NJW 1996, 452
Amtl. Leitsätze:
1. Beschränkt sich die Tätigkeit eines
Grundstücksmaklers auf das Anbieten reiner Maklerdienste ohne Einbindung
in die Erfüllung von Haupt- oder Nebenpflichten einer Vertragspartei,
kommt eine Zurechnung nach § 278 BGB nicht in Betracht.
2. Ist einem Grundstücksmakler von einer
der späteren Kaufvertragsparteien die Führung der wesentlichen
Vertragsverhandlungen überlassen worden, so ist er von ihr im Regelfall
zur Erfüllung der vorvertraglichen Sorgfaltspflichten herangezogen
worden, und zwar auch dann, wenn ihm ein eigener Verhandlungsspielraum
nicht eingeräumt worden ist; dies rechtfertigt die Anwendung des §
278 BGB.
Erfüllungsgehilfe i.S.v. § 278 BGB ist
jede Person, die mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn die dem
Geschäftsherrn als Schuldner aus einem bestehenden (gesetzlichen oder
vertraglichen) Schuldverhältnis (auch aus bloßer Vertragsanbahnung)
mit einem Dritten (Gläubiger) obliegenden (Haupt- oder auch nur Neben-)Pflichten
wahrnimmt. Das setzt voraus, daß die Person gerade zu diesem Zweck
vom Schuldner in die Pflichterfüllung "eingeschaltet" wurde und nicht
nur eigene Interessen wahrnimmt. Die vorliegende Entscheidung behandelt
diese Probleme lehrbuchmäßig, indem sie am Beispiel des Maklers
erläutert, wann dieser als Dritter und wann er als Erfüllungsgehilfe
einer Partei tätig wird. Vollkommen zu Recht zieht der BGH hier eine
Parallele zur Problematik des "Dritten" i.S.v. § 123 II BGB.
S. auch BGH NJW 2001, 358.
Die Bekl. war Eigentümerin eines in Eigentumswohnungen
aufgeteilten Mehrfamilienhauses in D., das sie veräußern wollte.
Mit der Verkaufsvermittlung beauftragte sie den inzwischen verstorbenen
Makler L, der seinerseits den Zeugen S einschaltete. Dieser stellte über
weitere Mittelsleute den Kontakt zu der Kl. her und weckte ihre Kaufbereitschaft.
Mit notariellem Vertrag vom 27. 2. 1985 erwarb die Kl. eine der Eigentumswohnungen.
Der Kaufpreis von 85000 DM mußte von ihr finanziert werden. Zum Notartermin
lag der auf Veranlassung des Maklers erstellte Vertragstext fertig abgefaßt
vor. Die Parteien trafen hier erstmals zusammen, führten aber keine
Verhandlungen mehr. Die Kl. hat den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung
angefochten. Sie hat dazu behauptet, der Zeuge S habe ihr - was in den
späteren Vertragstext nicht aufgenommen worden sei - bei den Vorgesprächen
auf Veranlassung des Maklers zugesagt, daß die Wohnung für sie
fünf Jahre lang kostenfrei sei. Die Bekl. garantiere nämlich
eine Mieteinnahme von mindestens 10 DM pro qm. Falls dies zur Kostendeckung
nicht ausreiche, übernehme sie auch den Differenzbetrag. Dies habe
jedoch dem Willen der Bekl. nicht entsprochen. Unstreitig hat nach Vertragsschluß
die mit der Hausverwaltung betraute Gesellschaft, eine GmbH, eine fünfjährige
Mietgarantieerklärung in Höhe von 10 DM pro qm abgegeben. Zahlungen
sind daraus nur unvollständig geflossen. Die Bekl. lehnte die Übernahme
einer Mietgarantie und die Zusage, eine Kostendifferenz zu tragen, ab.
Die Kl. hat zunächst Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt.
Während des Berufungsverfahrens hat sie die Eigentumswohnung für
35000 DM weiterveräußert. Sie macht nunmehr Schadensersatz unter
dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß geltend und
hat zuletzt - unter Anrechnung erhaltener Mieten, steuerlicher Vorteile
und des Verkaufserlöses - Erstattung der vom Zeitpunkt des Erwerbs
bis zur Veräußerung angefallenen Finanzierungskosten verlangt,
und zwar Zahlung von 13126,74 DM nebst Zinsen an sich, 16000 DM nebst Zinsen
an sich und ihren Ehemann sowie Freistellung von der von ihr und ihrem
Ehemann eingegangenen Darlehensverpflichtung gegenüber der V in Höhe
von 64959,77 DM per 1. 5. 1992.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat
die Bekl. zur Zahlung von 675,59 DM nebst Zinsen an die Kl. und von 16000
DM nebst Zinsen an die Kl. und ihren Ehemann verurteilt. Dem Freistellungsanspruch
hat es in Höhe von bis zu 50801,76 DM per 1. 5. 1992 entsprochen.
Die Revision der Bekl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat eine Schadensersatzhaftung der
Bekl. unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß
bejaht. Es hat für erwiesen erachtet, daß der Makler L die Kl.
über den Zeugen S durch vorsätzlich falsche Angaben zum Abschluß
des Kaufvertrages bewogen hat. Der Kl. sei nämlich wider besseres
Wissen vermittelt worden, daß die Bekl. bereit sei, nicht nur eine
Festmiete für fünf Jahre zu garantieren, sondern auch die Deckung
der dann noch verbleibenden Kostendifferenz zu übernehmen, so daß
der Erwerb für die Kl. in den ersten fünf Jahren frei von Zins-
und Tilgungslasten sei. Das Verhalten des Maklers L habe sich die Bekl.
nach § 278 BGB zurechnen zu lassen, da dieser als ihr Repräsentant
die gesamten Vertragsverhandlungen geführt und freie Hand bei der
Auswahl der Erwerber gehabt habe. Dagegen wendet sich die Revision ohne
Erfolg.
II. 1. Das BerGer. ist zutreffend davon ausgegangen,
daß die Anfechtung des Kaufvertrages die Möglichkeit unberührt
läßt, unabhängig von der Wirksamkeit der Anfechtung Schadensersatz
wegen Verschuldens bei Vertragsschluß geltend zu machen. Dies entspricht
der Rechtsprechung des Senats (NJW 1979, 1983f. = LM § 123 BGB Nr.
55).
2. Nach dem vom BerGer. festgestellten Sachverhalt
und der Würdigung des Beweisergebnisses ist die Kl. insoweit getäuscht
worden, als ihr vorgespiegelt wurde, sie werde beim Erwerb der Eigentumswohnung
in den ersten fünf Jahren weder mit Zins-noch mit Tilgungsleistungen
belastet.
a) Die Rüge der Revision, das BerGer. sei
zu diesem Ergebnis unter Übergehung eines Beweisantritts der Bekl.
gelangt, geht fehl. Die Bekl. hat in zweiter Instanz bestritten, daß
der Makler L selbst oder mittels einer anderen Person (des Zeugen S oder
der Zeugin K) eine arglistige Täuschung begangen hat, und sich zum
Beweis dafür auf das Zeugnis der Frau K berufen. Das BerGer. hat diesen
Vortrag zu Recht als unsubstantiiert angesehen und die Notwendigkeit einer
Vernehmung der Zeugin verneint. Eine konkrete Tatsachenbehauptung, die
Gegenstand einer Zeugenbefragung hätte sein können, ist dem Vorbringen
nicht zu entnehmen.
b) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, das
BerGer. habe die Bekl. auf die fehlende Substantiierung des Tatsachenvortrags
hinweisen müssen. Die Revision zeigt nämlich schon nicht auf,
daß das Urteil hierauf beruht. Sie macht geltend, die Zeugin K wäre
im Falle eines Hinweises zum Beweis dafür benannt worden, daß
sie die behaupteten Zusagen des Maklers L weder von ihm erhalten noch an
die Kl. oder den Zeugen H weitergegeben habe. Dies steht jedoch der Feststellung
des BerGer. nicht entgegen, wonach die Angaben des Maklers L nicht von
der Zeugin K, sondern allein von den Zeugen S und H vermittelt worden sind
und die Zeugin K nur den Kontakt zu der Kl. hergestellt hat.
3. Entgegen der Auffassung der Revision ist die
Annahme des BerGer., die Bekl. habe für das Verhalten des Maklers
L nach § 278 BGB einzustehen, frei von Rechtsfehlern.
a) Die Garantiehaftung für den Erfüllungsgehilfen
stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, daß der Schuldner nur
für eigenes Verschulden aufzukommen hat. Sie beruht auf der Erwägung,
daß der Schuldner mit der Einschaltung eines Gehilfen seinen Geschäftskreis
im eigenen Interesse erweitert und folglich das mit der Arbeitsteilung
verbundene Personalrisiko tragen soll (vgl.Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl.,
§ 278 Rdnr. 1; Hanau, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 278 Rdnr.
1). Als Erfüllungsgehilfe ist daher anzusehen, wer nach den tatsächlichen
Umständen mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer
diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird
(s. nur BGHZ 13, 111 (113) = NJW 1954, 1193 = LM § 276 (Cg) BGB
Nr. 5; BGHZ 50, 32 (35) = NJW 1968, 1569 = LM § 278 BGB Nr. 50).
Hiervon ausgehend hat die Rechtsprechung den Makler
nicht generell als Erfüllungsgehilfen seines Vertragspartners betrachtet
(RGZ 101, 97 (99); BGHZ 33, 302 (309) = NJW 1961, 164 = LM § 276 (Cc)
BGB Nr. 15; Senat, WM 1964, 853 (854)). Dabei steht nicht die selbständige
Stellung des Maklers einer Einschätzung als Erfüllungsgehilfe
entgegen - auch sonst hindert die Selbständigkeit nicht die Anwendung
des § 278 BGB (vgl. BGHZ100, 117 (122) = NJW 1987, 1815 = LM §
676 BGB Nr. 32; Hanau, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 278 Rdnr. 14)
-, sondern der Umstand, daß der Makler durch seine Vermittlungstätigkeit
eine eigene Leistung gegenüber dem Auftraggeber erbringt, die nicht
ohne weiteres zugleich die Verpflichtung des Auftraggebers gegenüber
dem späteren Vertragspartner erfüllt. Auch aus dessen Sicht erscheint
der Makler nicht generell als Hilfsperson des Kontrahenten, sondern - je
nach Sachlage - als Dritter, der durch seine Tätigkeit die Parteien
zusammenbringt.
b) Dies gilt jedoch nur, wenn sich der Makler
vereinbarungsgemäß darauf beschränkt, seine spezifischen
Maklerdienste anzubieten. Übernimmt er demgegenüber mit Wissen
und Wollen einer der späteren Vertragsparteien Aufgaben, die typischerweise
ihr obliegen, so wird er in deren Pflichtenkreis tätig. Er ist dann
nicht mehr allein Makler, sondern zugleich Hilfsperson dessen, in dessen
Pflichtenkreis er Aufgaben wahrnimmt. Dies rechtfertigt die Anwendung des
§ 278 BGB. Wann dies anzunehmen ist, kann nur aufgrund einer Gesamtwürdigung
der konkreten Maklertätigkeit beantwortet werden. Darüber besteht
- soweit ersichtlich - in Rechtsprechung und Literatur Einvernehmen. Zweifelhaft
ist hingegen, von welchen allgemeinen Richtsätzen hierbei auszugehen
ist.
Die Rechtsprechung hat es vermieden, allgemeingültige
Rechtssätze zur Differenzierung aufzustellen, und die konkreten Einzelfallumstände,
die einer wertenden Betrachtung unterzogen werden müssen, in den Vordergrund
gerückt. Dabei haben sich verschiedene Fallgruppen herausgebildet,
in denen dem Makler die Stellung eines Erfüllungsgehilfen zuerkannt
worden ist. So ist die Zurechnung bejaht worden, wenn der Makler als
beauftragter Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfe des Schuldners
aufgetreten ist (BGHZ 47, 224 (230) = NJW 1967, 1026 = LM § 6
AbzG Nr. 9; BGH, NJW-RR 1987, 59 = WM 1986, 1032 (1034); BGHZ 114, 263
(269) = NJW 1991, 2556 = LM § 459 BGB Nr. 109). Für den Bereich
des § 123 BGB - und damit übertragbar auf den des § 278
BGB (BGH, NJW-RR 1987, 59 = WM 1986, 1032 (1034)) - ist das Einstehenmüssen
des Geschäftsherrn auch dann bejaht worden, wenn der am Zustandekommen
des Geschäfts Beteiligte, also etwa auch ein Makler, wegen seiner
engen Beziehung zum Geschäftsherrn als dessen Vertrauensperson
erscheint (BGH, NJW 1978, 2144 = LM § 123 BGB Nr. 51 = WM 1978,
1154 (1155); BGH, NJW 1979, 1593 = LM § 123 BGB Nr. 53 = WM 1979,
429 (431); vgl. auch Senat, NJW 1995, 2550 = LM H. 11/1995 § 278 BGB
Nr. 127 = BB 1995, 1609). Dabei ist nicht entscheidend, ob ihm für
die Verhandlung Vertretungsmacht eingeräumt worden ist. Vielmehr kommt
es darauf an, ob bei wertender Beurteilung der tatsächlichen Umstände
sein Verhalten dem Geschäftsherrn zuzurechnen ist (BGH, NJW 1978,
2144 = LM § 123 BGB Nr. 51 = WM 1978, 1154 (1155); BGH, NJW 1979,
1593 = LM § 123 BGB Nr. 53 = WM 1979, 429 (431)). Dies kann z.B. der
Fall sein, wenn der Makler als Repräsentant seines Auftraggebers,
wie dessen bevollmächtigter Vertreter, aufgetreten ist, als derjenige,
mit dem wie mit dem Eigentümer selbst verhandelt werden könne
(Senat, NJW 1995, 2550 = LM H. 11/1995 § 278 BGB Nr. 127 = BB 1995,
1609).
Angesichts der erforderlichen wertenden Beurteilung
der Einzelfallumstände verbietet sich jede schematische Lösung
der Zurechnungsproblematik. Ausgangspunkt der Überlegungen muß
jedoch stets die Konzeption des § 278 BGB bleiben, der die Zurechnung
davon abhängig macht, daß jemand mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn
zur Erfüllung von Pflichten tätig wird, die dem Geschäftsherrn
obliegen. Der Makler muß also - von der Vertragspartei zurechenbar
veranlaßt - Aufgaben übernommen haben, die dem Pflichtenkreis
dieser Partei zuzuordnen sind. Bleibt die Tätigkeit des Maklers dahinter
zurück, beschränkt er sich auf das Anbieten reiner Maklerdienste,
ohne sich in die Erfüllung von Haupt- oder Nebenpflichten einer Vertragspartei
einbinden zu lassen, kommt eine Zurechnung nach § 278 BGB in Betracht.
c) Nach dem von dem BerGer. festgestellten Sachverhalt
ist der Makler L als Erfüllungsgehilfe der Bekl. anzusehen. Seine
Tätigkeit beschränkte sich nicht darauf, seine Dienste als Vermittlungsmakler
zu erbringen. Vielmehr war er von der Bekl. in die Erfüllung der ihr
obliegenden vorvertraglichen Sorgfaltspflichten eingschaltet worden. Bei
Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen
verfolgen, besteht gleichwohl für jeden Vertragspartner die Pflicht,
den anderen über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck
(des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluß
von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung
erwarten konnte (st.Rspr. des Senats, vgl. nur NJW 1979, 2243 = LM §
123 BGB Nr. 54 = WM 1982, 960 m.w.Nachw.). Ebenso besteht die Pflicht,
dem Vertragspartner nicht Umstände vorzuspiegeln, die für seine
Entscheidung wesentlich sein können, in Wirklichkeit jedoch nicht
vorliegen. Zur Erfüllung dieser vorvertraglichen Pflichten hat sich
die Bekl. des Maklers L als ihrer Hilfsperson bedient, indem sie ihm die
Führung der wesentlichen Vertragsverhandlungen überlassen hat.
Sie hatte ihm zwar keinen eigenen Verhandlungsspielraum eingeräumt
und die Vertragskonditionen vorgegeben. Das ändert aber nichts daran,
daß die Erfüllung der vorvertraglichen Sorgfaltspflichten ihm
überlassen war. Dies wird besonders dadurch deutlich, daß sie
wollte und wußte, daß der Makler neben dem Aushandeln der kaufvertragstypischen
Leistungen gewisse Vorteile als Kaufanreize versprach. Sie selbst
blieb demgegenüber den Vorgesprächen, die üblicherweise
Anlaß sind für Erläuterungen, zusätzliche Abmachungen
und ergänzende Fragen, fern. Die Führung des Teils der Vertragsverhandlungen,
in dem sich die zunächst allgemeinen vorvertraglichen Sorgfaltspflichten
konkretisieren, blieb somit dem Makler überlassen. Dies rechtfertigt
die Anwendung des § 278 BGB.
4. Die Ausführungen des BerGer. zur Schadenshöhe
werden von der Revision hingenommen. Sie lassen auch Rechtsfehler nicht
erkennen.