Formpflichtigkeit des Auftrags zum treuhänderischen Erwerb eines Grundstücks, arglistige Berufung auf den Formmangel

BGH, Urteil v. 02.05.1996  - III ZR 50/95 (Nürnberg) 

Fundstellen:

NJW 1996, 1960
LM H. 9/1996 § 313 BGB Nr. 141
MDR 1996, 895
BB 1996, 1528
WM 1996, 1143



Amtl. Leitsatz:

Ist der Auftrag zur Ersteigerung eines Grundstücks unter dem Gesichtspunkt einer Erwerbspflicht des Auftraggebers nach § 313 BGB formbedürftig, so kann die Berufung des Beauftragten auf den Formmangel wegen dieser Erwerbspflicht des Auftraggebers gegen Treu und Glauben verstoßen (Bestätigung von BGHZ 85, 245 = NJW 1983, 566 = LM § 313 BGB Nr. 97; BGHZ 127, 168 (175) = NJW 1994, 3346 = LM H. 3/1995 § 313 BGB Nr. 137). Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos; vielmehr bedarf es jeweils einer wertenden Betrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, bei der nicht nur die berechtigten Interessen des Auftraggebers, sondern auch diejenigen des Beauftragten zu berücksichtigen sind.



Zum Sachverhalt:

Die Eltern des Kl. waren Eigentümer eines mit einer Gaststätte bebauten Grundstücks. Dieses Grundstück wurde im Jahre 1989 auf Betreiben einer Gläubigerbank zwangsversteigert. Der Kl., der das Grundstück ersteigern wollte, bat den Bekl., zu diesem Zwecke im (zweiten) Versteigerungstermin vom 28. 11. 1989 als sein Vertreter aufzutreten. In diesem Termin, an dem auch der Kl. selbst teilnahm, erschien der Bekl. mit einem Barbetrag von 25300 DM, von denen 5300 DM vom Kl. und der Rest vom Bekl. selbst aufgebracht worden waren. Unter den Parteien ist streitig, ob der Bekl. in dem Termin zunächst allein für den Kl. geboten hat. Ein (weiteres) Gebot des Bekl. über 60000 DM, das dieser zu 51 % im eigenen Namen, zu 49 % im Namen des Kl. abgegeben hatte, wurde durch Beschluß des Vollstreckungsgerichts zurückgewiesen, nachdem der Bekl. die auf Antrag eines Vertreters der Gläubigerbank auf die volle Höhe des Gebots angesetzte Sicherheit nicht erbringen konnte. Anschließend bot der Bekl. für sich allein weiter und erhielt für 229000 DM den Zuschlag. Die Sicherheit, die nunmehr auf 10 % des Gebots festgesetzt worden war, leistete er aus dem mitgebrachten Betrag. Anschließende Verhandlungen zwischen den Parteien über die Aufbringung der noch einzuzahlenden Beträge und eine Übertragung des Grundstücks auf den Kl. scheiterten. Der Bekl. besorgte daraufhin selbst die Aufbringung und Finanzierung des noch offenen Restbetrages. Am 15. 3. 1990 wurde der Bekl. im Grundbuch als Eigentümer des ersteigerten Grundstücks eingetragen. Er hat die Gaststätte nach Durchführung eines Zwangsräumungsverfahrens gegen den Kl. und dessen Eltern verpachtet. Der Kl. verlangt nunmehr die Übereignung des, wie er vorträgt, in mißbräuchlicher Überschreitung des ursprünglichen Auftrags ersteigerten Grundstücks, Zug um Zug gegen  Erstattung des Erstehungspreises von 229000 DM. Hilfsweise begehrt er vom Bekl. Schadensersatz in Höhe von 131000 DM, d. h. der Differenz zwischen dem Erstehungspreis von 229000 DM und dem seinerzeit vom VollstreckungsGer. festgesetzten Verkehrswert des Grundstücks von 360000 DM.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Kl. hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

1. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der vom Kl. behauptete Auftrag an den Bekl., das Grundstück für ihn, den Kl., zu ersteigern, wegen der damit verbundenen Erwerbspflicht des Kl. der notariellen Beurkundung nach § 313 S. 1 BGB bedurfte.
a) Dieser Auftrag hatte nach dem Vorbringen des Kl. ursprünglich den Inhalt gehabt, daß der Bekl. den Grundstückserwerb namens des Kl. in offener Stellvertretung tätigen sollte. Dadurch wurde nach den rechtsfehlerfreien tatrichterlichen Feststellungen des BerGer., die auch von der Revision hingenommen werden, eine Erwerbspflicht des Kl. begründet, die dem Formzwang des § 313 S. 1 BGB unterfiel.
b) Ob dieser Auftrag dahingehend ausgelegt werden konnte, daß er den Bekl. berechtigen und verpflichten sollte, bei Fehlschlagen des geplanten Direkterwerbs des Kl. das Grundstück zunächst im eigenen Namen zu erwerben und es sodann an den Kl. weiterzuveräußern, bedarf, wie das BerGer. mit Recht ausgeführt hat, keiner abschließenden Entscheidung. Eine etwaige vorhergehende Erwerbspflicht des Bekl. hätte zwar ebenfalls dem Formzwang des § 313 S. 1 BGB unterlegen; jedoch wäre der Formmangel insoweit durch den Eigentumserwerb des Bekl. geheilt worden (§ 313 S. 2 BGB; vgl. BGHZ 85, 245 (250f.) = NJW 1983, 566 = LM § 313 BGB Nr. 97).
c) Hingegen begründete die Verpflichtung des Bekl., dem Kl. das Eigentum an dem Grundstück zu verschaffen, kein Beurkundungserfordernis, da es sich insoweit lediglich um die Pflicht zur Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten gem. § 667 BGB handelte, die nicht auf dem Vertrag, sondern unmittelbar auf dem Gesetz beruhte (st. Rspr., vgl. zuletzt BGHZ 127, 168 (170) = NJW 1994, 3346 = LM H. 3/1995 § 313 BGB Nr. 137, m.w. Nachw.). Die Formbedürftigkeit des Auftrages unter dem Gesichtspunkt einer Erwerbspflicht des Kl. blieb jedoch auch bei dieser Fallkonstellation unberührt.
2. Da der Auftrag somit in beiden Varianten, also sowohl insoweit, als er auf einen Direkterwerb des Kl. abzielte, als auch, soweit er einen treuhänderischen Durchgangserwerb des Bekl. zum Inhalt haben konnte, formunwirksam war, konnte ein vertraglicher Anspruch des Kl. gegen den Bekl. auf Herausgabe des treuhänderisch erworbenen Grundstücks gem. § 667 BGB nicht begründet werden. Im Ergebnis zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, daß es dem Bekl. im vorliegenden Fall auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt war, sich auf den Formmangel zu berufen.
a) Allerdings hat der BGH bereits in BGHZ 85, 245 (251, 252) (= NJW 1983, 566 = LM § 313 BGB Nr. 97) entschieden, daß der Beauftragte sich gegenüber dem Herausgabeverlangen des Auftraggebers unter bestimmten Umständen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf den Formmangel berufen kann. Der Formzwang für die Erwerbsverpflichtung des Auftraggebers dient nicht dem Schutz des Beauftragen. Es sind daher Fälle denkbar, in denen es mit Treu und Glauben schlechterdings nicht zu vereinbaren ist, wenn der Beauftragte das in Ausführung des Auftrags erworbene Eigentum unter Berufung auf eine dem Schutz des Auftraggebers dienende Formvorschrift nunmehr für sich behalten könnte. Diese Rechtsprechung hat der BGH in der Folgezeit durchgängig bestätigt (vgl. z.B. BGHR BGB § 313 Satz 1 Treuhand 2; NJW-RR 1994, 317 = LM H. 4/1994 § 253 ZPO Nr. 105 = BGHR BGB § 313 Satz 1 Treuhand 3; WM 1990, 1543 (1545); zuletzt BGHZ 127, 168 (175) = NJW 1994, 3346 = LM H. 3/1995 § 313 BGB Nr. 137).
b) Diese Ausführungen des BGH dürfen jedoch nicht dahin mißverstanden werden, daß in solchen Fällen stets ohne Rücksicht auf den Formmangel ein Anspruch des Auftraggebers gegen den Beauftragten auf Übereignung des treuhänderisch erworbenen Grundstücks gegeben ist. Vielmehr bedarf es jeweils einer wertenden Betrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls, bei der nicht nur die berechtigten Interessen des Auftraggebers, sondern auch diejenigen des Beauftragten zu berücksichtigen sind: Im vorliegenden Fall war - wie bereits das LG eingehend und zutreffend dargelegt hat - der Auftrag mit seinem vom Kl. behaupteten ursprünglichen Inhalt, nämlich Ersteigerung des Grundstücks unmittelbar im Namen des Kl., nicht durchführbar gewesen. Da bereits das teilweise im Namen des Kl. und teilweise im Namen des Bekl. ausgebrachte Gebot daran gescheitert war, daß das VollstreckungsGer. auf Betreiben der Gläubigerbank die Sicherheitsleistung gem. § 68 III ZVG auf einen Betrag festgesetzt hatte, den der Bekl. nicht aufbringen konnte, wäre eine derartige Festsetzung erst recht bei einem ausschließlich im Namen des Kl. abgegebenen Gebot erfolgt. Der Bekl. war auch - ganz unabhängig von der Formunwirksamkeit des Auftrags - nicht etwa gehalten, gegen diese Festsetzung Rechtsbehelfe einzulegen; dies wäre vielmehr eine Überspannung der an den mit den Einzelheiten des Zwangsversteigerungsrechts nicht vertrauten Bekl. zu stellenden Sorgfaltsanforderungen gewesen. Der daraufhin vom Bekl. beschrittene Weg, das Grundstück im eigenen Namen zu ersteigern, setzte den Bekl. zunächst dem vollen Risiko aus, bis zum Verteilungstermin den Ersteigerungspreis aufbringen zu müssen. Daß etwa der Kl. als Auftraggeber bereit und in der Lage gewesen wäre, die dafür erforderlichen  Aufwendungen bereitzustellen und möglicherweise sogar vorzuschießen (§§ 670, 669 BGB), ist trotz der unsubstantiierten Angabe, die Finanzierung sei "gesichert" gewesen, nirgends konkret dargetan und belegt; insbesondere ist nicht ersichtlich, daß der Kl. hinsichtlich der Finanzierung bereits eigene Verpflichtungen eingegangen war. In diesem wesentlichen Punkte liegt der hier zu beurteilende Sachverhalt - worauf das BerGer. zutreffend hingewiesen hat - also grundlegend anders als in den Fällen, die den Entscheidungen des BGH in BGHZ 85, 245 (251, 252) (= NJW 1983, 566 = LM § 313 BGB Nr. 97) und BGHZ 127, 168 (175) (= NJW 1994, 3346 = LM H. 3/1995 § 313 BGB Nr. 137) zugrundegelegen hatten. Dort war nämlich jeweils der Erwerb des Grundstücks durch den Beauftragten mit Mitteln des Auftraggebers getätigt worden. Hier hatte der Kl. lediglich den geringen Betrag von 5300 DM beigetragen, den er unstreitig zurückerhalten hat.
c) Unter diesen Umständen - insbesondere unter Berücksichtigung der beiderseitigen Risikoverteilung - begegnet die Würdigung der Vorinstanzen, daß der Bekl. das ersteigerte Grundstück unter Berufung auf den Formmangel des vom Kl. erteilten Auftrages behalten darf und daß dieses Ergebnis nicht schlechterdings untragbar und mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar ist, keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
3. Das BerGer. hat ferner geprüft, ob sich der Anspruch des Kl. auf Übereignung des Grundstücks aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 681 S. 2, 667 BGB) begründen läßt. Es hat sich dabei an der Rechtsprechung des BGH orientiert, wonach auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag zurückgegriffen werden kann, wenn das Geschäft aufgrund eines sich später als nichtig erweisenden Auftrags geführt worden ist (vgl. dazu BGH, NJW-RR 1993, 200 = LM H. 5/1993 § 677 BGB Nr. 31 = BGHR BGB § 677 Nichtigkeit 1 mit zahlr. w. Nachw.). Diesen Anspruch hat das BerGer. indessen in rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung des beiderseitigen Parteivorbringens daran scheitern lassen, daß sich bei der vom Bekl. im eigenen Namen getätigten Ersteigerung des Grundstücks ein objektiv in Erscheinung tretender Fremdgeschäftsführungswille nicht feststellen läßt. Der Sachverhalt läßt nämlich, wie das BerGer. zu Recht ausführt, auch die Deutung zu, daß der Bekl. in dem damaligen Versteigerungsterin bereits nachdem die zugunsten (auch) des Kl. ausgebrachten Gebote gescheitert waren, den Willen gefaßt hatte, ohne weitergehende rechtliche Bindung gegenüber dem Kl. nunmehr allein im eigenen Namen weiter zu steigern und das Grundstück selber zu erstehen, um erst dann aus freien Stücken und abhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Kl. darüber zu entscheiden, ob eine Weiterveräußerung an diesen stattfinden sollte.



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