Einziehungsermächtigung und Sicherungszession; Prozeßstandschaft bei stiller Sicherungszession und Verjährungsunterbrechung nach § 209 ZPO bei Klage durch den Zedenten

BGH, Urt. u 23. 3. 1999 - VI ZR 101/98 (Koblenz)

Fundstelle:

BGH NJW 1999, 2110



Amtl. Leitsätze:

1. Bei einer stillen Sicherungszession macht der Zedent die abgetretene Forderung grundsätzlich als Berechtigter geltend und führt damit die Unterbrechung der Verjährung herbei, auch wenn er die Abtretung nicht aufdeckt.
2. In einer späteren Umstellung des Klagantrags auf Zahlung an den Zessionar nach Offenlegung der Zession liegt keine Änderung des Streitgegenstandes.



Anmerkung:

Im Zentrum des Falles stehen die zentralen materiellrechtlichen und prozessualen Probleme der "stillen" Sicherungszession, insbesondere die (materiellrechtliche) Frage der Einziehungsermächtigung und ihr prozeßrechtliches "Pendant" der gewillkürten Prozeßstandschaft. Die Entscheidung ist ein gutes Beispiel für die getrennte Beurteilung der prozeßrechtlichen und der materiellrechtlichen Fragen. Der BGH legt dar, daß materiellrechtlich weder die Zession noch die Verjährungsunterbrechung durch Klage und prozeßrechtlich auch nicht die Prozeßstandschaft eine Offenlegung erfordern.



Zum Sachverhalt:

H, über dessen Vermögen im Laufe des Rechtsstreits der Konkurs eröffnet wurde, ist Eigentümer eines Rennwagens, den der Bekl. als Fahrer dieses Fahrzeuges am 26. 8. 1994 bei einer sogenannten Einstellfahrt anläßlich eines Pokalrennens beschädigte. Der Kl. als Konkursverwalter hat den vom Gemeinschuldner angestrengten Prozeß aufgenommen, mit dem er den Bekl. auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Schon vor Einreichung der Klage am 26. 9. 1995 hatte der Gemeinschuldner die Forderung gegen den Bekl. wegen der Beschädigung des Rennwagens am 25. 10. 1994 an seine Ehefrau abgetreten. Die Abtretung wurde jedoch gegenüber dem Bekl. erst mit Schreiben vom 3. 3. 1997 offengelegt. In der Berufungsverhandlung am 16. 2. 1998 hat die Ehefrau diese Forderung an den Kl. abgetreten. Das LG hat die Klage abgewiesen und das OLG die Berufung des Kl. zurückgewiesen. Die Revision war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das BerGer.

Aus den Gründen:

I. Nach Auffassung des BerGer. ist die Klage, soweit der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf eigenes Recht des Gemeinschuldners gestützt werde, unbegründet, weil diesem ein etwaiger Anspruch gegen den Bekl. mangels Aktivlegitimation nicht mehr zugestanden habe. Soweit die Klage darauf gestützt werde, daß die Ehefrau des Gemeinschuldners den hier allein in Betracht kommenden deliktischen Anspruch an den Kl. abgetreten oder diesen zur Einziehung ermächtigt habe, sei dieser Anspruch verjährt. Eine Unterbrechung der Verjährungsfrist habe weder durch die ursprüngliche Klageerhebung von Seiten des Gemeinschuldners noch durch die Aufnahme des Verfahrens durch den Kl. stattgefunden, da der an die Ehefrau abgetretene Anspruch erst am 16. 2. 1998 nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht worden sei. Vorher sei dieser Anspruch nicht Gegenstand des Streits gewesen. Es könne auch nicht angenommen werden, daß die an die Ehefrau abgetretene Forderung von dem Gemeinschuldner bei Erhebung der Klage im Wege der Prozeßstandschaft mitverfolgt worden sei. Eine gewillkürte Prozeßstandschaft setze grundsätzlich die Offenlegung der Prozeßführungsermächtigung in den Tatsacheninstanzen voraus. Eine in Prozeßstandschaft erhobene Klage unterbreche die Verjährung daher nur dann, wenn aus ihr deutlich ersichtlich sei, daß der Kl. ein fremdes Recht im eigenen Namen fordere.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Die Annahme des BerGer., die Klageforderung sei verjährt, weil der den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Anspruch nicht schon mit der Erhebung der Klage durch den Gemeinschuldner, sondern erst am 16. 2. 1998 mit der Abtretung an den Kl. oder mit dessen Ermächtigung geltend gemacht worden sei, ist von Rechtsirrtum beeinflußt. Die Revision rügt zu Recht, daß sich das BerGer. nicht mit der Frage befaßt hat, ob es sich bei der Abtretung vom 25. 10. 1994 an die Ehefrau des Gemeinschuldners um eine stille Sicherungszession gehandelt hat, die diesen berechtigte, mit verjährungsunterbrechender Wirkung Zahlung an sich selbst zu verlangen.
1. Die Verjährung wird gem. § 209 BGB unterbrochen, wenn der Berechtigte Klage erhebt. Die Klage eines Nichtberechtigten unterbricht die Verjährung nicht (BGHZ 78, 1 [3 f.] = NJW1980, 2461 = LM § 50 ZPO Nr. 33). Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt daher maßgeblich davon ab, ob der Gemeinschuldner die Klage als Berechtigter erhoben hat.
a) Wer Berechtigter i. 5. des § 209 BGB ist, richtet sich nach sachlichem Recht (BGHZ 46, 221 [229] = NJW 1967, 568 = LM § 76 ZVG Nr. 1; BGHZ 78, 1 [5] = NJW 1980, 2461 = LM § 50 ZPO Nr. 33). Danach ist Berechtigter, wem die materiellrechtliche Befugnis zur Verfügung über den Gegenstand zusteht (BGHZ 46, 221 [229] = NJW 1967, 568 = LM § 76 ZVG Nr. 1 m. w. Nachw.). Diese Verfügungsbefugnis besitzt nach ständiger Rechtsprechung auch derjenige, der aufgrund einer Einziehungsermächtigung berechtigt ist, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen, also Zahlung an sich zu verlangen (BGHZ 78, 1 [5] = NJW 1980, 2461 = LM § 50 ZPO Nr. 33; BGH, NJW 1958, 338 = LM § 185 BGB Nr. 8 = JZ 1958, 245 [246] m. w. Nachw.). Bei der Einziehungsermächtigung handelt es sich um ein abgespaltenes Gläubigerrecht, das dem Ermächtigten die Sachlegitimation verschafft, Leistung an sich selbst zu verlangen (BGHZ 125, 196 [205] = NJW 1994,2549 = LM H. 8/1994 § 237 KO Nrn. 7, 8).
Eine solche Einziehungsermächtigung kann auch mit einer fiduziarischen Abtretung, um die es sich hier - wie die Revision zu Recht geltend macht - bei der Zession an die Ehefrau des Gemeinschuldners gehandelt haben könnte, verbunden sein, denn auch bei der Sicherungsabtretung wird dem Zedenten trotz Abtretung des Vollrechts regelmäßig die Befugnis eingeräumt, die Forderung im eigenen Namen einzuziehen (RGZ 155, 50 [52]; RGZ 166, 218 [238]; BGHZ 120, 387 [395] = NJW 1993, 1396 = LM H. 6/1993 § 387 BGB Nr. 87; BGH, NJW 1989, 1932 = LM § 51 ZPO Nr. 19 = WM 1989, 585 [586]). Insoweit handelt es sich um eine treuhänderische Abtretung, die mit einer Einziehungsermächtigung kombiniert ist. Aufgrund einer solchen, mit einer Sicherungsabtretung verbundenen Einziehungsermächtigung kann der Gemeinschuldner die Zahlungsklage gegen den Bekl. auch hier erhoben haben. Ausweislich der Abtretungserklärung vom 25. 10. 1994 erfolgte die Zession, wie die Revision zu Recht geltend macht, nämlich "zur Deckung der Darlehen von meiner Frau B an mich".
b) Die mangelnde Offenlegung der Sicherungsabtretung hinderte entgegen der Auffassung des BerGer. die Verjährungsunterbrechung durch die vom Gemeinschuldner erhobene Klage nicht. Für die gewillkürte Prozeßstandschaft wird allerdings in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich verlangt, daß die Prozeßführungsbefugnis in den Tatsacheninstanzen offengelegt wird, weil im Prozeß klar sein muß, wessen Recht verfolgt wird (BGHZ 94,117 [122] = NJW 1985, 1826 = LM § 209 BGB Nr. 54; BGHZ 96, 151 [155] = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14; BGHZ 108,52 [58] = NJW 1989,2750 = LM § 651 a BGB Nr. 5; BGHZ 125, 196 [201] = NJW 1994, 2549 = LM H. 8/1994 § 237 KO Nrn. 7, 8). Zum einen gilt dies jedoch nicht für die Prozeßstandschaft im Falle einer stillen Sicherungszession (BGH, NJW 1978, 698 = LM § 50 ZPO Nr. 29, und BGH, WM 1978, 1406 [1407]; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1993, 1327). Zum anderen dürfen die prozeßrechtlichen Gesichtspunkte nicht mit dem sachlich-rechtlichen Gehalt einer Sicherungsabtretung und der mit ihr verbundenen Einziehungsermächtigung vermengt werden (BGHZ 78, 1 [5] = NJW 1980, 2461 = LM § 50 ZPO Nr. 33).
aa) Materiellrechtlich ist für die Wirksamkeit einer fiduziarischen Abtretung die Offenlegung der Zession - im Gegensatz zur Verpfändung einer Forderung (§ 1280 BGB) - nicht erforderlich. Haben die Beteiligten die Nichtaufdeckung der Abtretung vereinbart, handelt es sich um eine sogenannte stille Zession, die den Zedenten berechtigt, Leistung an sich selbst zu verlangen. Lediglich im Falle der offenen Sicherungsabtretung muß er Zahlung an den Abtretungsempfänger verlangen (BGHZ 32, 67 [71] = NJW 1960, 1105 = LM Art. 59 GrundG Nr. 1; BGHZ 96, 151 [155] = NJW 1986, 850 = LM § 51 ZPO Nr. 14; BGH, NJW 1981, 678 [679] = LM § 209 BGB Nr. 41), wobei die spätere Offenlegung im Prozeß der von vornherein offenen Abtretung gleichsteht (BGH, NJW 1989, 1932 = LM § 51 ZPO Nr. 19 = WM 1989, 585 [586]).
bb) Aber auch die Unterbrechung der Verjährung gem. § 209 BGB ist von einer Offenlegung der Zession nicht abhängig, denn es gehört gerade zum Wesen der stillen Abtretung, daß der Zedent gegenüber dem Abtretungsempfänger berechtigt ist, die Forderung im eigenen Namen einzuziehen, ohne die Abtretung offenlegen zu müssen. Deshalb macht der Zedent die Forderung als Berechtigter geltend und führt damit - entgegen der Auffassung des BerGer. - die Unterbrechung der Verjährung herbei, auch wenn er die Abtretung nicht offenlegt (BGH, NJW 1978, 698 = LM § 50 ZPO Nr. 29, und BGH, WM 1978, 1406 [1407]; vgl. auch BGHZ 78, 1 [7] = NJW 1980, 2461 = LM § 50 ZPO Nr. 33).
2. Die Unterbrechungswirkung der vom Gemeinschuldner erhobenen Klage erstreckt sich freilich auf den vom Kl. verfolgten, im Laufe des Rechtsstreits an ihn abgetretenen Anspruch nur dann, wenn es sich insoweit um denselben Streitgegenstand handelt. Denn die Verjährung wird nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang unterbrochen, wie sie mit der Klage geltend gemacht worden sind; sie erstreckt sich nicht auf solche Ansprüche, die nicht Gegenstand der Klageerhebung waren (BGHZ 104, 268 [271 ff.] = NJW 1988, 1964 = LM §209 BGB Nr.62; BGHZ 132, 240 [242 f.] = NJW 1996, 1743 = LM H. 8/1996 § 209 BGB Nr. 84; Senat, NJW 1996, 117 = LM H. 3/1996 § 209 BGB Nr. 83 VersR 1996, 76 [77]; BGH, NJW 1995, 1675 [1676] = LM H. 8/1995 § 11 Ziff. lOa AGBG Nr.3). In dem Übergang von der anfänglichen Geltendmachung eigener Ansprüche des Gemeinschuldners zu einer solchen seiner Ehefrau auf Grund vorprozessualer Abtretung liegt entgegen der Annahme des BerGer. kein Wechsel des Streitgegenstandes i. S. einer Klageänderung, denn der an die Ehefrau des Gemeinschuldners abgetretene und von dieser auf den Kl. weiter übertragene Anspruch war von Anfang an Gegenstand des Verfahrens. Bei einer stillen Zession macht nämlich der Zedent aufgrund der ihm eingeräumten Einziehungsermächtigung, auch wenn er Zahlung an sich verlangt, grundsätzlich die an den Sicherungszessionar abgetretene Forderung geltend. In einer etwaigen späteren Umstellung des Klagantrags auf Zahlung an den Zessionar nach Offenlegung der Zession läge daher keine Änderung des Streitgegenstandes, sondern lediglich eine notwendige Anpassung an die nach Offenlegung der Abtretung veränderte prozessuale Lage. Nach Aufdeckung der Sicherungsabtretung kann der Zedent nämlich, wie bereits ausgeführt, nur noch Zahlung an den Abtretungsempfänger verlangen.
3. Das angefochtene Urteil kann auch nicht aus anderen Gründen gehalten werden. Soweit die Revision geltend macht, die Klageansprüehe unterlägen der kurzen, sechsmonatigen Verjährung gem. §§ 558 II, 606 BGB, erlauben die Feststellungen des BerGer. dem Senat keine abschließende Entscheidung. Das BerGer. hat die Gesamtumstände dahin gewürdigt, daß sich die Parteien nicht "mit rechtlicher Bindungswirkung zur Teilnahme an dem fraglichen Aurorennen" hätten verpflichten wollen. Diese Würdigung ist jedoch zu kurz und schöpft den Gehalt der beiderseitigen Beziehungen nicht aus. Einmal beruft sich das BerGer. nur auf die Gesamtumstände, ohne diese darzulegen. Zum anderen erwähnt es ausdrücklich nur einen fehlenden Bindungswillen in bezug auf die Teilnahme am Autorennen, prüft aber nicht, ob die Überlassung des Wagens an den Bekl. am Tage zuvor vertragliche Beziehungen zwischen den Beteiligten in Form einer Leihe oder eines leiheähnlichen Verhältnisses begründete oder ob zwischen den Parteien gesellschaftsrechtliche Beziehungen bestanden. Der Senat kann daher nicht endgültig beurteilen, ob die Verneinung rechtlicher Verpflichtungen auch in dieser Richtung rechtsfehlerfrei erfolgt ist.



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