Begriff der "mündlichen Verhandlung" und des "Bestimmens"  i.S.v. § 1 HWiG (jetzt: § 312 BGB) 

BGH, Urteil v. 16.01.1996  – XI ZR 116/95 (München)


Fundstellen:

BGHZ 131, 385
NJW 1996, 926 

s. auch die Anm. zu
BGH NJW 2003, 424



Amtliche Leitsätze:

1. Eine mündliche Verhandlung i.S. des § 1 I Nr. 1 HWiG liegt bereits vor, wenn der Kunde mit dem Ziel eines späteren Vertragsschlusses angesprochen worden ist.
2. Für die notwendige Ursächlichkeit genügt es, wenn der spätere Vertrag ohne die besonderen Umstände der ersten Kontaktaufnahme nicht oder nicht so wie geschehen zustande gekommen wäre.
3. Steht dem Darlehensnehmer ein Widerrufsrecht nach § 1 HWiG zu, so führt der Verstoß gegen § 56 I Nr. 6 GewO a.F. nicht zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags gem. § 134 BGB.



Zum Sachverhalt:

Die Parteien streiten darüber, ob ein Darlehensvertrag, den die Bekl. 1988 mit Frau S geschlossen hat, wirksam ist und welche gegenseitigen Ansprüche sich daraus im Verhältnis zwischen der Bekl. und dem Kl. als Rechtsnachfolger der Darlehensnehmerin S ergeben. 1988 war der Kl. alleiniger Aktionär der - damals noch als S-Bank AG firmierenden - Bekl.; seine Ehefrau war Aufsichtsratsvorsitzende; später verkaufte der Kl. seine Aktien. Er ist ferner seit 1988 Gründungsgesellschafter einer BGB-Gesellschaft, die sich als “ S-I-GbRmH” bezeichnet und die Miteigentum an einem Hotelgrundstück in M. erworben hatte. Außerdem war der Kl. auch Vorstand der S-Beteiligungs-AG (später: V-AG), die mit der Führung der Geschäfte der BGB-Gesellschaft beauftragt war. Frau S war 1988 für die Familie des Kl. als Tageshaushälterin tätig. An ihrer Arbeitsstelle wurde ihr von der Ehefrau des Kl. eine Beteiligung an der BGB-Gesellschaft als Kapitalanlage empfohlen. Danach suchte Frau S, dem Rat der Ehefrau des Kl. folgend, den - für die Bekl. tätigen - Makler D auf, der für sie eine “Finanzanalyse” erstellte und in dessen Büro sie am 19. 7. 1988 eine Erklärung über ihren Beitritt zu der BGB-Gesellschaft mit einem Anteil von 20000 DM, einen Darlehensvertrag mit der Bekl. zur Finanzierung der Gesellschaftsbeteiligung und einen Treuhandvertrag unterzeichnete. Als Sicherheit für das Darlehen wurden der Bekl. der Geschäftsanteil der Darlehensnehmerin abgetreten und der Geschäftsanteil des Kl. in Höhe von 20000 DM verpfändet. Die Darlehensnehmerin wurde belehrt, daß sie ihre Beitrittserklärung und ihr Treuhandvertragsangebot innerhalb von 14 Tagen widerrufen könne. Für den Darlehensvertrag wurde eine Widerrufsbelehrung nicht  erteilt. Als die BGB-Gesellschaft später in Finanzierungsschwierigkeiten geriet, gab sie das erworbene Grundeigentum an den Veräußerer zurück; das Gesellschaftsvermögen wurde nach dem Vortrag des Kl. als Festgeld angelegt. Mit Schreiben vom 14. 12. 1991 erklärte die V-AG im Namen der BGB-Gesellschafter gegenüber der Bekl. den Widerruf sämtlicher Darlehensanträge gem. § 1 HWiG. Am 20. 6. 1993 schloß der Kl. mit der Darlehensnehmerin S eine Formularvereinbarung: Nach deren Nr. I stellt der Kl. die Darlehensnehmerin hinsichtlich der Forderungen der Bekl. aus dem Finanzierungsdarlehen frei; unter Nr. II überträgt die Darlehensnehmerin ihm ihre Rechte und Pflichten aus ihrer Rechtsbeziehung mit der Bank. Der Text dieser Vereinbarung und eine Erklärung vom 20. 7. 1993, in der die Darlehensnehmerin den Widerruf nach dem HWiG bestätigte und wiederholte, wurden der Bekl. mit Schreiben vom 28. 7. 1993 von der Firma B-GmbH zugesandt. Der Kl. meint, der Darlehensvertrag sei unwirksam, die Bekl. habe daher nur einen Bereicherungsanspruch wegen des Darlehenskapitals. Mit der Klage hat er von ihr die Rückübertragung des zur Sicherung abgetretenen Geschäftsanteils der Frau S und die Aufgabe des Pfandrechts an seinem eigenen Geschäftsanteil Zug um Zug gegen Zahlung von 8000 DM verlangt.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Kl. seinen Klageantrag weiterverfolgt, den von ihm Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistungsbetrag aber auf 9414,80 DM erhöht und hilfsweise die Feststellung begehrt, daß der Bekl. nur noch ein Restbereicherungsanspruch in dieser Höhe zustehe. Die Bekl. hat sich der Berufung des Kl. angeschlossen und Widerklage erhoben mit dem Antrag, den Kl. zu verurteilen, an sie 18968,34 DM nebst Zinsen zu zahlen. Das BerGer. hat Berufung und Anschlußberufung zurückgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt. Die Revision der Bekl. hatte keinen Erfolg. Die Revision des Kl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils im Umfang der Klageabweisung und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hat zur Begründung der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:
Die Klage sei unbegründet. Die Voraussetzungen eines Widerrufs nach § 1 I Nr. 1 HWiG lägen nicht vor. Zwar habe Frau S an ihrem Arbeitsplatz durch die Empfehlung der Ehefrau des Kl. den Anstoß bekommen, sich für den Erwerb eines Geschäftsanteils und den Abschluß eines Darlehensvertrags zu interessieren. Zu Vertragsverhandlungen sei es aber erst im Büro des Bankrepräsentanten D gekommen, den Frau S aus eigenem Antrieb aufgesucht habe. Die dort geführten Verhandlungen, nicht die vorangegangene Empfehlung am Arbeitsplatz seien für den Vertragsschluß entscheidend gewesen. - Der Darlehensvertrag sei auch nicht nach den §§ 55, 56 GewO a.F., § 134 BGB nichtig. § 56 GewO sei seit dem Inkrafttreten des HWiG nicht mehr als Verbotsgesetz i.S. des § 134 BGB anzusehen. Die Widerklage sei zwar zulässig, aber nicht begründet, weil der Kl. für Ansprüche zum Ausgleich des Darlehenskontos nicht passivlegitimiert sei. Aus der Vereinbarung vom 20. 6. 1993 gehe nicht hervor, daß der Kl. und die Darlehensnehmerin eine befreiende Schuldübernahme gewollt hätten. Im übrigen habe die Bekl. eine solche Vereinbarung nicht mehr genehmigen können, nachdem sie vorher die Rechtswirksamkeit der Schuldübernahme nachdrücklich bestritten habe; das habe vom Kl. und von der Darlehensnehmerin nur als Verweigerung der Genehmigung verstanden werden können.
II. Die Rechtsmittel beider Parteien sind zulässig. Das BerGer. hat die Revision in der Urteilsformel uneingeschränkt zugelassen. Eine Einschränkung kann sich zwar auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergeben (BGHZ 116, 104 = NJW 1992, 1039 = LM H. 7/1993 § 823 (J) BGB Nr. 41 m.w. Nachw.). Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Zulassung nur wegen bestimmter Rechtsfragen ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein können (BGHZ 48, 134 = NJW 1967, 2312 = LM § 546 ZPO Nr. 59).
Hier hat das BerGer. zur Rechtfertigung der Revisionszulassung auf die grundsätzliche Bedeutung der Frage verwiesen, ob § 56 GewO a.F. nach Inkrafttreten des HWiG noch als Verbotsgesetz i.S. des § 134 BGB anzusehen ist. Diese Frage wird im Berufungsurteil zwar nur im Rahmen der Entscheidung über die Klage erörtert. Ihr könnte aber auch Bedeutung für die Widerklage zukommen: Dringe die Bekl. mit ihrer Auffassung durch, es liege eine wirksame Schuldübernahme des Kl. vor, so käme es für die Höhe des Widerklageanspruchs auf die Wirksamkeit des Darlehensvertrags und damit auf die vom BerGer. als grundsätzlich angesprochene Rechtsfrage an. Deswegen liegt keine eindeutige Beschränkung der Rechtsmittelzulassung auf die gegen die Klageabweisung gerichtete Revision des Kl. vor. Vielmehr kann auch die Bekl. ihre Widerklage mit der Revision weiterverfolgen.
III. Die Revision der Bekl. ist unbegründet; das BerGer. hat die Widerklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kl. ist auf keinen Fall zur Rückzahlung und Verzinsung des Darlehens verpflichtet. Ihm ist das Darlehen nicht gewährt worden. Auch aus seiner späteren Vereinbarung mit der Darlehensnehmerin S ergibt sich kein Anspruch der Bekl. gegen ihn.
1. Der erkennende Senat teilt allerdings nicht die Bedenken des BerGer., diese Vereinbarung als Schuldübernahme nach § 415 BGB auszulegen. Wortlaut und Sinn der Regelung in Nr. II, nach der die Darlehensnehmerin ihre Rechte und Pflichten aus ihrer Rechtsbeziehung mit der Bank auf den Kl. “überträgt”, sprechen dafür, daß - über die Regelung in Nr. I hinausgehend - nicht nur eine interne Erfüllungsübernahme, sondern als Ausgleich für die Abtretung der Rechte eine Befreiung der Darlehensnehmerin von ihren Verpflichtungen im Außenverhältnis zur Bekl. gewollt war. Gegen diese Auslegung spricht nicht, daß der Vereinbarungstext eine Beteiligung der Bekl. nicht ausdrücklich vorsieht. Die Notwendigkeit der Genehmigung durch die Bekl. ergab sich aus dem Gesetz.
2. Die zur Rechtswirksamkeit der Schuldübernahme erforderliche Genehmigung ist jedoch nicht gem. § 415 I BGB erteilt worden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Übermittlung des Vereinbarungstexts durch die B-GmbH als Mitteilung i.S. des § 415 I 2 BGB anzusehen ist. Auch ohne eine solche Mitteilung kann der Gläubiger, der auf andere Weise Kenntnis von der Schuldübernahmevereinbarung erhält, die Genehmigung gem. § 415 II 1 BGB verweigern. Das BerGer. hat eine solche Verweigerung darin gesehen, daß die Bekl. die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung nachdrücklich bestritten hat. Dagegen wendet sich die Revision vergeblich. Die Verweigerung der Genehmigung bedarf keiner bestimmten Form; sie kann durch schlüssige Handlung erfolgen; es ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine endgültige Ablehnung der Genehmigung gewollt war oder ob der Gläubiger nur eine abwartende Haltung eingenommen hat (Staudinger/Kaduk,BGB, 12. Aufl., § 415 BGB Rdnr. 66).
In einem vom RG entschiedenen Fall ist die Äußerung des Gläubigers, die Abmachungen zwischen Schuldner und Übernehmer seien für ihn gleichgültig, als Verweigerung der Genehmigung angesehen worden (JW 1912, 683 (684)). Auch im vorliegenden Fall ist die tatrichterliche Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden: Darin, daß die Bekl. sich zunächst nachdrücklich auf die Unwirksamkeit der ihr bekannt gewordenen Schuldübernahmevereinbarung berief, durfte das BerGer. eine endgültige Weigerung sehen, diese Vereinbarung durch Genehmigung rechtswirksam zu machen. Danach war für eine spätere Erteilung der Genehmigung kein Raum mehr.
Ohne Erfolg bleibt die Rüge, das BerGer. habe in der Vereinbarung vom 20. 6. 1993 zumindest einen Schuldbeitritt des Kl. sehen müssen, der ohne Genehmigung der Bekl. wirksam gewesen sei. Da die Vereinbarung auf eine völlige Befreiung der Darlehensnehmerin von ihren Verpflichtungen gegenüber der Bekl. abzielte, scheidet eine Auslegung als bloße Schuldmitübernahme aus.
IV. Die Revision des Kl. hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Die Begründung, mit der das BerGer. die Wirksamkeit des Darlehensvertrags vom 19. 7. 1988 bejaht hat, hält der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Eine Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V. mit §§ 55, 56 I Nr. 6 GewO hat das BerGer. allerdings mit Recht verneint. Der Darlehensvertrag wurde zu einer Zeit geschlossen, als bereits das HWiG galt (§ 9 I HWiG: Inkrafttreten am 1. 5. 1986), das Verbraucherkreditgesetz aber noch nicht (Art. 10 des Gesetzes vom 17. 12. 1990, BGBl I, 2840: Inkrafttreten am 1. 1. 1991). § 56 I Nr. 6 GewO enthielt in seiner damals geltenden Fassung noch ein uneingeschränktes Verbot, Darlehensverträge im Reisegewerbe abzuschließen oder zu vermitteln. Die Frage, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen dieses Verbot in jenem Zeitraum hatte, ist umstritten. Überwiegend wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum die Auffassung vertreten, § 134 BGB sei nicht mehr anzuwenden, da der Kunde seit dem Inkrafttreten des HWiG durch das Widerrufsrecht hinreichend vor den Folgen  einer Überrumpelungssituation geschützt werde (OLG München, NJW-RR 1990, 1528 (1529); OLG Hamm, NJW 1994, 2159; Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Aufl., § 134 BGB Rdnr. 10; Ulmer, in: MünchKomm, 3. Aufl., Vorb. § 1 HWiG Rdnr. 24; Fischer/Machunsky, HWiG, 2. Aufl., Vorb. § 1 Rdnr. 67, jew. m.w. Nachw.). Jedoch wird im Schrifttum teilweise auch die Gegenmeinung vertreten (Schmelz, Verbraucherkredit, Rdnrn. 127f.; ders., NJW 1991, 1219; Reifner, Hdb. d. KreditR, § 9, Rdnr. 35). Der BGH hat die Frage bisher ausdrücklich offengelassen (Senat, NJW 1992, 425 = LM H. 5/1992 § 134 BGB Nr. 136 = WM 1992, 8 (10)). Der erkennende Senat entscheidet nunmehr, daß Darlehensverträge, die der Kunde nach § 1 HWiG widerrufen kann, nicht wegen Verstoßes gegen § 56 I Nr. 6 GewO a.F. nichtig sind.
Die Frage, ob der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ist nach Sinn und Zweck der einzelnen Verbotsvorschriften zu entscheiden (BGHZ 93, 264 (267) = NJW 1985, 1020 = LM § 134 BGB Nr. 112). Richtet sich ein gesetzliches Verbot lediglich gegen einen Geschäftspartner, so tritt Nichtigkeit nur ausnahmsweise ein, wenn es nämlich mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen. Diese Voraussetzung hat die Rechtsprechung bei Verstößen gegen gewerberechtliche Verbote grundsätzlich verneint, weil diese Vorschriften i.d.R. nur Ordnungsfunktionen erfüllen. Auch bei Darlehensverträgen, die vor dem 1. 5. 1986 geschlossen worden sind, führt ein Verstoß gegen § 56 I Nr. 6 GewO nicht in jedem Fall zur Nichtigkeit. Die Rechtsprechung hat vielmehr nach der Art der Geschäfte unterschieden, deren Finanzierung das Darlehen diente (BGHZ 93, 264 = NJW 1985, 1020 = LM § 134 BGB Nr. 112). Der BGH (BGHZ 93, 264 (269) = NJW 1985, 1020 = LM § 134 BGB Nr. 112) hat dabei aber bereits deutlich werden  lassen, daß ihm bei einem Verbotstatbestand, der - wie § 56 I Nr. 6 GewO - nicht an die inhaltliche Ausgestaltung des Rechtsgeschäfts, sondern nur an die Art des Zustandekommens anknüpft, eine gesetzliche Regelung, die dem Kunden als Ausgleich für die Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfreiheit ein Wahlrecht gibt, angemessener erscheint als die zwingende Rechtsfolge der Nichtigkeit. In der zitierten Entscheidung (BGHZ 93, 264 (269) = NJW 1985, 1020 = LM § 134 BGB Nr. 112) heißt es ausdrücklich, nur solange der Gesetzgeber dem Kreditnehmer bei einem Verstoß gegen § 56 GewO keine mit § 1b AbzG oder §§ 123, 142 BGB vergleichbare Rechtsstellung einräume, könne auf eine Anwendung des § 134 BGB nicht verzichtet werden. Das hat sich mit dem Inkrafttreten des HWiG geändert. Zwar wird, wenn die Neuregelung die Anwendung des § 134 BGB bei Verstößen gegen § 56 I Nr. 6 GewO ausschließt, damit der Schutz des Verbrauchers nicht in jeder Hinsicht verbessert; das Widerrufsrecht bringt dem Darlehensnehmer Vor- und Nachteile:
Wenn er es versäumt, einen für ihn ungünstigen Vertrag fristgemäß zu widerrufen, ist er endgültig gebunden; die Nichtigkeit des Darlehensvertrags konnte er dagegen ohne zeitliche Beschränkung geltend machen. Andererseits gewinnt der Darlehensnehmer erst durch die Neuregelung die Möglichkeit, an einem ihm auch nach unbeeinflußter Prüfung günstig erscheinenden Vertrag festzuhalten. Es kommt nicht darauf an, ob die Vor- oder die Nachteile der Neuregelung überwiegen. Entscheidend ist, daß ein Widerrufsrecht des Kunden als Ausgleich dafür, daß seine Entscheidungsfreiheit bei Vertragsschluß beeinträchtigt war, angemessener ist als die unabhängig vom Willen des Darlehensnehmers eintretende Rechtsfolge der Nichtigkeit.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Begründung, mit der das BerGer. einen Widerruf nach § 1 I Nr. 1 HWiG verneint hat.
a) Darauf, ob der Bankrepräsentant D mit der Darlehensnehmerin S vor deren Besuch in seinem Büro ein Telefongespräch geführt hat, kommt es nicht an. Eine telefonische Kontaktaufnahme erfüllt nicht den Tatbestand der “mündlichen Verhandlungen" i.S. des § 1 I Nr. 1 HWiG; das hat der erkennende Senat in der Parallelsache XI ZR 57/95 entschieden (NJW 1996, 929 (in diesem Heft), z. Veröff. in BGHZ bestimmt).
b) Unstreitig war die Darlehensnehmerin aber vor ihrem ersten Besuch im Büro D von der Ehefrau des Kl. in deren Wohnung unvorbereitet auf die Möglichkeit eines darlehensfinanzierten Gesellschaftsbeitritts angesprochen worden; aufgrund der Empfehlung der Ehefrau entschloß sich Frau S, D aufzusuchen; der Termin hierfür wurde von der Ehefrau des Kl. vermittelt. Frau Sc war damals als Tageshaushälterin bei der Familie des Kl. beschäftigt. Das erste Gespräch über die Darlehensaufnahme fand also an ihrem Arbeitsplatz statt. Die Angesprochene befand sich damit in der Situation, vor der § 1 I Nr. 1 HWiG den Kunden schützen will: Sie konnte sich dem von ihrer Arbeitgeberin initiierten Gespräch nicht durch Weggehen entziehen. Die Ehefrau des Kl. handelte bei dem Gespräch für die Bekl., in deren Interesse, nicht als unabhängige, “beliebige” Dritte (vgl. Ulmer, in: MünchKomm, § 1 HWiG Rdnr. 15; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 1 HWiG Rdnr. 15); sie war damals Aufsichtsratsvorsitzende der Bekl. und verlanlaßte nicht nur die Darlehensnehmerin S, sondern auch andere Personen zur Kontaktaufnahme mit D.
c) Zu Unrecht lehnt das BerGer. trotzdem eine Anwendung des § 1 I Nr. 1 HWiG mit der Begründung ab, durch die Empfehlung der Ehefrau des Kl. habe Frau S nur den “Anstoß" bekommen, “sich für den ... Abschluß eines Darlehensvertrags zu interessieren”, Vertragsverhandlungen seien dagegen erst im Büro Dgeführt worden. Diese einschränkende Unterscheidung findet im Wortlaut des HWiG keine hinreichende Grundlage und widerspricht dem Schutzzweck des Gesetzes. “Verhandlungen” i.S. des § 1 I Nr. 1 HWiG beginnen nicht erst dann, wenn es um Einzelheiten der Vertragsgestaltung geht. Der Begriff umfaßt vielmehr schon jedes werbemäßige Ansprechen eines Kunden, jede anbieterinitiierte Kontaktaufnahme (Ulmer, in: MünchKomm, § 1 HWiG Rdnrn. 18a, 19), die auf einen späteren Vertragsabschluß abzielt (vgl. Soergel/Wolf, § 1 HWiG Rdnr. 13). § 1 I Nr. 1 HWiG kann schon dann eingreifen, wenn bei dem Gespräch am Arbeitsplatz lediglich der Besuch des Kunden in den Geschäftsräumen der anderen Vertragspartei vorbereitet oder verabredet wird, der Geschäftsabschluß aber erst dort erfolgt (Fischer/Machunsky, § 1 Rdnr. 76). Der Anwendungsbereich des HWiG ist insoweit  nicht enger zu ziehen, als der des § 56 I Nr. 6 GewO a.F., der nach der Rechtsprechung des BGH jede das Darlehensgeschäft vorbereitende Vermittlertätigkeit im Reisegewerbe umfaßt, auch wenn noch weitere Verhandlungen folgen, bei denen nicht mehr gegen § 56 I Nr. 6 GewO verstoßen wird (Senat, NJW 1992, 425 = LM H. 5/1992 § 134 BGB Nr. 136 = WM 1992, 8 (9)).
d) § 1 I Nr. 1 HWiG setzt allerdings voraus, daß der Kunde durch die mündlichen Verhandlungen am Arbeitsplatz zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Mitursächlichkeit ist jedoch ausreichend. Es ist nicht erforderlich, daß die besonderen Umstände der ersten Kontaktaufnahme die entscheidende Ursache darstellen; es genügt, daß sie einen unter mehreren Beweggründen ausmachen, sofern nur ohne sie der später geschlossene Vertrag nicht oder nicht so wie geschehen, zustande gekommen wäre (Soergel/Wolf, § 1 HWiG Rdnrn. 12, 13; Ulmer, in: MünchKomm. § 1 HWiG Rdnr. 14; Palandt/Putzo,BGB, 55. Aufl., § 1 HWiG Rdnr. 7; Klauss/Ose, Verbraucherkreditgeschäfte, 2. Aufl., § 1 HWiG Rdnr. 61). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den mündlichen Verhandlungen gem. § 1 I Nr. 1 HWiG und der Vertragserklärung wird vom Gesetz nicht gefordert (zur Entstehungsgeschichte vgl. Klauss/Ose, § 1 Klauss/Ose 65). Jedoch wird bei zunehmendem zeitlichen Abstand die Indizwirkung für die Kausalität entfallen (Soergel/Wolf, § 1 HWiG Rdnr. 12 a.E.; Klauss/Ose, § 1 HWiG Rdnrn. 67f.). Der Nachweis gleichwohl bestehender Kausalität bleibt dem Kunden jedoch  unbenommen (Ulmer, in: MünchKomm, § 1 HWiG Rdnr. 17; einschränkend Knautz, WM 1986, 509 (513, 514)).
Da das BerGer. teilweise von rechtlich unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen ist, liegen bisher keine fehlerfreien Feststellungen zur Kausalität vor. Sie nachzuholen, ist Aufgabe des Tatrichters nach der Zurückverweisung. Dabei kommt auch der Behauptung des Kl. Bedeutung zu, Frau S habe sich bereits bei dem Gespräch an ihrem Arbeitsplatz mit der ihr von der Ehefrau des Kl. empfohlenen Kapitalanlage einverstanden erklärt.
e) Da der Darlehensnehmerin keine Widerrufsbelehrung nach § 2 I HWiG ausgehändigt worden war, hatte die Frist nach § 1 HWiG nicht zu laufen begonnen. Das Widerrufsrecht ist daher wirksam ausgeübt worden, gleichgültig, ob die am 13. 12. 1991 von der V-AG im Namen der Darlehensnehmerin abgegebene Widerrufserklärung von ihrer Vollmacht gedeckt war oder ob es noch der eigenen Erklärung der Darlehensnehmerin vom 20. 6. 1993 bedurfte.
3. Falls die Voraussetzungen des § 1 I Nr. 1 HWiG aufgrund ergänzender Feststellungen des BerGer. zur Kausalität (s.o. zu 2d) vollständig zu bejahen sind, findet der Klageanspruch seine Grundlage in § 3 I HWiG. Die Bekl. ist zur Freigabe der Sicherheiten aber gem. § 4 HWiG nur Zug um Zug gegen Erfüllung ihrer eigenen Ansprüche aus § 3 HWiG verpflichtet. Zur Entscheidung über die Höhe dieser Gegenansprüche bedarf es der Prüfung von Rechtsfragen, zu denen BerGer. und Parteien im vorliegenden Verfahren noch nicht hinreichend Stellung genommen haben, und weiterer Sachaufklärung. Bei ihren bisherigen Berechnungen gehen beide Parteien von falschen rechtlichen Voraussetzungen aus; sie berücksichtigen nicht, daß die Rückabwicklung im Falle des Widerrufs in § 3 HWiG eine abschließende Sonderregelung gefunden hat, die allerdings lückenhaft ist (Ulmer, in: MünchKomm, § 3 HWiG Rdnr. 5; Fischer/Machunsky, § 3 HWiG Rdnr. 18).