Internationales Sachenrecht: lex rei sitae, Abgrenzung zum Vertragsstatut, Reichweite lex rei sitae und mittelbare Rechtswahl im Internationalen Sachenrecht über den renvoi

BGH, Urt. v. 25. 9. 1997 - II ZR 113/96


Fundstellen:

NJW 1998, 1321
IPRax 1999, 45 mit Anm. Stoll
LM H. 6/1998 Art. 38 EGBGB 1986 Nr. 3 mit Anm. Dörner


Anmerkung:

Das internationale Sachenrecht ist seit dem 1.6.1999 gesetzlich in den Artt. 43 - 46 EGBGB geregelt. Sachlich ergeben sich freilich zumindest für den vorliegenden Fall keine Unterschied zum vorherigen (ungeschriebenen) Recht. Unklar ist freilich die Formulierung des BGH zur Frage der Rechtswahlmöglichkeit: Die ergibt sich nicht etwa aus einer analogen Anwendung von Art. 27 EGBGB, sondern aus der Tatsache, daß das im Wege der Gesamtverweisung berufene spanische (Kollisions-)Recht eine Rechtswahl auf dem Gebiet des internationalen Sachenrechts anerkennt (s. dazu auch Rauscher, IPR, 2. Aufl. 2002 S. 301).
Das auf die Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbare Recht (Verweisung auf das Recht des Vornahmeortes) ist nunmehr ebenfalls gesetzlich geregelt (Art. 39 EGBGB). Die vom BGH hier befürwortete akzessorische Anknüpfung an eine bestehende Rechtsbeziehung zwischen den Parteien erlaubt nunmehr Art. 41 I, II Nr. 1 EGBGB.


Amtl. Leitsätze:

1. Das deutsche internationale Privatrecht ist von Amts wegen zu beachten, wenn bei der Beurteilung eines Rechtsverhältnisses (hier: Übertragung eines Miteigentumsanteils und Ansprüche aus Miteigentum an einem ausländischen Grundstück) die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt.
2. Zur kollisionsrechtlichen Behandlung des Rechtsverhältnisses zwischen Miteigentümern einer in Spanien belegenen Eigentumswohnung.


Zum Sachverhalt:

Aufgrund eines von einem deutschen Notar beurkundeten Kaufvertrags vom 11. 12. 1984 erwarb der Bekl. vom Kl. das hälftige Miteigentum an einer diesem gehörenden Eigentumswohnung in der Ferienanlage "M" auf L.-Spanien. Nach § 10 des Vertrags sollte der Kl. zur Veräußerung der "verkauften Wohnung" an Dritte berechtigt bleiben und dem Bekl. für diesen Fall ein Anteil am Erlös oder ein Vorkaufsrecht zustehen. In § 2 des Vertrags heißt es, dem Käufer sei bekannt, daß die Wohnung vermietet sei; er trete in den Mietvertrag ein. Gem. § 5 des Vertrags sollten die Mieteinnahmen bis 31. 12. 1985 dem Verkäufer verbleiben und dieser dem Käufer dafür eine monatliche Nutzungsentschädigung von 255 DM bezahlen. Bis Mitte 1985 befand sich in der Wohnung das Büro einer mit der Vermietung der Wohnungen in der Ferienanlage befaßten Firma H, deren Geschäftsführer der Kl. war. Mit Schreiben vom 25. 7. 1985 teilte der Bekl. dem Kl. mit, daß er wegen Ausbleibens geschuldeter Zahlungen mit dieser Art von Eigennutzung nicht mehr einverstanden sei und eine Frau B beauftragt habe, das Appartement ab sofort in die Vermietung einzubeziehen. Der Kl. verwahrte sich dagegen in mehreren Schreiben ab 10. 1. 1986, verlangte seinen Mietanteil und Schadensersatz wegen Mietausfällen seitens der H. Mit Schreiben vom 15. 10. 1989 teilte er dem Bekl. unter Hinweis auf § 10 des notariellen Vertrags vom 11. 12. 1984 mit, er habe dessen Miteigentumsanteil zum Kaufpreis von 78 000 DM an eine Frau S in B. verkauft. Er hat dazu im Rechtsstreit einen privatschriftlichen, in spanischer Sprache abgefaßten Vertrag vom 13. 10. 1989 vorgelegt und unter Vorlage einer Abtretungsvereinbarung vom 6. 3. 1993 geltend gemacht, daß Frau S ihren "Mietanspruch" für die Zeit ab 1. 11. 1989 an ihn abgetreten habe. Mit seiner Klage hat der Kl. vom Bekl. Erstattung hälftiger Mieteinnahmen für die Zeit vom 1. 1. 1986 bis 31. 10. 1991 in Höhe von 71 400 DM mit dem Vortrag verlangt, daß er die Wohnung durch Mietvertrag vom 19. 7. 1982 bis zum 30. 6. 1992 zu einem Mietzins von 120 000 Ptas. an die H vermietet habe und der Bekl. durch Vermietung des Appartements an Dritte monatlich mindestens 120 000 Ptas. vereinnahmt habe. Weiter hat der Kl. vom Bekl. begehrt, dieser habe ihm, hilfsweise ihm und Frau S, den Zutritt zu der Eigentumswohnung zu verschaffen und die Wohnungsschlüssel auszuhändigen. Der Bekl. hat hilfsweise mit einer ihm aus dem Weiterverkauf seines Miteigentumsanteils an Frau S zustehenden Forderungen von 37 200 DM aufgerechnet. Das LG hat den Bekl. zur Zahlung von 20 691,60 DM nebst Zinsen und zur Herausgabe der Wohnung nach dem Hilfsantrag verurteilt. Mit seiner Berufung hat der Bekl. weiterhin Klageabweisung begehrt. Der Kl. hat sein Klagebegehren im Wege der Anschlußberufung um Ansprüche aus eigenem Recht für den Zeitraum vom 1. 11. 1991 bis 31. 12. 1992 erweitert. Das OLG hat die Berufung des Bekl. zurückgewiesen und ihn auf die Anschlußberufung des Kl. zur Zahlung von 77 199,60 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Revision des Bekl. hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. ... (Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte)

II. Das BerGer. hat den vorliegenden Sachverhalt ohne Begründung nach deutschem Recht beurteilt, obwohl sich nach den Umständen des Falles die Frage der Anwendung spanischen Rechts aufdrängte. Das ist, wie die Revision zu Recht rügt, ein Rechtsfehler, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nötigt (vgl. BGH, NJW 1995, 2097 = LM H. 8-1995 § 293 ZPO Nr. 21 = WM 1995, 1060 m. w. Nachw.; BGH, NJW 1996, 54 = LM H. 2-1996 Art. 3 EGBGB 1986 Nr. 3 = WM 1995, 2113).
1. a) Soweit das BerGer. die Verurteilung des Bekl. zur Herausgabe der Wohnung an den Kl. und Frau S (unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Urteil) auf §§ 985, 1011, 432 BGB gestützt hat, ist das schon insofern rechtsfehlerhaft, als nach dem deutschen internationalen Privatrecht für sachenrechtliche Tatbestände und Verhältnisse unter Einfluß des dinglichen Herausgabeanspruchs das Recht des Lageorts der Sache (vgl. BGHZ 108, 353 [355] = NJW 1990, 242 = LM § 305 BGB Nr. 51; BGHZ 100, 321 [324] = NJW 1987, 3077 = LM § 935 BGB Nr. 3 m. w. Nachw.; Staudinger-Stoll, BGB, 13. Bearb., Int. SachenR Rdnr. 124), hier also spanisches Recht, gilt. Das für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgebende ausländische Recht hat der Tatrichter gem. § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BGHZ 118, 142 [162] = NJW 1992, 2154 = LM H. 11-1992 § 1375 BGB Nr. 15 m. w. Nachw.; BGH, NJW 1995, 2097 = LM H. 8-1995 ZPO Nr. 21 = WM 1995, 1060; BGH, NJW 1988, 647 = LM § 293 ZPO Nr. 14 = WM 1987, 1265).
b) Weiter vermißt die Revision in dem angefochtenen Urteil zu Recht Entscheidungsgründe zu der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage Frau S durch den privatschriftlichen, nur mit notarieller Unterschriftsbeglaubigung versehenen Kaufvertrag mit dem Kl. vom 13. 10. 1989 den Miteigentumsanteil des Bekl. erworben haben soll. Die Frage eines Eigentumsübergangs ist nach spanischem Recht als lex rei sitae zu beurteilen. Dasselbe gilt für den Kaufvertrag, dessen Abfassung in spanischer Sprache darauf hindeutet, daß dessen Parteien ihn spanischem Recht unterstellen wollten (Art. 27 II EGBGB; vgl. i. ü. Art. 28 III EGBGB). Feststellungen zu dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden spanischen Recht fehlen. Der Pflicht zu dessen Ermittlung im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung des Klagebegehrens war das BerGer. auch dadurch nicht enthoben, daß der Kl. in einem der Schriftsätze, die in dem angefochtenen Urteil pauschal in Bezug genommen werden, die Rechtsbehauptung aufgestellt hat, der Abschluß eines privaten Kaufvertrages genüge für den Eigentumsübergang nach spanischem Recht (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 20. Aufl., § 293 Rdnrn. 17 f.). Insbesondere wäre zu klären gewesen, ob die notarielle Beglaubigung für eine "escritura" als Übergabeersatz gem. Art. 1462 II Codigo Civil genügt (vgl. dazu BGHZ 73, 391 [395] = NJW 1979, 1773 = LM § 313 BGB Nr. 83) oder in anderer Weise ein wirksamer Miteigentumswechsel stattgefunden hat, der hier außerdem davon abhängt, ob der Kl. aufgrund der Weiterveräußerungsermächtigung im Kaufvertrag der Prozeßparteien aus dem Jahr 1984 nach spanischem Recht über den Anteil des Bekl. im eigenen Namen wirksam verfügen konnte.
2. Das BerGer. hat den Bekl., soweit er in der Zeit vom 1. 1. 1986 bis zum 31. 12. 1992 ihm nicht gebührende Mieteinnahmen aus der Wohnung gezogen habe, zu deren Erstattung gem. § 743 I BGB und, soweit er in diesem Zeitraum erzielbare Einnahmen bis zu 120 000 Ptas. monatlich nicht gezogen habe, zum Schadensersatz aus §§ 677, 678 BGB i. V. mit positiver Forderungsverletzung verurteilt. Auch insoweit beanstandet die Revision zutreffend das Fehlen einer kollisionsrechtlichen Prüfung.
a) Was die von dem Kl. geltend gemachten Ansprüche aus dem Miteigentum der Parteien angeht, so resultieren diese aus einem sachenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis, für das - jedenfalls primär - das Recht des Lageorts gilt (vgl. Mankowski, RIW 1995, 364 [365] m. w. Nachw.). Der schuldrechtliche Charakter des Anspruchs auf Früchte des gemeinschaftlichen Gegenstands steht ebensowenig wie derjenige von Ansprüchen aus §§ 987 ff. BGB einer Anknüpfung an das Recht des Lageorts entgegen (vgl. BGHZ 108, 353 [355] = NJW 1990, 242 = LM § 305 BGB Nr. 51; Palandt-Heldrich, BGB, 56. Aufl., Anh. II zu Art. 38 EGBGB Rdnr. 5; vgl. auch Staudinger-Stoll, Int. SachenR Rdnr. 163, sowie zum Meinungsstand Böhmer, Das deutsche IPR des timesharing, 1993, S. 67). Eine andere Frage ist es, ob das auf sachenrechtlicher Grundlage bestehende Legalschuldverhältnis unter Miteigentümern einer Rechtswahl entsprechend Art. 27 EGBGB, der unmittelbar nur für vertragliche Schuldverhältnisse gilt, zugänglich ist (dafür Böhmer, S. 66-79; dagegen Mankowski, RIW 1995, 364; ders., IPrax 1991, 305 [308 f.]). Das ist zu bejahen, soweit das Recht des Lageorts Parteiautonomie und damit eine Rechtswahl gestattet (vgl. Staudinger-Stoll, Int. SachenR Rdnr. 163). Feststellungen dazu hat das BerGer. ebensowenig getroffen wie zur Frage eines übereinstimmenden, auf die Anwendung deutschen Rechts gerichteten Parteiwillens.
b) Für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gilt zwar nach h. M. - als Grundregel - das Recht des Staats, auf dessen Hoheitsgebiet das Geschäft vorgenommen worden ist (vgl. OLG Koblenz, OLGZ 92, 330, m. krit. Anm. Wandt, VersR 1992, 614, u. Brückner, IPrax 1992, 366; Kreuzer, in: MünchKomm, 2. Aufl., II Vorb. Art. 38 EGBGB Rdnr. 2; Staudinger-Stoll, Int. SachenR Rdnrn. 269, 362; a. A. Palandt-Heldrich, Art. 28 EGBGB Rdnr. 16). Ob dieser Grundregel, die zahlreiche Ausnahmen kennt (vgl. Wandt, VersR 1992, 614) zu folgen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist bei einer Fremdgeschäftsführung, die durch ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis veranlaßt oder ausgelöst wurde, primär das dieses Rechtsverhältnis beherrschende Recht anzuwenden (vgl. Kreuzer, in: MünchKomm, II Vorb. Art. 38 EGBGB Rdnrn. 2; Soergel-Lüderitz, BGB, 12. Aufl., Anh. I zu Art. 38 EGBGB Rdnr. 3). Das ist - von der Sachnähe zu diesem Recht abgesehen - schon deshalb geboten, weil sich aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis Rechte und Pflichten ergeben können, die eine Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließen und-oder im Falle einer Pflichtverletzung unmittelbar Schadensersatzansprüche auslösen. Infolgedessen können die vom BerGer. angenommenen Schadensersatzansprüche des Kl. auch nach der Rechtsanwendungsverordnung vom 7. 12. 1942 (RGBl I, 706; vgl. dazu Palandt-Heldrich, Anh. I zu Art. 38 EGBGB Rdnr. 3; Soergel-Lüderitz, Art. 38 EGBGB Rdnr. 25) nicht unabhängig von dem auf das Miteigentümerverhältnis der Parteien anzuwendenden Recht aus den deutschen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ( §§ 677 ff. BGB) hergeleitet werden.
c) Soweit der Kl. Zahlungsansprüche aus abgetretenem Recht von Frau S geltend macht, setzt dies zumindest einen wirksamen Erwerb des Miteigentumsanteils des Bekl. durch Frau S voraus. Auf die obigen Ausführungen zu II 1 b wird verwiesen.
III. Die Zurückverweisung der Sache gibt dem BerGer. Gelegenheit, gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien, die erforderlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der Anforderungen des § 293 ZPO zu treffen.