer Privatautonomie berufen können, darf nicht nur das Recht des Stärkeren gelten. Die kollidierenden Grundrechtspositionen sind in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, daß sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Im Verfahrensrecht ergibt sich der sachgerechte Interessenausgleich aus dem übereinstimmenden Willen der Vertragspartner. Beide binden sich und nehmen damit zugleich ihre individuelle Handlungsfreiheit wahr. Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, daß er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung (vgl. BVerfGE 81, 242 (255) = NJW 1990, 1469). Allerdings kann die Rechtsordnung nicht für alle Situationen Vorsorge treffen, in denen das Verhandlungsgleichgewicht mehr oder weniger beeinträchtigt ist. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit darf ein Vertrag nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt oder korrigiert werden. Handelt es sich jedoch um eine typisierbare Fallgestaltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen läßt, und sind die Folgen des Vertrages für den unterlegenen Vertragsteil ungewöhnlich belastend, so muß die Zivilrechtsordnung darauf reagieren und Korrekturen ermöglichen. Das folgt aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Privatautonomie (Art. 2 I GG) und dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I GG).
c) Das geltende Vertragsrecht genügt diesen Anforderungen. Die Schöpfer des BGB gingen zwar, auch wenn sie verschiedene Schutznormen für den im Rechtsverkehr Schwächeren geschaffen haben, von einem Modell formal gleicher Teilnehmer am Privatrechtsverkehr aus, aber schon das RG hat diese Betrachtungsweise aufgegeben und 'in eine materiale Ethik sozialer Verantwortung zurückverwandelt' (Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, 1974, S. 24). Heute besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß die Vertragsfreiheit nur im Falle eines annähernd ausgewogenen Kräfteverhältnisses der Partner als Mittel eines angemessenen Interessenausgleichs taugt und daß der Ausgleich gestörter Vertragsparität zu den Hauptaufgaben des geltenden Zivilrechts gehört (vgl. die Übersicht bei Limbach, JuS 1985, 10 m. w. Nachw.; zuletzt Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im ArbeitsR, 1993, S. 216 ff.). Im Sinne dieser Aufgabe lassen sich große Teile des BGB deuten (Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982). In diesem Zusammenhang haben die Generalklauseln des BGB zentrale Bedeutung. Der Wortlaut des  § 138 II BGB bringt das besonders deutlich zum Ausdruck. Darin werden typische Umstände bezeichnet, die zwangsläufig zur Verhandlungsunterlegenheit des einen Vertragsteils führen und zu denen auch dessen Unerfahrenheit gerechnet wird. Nutzt der überlegene Vertragsteil diese Schwäche aus, um seine Interessen in auffälliger Weise einseitig durchzusetzen, so führt das zur Nichtigkeit des Vertrages.  § 138 I BGB knüpft ganz allgemein die Nichtigkeitsfolge an einen Verstoß gegen die guten Sitten. Differenziertere Rechtsfolgen ergeben sich aus  § 242 BGB. Die Zivilrechtswissenschaft ist im Ergebnis darüber einig, daß der Grundsatz von Treu und Glauben eine immanente Grenze vertraglicher Gestaltungsmacht bezeichnet und die Befugnis zu einer richterlichen Inhaltskontrolle des Vertrages begründet (vgl. zuletzt Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im PrivatR, 1992, S. 70 ff.; Preis, S. 249 f.). Über die Voraussetzungen und die Intensität dieser Inhaltskontrolle besteht zwar im juristischen Schrifttum Streit. Für die verfassungsrechtliche Würdigung genügt jedoch die Feststellung, daß das geltende Recht jedenfalls Instrumente bereit hält, die es möglich machen, auf strukturelle Störungen der Vertragsparität angemessen zu reagieren. Für die Zivilgerichte folgt daraus die Pflicht, bei der Auslegung und Anwendung der Generalklauseln darauf zu achten, daß Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen. Haben die Vertragspartner eine an sich zulässige Regelung vereinbart, so wird sich regelmäßig eine weitergehende Inhaltskontrolle erübrigen. Ist aber der Inhalt des Vertrages für eine Seite ungewöhnlich belastend und als Interessenausgleich offensichtlich unangemessen, so dürfen sich die Gerichte nicht mit der Feststellung begnügen: 'Vertrag ist Vertrag'. Sie müssen vielmehr klären, ob die Regelung eine Folge strukturell ungleicher Verhandlungsstärke ist, und gegebenenfalls im Rahmen der Generalklauseln des geltenden Zivilrechts korrigierend eingreifen. Wie sie dabei zu verfahren haben und zu welchem Ergebnis sie gelangen müssen, ist in erster Linie eine Frage des einfachen Rechts, dem die Verfassung einen weiten Spielraum läßt. Ein Verstoß gegen die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie kommt aber dann in Betracht, wenn das Problem gestörter Vertragsparität gar nicht gesehen oder seine Lösung mit untauglichen Mitteln versucht wird.
3. Die angegriffene Entscheidung des BGH ist durch einen solchen Verstoß gekennzeichnet. Die umstrittene Bürgschaftserklärung wurde so gewürdigt, als wäre ein normaler Vertrag mit korrespondierenden Interessen und überschaubaren Risiken geschlossen worden. Alle Argumente, mit denen die Bf. zu 1 ihre Verhandlungsschwäche belegen wollte, wurden mit dem Hinweis zurückgewiesen, sei sei volljährig gewesen und habe sich über die entstehenden Risiken selbst vergewissern müssen. Das reicht nicht aus. Das Haftungsrisiko, das die Bf. zu 1 mit dem umstrittenen Bürgschaftsvertrag ohne eigenes wirtschaftliches Interesse übernahm, war - wie bereits ausgeführt wurde - ungewöhnlich hoch. Es war darüber hinaus außerordentlich schwer abschätzbar. Der festgelegte Bürgschaftsbetrag bezeichnete nur für die Hauptforderung eine Höchstgrenze; die beachtlichen Kosten und Zinsen des Kredits sollten hinzugerechnet werden, ohne daß deren Berechnungsgrundlage im Bürgschaftsvertrag ausgewiesen wurde. Vor allem aber fehlte jede Begrenzung der gesicherten Geschäftsverbindlichkeiten. Berücksichtigt man ferner die Abdingung bürgschaftsrechtlicher Schutzvorschriften, so wird deutlich, daß die Bf. zu 1 praktisch wie eine Teilhaberin ihres Vaters haften sollte. Bedeutung und Ausmaß dieses Risikos hätten selbst geschäftlich erfahrene Personen kaum abschätzen können; für die erst 21jährige Bf. zu 1, die über keine qualifizierte Berufsausbildung verfügte, waren sie praktisch undurchschaubar. Bei so ausgeprägter Unterlegenheit eines Vertragspartners kommt es entscheidend darauf an, auf welche Weise der Vertrag zustandegekommen ist und wie sich insbesondere der überlegene Vertragspartner verhalten hat. Dennoch verneint der BGH jegliche Aufklärungs- und Hinweispflicht des Kreditinstituts. Sogar das Drängen des Bankangestellten mit dem Zusatz 'Sie gehen keine große Verpflichtung ein', hält der BGH für unerheblich. Er sieht darin lediglich - entgegen den Feststellungen des OLG - eine vorläufige Bonitätsauskunft, die auf die Verhandlungsposition der Bf. keinen Einfluß haben konnte. Das wird der Problematik des Ausgangsfalls nicht gerecht und verfehlt die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie so prinzipiell, daß die Entscheidung keinen Bestand haben kann. Ob auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht kommt, kann danach offenbleiben.
III. Im Falle der Bf. zu 2 ging es nicht um die Übernahme eines hohen und schwer abschätzbaren Unternehmerrisikos. Die Bürgschaft betraf einen Konsumkredit, dessen Höhe nicht ungewöhnlich war, wenn man die Anschaffungskosten bei der Gründung eines Hausstandes berücksichtigt. Kreditnehmer war der Ehemann der Bf. zu 2, so daß davon ausgegangen werden durfte, diese sei selbst an der Kreditgewährung unmittelbar interessiert. Auch die Begleitumstände des Vertragsschlusses gaben nach den Feststellungen der angegriffenen Urteile keinen Anlaß zu dem Verdacht, die Bf. zu 2 sei zu ihrer Bürgschaftserklärung gedrängt oder auf andere Weise in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt worden. Für ein etwaiges Beratungsverschulden des Kreditinstituts fehlen ebenfalls Anhaltspunkte. Die Bank hat zwar die Kreditgewährung von der Sicherung durch eine Bürgschaft abhängig gemacht, dabei aber nach den Feststellungen des LG keine Auskunftspflichten verletzt, insbesondere das Haftungsrisiko nicht beschönigt. Bei der Beurteilung dieses Sachverhalts hat sich das LG mit den Generalklauseln der  §§ 138 und 242 BGB eingehend befaßt. Daß es die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie verkannt hätte, ist nicht ersichtlich. LG und OLG haben es zwar abgelehnt, den Bürgschaftsvertrag allein deshalb für nichtig zu erklären, weil die Bf. zu 2 nicht über eigenes Einkommen oder Vermögen verfügt. Das ist jedoch im Hinblick auf die Art und Höhe des Kredits von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Ebenso geht die Rüge einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts fehl. Es kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit dieses von der Rechtsprechung entwickelte unbenannte Freiheitsrecht berührt ist, wenn schon beim Abschluß eines Kredit- oder Bürgschaftsvertrags mit einer ausweglosen Überschuldung gerechnet werden muß. Daß eine solche Gefahr bestanden hätte, ist den tatrichterlichen Feststellungen im Ausgangsverfahren nicht zu entnehmen und wird auch in der Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend dargetan.



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