NJW 1997, 865
JABl 1997, 529
MDR 1997, 240
NZV 1997, 117
VersR 1997, 458
DAR 1997, 157
LM § 249 (Bb) BGB Nr. 65
Kommen nach einem Verkehrsunfall aus einem beschädigten
Fahrzeug wertvolle Gegenstände abhanden, so ist der Zurechnungszusammenhang
zwischen der Beschädigung des Fahrzeugs und dem Verlust der Gegenstände
im Grundsatz zu bejahen. Etwas anderes kann gelten, wenn die Gegenstände
abhanden kommen, nachdem sie in polizeilichen Gewahrsam genommen worden
sind.
Die Kl., zwei Versicherer, verlangen aus übergegangenem
Recht (§ 67 I VVG) von dem bekl. Haftpflichtversicherer die Erstattung
der Aufwendungen, die ihnen als Mitgliedern einer Versicherergemeinschaft
aus Anlaß eines Unfalls entstanden sind, den der Versicherungsnehmer
K der Bekl. verursacht und verschuldet hat. K war am 11. 6. 1991 bei einem
Überholversuch mit seinem Pkw auf der Gegenfahrbahn mit einem Geldtransporter
der H-Sicherheitsdienst-GmbH (im folgenden: H-GmbH) kollidiert. Dabei kam
der Transporter von der Fahrbahn ab, überschlug sich mehrfach und
blieb auf dem Dach in einem Straßengraben liegen. Dem Fahrer und
dem Beifahrer des Geldtransportfahrzeugs gelang es trotz ihrer Verletzungen,
den Wagen durch einen Spalt der Fahrertür zu verlassen; sie mußten
anschließend ärztlich versorgt werden. K starb noch am Unfallort
an den Folgen seiner Verletzungen. Das Geldtransportfahrzeug wurde auf
den Hof der Polizeiinspektion G. transportiert. Eine am Tag nach dem Unfall
vorgenommene Überprüfung ergab, daß zwei Geldtransportkoffer
mit Bargeld im Wert von 256570,50 DM fehlten. Dieser Betrag abzüglich
einer Selbstbeteiligung von 25000 DM wurde der H-GmbH von der Versicherungsgemeinschaft,
der außer den beiden Kl.13 weitere Versicherungsunternehmen angehören,
aufgrund einer bestehenden Transportversicherung erstattet. Die auf die
Kl. entfallenden Regulierungsanteile betrugen 69471,15 DM bzw. 46314,10
DM. Diese Beträge machen die Kl. mit der vorliegenden Klage geltend.
Sie haben hierzu vorgetragen, daß das Geld am Unfallort von Dritten
aus dem Geldtransportfahrzeug entwendet worden sei; auf dem Polizeihof
sowie beim Abschleppen sei das Transportfahrzeug lückenlos überwacht
worden. Für die ihnen durch diesen Unfall entstandenen Aufwendungen
müsse die Bekl. als Haftpflichtversicherer des Pkw aufkommen, weil
der Gelddiebstahl nur durch den Unfall möglich gewesen sei. Die Bekl.
trägt vor, daß ein Diebstahl am Unfallort nach den dort herrschenden
Verhältnissen ausscheide. Nach Lage der Dinge könnten die beiden
Geldtransportkoffer erst auf dem Hof der Polizei entwendet worden sein;
für ein derart unfallfernes Schadenereignis müsse sie als Haftpflichtversicherer
des Pkw nicht aufkommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen, die Berufung
der Kl. ist ohne Erfolg geblieben. Ihre Revision führte zur Aufhebung
und Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Nach Auffassung des BerGer. hat die H-GmbH gegen
die Bekl. aus dem Unfallereignis keine Schadensersatzansprüche erlangt,
die nach § 67 I VVG auf die Kl. hätten übergehen können.
Selbst dann, wenn die Geldtransportkoffer mit Inhalt bereits an der Unfallstelle
entwendet worden wären, scheiterten die Klageansprüche aus §
823 I BGB und § 7 I StVG, weil zwischen dem Unfall und dem Diebstahl
ein haftungsrechtlich relevanter Zusammenhang nicht bestehe. Das folge
aus dem Tatgeschehen. Der Täter hätte sich flach am Boden liegend
durch einen Spalt der Fahrertür ins Wageninnere zwängen und dort
in dem auf dem Kopf liegenden schwer zerstörten und auch im Innern
heillos zugerichteten Fahrzeug wahllos auf die Knöpfe am Armaturenbrett
drücken müssen, um die Gittertür zum Tresorraum zu öffnen;
auf die gleiche beschwerliche Weise hätte er den Rückweg nehmen
müssen und sich beim Hinauszwängen aus dem Fahrzeug mit den Geldkoffern
der Gefahr des Endecktwerdens auf frischer Tat ausgesetzt. Ein solcher
Ablauf des Tatgeschehens bedeute in rechtlicher Sicht, daß der Täter
allein Herr eines eigenständigen, neuen schadenstiftenden Ereignisses
gewesen wäre; für ihn wäre der Unfall lediglich der äußere
Anlaß für die Tat gewesen. Wäre der Diebstahl aber erst
später geschehen, nachdem der Geldtransporter vom Unfallort entfernt
worden sei, so entfiele ein haftungsrechtlich relevanter Zusammenhang zwischen
dem Unfall und dem Diebstahl wegen der zeitlichen und räumlichen Entfernung
zum Unfallereignis erst recht.
II. Diese Erwägungen halten einer Nachprüfung
nicht stand. Die Entwendung der Geldtransportkoffer mit Inhalt, die zur
Belastung der Kl. mit den auf sie entfallenden Regulierungsanteilen geführt
hat, ist erst durch den Unfall möglich geworden, für dessen Folgen
die Bekl. als Haftpflichtversicherer gem. § 823 I BGB, § 7 I
StVG, § 3 Nr. 1 PflVG aufkommen muß. Daß der Unfall für
den Schaden, aus dem die Kl. ihren Anspruch herleiten, ursächlich
ist, sieht auch das BerGer. Nach seiner Auffassung scheitert eine Einstandspflicht
der Bekl. aber deshalb, weil die Entwendung der Geldtransportkoffer wegen
der Besonderheiten des Tatgeschehens vom Schutzzweck der Haftungsnormen
nicht mehr erfaßt werde. Diese Rechtsauffassung teilt der Senat nicht.
Das BerGer. sieht den haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang zu eng.
Der vorliegende Sachverhalt ist dadurch geprägt,
daß K selbst durch ein schuldhaftes Verhalten für die Fracht
des Geldtransporters nur eine Gefährdung herbeigeführt hat, während
der Schaden - die Entwendung der beiden Geldtransportkoffer - erst durch
einen Dritten verwirklicht worden ist. Für die haftungsrechtliche
Würdigung derartiger Fallgestaltungen hat der SenatBeurteilungsgrundsätze
entwickelt. Danach kann dann, wenn ein Schaden zwar bei rein naturwissenschaftlicher
Betrachtung mit der Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang
steht, dieser Schaden jedoch entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches
und unsachgemäßes Verhalten einer anderen Person ausgelöst
worden ist, die Grenze überschritten sein, bis zu der dem Erstschädiger
der Zweiteingriff und dessen Auswirkungen als haftungsausfüllender
Folgeschaden seines Verhaltens zugerechnet werden können. Insoweit
ist eine wertende Betrachtung geboten. Hat sich aus dieser Sicht im Zweiteingriff
nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht, war dieses
Risiko vielmehr schon gänzlich abgeklungen und besteht deshalb zwischen
beiden Eingriffen bei wertender Betrachtung nur ein "äußerlicher",
gleichsam "zufälliger" Zusammenhang, dann kann vom Erstschädiger
billigerweise nicht verlangt werden, dem Geschädigten auch für
die Folgen des Zweiteingriffs einstehen zu müssen (vgl. Senat, NJW
1989, 767 = LM § 242 (Bb) BGB Nr. 47 = VersR 1988, 1273 (1274); NJW
1992, 1381 = LM H. 7/1992 § 249 (Ba) BGB Nr. 30 = VersR 1992, 498
(499) jew. m. w. Nachw.).
So liegt der Fall hier aber entgegen der Auffassung
des BerGer. nicht, wenn - wie die Kl. behauptet haben - die beiden Geldtransportkoffer
mit Inhalt noch am Unfallort aus dem verunglückten Geldtransportfahrzeug
entwendet worden sind. Dann muß vielmehr die Bekl. als Haftpflichtversicherer
des K für die Aufwendungen aufkommen, die den Kl. durch diese Tat
entstanden sind. Durch den verkehrswidrigen Überholversuch des K und
die damit verbundene Beschädigung des Geldtransportfahrzeugs ging
einmal der Schutz verloren, den dieser Wagen als Spezialfahrzeug für
die beiden Geldtransportkoffer bot. Die Fahrertür des umgestürzten
Fahrzeugs, die durch das Unfallgeschehen teilweise geöffnet war, bot
- wenn auch nur unter Schwierigkeiten - einem Unbefugten die Möglichkeit,
in das Wageninnere zu gelangen und sich zu den Geldtransportkoffern Zugang
zu verschaffen. Zum anderen hatte der Unfall zur Folge, daß der Fahrer
und der Beifahrer wegen ihrer Unfallverletzungen ihrer Bewachungsaufgabe
nicht mehr genügen konnten. Erst durch diesen Wegfall der doppelten
Sicherung der Fracht des Geldtransporters wurde die Entwendung der beiden
Geldtransportkoffer am Unfallort möglich. Dies bedeutet, daß
sich - sind die Geldkoffer noch am Unfallort entwendet worden - in der
Schädigungshandlung des Zweitschädigers das fortwirkende Schadensrisiko
der Erstschädigung verwirklicht hat. Ein solcher Ablauf ist auch nicht
ungewöhnlich, vielmehr liegt es nahe, daß es zu einem Zugriff
Dritter auf die Ladung kommt, wenn ein Geldtransportfahrzeug bei einem
Verkehrsunfall seine personellen und technischen Sicherungen weitgehend
einbüßt und unbewacht und frei zugänglich in einem Straßengraben
liegenbleibt.
Etwas anderes gilt indes, wenn die beiden Geldtransportkoffer
erst entwendet worden sind, nachdem das beschädigte Geldtransportfahrzeug
in die sichere hoheitliche Verwahrung der Polizei genommen worden ist,
wozu allerdings noch keine abschließenden Feststellungen getroffen
worden sind. Unter solchen Umständen könnte eine Entwendung der
Geldtransportkoffer der Bekl. nicht mehr zugerechnet werden.
Somit kommt es entscheidend darauf an, ob die
Entwendung noch am Unfallort oder erst später aus einer sicheren hoheitlichen
Verwahrung erfolgt ist. Das BerGer. hat hierzu keine Feststellungen getroffen.
Diese wird es nachzuholen haben.