Inhaltliche Anforderungen an die Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung, Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung


BGH, Urt. v. 20.09.1996


Fundstellen:

NJW 1997, 51
ZIP 1996, 1987
WM 1997, 34
LM H. 2/1997 § 326 (Dc) BGB Nr. 10
MDR 1997, 129
ZIP 1996, 1987



Für den Grundkurs sind insbesondere die fettgedruckten Passagen von Bedeutung!


Amtl. Leitsatz:

Eine Ablehnungsandrohung ist nicht entbehrlich, wenn der Gläubiger auf die Leistungsverweigerung des Schuldners zunächst sein Erfüllungsinteresse geltend gemacht oder sogar einen Teil der Leistung eingeklagt hat.


Zum Sachverhalt:

Der Bekl. war Eigentümer des im Tenor genannten Hausgrundstücks in S., auf dem er mit seiner Familie wohnte und ein Elektrounternehmen betrieb. Seit etwa 1984 ließ er sich von dem Kl. zu 2, der gemeinschaftlich mit dem Kl. zu 1 eine Rechtsanwaltspraxis betreibt, anwaltlich beraten und vertreten. Etwa Mitte 1987 geriet er in wirtschaftliche Schwierigkeiten, die letztlich zur Anordnung der Zwangsversteigerung des genannten Grundstücks führten. Der Wert des Grundstücks wurde auf 360000 DM festgesetzt und Termin zur Zwangsversteigerung auf den 29. 9. 1989 bestimmt. Etwa am 15. 9. 1989 einigten sich der Kl. zu 2 und der Bekl. darauf, daß die Kl. das Grundstück zum Preis von 195000 DM kaufen und der Bekl. die Befugnis haben solle, es binnen zwei Jahren zurückzukaufen. Die notarielle Kaufurkunde vom 28. oder 29. 9. 1989 enthielt diese Vereinbarung nicht. Die Kl. wurden am 30. 3. 1990 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. In der Folgezeit beantragte der Bekl. im Wege der einstweiligen Verfügung unter anderem, die Kl. zur Bewilligung einer Vormerkung zur Sicherung seines Anspruchs auf Rückauflassung des Grundstücks zu verurteilen. Aufgrund einer in jenem Verfahren abgegebenen Erklärung wurde eine entsprechende Auflassungsvormerkung für den Bekl. eingetragen. Weiter ließen die Parteien am 22. 4. 1991 einen Kaufvorvertrag beurkunden. Im Verlaufe des Streites darüber, ob der Bekl. das ihm darin eingeräumte Rückkaufsrecht fristgerecht geltend gemacht habe, unterbreiteten die Kl. mit Schreiben vom 19. 2. 1992 ein Vergleichsangebot, wonach der Bekl. gegen Zahlung von 100000 DM die Löschungsbewilligung der Vormerkung erteilen und das Grundstück räumen solle. Der Anwalt des Kl. nahm mit Telefax vom 28. 2. 1992 das Angebot an. Der Bekl. bestritt alsbald das wirksame  Zustandekommen des Vergleichs. Mit Schreiben u.a. vom 30. 3. 1992 wurde er von den Kl. aufgefordert, bis zum 9. 4. 1992 zu erklären, daß er die Leistung der Kl. annehmen und den Vergleich erfüllen werde. Der Bekl. reagierte hierauf nicht. Die Kl. erhoben, gestützt auf Nr. 2 des Vergleichs, wie zuvor im Schreiben vom 30. 3. 1992 angedroht, Räumungsklage. Das AG gab ihr mit der Begründung statt, der Bekl. habe sich durch den Vergleich wirksam zur Räumung und Herausgabe verpflichtet. Die Berufung des Bekl. wurde als unzulässig verworfen. Die Kl. betrieben die Vollstreckung aus dem Titel und erklärten mit Schreiben an den Bekl. vom 14. 1. 1993 den Rücktritt von dem Vergleich.
Die Klage, mit der sie vom Bekl. die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung fordern, hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit seiner Revision erstrebte der Bekl. weiter die Abweisung der Klage, hilfsweise seine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Zahlung von 150000 DM. Der BGH entschied, daß der Bekl. in die Löschung der Auflassungsvermerks nur Zug um Zug gegen Zahlung von 100000 DM einwilligen muß. Er erlegte den Parteien die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte auf.

Aus den Gründen:

I. Das BerGer. hält das Löschungsbegehren nach § 812 BGB für begründet und führt aus: Eine vertragliche Anspruchsgrundlage für den Klageanspruch bestehe zwar nicht, da die Kl. mit Schreiben vom 14. 1. 1993 wirksam von dem Vergleich zurückgetreten seien. Der rechtliche Grund für die Auflassungsvormerkung sei jedoch entfallen, da der Bekl. das ihm mündlich und später im Kaufvorvertrag auch notariell eingeräumte Rückkaufsrecht nicht fristgerecht ausgeübt habe. Dem Bekl. stehe auch weder ein Anspruch auf Zahlung der Wertdifferenz noch ein Schadensersatzanspruch zu.
II. Die Revision hat teilweise Erfolg. Die Verurteilung des Bekl. ist dahin einzuschränken, daß die Löschung nur Zug um Zug gegen Zahlung von 100000 DM zu bewilligen ist.
1. Die Rügen der Revision zu den Ausführungen des BerGer., der Bekl. habe das ihm eingeräumte Rückkaufsrecht nicht (fristgerecht) ausgeübt, können dahinstehen: Den Kl. steht ein Anspruch auf Löschungsbewilligung nach Nr. 1 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleichs vom 19./27. 2. 1992 zu. Zwar gehen die Parteien und das BerGer. übereinstimmend davon aus, die Kl. seien von diesem Vergleich mit Schreiben vom 14. 1. 1993 wirksam zurückgetreten. Diese Folgerung steht jedoch als rechtliche Bewertung des dem Gericht unterbreiteten Sachverhalts auch ohne Rüge zur Überprüfung durch das RevGer.
a) Diese ergibt, daß im Februar 1992 die rechtlichen Voraussetzungen für den Rücktritt von der vergleichsweise vereinbarten Regelung nicht vorlagen. Zwar hat der Bekl. trotz mehrfacher Fristsetzung nicht nur nicht rechtzeitig geleistet, sondern im Gegenteil ausdrücklich erklärt, zur Leistung aus dem Vergleich nicht verpflichtet zu sein, da dieser nicht wirksam zustande gekommen sei. Es fehlt jedoch an einer Ablehnungsandrohung, wie sie § 326 I 1 BGB vor dem Rücktritt fordert. Denn die Kl. haben weder in den vorhergehenden noch in dem letzten Mahnschreiben vom 30. 3. 1992 die Fristsetzung zur Erklärung der Leistungsbereitschaft bzw. zur Räumung mit einer Ablehnungsandrohung verbunden, sondern mit der Erklärung, sie würden nach fruchtlosem Verstreichen der Frist von mangelnder Erfüllungsbereitschaft des Bekl. ausgehen. Zugleich haben sie sogar angedroht, daß sie bei nicht fristgerechter Räumung und Herausgabe der Mieträume gem. Nr. 2 des Vergleiches Räumungs- und Herausgabeklage erheben würden.

Die Ablehnungsandrohung i.R. des § 326 BGB braucht zwar nicht streng dem Wortlaut des Gesetzes zu folgen, sie muß aber klar den Willen des Gläubigers erkennen lassen, daß er nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist die Erfüllung endgültig ablehnen und damit seinen Erfüllungsanspruch unwiderruflich aufgeben werde (BGH, NJW 1977, 36 (37) = LM § 326 (A) BGB Nr. 20; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 326 Rdnrn. 41-43; Emmerich, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 326 Rdnr. 84). Diesen objektiven Erklärungswert hatten die erwähnten Schreiben für den Bekl. schon deswegen nicht, weil sie die Durchsetzung von Erfüllungsansprüchen aus dem Vergleich ankündigten, die bei einer Ablehnungsandrohung im Sinne des § 326 BGB nach fruchtlosem Fristablauf aber gerade untergegangen wären (§ 326 I 2 Hs. 2 BGB). Eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung kann allerdings ausnahmsweise als sinnlose Förmelei entbehrlich sein, wenn der Schuldner die Erfüllung bereits ernsthaft und endgültig verweigert hat. An einen solchen Tatbestand sind jedoch mit Rücksicht auf die weitreichenden Folgen strenge Anforderungen zu stellen. Solange die Möglichkeit besteht, daß der Schuldner noch umgestimmt werden kann, muß ein solcher Versuch unternommen werden (vgl. schon RGZ 102, 262 (266f.); BGH, WM 1957, 1342 (1344); Soergel/Wiedemann, § 326 Rdnr. 66). Für ein Absehen von dem gesetzlichen Erfordernis der Ablehnungsandrohung ist deshalb kein Raum, solange der Gläubiger - wie hier - ankündigt, nach fruchtlosem Fristablauf einen Teil der Leistung einzuklagen, und auf diese Weise sein fortdauerndes Erfüllungsinteresse zu erkennen gibt. Unter solchen Umständen behält das gesetzliche Erfordernis der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vielmehr seine Funktion, klare Verhältnisse zu schaffen und dem Schuldner in aller Deutlichkeit die Möglichkeit abzuschneiden, sich nachträglich doch noch auf den Boden des Vertrages zu stellen. Dies gilt auch - und erst recht -, wenn der Gläubiger, wie hier die Kl., entsprechend seiner Ankündigung tatsächlich einen Teil der Leistung einklagt. Denn dann ist nicht auszuschließen, daß sich der Schuldner später unter dem Eindruck einer rechtskräftigen Verurteilung doch noch bereit findet, die noch geschuldete Leistung zu erbringen.

b) Angesichts des auf Erfüllung des Vergleichs gerichteten Klagebegehrens liegt hiernach ein wirksamer Rücktritt auch weder in der Klageerhebung noch in dem weiteren prozessualen Verhalten der Kl. Im übrigen könnte das Klagebegehren sinngemäß allenfalls als Erklärung eines Teilrücktritts gedeutet werden. Zwar haben die Kl. in der Klageschrift auf den im Schreiben vom 14. 1. 1993 uneingeschränkt erklärten Rücktritt vom Vergleich verwiesen und die Bewilligung der Löschung nach § 812 BGB gefordert; sie haben aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie auf die Rechte aus dem rechtskräftigen Titel verzichten wollten. Nach ihrem Klagevorbringen haben sie im Gegenteil aus dem Räumungstitel vollstreckt, so daß ihre Erklärung höchstens den noch offenstehenden Teil der Leistung, die Bewilligung der Löschung, betreffen konnte. Ein solcher Teilrücktritt widerspräche aber dem Sinn und Zweck des Vergleichs, denn dieser sollte gerade alle Streitpunkte bereinigen. Zur Beilegung des gesamten Streits wurden gegen Zahlung von 100000 DM zwei wirtschaftlich zusammengehörende Leistungspflichten, nämlich die Räumung des Grundstücks und die Erteilung der Löschungsbewilligung, festgelegt. Deshalb dürfen die Kl. nicht wegen der noch ausstehenden Teilleistung (Löschungsbewilligung) zurücktreten, diese gestützt auf § 812 BGB einklagen und bezüglich der bereits rechtskräftig ausgeurteilten weiter vollstrecken und überdies gar die ihrerseits übernommene Pflicht zur Gegenleistung leugnen. Dies kann der Senat selbst beurteilen, weil das BerGer. die Auslegung des Vergleichs unterlassen hat und weitere Feststellungen nicht in Betracht  kommen (BGHZ 65, 107 (112) = NJW 1976, 43 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 79a).
2. Ist der Anspruch der Kl. nach dem abgeschlossenen Vergleich begründet, kann der Bekl. seinerseits die in dem Vergleich versprochene Gegenleistung fordern; dies ist die dort zugesagte Zahlung von 100000 DM. Andererseits kann der Bekl. dem Anspruch der Kl. aber auch keine weiteren Ansprüche als die im Vergleich vereinbarten entgegensetzen. Denn mit ihm haben die Parteien ersichtlich eine abschließende Regelung der mit dem Grundstückskauf bzw. -rückkauf zusammenhängenden Fragen gewollt. Etwas anderes ist auch nicht vorgetragen. Da der Bekl. sich hilfsweise auf Gegenansprüche berufen hat, ist seine Verurteilung nur aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, daß er die Löschungserklärung nur Zug um Zug gegen Zahlung der versprochenen Gegenleistung abzugeben hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 I, 95 ZPO; der Senat hat sich dabei am Maß des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens orientiert, der auch für eine Zug-um-Zug-Leistung anwendbar ist (Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 92 Rdnr. 1 und Fußn. 6).



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