Die von der finanziell überforderten Ehefrau bei einer Umschuldung auf Verlangen der Bank übernommene Mithaftung ist ohne Hinzutreten besonders belastender Umstände nicht sittenwidrig, wenn der ursprüngliche, dem Ehemann allein gewährte Kredit zum überwiegenden Teil für die Gründung des gemeinsamen Hausstandes und andere den gemeinsamen Interessen beider Ehepartner dienende Anschaffungen verwandt wurde.
NJW 1999, 135
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Schuldbeitritts. Im Jahre 1990 hatte der als Immobilienmakler tätige türkische Ehemann der Bekl. Schwierigkeiten bei der Rückzahlung eines ihm durch die Kl. gewährten Ratenkredits über 50000 DM. Da er zusätzlich Steuerschulden in Höhe von rund 18500 DM hatte, vereinbarten die Vertragsparteien am 6. 6.1990 eine Umschuldung unter Erhöhung des Kreditrahmens auf 85000 DM. Der neue Darlehensvertrag wurde von der Bekl. auf Verlangen der Kl. als sogenannter "Mitantragsteller(in)" unterzeichnet. Die Bekl. war damals 24 Jahre alt. Sie besitzt zwar eine abgeschlossene Realschulausbildung, hat aber keinen Beruf erlernt und war auch nicht erwerbstätig. Im September 1988 hat sie einen behinderten Sohn geboren. In der Folgezeit zahlte der Ehemann der Bekl. die Beiträge für die zum Zweck der Kreditablösung abgeschlossene Lebensversicherung nicht. Die Kl. kündigte daher die Geschäftsverbindung fristlos und forderte die Eheleute zur Rückzahlung des durch die Verrechnung eines fälligen Festgeldguthabens auf 75000 DM reduzierten Darlehensbetrags auf. Die Bekl., die seit September 1993 von ihrem Ehemann getrennt lebt, ist der Ansicht, die von ihr verlangte Mitantragstellung sei sittenwidrig. Die Kl. hält dem in erster Linie entgegen, der Kredit des Ehemanns sei zum überwiegenden Teil auch der Bekl. persönlich zugute gekommen. Das LG hat der Klage gegen beide Eheleute bis auf einen Teil der Zinsen und bei der Bekl. unter Abzug von Gutschriften stattgegeben. Die von ihr eingelegte Berufung blieb erfolglos. Die Revision führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das BerGer.
Aus den Gründen:
I. Das BerGer. hat in der von der Kl. verlangten
Mitantragstellung der Bekl. einen wirksamen Schuldbeitritt gesehen und
dazu im wesentlichen ausgeführt: Zwar habe die Bekl. trotz der formularmäßigen
Bezeichnung als "Mitantragsteller" offenbar keine eigenen Ansprüche
oder Rechte gegen die Kl. erworben, sondern lediglich einen sie finanziell
erheblich überfordernden Schuldbeitritt erklärt. Da aber das
erste Darlehen ihres Ehemanns nach der glaubhaften Aussage des Kreditsachbearbeiters
H hauptsächlich für die Gründung des gemeinsamen Hausstandes
und andere im Interesse beider Eheleute liegende Anschaffungen ausgegeben
worden sei, sei der Kl. keine eigennützige und verwerfliche Ausnutzung
ihrer Machtstellung vorzuwerfen. Zusätzliche, die Bekl. besonders
belastende Umstände seien entweder nicht bewiesen oder der Kl. bei
der Umschuldung nicht bekannt gewesen.
II. Diese Erwägungen halten den Angriffen
der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Der Revision ist allerdings nicht zu folgen,
soweit sie den Schuldbeitritt auch ohne eine der Kl. zuzurechnende unzulässige
Willensbeeinträchtigung der Bekl. für sittenwidrig hält.
a) Richtig ist, daß die unbeschränkte
Mithaftungserklärung die Bekl. finanziell erheblich überforderte.
Allein die Zinsen für das Umschuldungsdarlehen beliefen sich jährlich
auf 9775 DM. Dieser Verpflichtung stand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
kein Einkommen oder Vermögen der Bekl. gegenüber. Sollte sie
trotz der für ihren behinderten Sohn aufzuwendenden Pflege die Absicht
zur alsbaldigen Aufnahme einer Arbeit gehabt haben, wäre dies belanglos,
da für eine zu nenneswerten Tilgungsleistungen geeignete Erwerbsaussicht
kein konkreter Anhalt bestand. Der Umstand, daß die Bekl. den neuen
Darlehensvertrag als sogenannter "Mitantragsteller" unterzeichnet hat,
rechtfertigt - wie auch das BerGer. zutreffend bemerkt hat - keine andere
Beurteilung. Zwar ist der Bank der Vorwurf, mit dem Haftungsbegehren für
den Darlehensnehmer bewußt eine aussichtslose Situation geschaffen
zu haben, grundsätzlich dann nicht zu machen, wenn mehrere Personen,
die ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung haben, sich als
Gesamtschuldner verpflichten und zusammen über ein Erwerbseinkommen
oder Vermögen verfügen, das ihnen eine Kredittilgung ohne Gefährdung
des eigenen Lebensunterhalts ermöglicht (s. dazu BGH, NJW 1989, 1665
= LM § 138 [Bc] BGB Nr. 59 = WM 1989, 595 [597f.]; BGH, NJW 1990,
1034 = LM § 138 [Bb] BGB Nr. 61 = WM 1990, 59f.; vgl. auch Nobbe,
Neue höchstrichterliche Rspr. zum BankR, 6. Aufl., Rdnr. 714). Da
aber mit dem neuen Kredit nach den vertraglichen Vereinbarungen die Schulden
des Ehemanns der Bekl. getilgt werden sollten, standen der Kl. von Anfang
an keine gleichberechtigten Darlehensnehmer gegenüber. Daß die
Mitantragstellung der Bekl. vor diesem Hintergrund lediglich einen Schuldbeitritt
darstellt, wird im übrigen auch von der Revisionserwiderung nicht
in Zweifel gezogen.
b) Die Tatsache allein, daß der Ehepartner
eine Verpflichtung eingegangen ist, die ihn finanziell überfordert,
macht das Rechtsgeschäft jedoch im allgemeinen noch nicht sittenwidrig.
Vielmehr müssen Umstände hinzukommen, durch die ein unerträgliches
Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern hervorgerufen wird, welches
die Mithaftung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange
des Gläubigers rechtlich nicht hinnehmbar erscheinen läßt
(s. dazu z.B. BGHZ 125, 206 [210f.] = NJW 1994, 1278 = LM H. 9-1994 §
765 BGB Nr. 91; BGH, NJW 1996, 1274 = LM H. 6-1996 § 765 BGB Nr. 104
= WM 1996, 519 [521] m.w. Nachw.). Anders als die Revision meint, ergibt
sich aus der Entscheidung des IX. Zivilsenats des BGH vom 18. 9. 1997 (NJW
1997, 3372 = LM H. 5-1998 § 765 BGB Nr. 120; zum Abdruck in BGHZ 136,
347 vorgesehen) für den vorliegenden Fall nichts anderes. Auch wenn
danach unter bestimmten Voraussetzungen zu vermuten ist, daß der
Ehegatte oder Lebenspartner sich auf die Verpflichtung nur aufgrund emotionaler
Bindung an den Hauptschuldner eingelassen und die Bank das in verwerflicher
Weise ausgenutzt hat, so betrifft dies jedenfalls nicht die Fälle,
in denen das Mithaftungsbegehren auf einer die Interessen beider Vertragsteile
hinreichend berücksichtigenden Abwägung beruht. Zwar hat die
Bekl. aus dem neuen Kredit ihres Ehemanns keinen unmittelbaren geldwerten
Vorteil erlangt (vgl. Gundlach-Halstenberg, in: Schimansky-Bunte-Lwowski,
BankR-Hdb., § 82 Rdnr. 99). Andererseits ist aber nach den unangegriffenen
Angaben des Kreditsachbearbeiters H ein innerer Zusammenhang zwischen der
auch der Bekl. unmittelbar zugute gekommenen Verwendung des alten Darlehens
sowie dem allgemein hohen Lebensstandard beider Eheleute und der notwendig
gewordenen Umschuldung nicht zu leugnen. Im Hinblick hierauf ist die dem
Mithaftungsbegehren zugrunde liegende Interessenabwägung der Kl. jedenfalls
nicht in dem Maße als unangemessen anzusehen, daß ihr ein bewußter
oder leichtfertiger Verstoß gegen die guten Sitten angelastet werden
kann.
2. Entgegen der Ansicht des BerGer. ist aber nach
dem derzeitigen Sach- und Streitstand eine die Bekl. besonders belastende
Willensbeeinträchtigung nicht auszuschließen.
a) Allerdings hat die Bekl. nicht substantiiert
dargelegt, auf welche Weise sie von ihrem Ehemann zur Abgabe der Mithaftungserklärung
gedrängt worden ist. Ihre Behauptung, mit ihm in einer "typisch moslemischen
Ehe" gelebt zu haben, läßt für sich genommen nicht auf
einen konkreten Eingriff in die Entscheidungsfreiheit schließen.
Davon abgesehen ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund sich die
Kl. eine etwaige unzulässige Willensbeeinträchtigung der Bekl.
entgegen den nicht angegriffenen Ausführungen des BerGer. zurechnen
lassen müßte.
b) Indes hat die Revision mit ihrer Verfahrensrüge
Erfolg, das BerGer. habe eine Bezeichnung der von der Kl. begehrten Mithaft
als "reine Formsache" nicht für unbewiesen halten dürfen. Die
Verharmlosung oder Verschleierung des Haftungsrisikos durch die Bank stellt
eine sittenwidrige Beeinträchtigung der Willensfreiheit des finanziell
überforderten Ehepartners dar (s. dazu etwa Urt. d. Senats, BGHZ 120,
272 [277] = NJW 1993, 322 = LM H. 4-1993 § 138 [Bc] BGB Nr. 75; vgl.
auch Gundlach-Halstenberg, in: Schimansky-Bunte-Lwowski, § 82 Rdnr.
107). Das hat auch das BerGer. nicht verkannt. Es hat jedoch lediglich
darauf abgestellt, daß die entsprechende Behauptung der Bekl. nach
der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen H nicht bewiesen sei. Dabei hat
es übersehen, daß die Bekl. sich für ihre Sachdarstellung
in der Berufungsschrift ausdrücklich auch auf das Zeugnis ihres Ehemanns
bezogen hat. Da dieser in der Berufungsinstanz nicht mehr Partei war, steht
einer Zeugenrolle unabhängig von der Möglichkeit, einen einfachen
Streitgenossen über alle lediglich die anderen Streitgenossen betreffenden
Tatsachen zu vernehmen (vgl. dazu etwa BGH, LM § 59 ZPO Nr. 4 = NJW
1983, 2508 [L] = MDR 1984, 47 m.w. Nachw.), kein prozessuales Hindernis
entgegen. Andere Gründe, die es dem BerGer. erlaubten, sich seine
Überzeugung allein auf der Grundlage der Bekundungen des Zeugen H
zu bilden, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revisionserwiderung
nicht aufgezeigt.
III. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben
und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das BerGer.
zurückzuverweisen. Dieses wird den nicht mehr bei der Kl. beschäftigten
Zeugen H noch einmal zusammen mit dem Ehemann der Bekl. über die von
ihr dem Kreditsachbearbeiter vorgeworfene Verharmlosung bzw. Verschleierung
des Haftungsrisikos vernehmen müssen. Es wird dabei H vorzuhalten
haben, daß er nach seiner bisherigen Aussage lediglich gegenüber
dem früheren Kollegen R die Anordnung zur Einbindung der Bekl. in
die Haftung ihres Ehemanns gegeben haben will, während nach der Darstellung
der Kl. er und nicht R mit der Umschuldung betraut gewesen sein soll.