1. Auch bei einer Bürgschaft ist zunächst
gem. §§ 133, 157 BGB der Inhalt des Vertrages auszulegen. In
einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Erteilung der in einem
bestimmten Sinn ausgelegten Bürgschaftserklärung dem Schriftformerfordernis
nach §§ 766 S. 1, 126 I BGB genügt.
2. Zu den Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit
einer Bürgschaft für Ansprüche aus einem Leasingvertrag.
NJW 1995, 1886
LM H. 9/1995 § 766 BGB Nr. 29
MDR 1995, 892
BB 1995, 1104
DB 1995, 1394
ZIP 1995, 812
WM 1995, 901
Am 30. 8. 1991 unterzeichnete der Spediteur R in C. zwei von der Kl. mit Schreiben vom 31. 10. 1991 angenommene Formularanträge auf Abschluß von Leasingverträgen über eine Sattelzugmaschine und einen Kippauflieger zum Baustofftransport. Am 17. 10. 1991 unterschrieb die Bekl. ein Bürgschaftsformular der Kl., in dem es nach Nennung der Bürgin und des Leasingnehmers unter der Überschrift "Bürgschafts-Erklärung" heißt: "Für alle Ansprüche, die der L-GmbH ... gegen den Leasing-Nehmer aus dem oben bezeichneten Leasingvertrag einschließlich aller Zinsen und Kosten und einschließlich etwaiger Ersatzansprüche wegen Verstoßes gegen Vertragsverpflichtungen zustehen, wird hiermit zugunsten der L-GmbH unter Verzicht auf alle Einreden und Einwendungen (§§ 768, 770, 771, 772 und 776 BGB) die selbstschuldnerische, auf eine bestimmte Zeit nicht begrenzte Bürgschaft übernommen. Änderungen und Ergänzungen dieser Bürgschaftserklärung bedürfen der Schriftform. Sollte eine Bestimmung dieser Bürschaftserklärung unwirksam sein oder werden, bleiben die übrigen Bestimmungen weiterhin gültig." In dem Bürgschaftsformular fehlt eine nähere Bezeichnung der Leasingverträge. Insb. ist die im oberen Teil enthaltene Rubrik "Leasing-Vertragsnummer ... vom ..." nicht ausgefüllt. Da R die monatlichen Leasingraten von 6367,62 DM für die Sattelzugmaschine und 2076,70 DM für den Kippauflieger - jeweils einschließlich Mehrwertsteuer - für die Monate Dezember 1991, Januar, März und April 1992 schuldig blieb, kündigte die Kl. die Leasingverträge zum 30. 4. 1992 und nahm die Bekl. als Bürgin in Anspruch. Mit ihrer Klage begehrt sie deren Verurteilung zur Zahlung von 33777,28 DM rückständiger Raten und von 71547,96 DM Schadensersatz. Das KreisG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat sie abgewiesen. Die Revision der Kl. hatte Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen:
I. 1. Das BerGer. meint, die Bürgschaftserklärung
sei wegen Formmangels nichtig. Es fehle an einer hinreichenden Bezeichnung
der verbürgten Hauptschuld. Der Inhalt der Urkunde biete weder einen
Anhalt dafür, daß sich die Bekl. nur für einen bestimmten
der beiden Leasingverträge, noch dafür, daß sie sich für
beide Verträge habe verbürgen wollen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen
Überprüfung nicht stand. Das BerGer. hat die Auslegungsgrundsätze
für eine Bürgschaft und § 766 BGB rechtsfehlerhaft angewandt.
Auch bei einer Bürgschaft ist zunächst gem. §§ 133,
157 BGB der Inhalt des Vertrages auszulegen. In einem zweiten Schritt ist
zu prüfen, ob die Erteilung der in einem bestimmten Sinn ausgelegten
Bürgschaftserklärung dem Schriftformerfordernis nach § 766
S. 1, § 126 I BGB entspricht (BGH, NJW 1995, 43 = LM H. 3/1995 §
164 BGB Nr. 77 = WM 1994, 2233 (2235); Pecher, in: MünchKomm, 2. Aufl.,
§ 766 Rdnr. 3).
a) Eine Bürgschaftserklärung gem. §
765 BGB muß neben dem Verbürgungswillen die Person des Gläubigers
und des Hauptschuldners sowie die fremde Schuld, für die gebürgt
werden soll (Hauptschuld), in einer wenigstens individuell bestimmbaren
Weise bezeichnen (BGH, NJW 1992, 1448 = LM H. 8/1992 § 766 BGB Nr.
22 = WM 1992, 177 (178)). Die Bekl. hat zugunsten der Kl. für alle
Ansprüche, die dieser "gegen den Leasing-Nehmer aus dem oben bezeichneten
Leasingvertrag ... zustehen", die Bürgschaft übernommen. Nach
der Behauptung der Kl., deren Richtigkeit mangels anderweitiger Feststellungen
des BerGer. vom RevGer. zu unterstellen ist, war der Bekl. bei Abgabe der
Bürgschaftserklärung bekannt, daß der Leasingnehmer Rüber
Sattelzugmaschine und Kippauflieger zwei Leasingverträge mit der Kl.
geschlossen hatte und daß sich die Bürgschaft auf die Ansprüche
der Kl. aus beiden Verträgen, die eine wirtschaftliche Einheit bildeten,
beziehen sollte. Wenn die Bekl. unter diesen Umständen das Bürgschaftsformular
unterschrieb, ist nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte davon auszugehen,
daß sie zugunsten der Kl. die Bürgschaft für die (künftige)
Schuld von R aus beiden Leasingverträgen übernehmen wollte. In
diesem Sinn hat die Kl. die Bürgschaftserklärung der Bekl. verstanden
und durch Entgegennahme der Urkunde angenommen. Demzufolge ist nach §
765 BGB ein Bürgschaftsvertrag mit diesem Inhalt zustande gekommen.
b) Die Bürgschaftserklärung der Bekl.
wurde in der notwendigen Schriftform erteilt. Das Formerfordernis, das
den Bürgen warnen und vor nicht ausreichend überlegten Erklärungen
sichern soll (BGHZ 121, 224 (229) = NJW 1993, 1126 = LM H. 7/1993 §
766 BGB Nr. 26), gilt für alle wesentlichen Teile einer Bürgschaftserklärung.
Außer dem Willen, für eine fremde Schuld einzustehen, muß
die Urkunde die Bezeichnung des Gläubigers, des Hauptschuldners und
der verbürgten Hauptschuld enthalten. Diese Bestandteile brauchen
sich allerdings nicht zweifelsfrei aus dem Wortlaut der Erklärung
zu ergeben. Eine unklare oder mehrdeutige Formulierung schadet nicht, wenn
sich Zweifel im Wege der Auslegung beheben lassen. Dabei dürfen auch
außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden,
sofern für den Willen in dem erforderlichen Umfang ein zureichender
Anhaltspunkt in der Urkunde besteht, der Inhalt der Bürgschaftsverpflichtung
also dort irgendwie seinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BGH, NJW 1993, 724
= LM H. 7/1993 § 766 BGB Nr. 24 = WM 1993, 239 (240); NJW 1993, 1261
= LM H. 7/1993 § 766 BGB Nr. 25 = WM 1993, 544 (545)). Bleiben trotz
einer entsprechenden Auslegung nicht auszuräumende Zweifel, auf welche
Hauptschuld sich die Bürgschaft bezieht, gehen diese zu Lasten des
Gläubigers (BGH, NJW 1995, 959 = LM H. 6/1995 § 765 BGB Nr. 97
= WM 1995, 331). In der von der Bekl. unterzeichneten Bürgschaftsurkunde
sind Gläubiger und Hauptschuldner eindeutig benannt. Lediglich die
Hauptschuld ist nicht genau angegeben, weil die beiden Leasingverträge,
aus denen die Kl. die verbürgten Ansprüche ableitet, entgegen
dem Wortlaut der Bürgschaftserklärung nicht durch Verwendung
des Plurals und Angabe der Vertragsnummern näher bezeichnet sind.
Dies macht die Erteilung der Bürgschaftserklärung indessen nicht
formunwirksam. Vielmehr gibt die Urkunde selbst einen geeigneten Hinweis
auf die verbürgte Schuld. Unstreitig hatte R der Kl. seinerzeit nur
Angebote zum Abschluß von zwei Leasingverträgen unterbreitet.
Andere Leasingverträge zwischen Rund der Kl. gab es nicht. Der Bekl.
war bekannt, daß sie für die Ansprüche der Kl. aus den
beiden Verträgen die Bürgschaft leisten sollte. Sie kannte deshalb
den Inhalt der (künftigen) Hauptschuld. Der Gegenstand der Hauptverbindlichkeit
ist jedenfalls ansatzweise in der Bürgschaftsurkunde dadurch zum Ausdruck
gekommen, daß die Bürgschaft für alle Ansprüche der
Kl. gegen R aus einem Leasingvertrag übernommen worden ist. Das Fehlen
der Angabe der Vertragsnummern ist für sich genommen bedeutungslos,
weil beiden Vertragsparteien klar war, um welche Verträge es sich
handelte. Der Gebrauch der Einzahl (Leasing vertrag) steht der Formwirksamkeit
ebenfalls nicht entgegen. Er ist als falsa demonstratio für ein Leasingverhältnis
zu verstehen, das beide wirtschaftlich eng zusammenhängenden Leasingverträge
umfaßte. Daß von den Vertragsparteien gebrauchte unbewußte
Falschbezeichnungen dem Formerfordernis genügen, ist insb. für
§ 313 BGB anerkannt, dem in erster Linie ebenfalls eine Warnfunktion
zukommt (vgl. BGHZ 87, 150 (152ff.) = NJW 1983, 1610). Es bestehen keine
Bedenken, diese Rechtsprechung auf § 766 BGB zu übertragen (vgl.
BGH, NJW 1989, 1484 = LM § 766 BGB Nr. 20 = WM 1989, 559 (561); Pecher,
in: MünchKomm, § 766 Rdnr. 3a).
II. 1. Nach Auffassung des BerGer. ergibt sich
die Nichtigkeit der Bürgschaft ferner aus § 138 II (gemeint ist
ersichtlich Abs. 1) BGB. Es führt aus, das von der Bekl. übernommene
Risiko sei für sie kaum abschätzbar gewesen. Trotz des beachtlichen
Bürgschaftsbetrages habe das Bürgschaftsformular die Höhe
der Hauptforderung nicht bezeichnet; auch die für einen Laien nur
schwer verständliche Berechnungsgrundlage für die Leasingverbindlichkeiten
sei in der Erlärung nicht ausgewiesen. Vor allem fehle jede Begrenzung
der gesicherten Verbindlichkeiten. Da ferner bürgschaftsrechtliche
Schutzvorschriften abbedungen seien, werde deutlich, daß die Bekl.
neben dem Hauptschuldner praktisch wie eine Teilhaberin habe haften sollen,
ohne ein erkennbares wirtschaftliches Interesse an der (Mit-)Tragung des
Unternehmerrisikos zu haben. Die Leasingverbindlichkeiten überstiegen
die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bekl. bei weitem. Selbst eine
geschäftlich erfahrene Person hätte Bedeutung und Ausmaß
des übernommenen Risikos bei der Kürze des zur Unterzeichnung
der Bürgschaftserklärung führenden Vorgesprächs kaum
abschätzen können. Für die Bekl., die als Bürgerin
der ehemaligen DDR innerhalb nur eines Jahres nach der Wiedervereinigung
kaum über marktwirtschaftliche Spezialkenntnisse habe verfügen
können, sei dieses Risiko offensichtlich völlig undurchschaubar
gewesen. Bei dieser ausgeprägten Überlegenheit der Kl., die sich
selbst berühme, eines der größten deutschen Leasingunternehmen
zu sein, dränge sich der Schluß auf, daß sie sich zur
Durchsetzung ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen über vorvertragliche
Rücksichtspflichten hinweggesetzt habe, um die geschäftliche
Unerfahrenheit der Bekl. auszunutzen.
2. Auch diese Ausführungen sind von Rechtsirrtum
beeinflußt.
a) Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138
I BGB nur nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt,
Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
den guten Sitten widerspricht. Daß der Inhalt des Vertrages nur den
Bürgen in erheblichem Umfang belastet, stellt für sich die Wirksamkeit
der Bürgschaft nicht in Frage. Ihr Sinn besteht grundsätzlich
allein darin, dem Gläubiger eine Sicherung für bestimmte Ansprüche
gegen den Hauptschuldner zu gewähren. Die vom Bürgen eingegangene
Verpflichtung ist auch nicht bereits rechtlich zu mißbilligen, weil
er bei Abgabe der Bürgschaftserklärung nicht die Einkünfte
oder das Vermögen zur Erfüllung der Schuld hatte, für die
er bürgen soll. In der Regel vermag jede unbeschränkt geschäftsfähige
Person zu erkennen, daß sie mit einer Bürgschaft ein erhebliches
persönliches Risiko eingeht, die Tragweite ihres Handelns entsprechend
einzuschätzen und danach ihre Entscheidung zu treffen (vgl. BGHZ 125,
206 (210) = NJW 1994, 1278 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 91). Nach
der neuen Rechtsprechung von BVerfG (BVerfGE 89, 214 = NJW 1994, 36; BVerfG,
WM 1994, 1837) und BGH (BGHZ125, 206 = NJW 1994, 1278 = LM H. 9/1994 §
765 BGB Nr. 91; BGH, NJW 1994, 1341 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 90
= WM 1994, 680; vgl. auch NJW 1994, 1726 = LM H. 9/1994 § 1b AbzG
Nr. 29 = WM 1994, 1022) kann ein Bürgschaftsvertrag jedoch gem. §
138 I BGB nichtig sein, wenn der Bürge sich in einem Umfang verpflichtet,
der seine im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden oder zu erwartenden
Einkommens- und Vermögensverhältnisse weit übersteigt, und
wenn er durch weitere, zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der
Vertragsparteien führende Umstände in einer dem Gläubiger
zurechenbaren Weise zusätzlich erheblich belastet wird. Solche Belastungen
können sich insb. daraus ergeben, daß der Gläubiger die
Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Bürgen
ausnutzt oder auf andere Weise ihn in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig
beeinträchtigt (BGHZ 125, 206 (210) = NJW 1994, 1278 = LM H. 9/1994
§ 765 BGB Nr. 91). Die Umstände, die zur Nichtigkeit des Vertrages
nach § 138 I BGB führen, hat der Bürge zu beweisen (BGHZ
125, 206 (217) = NJW 1994, 1278 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 91).
Nur ausnahmsweise, in besonders gelagerten krassen Fällen, kann die
Bürgschaft schon wegen des Umfangs der Verpflichtungen sittenwidrig
sein. Das kommt dann in Betracht, wenn die Verbindlichkeiten, für
die der Bürge einstehen soll, so hoch sind, daß bereits bei
Vertragsschluß feststeht und dem Gläubiger bekannt ist oder
sich ihm aufdrängen muß, der Bürge werde bei einer Verwirklichung
des Risikos auch bei günstigster Prognose mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit die Forderung des Gläubigers nicht einmal zu erheblichen
Teilen tilgen können (vgl.BGHZ 125, 206 (211) = NJW 1994, 1278 = LM
H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 91).
b) Für eine derartige Annahme fehlt es im
Streitfall an hinreichenden Feststellungen des BerGer. Es hat nicht festgestellt,
wie Seite 1888 hoch das übernommene Risiko bei Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung
war, und hat nicht näher begründet, weshalb die Leasingverbindlichkeiten
die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bekl. bei weitem überstiegen.
Seine Annahme, es habe jede Begrenzung der gesicherten Verbindlichkeiten
gefehlt, trifft nicht zu. Bei einem Finanzierungsleasing mit - wie hier
- fest bestimmter Mietzeit sind die Ansprüche des Leasinggebers grundsätzlich
durch die Summe der vereinbarten Leasingraten (hier für die Sattelzugmaschine
43 x 6367,62 = 273807,66 DM; für den Kippauflieger 64 x 2076,70 =
132908,80 DM) - ggf. zzgl. des kalkulierten Restwerts - beschränkt.
Ein Schadensersatzanspruch des Leasinggebers infolge einer vom Leasingnehmer
- etwa wegen Zahlungsverzugs - schuldhaft verursachten Kündigung des
Leasinggebers ist durch dieses Erfüllungsinteresse bei vertragsgemäßer
Beendigung begrenzt (vgl. BGHZ 95, 39 (46, 55f.) = NJW 1985, 2253 = LM
§ 242 (Cd) BGB Nr. 273; Palandt/Putzo, BGB, 54. Aufl., Vorb. §
535 Rdnr. 52; Graf v. Westphalen, VertragsR und AGB-Klauselwerke, Leasing
(Stand: 1993), Rdnr. 92). Ein Bürge, der sich verpflichtet hat, für
alle Ansprüche des Leasinggebers aus einem Leasingvertrag einzustehen,
wird kaum jemals für das volle Erfüllungsinteresse aufzukommen
haben. Bei einer schuldhaften Vertragsverletzung des Leasingnehmers, die
zumeist in der Nichtzahlung der vereinbarten Raten bestehen wird, ist der
Leasinggeber dem Bürgen nach Treu und Glauben verpflichtet, gegenüber
dem Leasingnehmer diejenigen Schritte zu ergreifen, die er ohne den Bürgschaftsvertrag
zur Wahrung seiner eigenen Interessen unternommen hätte, um den ihm
durch die Vertragsverletzung entstehenden Schaden möglichst gering
zu halten. So darf er im Fall eines Zahlungsverzugs des (zahlungsunfähigen)
Leasingnehmers im Verhältnis zum Bürgen nicht unabsehbare Zeit,
etwa gar bis zum Ablauf der Vertragsfrist, zuwarten, bis er von den ihm
zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln, insb. einer Kündigung, Gebrauch
macht. Andernfalls kann er nach Treu und Glauben gehindert sein, von dem
Bürgen mehr zu verlangen, als ihm bei einer (fristlosen) Kündigung
des Leasingvertrages in angemessener Zeit zugestanden hätte. Bei einer
solchen Kündigung hätte er einen Anspruch auf die rückständigen
Raten (vgl. BGHZ 95, 39 (59f.) = NJW 1985, 2253 = LM § 242 (Cd) BGB
Nr. 273) und ab Beendigung des Vertrages auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens
gehabt (vgl. BGHZ 82, 121 (129f.) = NJW 1982, 870 = LM § 242 (Cd)
BGB Nr. 241; BGH, NJW 1991, 221 = LM § 535 BGB Nr. 130 = WM 1990,
2043 (2045)). Bei der Berechnung dieses Anspruchs sind die ausstehenden
Leasingraten angemessen abzuzinsen und vom Leasinggeber ersparte laufzeitabhängige
Aufwendungen abzusetzen (vgl. BGHZ 111, 237 (242f.) = NJW 1990, 2377 =
LM § 535 BGB Nr. 128; BGH, NJW 1991, 221 = LM § 535 BGB Nr. 130
= WM 1990, 2043). Ferner ist der Leasinggeber verpflichtet, die zurückgegebene
Leasingsache bestmöglich zu verwerten und den Verwertungserlös
regelmäßig bis zu 90 % auf seine Schadensersatzforderung anzurechnen
(vgl. BGHZ 95, 39 (56f.) = NJW 1985, 2253 = LM § 242 (Cd) BGB Nr.
273; BGH, NJW 1987, 842 = LM § 6 AbzG Nr. 42 = WM 1987, 288 (290)).
Im Streitfall sind darüber hinaus von dem Leasingnehmer geleistete
Kautionen (38890 DM für die Sattelzugmaschine; 17310 DM für den
Kippauflieger) zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. Welchen berechtigten
Ansprüchen der Kl. die Bekl. bei Vertragsschluß aufgrund der
Leasingverträge im für sie ungünstigsten Fall ausgesetzt
sein konnte, hätte das BerGer. anhand der einschlägigen Rechtsprechung,
ggf. mit Hilfe eines Sachverständigen, unter Anwendung von §
287 ZPO feststellen müssen. Auch zu den Vermögensverhältnissen
der Bekl. im Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme hat das BerGer.
nähere Feststellungen nicht getroffen. Insb. ist es nicht darauf eingegangen,
daß die Bekl. Grundvermögen besitzt. Reichte dieses zur Tilgung
der Bürgschaftsschuld aus, kann eine Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages
grundsätzlich nicht mit wirtschaftlicher Überforderung der Bekl.
begründet werden (vgl. BGH, NJW 1993, 2435 = LM H. 1/1994 § 117
BGB Nr. 13 = WM 1993, 1504 (1505)). Im übrigen stellt das BerGer.
nicht fest, daß der Kl. eine Vermögenslosigkeit der Bekl. bekannt
war oder sich ihr hätte aufdrängen müssen. Daß in
der Bürgschaftsurkunde die Höhe der Hauptforderung und die Berechnungsgrundlage
für die Leasingverbindlichkeit nicht ausgewiesen sind, ist hier unter
dem Gesichtspunkt einer Sittenwidrigkeit des Bürgschaftsvertrages
von untergeordneter Bedeutung. Die gesicherte Hauptschuld war mit dem Hinweis
auf sämtliche Verbindlichkeiten des Leasingnehmers aus zwei bestimmten
Leasingverträgen inhaltlich hinreichend individualisiert, der Höhe
nach bestimmbar und von der Bekl. im wesentlichen zu übersehen, sofern
sie sich - was ihr grundsätzlich zuzumuten war - die Vertragsurkunden
hätte aushändigen und erläutern lassen. Der Vereinbarung
eines festen Höchstbetrages der Bürgschaft bedurfte es nicht.
Der BGH hat es bislang als hinreichend betrachtet, wenn die Bürgschaft
für alle Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner
aus einer bankmäßigen Geschäftsverbindung ohne betragsmäßige
Begrenzung durch AGB übernommen wurde (vgl. BGH, NJW 1985, 848 = LM
§ 765 BGB Nr. 38 = WM 1985, 155 (156); NJW 1986, 928 = LM § 766
BGB Nr. 19 = ZIP 1986, 85 (86); NJW 1994, 1656 = LM H. 9/1994 § 765
BGB Nr. 92 = WM 1994, 784; NJW 1994, 2146 = LM H. 9/1994 § 765 BGB
Nr. 94/95 = WM 1994, 1064 (1068)). Er hat angenommen, auch in diesen Fällen
ergebe sich die nähere Ausgestaltung des den Bürgen treffenden
Haftungsrisikos aus § 767 BGB. Diese Rechtsprechung hat Kritik erfahren
(vgl. Horn, in: Festschr. f. Franz Merz, 1992, S. 217 (220) m.w.Nachw.;
E. Schmidt, EWiR 1994, 521 (522 zu 4); Tiedtke,EWiR 1994, 761f.). Im Streitfall
geht es nicht um eine derartige Globalbürgschaft. Vielmehr hat die
Bekl. die Bürgschaft für die Ansprüche aus zwei bestimmten
Verträgen übernommen. Für solche Einzelbürgschaften
wird auch von den Kritikern der Rechtsprechung zur Globalbürgschaft
eine betragsmäßige Begrenzung der Bürgschaft nicht verlangt,
selbst wenn der Betrag der Hauptschuld noch nicht abschließend feststeht
(vgl. Horn,S. 222; Reinicke/Tiedtke, JZ 1986, 426 (428)). Hier ist der
Sicherungszweck eindeutig bestimmt und der Bürge dadurch hinreichend
geschützt, daß er den Rechtsgrund kennt und den Umfang der Hauptschuld
und damit seines maximalen Bürgenrisikos wenigstens einigermaßen
sicher absehen kann (vgl. auch Pecher, in: MünchKomm, § 765 Rdnr.
12; Graf v. Westphalen, VertragsR und AGB-Klauselwerke Bürgschaft
(Stand: 1993), Rdnr. 22). Eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft ist
auch nicht ohne weiteres aus der Abbedingung bürgschaftsrechtlicher
Schutzvorschriften herzuleiten. Die von der Bekl. unterzeichnete Bürgschaftserklärung
enthielt von der Kl. vorformulierte Vertragsbedingungen i. S. von §
1 I AGBG und unterliegt deshalb der Überprüfung anhand des AGB-Gesetzes.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden,
daß der Bürge auf die Rechte aus den §§ 770 und 776
BGB verzichtet (vgl. BGHZ 78, 137 (141ff.) = NJW 1981, 748 = LM §
776 BGB Nr. 2, BGHZ95, 350 (357ff.) = NJW 1986, 43 = LM § 242 (Cd)
BGB Nr. 275; BGH, NJW 1981, 761 = LM § 59 KO Nr. 12 = WM 1981, 5 (6f.);
NJW-RR 1986, 518 = LM § 366 BGB Nr. 17 = WM 1986, 257 (258)). Auch
wenn man insoweit und zu § 768 BGB eine andere Auffassung vertreten
und die Verzichte ganz oder teilweise für unwirksam halten wollte
(vgl. Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, 3. Aufl., S. 105ff.; Ulmer/Brandner/Hensen,
AGBG, 7. Aufl., Anh. §§ 9-11 Rdnrn. 261f.; Graf v. Westphalen,
Bürgschaft (Stand: 1993) Rdnrn. 50ff., 84ff.; aber auch Graf Lambsdorff/Skora,Hdb.
d. BürgschaftsR, Rdnrn. 222, 225, 226, 228), wäre dies nach §
6 I, II AGBG für den Bürgschaftsvertrag im übrigen ohne
Bedeutung (vgl. BGH, NJW 1986, 928 = LM § 766 BGB Nr. 19 = WM 1985,
95 (97); auch NJW 1987, 184 = LM § 138 (Bc) BGB Nr. 44 = WM 1986,
1466). Es handelt sich um inhaltlich von dem übrigen Vertragstext
trennbare, aus sich heraus verständliche Regelungen, die jeweils einer
gesonderten Wirksamkeitsprüfung zugänglich sind (vgl. in diesem
ZusammenhangBGHZ 106, 19 (25f.) = NJW 1989, 831 = LM § 1191 BGB Nr.
29; BGHZ 107, 185 (190f.) = NJW 1989, 3215 = LM § 9 (A) AGBG Nr. 3;
BGHZ 109, 197 (203) = NJW 1990, 576 = LM § 3 AGBG Nr. 29; BGH, NJW
1992, 896 = LM H. 6/1992 § 765 BGB Nr. 77/78 = WM 1992, 391 (392f.);
Ulmer/Brandner/Hensen, § 6 Rdnr. 12). Schließlich hat das BerGer.
nicht hinreichend begründet, daß die Kl. eine Unerfahrenheit
der Bekl. in zu beanstandender Weise ausgenutzt hat. Allein der Umstand,
daß die Bekl. Bürgerin der ehemaligen DDR war und die Bürgschaft
etwa ein Jahr nach der Wiedervereinigung und der Einführung der Marktwirtschaft
übernommen hat, läßt für sich genommen nicht den Schluß
darauf zu, daß die Bekl. sich über das damit verbundene Risiko
nicht hinreichend im klaren war. Dies hängt von ihrer Vorbildung,
ihrer Stellung im Wirtschaftsleben und anderen Faktoren ab, zu denen das
Berufungsurteil sich nicht verhält. Die Revision weist im übrigen
zutreffend darauf hin, daß die Bekl. selbst vorgetragen hat, bei
Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde den Vertreter der Kl. gefragt
zu haben, ob sie die Raten bezahlen müsse, falls der Leasingnehmer
dazu nicht in der Lage sein sollte. Auch dies spricht dafür, daß
der Bekl. jedenfalls im Kern bewußt war, welches Risiko sie mit einer
Bürgschaft übernahm. Danach läßt sich mit den Ausführungen
des BerGer. eine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft nicht hinreichend
begründen.
III. Das Berufungsurteil kann demzufolge keinen
Bestand haben. Die Sache ist an das BerGer. zurückzuverweisen.
1. Dieses wird zunächst den von der Kl. angetretenen
Beweis für ihre Behauptung zu erheben haben, die Bekl. habe bei Unterzeichnung
der Bürgschaft gewußt, daß R zwei Leasingverträge
abgeschlossen (genauer: zwei Angebote auf Abschluß von Leasingverträgen
abgegeben) habe und daß sie sich für dessen Verbindlichkeit
aus beiden Verträgen verbürgen sollte. Kann die Kl. den Beweis
erbringen, wird der Frage einer Sittenwidrigkeit der Bürgschaft weiter
nachzugehen sein. Es bedarf einer Feststellung des Bürgenrisikos und
einer Aufklärung der im Zeitpunkt der Erteilung der Bürgschaftserklärung
bestehenden oder zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse
der Bekl. Ferner werden Feststellungen zu deren Geschäftserfahrenheit
und zu den Beweggründen zu treffen sein, die sie zur Übernahme
der Bürgschaft veranlaßt haben. Je nach dem Ergebnis dieser
Feststellungen kann im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung auch
einer Ungewißheit über die Höhe der Bürgenverpflichtung
und der Abbedingung bürgschaftsrechtlicher Schutzvorschriften Gewicht
beizumessen sein. Bedeutung kommt insb. der Behauptung der Bekl. zu, der
Vertreter der Kl. habe das Bürgenrisiko verkleinert, indem er auf
ihre Frage nach einer Einstandspflicht geantwortet habe, er sehe nicht,
daß die Kl. an die Bekl. herantreten müsse, nach einem Jahr
könnte die Bürgschaft erloschen sein, und darüber hinaus
erklärt habe, er kenne den Vertragspartner des Leasingnehmers, von
ihm seien täglich gewinnbringende Aufträge zu erwarten, er sehe
da keine Gefahr für die Bekl. Ein solches Verhalten kann u.U. geeignet
sein, bei einem geschäftlich unerfahrenen Bürgen den Eindruck
zu erwecken, er habe nichts Ernsthaftes zu befürchten, und ihn so
daran hindern, die mit einer Bürgschaftsübernahme verbundenen
rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen zu erkennen und das Für und
Wider der mit ihnen verbundenen Belastungen eigenständig abzuwägen
(vgl. BGH, NJW 1994, 1341 = LM H. 9/1994 § 765 BGB Nr. 90 = WM 1994,
680 (684)). Insoweit kann auch eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß
in Betracht kommen.
2. Vermag die Kl. nicht zu beweisen, daß
die Bekl. sich für die Verbindlichkeiten aus beiden Leasingverträgen
verbürgen wollte, wird zu prüfen sein, ob diese - wie ihrem Vorbringen
in der mündlichen Verhandlung vom 9. 3. 1994 zu entnehmen sein dürfte
- wenigstens die Bürgschaft für die Schulden aus dem Leasingvertrag
über den Kippauflieger übernehmen wollte. Träfe dies zu,
ist zu fragen, ob die Kl. einen solchen Vertragsantrag angenommen hat.
Dies ist auch dann nicht von vornherein auszuschließen, wenn die
Kl. davon ausging, die Bekl. wolle für die Verbindlichkeiten aus beiden
Leasingverträgen bürgen. Denn eine bloße Erweiterung der
Annahme gegenüber dem Angebot kann u.U. dahin zu verstehen sein, daß
der Antrag angenommen und ein neues, die Erweiterung enthaltendes Angebot
abgegeben werde (RG, JW 1931, 1181 (1183(; Enneccerus/Nipperdey, BGB AT,
15. Aufl., S. 996; Palandt/Heinrichs, § 150 Rdnr. 2). Der neue Antrag
wäre von der Bekl. nicht angenommen worden. Vielmehr wäre ein
Bürgschaftsvertrag dann nur in bezug auf den Leasingvertrag über
den Kippauflieger zustande gekommen. Die Wirksamkeit der Erteilung der
Bürgschaftserklärung scheiterte nicht an dem Formerfordernis
des § 766 S. 1 BGB. Ungeachtet des Fehlens der genauen Bezeichnung
des Leasingvertrages böte der Wortlaut der Bürgschaftsurkunde
einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, daß die durch diesen
Leasingvertrag begründete Schuld verbürgt werden sollte. Hat
die Bekl. die Bürgschaft für Verbindlichkeiten aus nur einem
Leasingvertrag übernommen, war das Bürgenrisiko erheblich geringer.
Dies kann für die Beurteilung einer Sittenwidrigkeit der Bürgschaft
von Bedeutung sein.