NJW 1997, 51
ZIP 1996, 1987
WM 1997, 34
LM H. 2/1997 § 326 (Dc) BGB Nr. 10
MDR 1997, 129
ZIP 1996, 1987
Eine Ablehnungsandrohung ist nicht entbehrlich, wenn der Gläubiger auf die Leistungsverweigerung des Schuldners zunächst sein Erfüllungsinteresse geltend gemacht oder sogar einen Teil der Leistung eingeklagt hat.
Zum Sachverhalt:
Der Bekl. war Eigentümer des im Tenor genannten
Hausgrundstücks in S., auf dem er mit seiner Familie wohnte und ein
Elektrounternehmen betrieb. Seit etwa 1984 ließ er sich von dem Kl.
zu 2, der gemeinschaftlich mit dem Kl. zu 1 eine Rechtsanwaltspraxis betreibt,
anwaltlich beraten und vertreten. Etwa Mitte 1987 geriet er in wirtschaftliche
Schwierigkeiten, die letztlich zur Anordnung der Zwangsversteigerung des
genannten Grundstücks führten. Der Wert des Grundstücks
wurde auf 360000 DM festgesetzt und Termin zur Zwangsversteigerung auf
den 29. 9. 1989 bestimmt. Etwa am 15. 9. 1989 einigten sich der Kl. zu
2 und der Bekl. darauf, daß die Kl. das Grundstück zum Preis
von 195000 DM kaufen und der Bekl. die Befugnis haben solle, es binnen
zwei Jahren zurückzukaufen. Die notarielle Kaufurkunde vom 28. oder
29. 9. 1989 enthielt diese Vereinbarung nicht. Die Kl. wurden am 30. 3.
1990 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. In der Folgezeit
beantragte der Bekl. im Wege der einstweiligen Verfügung unter anderem,
die Kl. zur Bewilligung einer Vormerkung zur Sicherung seines Anspruchs
auf Rückauflassung des Grundstücks zu verurteilen. Aufgrund einer
in jenem Verfahren abgegebenen Erklärung wurde eine entsprechende
Auflassungsvormerkung für den Bekl. eingetragen. Weiter ließen
die Parteien am 22. 4. 1991 einen Kaufvorvertrag beurkunden. Im Verlaufe
des Streites darüber, ob der Bekl. das ihm darin eingeräumte
Rückkaufsrecht fristgerecht geltend gemacht habe, unterbreiteten die
Kl. mit Schreiben vom 19. 2. 1992 ein Vergleichsangebot, wonach der Bekl.
gegen Zahlung von 100000 DM die Löschungsbewilligung der Vormerkung
erteilen und das Grundstück räumen solle. Der Anwalt des Kl.
nahm mit Telefax vom 28. 2. 1992 das Angebot an. Der Bekl. bestritt alsbald
das wirksame Zustandekommen des Vergleichs. Mit Schreiben u.a. vom
30. 3. 1992 wurde er von den Kl. aufgefordert, bis zum 9. 4. 1992 zu erklären,
daß er die Leistung der Kl. annehmen und den Vergleich erfüllen
werde. Der Bekl. reagierte hierauf nicht. Die Kl. erhoben, gestützt
auf Nr. 2 des Vergleichs, wie zuvor im Schreiben vom 30. 3. 1992 angedroht,
Räumungsklage. Das AG gab ihr mit der Begründung statt, der Bekl.
habe sich durch den Vergleich wirksam zur Räumung und Herausgabe verpflichtet.
Die Berufung des Bekl. wurde als unzulässig verworfen. Die Kl. betrieben
die Vollstreckung aus dem Titel und erklärten mit Schreiben an den
Bekl. vom 14. 1. 1993 den Rücktritt von dem Vergleich.
Die Klage, mit der sie vom Bekl. die Bewilligung
der Löschung der Auflassungsvormerkung fordern, hat in den Vorinstanzen
Erfolg gehabt. Mit seiner Revision erstrebte der Bekl. weiter die Abweisung
der Klage, hilfsweise seine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Zahlung von
150000 DM. Der BGH entschied, daß der Bekl. in die Löschung
der Auflassungsvermerks nur Zug um Zug gegen Zahlung von 100000 DM einwilligen
muß. Er erlegte den Parteien die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte
auf.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hält das Löschungsbegehren
nach § 812 BGB für begründet und führt aus: Eine vertragliche
Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch bestehe zwar nicht, da die
Kl. mit Schreiben vom 14. 1. 1993 wirksam von dem Vergleich zurückgetreten
seien. Der rechtliche Grund für die Auflassungsvormerkung sei jedoch
entfallen, da der Bekl. das ihm mündlich und später im Kaufvorvertrag
auch notariell eingeräumte Rückkaufsrecht nicht fristgerecht
ausgeübt habe. Dem Bekl. stehe auch weder ein Anspruch auf Zahlung
der Wertdifferenz noch ein Schadensersatzanspruch zu.
II. Die Revision hat teilweise Erfolg. Die Verurteilung
des Bekl. ist dahin einzuschränken, daß die Löschung nur
Zug um Zug gegen Zahlung von 100000 DM zu bewilligen ist.
1. Die Rügen der Revision zu den Ausführungen
des BerGer., der Bekl. habe das ihm eingeräumte Rückkaufsrecht
nicht (fristgerecht) ausgeübt, können dahinstehen: Den Kl. steht
ein Anspruch auf Löschungsbewilligung nach Nr. 1 des zwischen den
Parteien abgeschlossenen Vergleichs vom 19./27. 2. 1992 zu. Zwar gehen
die Parteien und das BerGer. übereinstimmend davon aus, die Kl. seien
von diesem Vergleich mit Schreiben vom 14. 1. 1993 wirksam zurückgetreten.
Diese Folgerung steht jedoch als rechtliche Bewertung des dem Gericht unterbreiteten
Sachverhalts auch ohne Rüge zur Überprüfung durch das RevGer.
a) Diese ergibt, daß im Februar 1992 die
rechtlichen Voraussetzungen für den Rücktritt von der vergleichsweise
vereinbarten Regelung nicht vorlagen. Zwar hat der Bekl. trotz mehrfacher
Fristsetzung nicht nur nicht rechtzeitig geleistet, sondern im Gegenteil
ausdrücklich erklärt, zur Leistung aus dem Vergleich nicht verpflichtet
zu sein, da dieser nicht wirksam zustande gekommen sei. Es fehlt jedoch
an einer Ablehnungsandrohung, wie sie § 326 I 1 BGB vor dem Rücktritt
fordert. Denn die Kl. haben weder in den vorhergehenden noch in dem letzten
Mahnschreiben vom 30. 3. 1992 die Fristsetzung zur Erklärung der Leistungsbereitschaft
bzw. zur Räumung mit einer Ablehnungsandrohung verbunden, sondern
mit der Erklärung, sie würden nach fruchtlosem Verstreichen der
Frist von mangelnder Erfüllungsbereitschaft des Bekl. ausgehen. Zugleich
haben sie sogar angedroht, daß sie bei nicht fristgerechter Räumung
und Herausgabe der Mieträume gem. Nr. 2 des Vergleiches Räumungs-
und Herausgabeklage erheben würden.
Die Ablehnungsandrohung i.R. des § 326 BGB braucht zwar nicht streng dem Wortlaut des Gesetzes zu folgen, sie muß aber klar den Willen des Gläubigers erkennen lassen, daß er nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist die Erfüllung endgültig ablehnen und damit seinen Erfüllungsanspruch unwiderruflich aufgeben werde (BGH, NJW 1977, 36 (37) = LM § 326 (A) BGB Nr. 20; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 326 Rdnrn. 41-43; Emmerich, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 326 Rdnr. 84). Diesen objektiven Erklärungswert hatten die erwähnten Schreiben für den Bekl. schon deswegen nicht, weil sie die Durchsetzung von Erfüllungsansprüchen aus dem Vergleich ankündigten, die bei einer Ablehnungsandrohung im Sinne des § 326 BGB nach fruchtlosem Fristablauf aber gerade untergegangen wären (§ 326 I 2 Hs. 2 BGB). Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung kann allerdings ausnahmsweise als sinnlose Förmelei entbehrlich sein, wenn der Schuldner die Erfüllung bereits ernsthaft und endgültig verweigert hat. An einen solchen Tatbestand sind jedoch mit Rücksicht auf die weitreichenden Folgen strenge Anforderungen zu stellen. Solange die Möglichkeit besteht, daß der Schuldner noch umgestimmt werden kann, muß ein solcher Versuch unternommen werden (vgl. schon RGZ 102, 262 (266f.); BGH, WM 1957, 1342 (1344); Soergel/Wiedemann, § 326 Rdnr. 66). Für ein Absehen von dem gesetzlichen Erfordernis der Ablehnungsandrohung ist deshalb kein Raum, solange der Gläubiger - wie hier - ankündigt, nach fruchtlosem Fristablauf einen Teil der Leistung einzuklagen, und auf diese Weise sein fortdauerndes Erfüllungsinteresse zu erkennen gibt. Unter solchen Umständen behält das gesetzliche Erfordernis der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vielmehr seine Funktion, klare Verhältnisse zu schaffen und dem Schuldner in aller Deutlichkeit die Möglichkeit abzuschneiden, sich nachträglich doch noch auf den Boden des Vertrages zu stellen. Dies gilt auch - und erst recht -, wenn der Gläubiger, wie hier die Kl., entsprechend seiner Ankündigung tatsächlich einen Teil der Leistung einklagt. Denn dann ist nicht auszuschließen, daß sich der Schuldner später unter dem Eindruck einer rechtskräftigen Verurteilung doch noch bereit findet, die noch geschuldete Leistung zu erbringen.
b) Angesichts des auf Erfüllung des Vergleichs
gerichteten Klagebegehrens liegt hiernach ein wirksamer Rücktritt
auch weder in der Klageerhebung noch in dem weiteren prozessualen Verhalten
der Kl. Im übrigen könnte das Klagebegehren sinngemäß
allenfalls als Erklärung eines Teilrücktritts gedeutet werden.
Zwar haben die Kl. in der Klageschrift auf den im Schreiben vom 14. 1.
1993 uneingeschränkt erklärten Rücktritt vom Vergleich verwiesen
und die Bewilligung der Löschung nach § 812 BGB gefordert; sie
haben aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie auf die Rechte aus
dem rechtskräftigen Titel verzichten wollten. Nach ihrem Klagevorbringen
haben sie im Gegenteil aus dem Räumungstitel vollstreckt, so daß
ihre Erklärung höchstens den noch offenstehenden Teil der Leistung,
die Bewilligung der Löschung, betreffen konnte. Ein solcher Teilrücktritt
widerspräche aber dem Sinn und Zweck des Vergleichs, denn dieser sollte
gerade alle Streitpunkte bereinigen. Zur Beilegung des gesamten Streits
wurden gegen Zahlung von 100000 DM zwei wirtschaftlich zusammengehörende
Leistungspflichten, nämlich die Räumung des Grundstücks
und die Erteilung der Löschungsbewilligung, festgelegt. Deshalb dürfen
die Kl. nicht wegen der noch ausstehenden Teilleistung (Löschungsbewilligung)
zurücktreten, diese gestützt auf § 812 BGB einklagen und
bezüglich der bereits rechtskräftig ausgeurteilten weiter vollstrecken
und überdies gar die ihrerseits übernommene Pflicht zur Gegenleistung
leugnen. Dies kann der Senat selbst beurteilen, weil das BerGer. die Auslegung
des Vergleichs unterlassen hat und weitere Feststellungen nicht in Betracht
kommen (BGHZ 65, 107 (112) = NJW 1976, 43 = LM Allg. Geschäftsbedingungen
Nr. 79a).
2. Ist der Anspruch der Kl. nach dem abgeschlossenen
Vergleich begründet, kann der Bekl. seinerseits die in dem Vergleich
versprochene Gegenleistung fordern; dies ist die dort zugesagte Zahlung
von 100000 DM. Andererseits kann der Bekl. dem Anspruch der Kl. aber auch
keine weiteren Ansprüche als die im Vergleich vereinbarten entgegensetzen.
Denn mit ihm haben die Parteien ersichtlich eine abschließende Regelung
der mit dem Grundstückskauf bzw. -rückkauf zusammenhängenden
Fragen gewollt. Etwas anderes ist auch nicht vorgetragen. Da der Bekl.
sich hilfsweise auf Gegenansprüche berufen hat, ist seine Verurteilung
nur aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, daß er die Löschungserklärung
nur Zug um Zug gegen Zahlung der versprochenen Gegenleistung abzugeben
hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
92 I, 95 ZPO; der Senat hat sich dabei am Maß des jeweiligen Obsiegens
bzw. Unterliegens orientiert, der auch für eine Zug-um-Zug-Leistung
anwendbar ist (Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 92 Rdnr. 1 und Fußn.
6).